Parlamentskorrespondenz Nr. 543 vom 23.06.2005

VON DER ARBEITSLOSENVERSICHERUNG BIS ZUR AUSLÄNDERBESCHÄFTIGUNG

Sozialausschuss hat umfangreiche Tagesordnung zu bewältigen

Wien (PK) - Die Tagesordnung des Ausschusses für Arbeit und Soziales umfasste u.a. die Themenbereiche Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, Ausländerbeschäftigung, die Mindestpensionen sowie das Arbeiterkammergesetz und die Vorlage eines Männerberichtes.

ANPASSUNG DES INSOLVENZ-ENTGELTSICHERUNGS- UND ARBEITSLOSENVERSICHERUNGSGESETZES AN EU-RECHT


Aufgrund von Änderungen im EU-Recht war es erforderlich, Anpassungen im Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz vorzunehmen, Eine wichtige Neuerung betrifft die Einbeziehung von GmbH-Geschäftsführern und der leitenden Angestellten in den Kreis der Anspruchsberechtigten auf Insolvenz-Ausfallsgeld (IAG), sofern diese als Arbeitnehmer beschäftigt sind. Neu geregelt werden auch die Vorschriften über den Anspruch auf IAG, wenn über das Vermögen des Arbeitgebers zum Beispiel der Konkurs eröffnet wird. Weiters enthält der Entwurf u.a. die Klarstellung, wonach auch bei einer Betriebentsendung ins Ausland IAG gebührt.

Novelliert wird in diesem Rahmen auch das Arbeitslosenversicherungs-Gesetz. Derzeit gilt die Regelung, dass ein Arbeitsloser, der zu Recht entlassen worden ist, noch bis zu ein Jahr lang Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen kann, währenddessen ein Arbeitsloser, der berechtigt vorzeitig ausgetreten ist, gezwungen wird, die Korridorpension in Anspruch zu nehmen. Durch die vorgeschlagene Änderung soll nun der berechtigte vorzeitige Austritt einer Kündigung gleich gestellt werden.

In einem V-F-Abänderungsantrag geht es darum, die Mittel für die Lehrlingsausbildungsprämie dauerhaft (ohne die bisherige Einschränkung auf die Jahre 2003 bis 2005) aus dem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zur Verfügung zu stellen. Mit Hilfe dieser Prämie konnte 2004 erstmals seit mehreren Jahren die Anzahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr wieder gesteigert werden, heißt es in der Begründung dieses Antrages. Der Beitrag zur Finanzierung der Lehrlingsausbildungsprämie soll jedoch nicht dazu führen, dass der von den Arbeitgebern zu tragende Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung erhöht werden muss.

S-Abgeordneter Karl Dobnigg meinte, die im Zuge des Pensionsharmonisierungsgesetzes eingefügte Regelung des § 22 Abs. 1 AlVG will man jetzt insofern reparieren, als nunmehr jene Arten der Beendigung des letzten Dienstverhältnisses taxativ aufgezählt werden, die das Wahlrecht, trotz Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Korridorpension bis zu einem Jahr Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen zu können, hervorrufen. Durch diese Reparatur, sagte der Redner, werden die wahrscheinlich verfassungswidrigen Auswirkungen auf andere Beendigungsarten verlagert, wodurch die Arbeitsmarktintegration älterer Personen erschwert wird. So sind in Hinkunft Personen von diesem Wahlrecht ausgeschlossen, deren befristetes Dienstverhältnis durch Zeitablauf endet.

Außerdem war ihm nicht verständlich, warum Personen, die zwar einen Anspruch auf eine Korridorpension haben, diese aber wegen der hohen Abschläge nicht in Anspruch nehmen wollen, anders behandelt werden sollen als andere Arbeitslose.

Daran anknüpfend erkundigte sich G-Abgeordneter Karl Öllinger nach der tatsächlichen Situation älterer Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Auch wollte er wissen, ob Veruntreuung ein Ausschließungsgrund sei. Im Großen und Ganzen stand er zu der Vorlage und kündigte die Zustimmung der Grünen an.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) befasste sich ebenfalls mit § 22 AlVG und signalisierte Gesprächsbereitschaft über offene Fragen. Für F-Abgeordneten Maximilian Walch war es wichtig, dass die Lehrlingsausbildungsprämie weiterbezahlt wird. Abgeordneter Richard Leutner (S) legte einen S-Abänderungsantrag zu § 22 AlVG vor, wünschte Auskunft zur Vollziehung des Gesetzes im Falle eines Konkurses im Ausland und meinte, dringende Probleme sollte man in einer weiteren Novelle lösen. Sein Fraktionskollege Dietmar Keck begrüßte die Bereitschaft zu Verhandlungen. Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) verwies darauf, dass die Lehrlingssausbildungsprämie nicht der „Reißer“ sei, wie von Walch behauptet wurde, und fragte, welche Maßnahmen außer dieser Prämie noch notwendig sind, damit die Wirtschaft mehr junge Leute ausbildet.

Bundesminister Martin Bartenstein machte darauf aufmerksam, dass für die älteren Arbeitnehmer mehr Mittel ausgegeben werden. Die Sozialpartner haben sich geeinigt, eine neue Initiative zu starten und bewusstseinsbildend zu wirken, damit Frauen und ältere Arbeitnehmer mehr Möglichkeiten erhalten.

Im Zusammenhang mit der Lehrlingsausbildungsprämie hob der Ressortleiter hervor, dass im Jahr 2004 sowohl die Zahl der Lehrverträge des ersten Jahres als auch die Gesamtlehrlingszahl steigend gewesen sei. Auch unterstrich Bartenstein, dass für zusätzlich aufgenommene Lehrlinge Prämien bezahlt werden, für die Bereitstellung von innovativen Lehrberufen werde es mehr Geld geben.

In der weiteren Diskussion sprach Ausschussobfrau Heidrun Silhavy die ÖBB-Lehrwerkstätten an. G-Abgeordneter Öllinger sprach davon, dass man sich generell bei der Beschäftigung jüngerer Menschen etwas einfallen lassen sollte. Teilweise haben sie eine exzellente Ausbildung, aber wenn sie jahrelang arbeitslos sind, können sie „ihr Diplom an den Nagel hängen“. Daher müsse mehr gemacht werden als nur der „Blum-Bonus“.

Hinsichtlich der ÖBB-Lehrwerkstätten gebe es Gespräche mit Vizekanzler Gorbach, teilte der Ressortleiter mit. Es werde nicht leicht sein, Konsens zu erreichen, aber es müsse alles versucht werden, um so viele junge Menschen als möglich in ein Lehrverhältnis zu bringen.

Kommt es durch Untreue zu einer Insolvenz, dann werde das Delikt der betrügerischen Krida mit verfolgt, meinte Bartenstein in Richtung Öllinger.

Bei der Abstimmung wurde die Vorlage in der Fassung des V-F-Abänderungsantrages mit den Stimmen der beiden Koalitionsparteien und der Grünen angenommen. Der S-Abänderungsantrag fand keine Mehrheit.

AUSLÄNDERBESCHÄFTIGUNGSGESETZ WIRD NOVELLIERT

Parallel zum Fremdenrechtspaket schlägt die Regierung - in Anlehnung an diverse EU-Richtlinien – eine Novellierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vor. U.a. werden in Aussicht genommen: erweiterte Ausnahmeregelungen für Familienangehörige von EU-Bürgern, ein Rechtsanspruch auf Arbeitsmarktzugang für in Österreich niedergelassene Familienangehörige von Nicht-EU-Bürgern und eine EU-konforme Gestaltung der Bestimmungen betreffend die Betriebsentsendung von ausländischen Arbeitskräften durch Unternehmen mit Sitz in der Europäischen Union. Zudem wird Ausländern, die in einem anderen EU-Staat langfristig aufenthaltsberechtigt sind, ein freier Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt gewährt, sofern sie zuvor zwölf Monate in Österreich zu einer unselbständigen Beschäftigung zugelassen waren.


Weiters beabsichtigt die Regierung, die Dauer von Aufenthalts- und Beschäftigungsrechten besser aufeinander abzustimmen. So sollen künftig Konstellationen ausgeschlossen werden, denen zufolge ein Ausländer einen dauerhaften Arbeitsmarktzugang erwerben kann, ohne über ein dauerhaftes Niederlassungsrecht zu verfügen.

Nachgezogene Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen erhalten in Hinkunft den gleichen Zugang zu einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit wie ihre Bezugsperson. Allerdings ist es in den ersten zwölf Monaten ihres Aufenthalts zulässig, die Beschäftigungsbewilligung nur nach einer Arbeitsmarktprüfung zu erteilen, das heißt, dass ein arbeitslos vorgemerkter Inländer oder Ausländer bei Besetzung einer Stelle Vorrang hat.


Aus dem Ausländerbeschäftigungsgesetz eliminiert wird die Bestimmung, wonach bei der Verringerung von Arbeitsplätzen in einem Betrieb oder vor Einführung von Kurzarbeit Beschäftigungsverhältnisse von Ausländern vor jenen von Inländern zu lösen sind.

Ein Abänderungsantrag der Regierungsparteien befasst sich mit der Form der Ausstellung der Niederlassungsbewilligung für Schlüsselkräfte.

S-Abgeordneter Richard Leutner sprach von einer Novellierung, die aufgrund des neuen Aufenthalts- und Asylgesetzes notwendig werde.

Im Mittelpunkt der Debatte stand u.a. die Saisonnier-Regelung, die nach Meinung von Leutner adaptiert gehört; Öllinger glaubt nicht, dass der Status eines Saisonniers geeignet ist, „gute“ Arbeitsbeziehungen zu schaffen. Die Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes, der laut Grünen die Unterscheidung EWR-Bürger, die auf ihr Recht auf Freizügigkeit verzichten, und EWR-Bürger, die die Freizügigkeit in Anspruch nehmen, für verfassungswidrig hält, war ein weiterer Diskussionspunkt.

Abgeordneter Werner Fasslabend (V) sprach einen aktuellen Fall aus der Tourismus-Branche an, wo man über 130 Kräfte gebraucht, sich aber nur 8 gemeldet hätten. Deshalb meinte Fasslabend, man müsse unterscheiden zwischen jenen, denen geholfen werden müsse, und jenen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit „das Leben leichter gestalten“ wollen.

Abgeordneter Herbert Haupt (F) kündigte an, sollte es zu § 8 (Streichung der Bestimmung, dass bei Verringerung der Arbeitsplätze in einem Betrieb oder vor Einführung der Kurzarbeit die Beschäftigungsverhältnisse von Ausländern vor jenen von Inländern gelöst werden sollen) keine ausreichende Aufklärung geben, werde er dieser Regelung nicht zustimmen.

Die Fragen von Abgeordneter Terezija Stoisits (G) betrafen den Befreiungsschein und die Maßnahmen für die Familienangehörigen. Zu den Ausführungen von Fasslabend meinte Erika Scharer (S), es werde der Eindruck erweckt, als wären die ÖsterreicherInnen nicht bereit, in der Tourismus-Branche zu arbeiten. Ferner sah sie Verschlechterungen für Asylwerber am Arbeitsmarkt. Jeder, der in der Phase des verfestigten Aufenthalts sei, sollte Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, anderenfalls werde er auf den illegalen Arbeitsmarkt abgedrängt, warf Abgeordneter Öllinger ein. In der Tourismus-Branche seien die Arbeitsverhältnisse unattraktiv und die Arbeit werde schlecht bezahlt; daher helfe die von Haupt und Fasslabend angesprochene Job-Börse wenig.

Abgeordneter Dietmar Keck (S) trat dafür ein, dass in Österreich geborene und aufgewachsene Ausländer, die im Inland beschäftigt sind, eine Dauerarbeitsbewilligung erhalten. Derzeit erhalten sie nur eine Bewilligung für fünf Jahre und seien daher nach deren Ablauf von Abschiebung bedroht. Abgeordneter Richard Leutner (S) hielt es für notwendig, die Saisonnier-Regelung dringend einer Überprüfung zu unterziehen. Ihre Fraktion werde der Vorlage im Ausschuss nicht zustimmen, kündigte Obfrau Heidrun Silhavy (S) an, sie hoffe jedoch, dass bis zur zweiten Lesung noch Kompromisse in einigen Punkten gefunden werden.

Bundesminister Martin Bartenstein wies zunächst einmal darauf hin, dass mit der Vorlage EU-Richtlinien umgesetzt werden. Zum Thema Saisonniers meinte er in Richtung des Abgeordneten Leutner, dass für die Arbeitskräfte aus den neuen deutschen Bundesländern ebenso wie für die anderen EU-Bürger das Prinzip der Freizügigkeit gelte. Was die Saisonniers aus den Drittstaaten oder den neuen EU-Mitgliedsländern, für die es Beschränkungen am Arbeitsmarkt gibt, angeht, so sei das Kontingent um 10 % gesunken. Er gab noch zu bedenken, dass viele Tourismusbetriebe auf die Saisonniers angewiesen sind.

Die vom Abgeordneten Haupt angesprochene Bestimmung im Ausländerbeschäftigungsgesetz, wonach bei der Verringerung von Arbeitsplätzen in einem Betrieb oder vor Einführung von Kurzarbeit Beschäftigungsverhältnisse von Ausländern vor jenen von Inländern zu lösen sind, werde seit Jahren vom Europarat kritisiert und als diskriminierend eingestuft. Sie stehe auch im Widerspruch zu einer EU-Richtlinie, weshalb die Streichung der Bestimmung sinnvoll sei. Außerdem handle es sich dabei um "totes Recht", sagen die Experten.

In Richtung des Abgeordneten Keck merkte Bartenstein an, dass die von ihm angesprochene Personengruppe eine unbeschränkte Niederlassungsbewilligung hat und daher keine Probleme auftreten sollten. Der Abgeordneten Scharer teilte der Minister mit, dass man bei den Asylwerbern vermeiden wollte, dass jemand mit einem negativen Asylbescheid eine aufrechte Beschäftigungsbewilligung hat. Ein Experte des Ministeriums informierte noch darüber, dass auch die Kinder von ausländischen Pensionisten einen Befreiungsschein erhalten, wenn die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind (drei Jahre erwerbstätig innerhalb der letzten fünf Jahre).

Bei der getrennt durchgeführten Abstimmung wurde die Vorlage in der Fassung eines Abänderungsantrages teils mit den Stimmen von ÖVP und der Grünen (§ 8), teils mit V-F-Mehrheit beschlossen. (Forts.)