Parlamentskorrespondenz Nr. 559 vom 29.06.2005

UNTERRICHTSAUSSCHUSS BESCHLIESST SCHULRECHTSPAKET

Themen: Ganztägige Schulformen, Fünftagewoche, Berufsreifeprüfung

Wien (PK) - Die verpflichtende Führung von "Schulen mit Tagesbetreuung" ab 15 angemeldeten SchülerInnen ab dem Schuljahr 2005/2006, die grundsätzliche Einführung der 5-Tage-Woche bis einschließlich der 8. Schulstufe, die Umbenennung des Unterrichtsgegenstandes "Leibesübungen" in "Bewegung und Sport" sowie Verbesserungen im Bereich der Berufsreifeprüfung und die Streichung der Akademie für Sozialarbeit ab dem Studienjahr 2006/2007, da diese in Fachhochschul-Studiengänge umgewandelt wurde, das sind die Hauptgesichtspunkte des "Schulrechtspakets 2005", das heute unter Berücksichtigung eines V-F-Abänderungsantrages teilweise einstimmig, teilweise mehrheitlich im Unterrichtsausschuss des Nationalrates beschlossen wurde.

Die Zustimmung aller Fraktionen fanden die Bestimmungen über ganztägige Schulformen sowie über schulautonome Lehrpläne, die neue Gegenstandsbezeichnung "Bewegung und Sport" und das Auslaufen der Akademie für Sozialarbeit im Schulorganisationsgesetz. Die Neuregelung der Berufsreifeprüfung wurde nur mit den Stimmen von ÖVP und F angenommen. Die Änderungen des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes, des Schulzeitgesetzes, des Schulpflichtgesetzes, des Schulunterrichtsgesetzes, des Schulunterrichtsgesetzes für Berufstätige, des Bundesgesetzes über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern, des land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetzes, des Bundesgesetzes betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Berufsschulen, des Bundesgesetzes betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Fachschulen wurden mehrheitlich von ÖVP, SPÖ und F angenommen.

In Zukunft soll ab 15 zur Tagesbetreuung angemeldeter SchülerInnen eine Schule als "Schule mit Tagesbetreuung" geführt werden müssen, wobei die Tagesbetreuung klassen-, schulstufen- und schulübergreifend geführt werden kann. Die stundenmäßige Festlegung der gegenstandsbezogenen Lernzeit, der individuellen Lernzeit und der Freizeit, einschließlich Verpflegung, erfolgt durch den jeweiligen Lehrplan. Der Gesetzentwurf eröffnet aber die Möglichkeit, die vorgesehene Zeit für gegenstandsbezogenes und individuelles Lernen durch schulautonome Lehrpläne abändern zu können. Der finanzielle Aufwand für die Lernzeiten wird vom Bund getragen, für die Betreuung der Kinder in der Freizeit soll ein höchstens kostendeckender Betrag eingehoben werden.

Vom Schulfreien Samstag, der grundsätzlich bis zur 8. Schulstufe eingeführt wird, sind die Oberstufe der AHS, berufsbildende mittlere und höhere Schulen sowie höhere Anstalten der Lehrer- und Erzieherbildung ausgenommen. Sofern es aber regionale Gegebenheiten erfordern, kann das Klassen- oder Schulforum bzw. der Schulgemeinschaftsausschuss den Samstag an allgemeinbildenden Schulen für die gesamte Schule, für einzelne Schulstufen oder einzelne Klassen zum Schultag erklären. Aus den gleichen Gründen kann der Schulgemeinschaftsausschuss jener Schulen, an denen der Samstag ein gesetzlich festgelegter Schultag ist, diesen für die gesamte Schule, für einzelne Schulstufen oder einzelne Klassen als schulfrei erklären.

Die Schulautonomie wird in Hinkunft auch dadurch unterstrichen, dass Schulen mit besonderen Schwerpunktbildungen in ihrer Schulartbezeichnung einen entsprechenden Zusatz verwenden können.

Die Neuerungen in Bezug auf die Berufsreifeprüfung, insbesondere die  Prüfungskommission mit staatlich bestelltem Vorsitzenden, sollen deren Berechtigung für den allgemeinem Universitätszugang unterstreichen. Der Zugang zur Berufsreifeprüfung wird nun auch für AbsolventInnen von Meister- und Befähigungsprüfungen geöffnet.

Grundlage für den Beschluss des Schulrechtspakets 2005 war eine Regierungsvorlage der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (975 d.B.), womit erstmals nach Fall des Erfordernisses der Zweidrittelmehrheit für weite Bereiche der Schulgesetzgebung eine umfangreichere Novellierung von Schulgesetzen dem Parlament zugeleitet worden war.

Ein Abänderungsantrag der SPÖ, eingebracht von Abgeordnetem Erwin Niederwieser, wurde nur von SPÖ und Grünen unterstützt und fand somit nicht die erforderliche Mehrheit. Dieser enthielt unter anderem die Ermächtigung für die Ministerin, für ganztätige Schulformen pädagogische Mindesterfordernisse festzulegen. Damit könnte eine pädagogische Chance genützt werden, argumentierten er und seine Klubkollegin Christine Muttonen. Es dürfe nicht nur um das "Aufbewahren" von Kindern gehen, sondern um pädagogische Konzepte. Weitere Punkte des Antrags betrafen die Anstellung von qualitativem Personals, die Zurverfügungstellung erforderlicher Räumlichkeiten und Ausstattungen und die verpflichtende Information der Erziehungsberechtigten vor der Festlegung ganztägiger Schulformen.

Ebenso von ÖVP und F abgelehnt wurde ein von Abgeordnetem Erwin Niederwieser (S) eingebrachter Entschließungsantrag, in dem gefordert wird, den Gemeinden mittels Sonderfinanzierung zusätzliche Mittel zum Ausbau ganztägiger Schulformen zur Verfügung zu stellen.

Die Umbenennung des Unterrichtsgegenstandes "Leibesübungen" in "Bewegung und Sport" durch das Schulrechtspaket 2005 erfordert auch eine Entsprechung im Universitätsgesetz 2002. Darauf zielt ein Antrag gem. § 27 GOG der Abgeordneten Werner Amon (V) und Magda Bleckmann (F), dereinstimmig angenommen wurde.

VERHALTENSVEREINBARUNGEN SOLLEN ERNEUERT WERDEN

Die Abgeordneten Werner Amon (V) und Magda Bleckmann (F) brachten zudem einen Entschließungsantrag betreffend Überprüfung von Verhaltensvereinbarungen und Erziehungsmittel für LehrerInnen ein, der mit den Stimmen von ÖVP und F mehrheitlich angenommen wurde. Darin wird die Bildungsministerin ersucht, mit den Schulpartnern in Gespräche zu treten, um den Rahmen für Erziehungsmittel neu zu vereinbaren und gegebenenfalls einen Gesetzesvorschlag vorzulegen. Die Regierungsfraktionen regen in diesem Zusammenhang auch an, Verhaltensvereinbarungen künftig mit einer Mehrheit in jeder Kurie - SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern - im Rahmen des Schulgemeinschaftsausschusses beschließen zu können.

Der Vorsitzende des Ausschusses Werner Amon (V) verteidigte den Antrag damit, dass man von einer Verordnungskultur zu einer Vereinbarungskultur kommen müsse.

KOSTENLOSER ZUGANG ZU BERUFSREIFEPRÜFUNG IN AUSSICHT GENOMMEN

In einem weiteren Entschließungsantrag, eingebracht von den Abgeordneten Werner Amon (V) und Magda Bleckmann (F), wird die Bildungsministerin ersucht, gemeinsam mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit sowie den Ländern und Erwachsenenbildungseinrichtungen attraktive Fördermodelle für die Absolvierung der Berufsreifeprüfung zu erarbeiten und einen kostenlosen Zugang zur Berufsreifeprüfung anzustreben, bzw. finanzielle Hürden zu beseitigen. Der Antrag wurde einstimmigbeschlossen.

4-PARTEIENANTRAG ZU HOCHWERTIGER TAGEBETREUUNG VON KINDERN MIT SONDERPÄDAGOGISCHEM FÖRDERBEDARF

Mit einem weiteren einstimmig angenommenen 4-Parteien-Entschließungsantrag der Abgeordneten Franz-Joseph Huainigg (V), Magda Bleckmann (F), Dieter Brosz (G) und Erwin Niederwieser (S) betreffend Umsetzung einer qualitativ hochwertigen Tagesbetreuung wird auf den Antrag des Abgeordneten Dieter Brosz betreffend Nachmittagsbetreuung für SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und außerordentliche SchülerInnen (528/A[E]) reagiert. Darin wird die Bildungsministerin aufgefordert, eine Bedarfserhebung durchzuführen, um sicherzustellen, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf auch während der Lernzeiten die entsprechende Unterstützung erhalten. Darüber hinaus soll ein Leitfaden für LehrerInnen mit Best-practice-Beispielen zur Betreuung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf erstellt werden. Der Antrag 528/A[E] wurde einstimmig vertagt.

Miterledigt wurden der Antrag der S-Abgeordneten Beate Schasching betreffend Umbenennung des Unterrichtsgegenstandes "Leibesübungen" in "Bewegung und Sport" (487/A[E]) sowie des S-Abgeordneten Erwin Niederwieser betreffend Qualitätsoffensive für die Schulen. (469/A[E])

Die Anträge des G-Abgeordneten Dieter Brosz betreffend Bericht über die Umsetzungskosten der Empfehlungen der Zukunftskommission (620/A[E]) und betreffend Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung (630/A[E]) wurden mit V-F-Mehrheit abgelehnt.

DIE DEBATTE

Als Experte zu den Verhandlungen im Ausschuss war der Regierungsbeauftragte für Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung Egon Blum geladen, der vor allem zur Änderung des Berufsreifeprüfungsgesetzes Stellung nahm, welches Thema als erstes von den Ausschussmitgliedern behandelt wurde.

Bundesministerin Elisabeth Gehrer nannte die Berufsreifeprüfung kennzeichnend für die Durchlässigkeit des heimischen Bildungssystems. Sie habe sich als Erfolg erwiesen, was die konkreten Zahlen belegten. Mehr als fünf Prozent aller FH-StudentInnen und 3,3 Prozent aller UniversitätsstudentInnen kämen über die Berufsreifeprüfung, nicht weniger als 8.000 InteressentInnen bereiteten sich derzeit auf diese vor. Seitens ihres Hauses würden diese Prüfungen mit 1,8 Mio. Euro gefördert, denn sie ermöglichten den LehrabsolventInnen einen weiteren Bildungsweg. Wichtig sei aber, so Gehrer, dass diese Prüfung international anerkannt werde, dafür müsse die Qualität gesichert werden, welchem Umstand man mit der Vorlage Rechnung getragen habe.

Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) würdigte die Berufsreifeprüfung als eine wichtige Einrichtung, meinte aber, die bisherige Praxis habe sich bewährt. Es stehe zu befürchten, dass diese Einrichtung mit den geplanten Änderungen an Bedeutung verlieren könnte. Evaluationen stellten dem jetzigen Modus ein gutes Zeugnis aus, man sollte daher weitere Studien abwarten, ehe man die Berufsreifeprüfung unter das Kuratel des Landesschulrates stelle, zumal eine solche Vorgangsweise auch zusätzliche Kosten verursachen würde. Abgeordnete Sabine Mandak (G) unterstrich gleichfalls die positive Entwicklung der Berufsreifeprüfung, welche den neuen Berufsverläufen entspreche. Man müsse sie daher auch weiterhin voll unterstützen, vor allem auch im Hinblick auf eine internationale Anerkennung. Wichtig sei aber, dass den potentiellen AbsolventInnen keine finanziellen Kosten entstünden.

Abgeordnete Magda Bleckmann (F) sprach sich für die geplanten Neuerungen aus. Die Berufsreifeprüfung bewirke eine nähere Zusammenführung von Lehre und Matura, was zu begrüßen sei, sagte sie. Abgeordneter Werner Amon (V) bezeichnete die Berufsreifeprüfung als "absolut gute Sache" und betonte den Aspekt der allumfassenden Durchlässigkeit. Sie stelle ein wichtiges Signal dar und sollte auch entsprechend propagiert werden. In diesem Sinne äußerte sich auch Abgeordnete Anna Franz (V).

Experte Blum berichtete aus der Praxis und erläuterte dabei die Besonderheiten dieser Form. Die Vorteile lägen auf der Hand, man habe es hier mit einer Win-Win-Situation zu tun, die im Interesse des heimischen Bildungswesens weiter intensiviert werden sollte. In diesem Zusammenhang ging der Experte auch auf die bisherigen Erfahrungen mit der Berufsreifeprüfung ein.

In einer zweiten Runde befassten sich die Abgeordneten mit den übrigen auf der Agenda befindlichen Punkten. Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) räumte zwar ein, dass mit dem vorliegenden Paket "ein bisschen etwas weitergehe", dennoch sei es zu dürftig ausgefallen. Jedenfalls seien wesentliche Forderungen der Zukunftskommission nicht umgesetzt worden. Sie vermisste vor allem einen Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung ohne Schlupflöcher, eine Bedarfserhebung und die Schaffung entsprechender räumlicher Voraussetzungen. Kuntzl bedauerte auch, dass die Ganztagsschule nicht angeboten wird.

Abgeordnete Beate Schasching (S) thematisierte Aspekte der ganztägigen Schulformen und verwies darauf, dass die Sommerzeit in diesem Zusammenhang einige Probleme aufwerfe, die bis dato nicht gelöst seien. Zudem erläuterte sie ihre Initiative auf Umbenennung des Faches "Leibeserziehungen". Abgeordneter Robert Rada (S) meinte, die gegenwärtigen Schulformen würden der Arbeitswelt nicht gerecht, hier brauche es eine entsprechende Anpassung in Richtung ganztägige Schulformen. Er meinte auch, dass 10 Stunden für die Nachmittagsbetreuung zu wenig seien. Wie seine Fraktionskollegen Christian Faul und Kurt Gaßner setzte er sich mit finanziellen Aspekten dieser Thematik, insbesondere in Bezug auf die Gemeinden, auseinander.

Abgeordneter Dieter Brosz (G) bemängelte einen fehlenden Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung und die in diesem Zusammenhang fehlende Rechtssicherheit, da ein allfälliger Anspruch jeweils nur für ein Jahr gegeben sei. Auch sei auf eine soziale Staffelung zu wenig geachtet worden, kritisierte er. Das Paket weise zwar positive Schritte auf, insgesamt aber sei es nicht ausreichend, weshalb seine Fraktion in Summe die Zustimmung nicht geben könne.

Seine Klubkollegin Sabine Mandak fasste in ihrer Wortmeldung die Gründe zusammen, warum aus der Sicht der Grünen die Vorlage keine Antwort auf die Defizite darstelle: Es nütze wenig, den Unterrichtsgegenstand "Leibesübungen" in "Bewegung und Sport" umzubenennen, wenn gleichzeitig Turnstunden gekürzt würden; der mangelnde Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung und das Fehlen einer Bedarfserhebung stelle ein Manko dar; außerdem komme es dadurch zu einer Ungleichbehandlung zwischen großen und kleinen Gemeinden; die Schere bei den Kosten gehe weiter auf und die Fünf-Tage-Woche sollte mit einer ganztägigen Betreuung gekoppelt sein. Mandak sprach sich in diesem Zusammenhang auch dezidiert für die Einführung der gemeinsamen Schule der 10- bis 14jährigen aus.

Dagegen argumentierten die Abgeordneten Alfred Brader, Anna Franz und Wolfgang Großruck (alle V), dass man städtische Gebiete nicht mit ländlichen vergleichen dürfe, weil die Bedürfnisse sehr unterschiedlich wären. Daher sei die vom Ministerium vorgeschlagene individuelle Lösung der sinnvollere und praktikablere Weg.

Der Vorsitzende des Unterrichtsausschusses, Werner Amon (V), zeigte sich im Gegensatz zur Opposition sehr zufrieden mit dem vorliegenden Entwurf und sah mit diesem die wesentlichen Probleme auch hinsichtlich der Nachmittagsbetreuung gelöst. Auch in Bezug auf die Umbenennung von "Leibesübungen" ging er von einer breiten Zustimmung aus, da dieses Ziel schon in einem früheren Paket, das damals an der Zweidrittelmehrheit gescheitert sei, verfolgt worden sei.

Abgeordnete Magda Bleckmann (F) meinte, mit der Vorlage werde das umgesetzt, was finanziell und organisatorisch machbar sei. Sie stelle somit einen großen Schritt in die richtige Richtung dar. Man sollte die Umsetzung zunächst evaluieren und dann weitere Maßnahmen setzen. Jedenfalls sollte ihrer Ansicht nach der sportliche Bereich in die Nachmittagsbetreuung einfließen. Ein lückenloser Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung sei einfach nicht machbar, so Bleckmann.

Bundesministerin Elisabeth Gehrer unterstrich abschließend nochmals die Wichtigkeit der individuellen Förderung. Es mache wenig Sinn, gegenstandsbezogenes Lernen in die Nachmittagsbetreuung einzubauen, das sei Aufgabe der Förderstunden. In allen Staaten würden für die Tagesbetreuung Kostenbeiträge der Eltern eingehoben, sagte Gehrer. (Fortsetzung)


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