Parlamentskorrespondenz Nr. 592 vom 07.07.2005

MINISTERIN GEHRER IM NR-PLENUM: IM KHM GIBT ES KEINE MISSWIRTSCHAFT

Opposition fordert Abberufung von KHM-Direktor Wilfried Seipel

Wien (PK) – Im Zuge der Debatte über den Rechnungshofbericht über das Kunsthistorische Museum meinte Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S), angesichts der heutigen Terroranschläge in London seien "Geldverschwendung und Misswirtschaft" in den österreichischen Museen relativ zu sehen, dennoch sei es Aufgabe des Parlaments, über die Missstände im Kunsthistorischen Museum zu reden. Es gebe einen mehr als kritischen Bericht des Rechnungshofs, skizzierte er.

Kräuter beklagte, dass aus der "vernichtenden Kritik" des Rechnungshofes keine Konsequenzen gezogen würden, in jedem privaten Unternehmen wären die Verfehlungen von KHM-Direktor Wilfried Seipel seiner Meinung nach "ein klassischer Entlassungsgrund". Er hielt Seipel unter anderem fehlende Spesennachweise, das "Hinaufschnalzen" von Gehältern und den Verkauf seines eigenen Autos an das Kunsthistorische Museum vor. Zudem habe Seipel für Kunststaatssekretär Franz Morak eine Geburtstagsfeier um 6.000 € ausgerichtet.

Abgeordneter GAHR (V) betonte, der Rechnungshofbericht sei zwar ein kritischer, aber kein vernichtender Bericht. Für ihn ergibt sich nach den Beratungen im Rechnungshofausschuss folgendes Bild: "Wer arbeitet, macht Fehler." Immerhin sei das Kunsthistorische Museum ein dynamischer und erfolgreicher Museumsbetrieb. Externe Gutachten und eine Wirtschaftsprüfung hätten überdies ein etwas anderes Bild auf die vom Rechnungshof kritisierten Sachverhalte geworfen. Das Kunsthistorische Museum sei, so Gahr, kein Kriminalfall. Er machte überdies geltend, dass vielen Empfehlungen des Rechnungshofes bereits Rechnung getragen worden sei.

Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) forderte Bildungsministerin Gehrer auf, Seipel als Direktor des Kunsthistorischen Museums abzuberufen. Solle tatsächlich jemand, der vom Rechnungshof auf über 100 Seiten härtest kritisiert werde, "ungeschoren davonkommen", fragte er. Eine personelle Fehlbesetzung könne passieren, meinte Zinggl, niemand habe aber Verständnis dafür, dass nach einen solchen Bericht keine Konsequenzen gezogen würden.

Nach Auffassung Zinggls wäre es in der Privatwirtschaft nicht vorstellbar, dass, wenn ein Direktor "einen Flop nach dem anderen landet", der Aufsichtsrat nicht reagiere, sondern diesem im Gegenteil attestiere, das Unternehmen floriere ohnehin.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) führte aus, sie wolle nichts beschönigen, es seien gravierende Fehler passiert, bei denen es sich nicht um "Peanuts" handle. Man dürfe aber nicht aus dem Auge verlieren, dass das Kunsthistorische Museum vom künstlerischen Standpunkt wirklich erfolgreich sei. Zudem seien die meisten vom Rechnungshof aufgezeigten Mängel bereits behoben und Kontrollen eingeführt worden.

Partik-Pable erachtet es allerdings generell für notwendig, den Museumsdirektoren klar zu machen, dass sie nicht ihr Privateigentum, sondern öffentliches Eigentum verwalten würden. Das treffe nicht nur auf Seipel, sondern auch auf Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder zu, bekräftigte sie. Die Direktoren seien insbesondere angehalten, sich beim Verleihen von Werken an vorgegebene Richtlinien zu halten.

Nationalratspräsident Dr. KHOL erteilte Abgeordnetem Christian Puswald für andauernde Zwischenrufe abseits seines Platzes einen Ordnungsruf.

Kulturministerin GEHRER stellte einleitend fest, es gebe im Kunsthistorischen Museum keine Misswirtschaft und keine Geldverschwendung. KHM-Direktor Seipel habe sich keine persönlichen Vorteile verschafft und weder den Laden heruntergewirtschaftet noch eine Flop nach dem anderen gebaut. Es seien Fehler passiert, räumte Gehrer ein, diese habe man aber intensiv behandelt. Mittlerweile habe das Kunsthistorische Museum von 24 Empfehlungen des Rechnungshofes bereits 18 umgesetzt. Den Rücktritt von Seipel habe der Rechnungshof jedenfalls nicht gefordert.

Generell gibt es nach Meinung Gehrers eine enorm positive Entwicklung bei den österreichischen Museen. So seien die Besucherzahlen von 2,3 Millionen auf 3,5 Millionen jährlich gestiegen. Das Kunsthistorische Museum habe innerhalb von fünf Jahren über 100 Sonderausstellungen gemacht und 2004 einen Eigenfinanzierungsgrad von 40,9 % erwirtschaftet. Nicht alle Ausgaben des Museums seien also, so Gehrer, Steuergelder.

Abgeordnete Mag. LAPP (S) wertete Gehrers Stellungnahme als Beschwichtigungsrede und warf KHM-Direktor Seipel vor, mit den Kunstschätzen des Museums so umzugehen, als wären diese sein privater Besitz. Dessen "Feudalherrschaft" werde noch dazu von Gehrer unterstützt. Lapp mahnte von Seipel versprochene Unterlagen ein, etwa in Bezug auf den starken Personalzuwachs im Kunsthistorischen Museum.

Abgeordneter Dr. SONNBERGER (V) rief die Opposition dazu auf, die Leistungen des KHM bei der internationalen Positionierung sowie die große Wirtschaftlichkeit des Museums zu sehen. Er sprach von einer "tollen Arbeit" der Mitarbeiter unter Führung Seipels und meinte, die Kritikpunkte des Rechnungshofberichtes seien bereits ernst genommen worden.

Abgeordneter REHEIS (S) stellte hingegen fest, die Vorwürfe des Rechnungshofberichtes würden das Scheitern der Museums- und Kulturpolitik Gehrers belegen. Der Redner untermauerte die Kritik seiner Fraktion an Direktor Seipel, den er als unfähig bezeichnete, und stieß sich insbesondere an der Erhöhung der Bezüge des KHM-Chefs.

Abgeordneter NEUDECK (F) wies die Kritik der Opposition an Seipel mit der Bemerkung zurück, hier suche man den Prügel, um jemandem zu schlagen. Die aufgedeckten Missstände werden abgestellt, versicherte Neudeck, der Opposition gehe es aber bloß um "Rache". Die Touristen jedenfalls kommen nicht wegen der Belegsammlung Seipels, sondern wegen der Kunstsammlung, war für den Redner klar.

Abgeordnete SCHÖNPASS (S) zitierte aus dem Rechnungshofbericht und bezichtigte Seipel der Verschwendung von Steuergeldern. Empört zeigte sie sich vor allem über die Geburtstagsfeier für Staatssekretär Morak im Kunsthistorischen Museum, die, wie sie anmerkte, aus Steuermitteln finanziert wurde.

Abgeordneter Dr. PUSWALD (S) bekräftigte auch seinerseits die Kritik seiner Fraktion an Seipel und forderte die Entlassung des Direktors.

Abgeordneter FAUL (S) meinte, wäre Seipel Angestellter eines Unternehmens, er würde auf der Stelle entlassen werden.

Abgeordneter KRIST (S) warf der ÖVP vor, in kultureller Ehrfurcht vor Seipel zu erstarren anstatt die Konsequenz aus dessen Unfähigkeit zu ziehen und den Direktor zu entlassen.

Abgeordnete BINDER (S) appellierte ebenfalls an Ministerin Gehrer, dem "Treiben" Seipels nicht länger zuzusehen und endlich Konsequenzen zu ziehen.

Abgeordneter Ing. KAIPEL (S) stimmte in den Chor der Kritik an Seipel ein, sprach von "Zuständen wie im alten Rom" und kam zu dem Schluss, wer jetzt noch die Missstände leugnet, führe die Öffentlichkeit in die Irre.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) hielt den Vorwurf der Misswirtschaft aufrecht, stellte den Verdacht der Täuschung in den Raum und bezeichnete Seipel als untragbar.

Rechnungshofspräsident Dr. MOSER hielt fest, das Kunsthistorische Museum habe nicht gemäß den Grundsätzen der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit gehandelt. Mittlerweile sei aber sowohl von der Ministerin als auch seitens des Kunsthistorischen Museums versichert worden, dass die Empfehlungen des Rechnungshofs umgesetzt werden beziehungsweise bereits umgesetzt worden sind.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) resümierte, einen derart negativen Befund des Rechnungshofes habe es noch nie gegeben, der Bereicht sei eine Anklageschrift "von vorne nach hinten" und stelle von sich aus schon einen Rücktrittsgrund für Seipel dar.

Bei der Abstimmung wurde der RH-Bericht mit V-F-Mehrheit zur Kenntnis genommen. (Forts./Trümmerfrauen)


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