Parlamentskorrespondenz Nr. 617 vom 21.07.2005

ASYLGESETZ UND ZIVILDIENST-NOVELLE PASSIEREN DEN BUNDESRAT

Ministerin Prokop: Kriminalitätsrate heuer wieder rückläufig

Wien (PK) – In der Debatte über das Fremdenrechtspaket meinte Bundesrätin Dr. LICHTENECKER (G), man gewinne bei der Lektüre dieses Entwurfs den Eindruck, Ausländer, die nach Österreich kämen, seien prinzipiell Kriminelle, betrieben prinzipiell Asylmissbrauch. Diese Vorlage sei eine weitere "Verpolizeilichung" der Rechtsmaterie. Dieser Entwurf sei verfassungs- und menschenrechtswidrig, er sei daher unbedingt abzulehnen, meinte die Rednerin, die ihre Ansicht in der Folge im Detail begründete. Hier werde polarisiert und verschärft, mithin eine Vorgangsweise gewählt, die nur zurückgewiesen werden könne. Konkret befasste sich die Rednerin mit dem Ausweisungsschutz für Vertreter der zweiten Generation. Diesen zu eliminieren wäre die Beseitigung einer ganz wichtigen Errungenschaft und damit absolut unakzeptabel. Vielmehr brauche es ein zeitgemäßes europäisches Asylrecht.

Bundesrätin WIMMLER (V) verwies auf die breite Mehrheit, welche diese Vorlage im Nationalrat erhalten habe, und meinte, dies sei gut so, denn genau so empfände die Bevölkerung. Das Asylgesetz solle schutzbedürftigen Menschen entsprechenden Schutz bieten, aber es solle eine klare Absage an all jene sein, die mit Asyl Missbrauch treiben wollten. Das Gesetz besitze internationalen Standard und sei verfassungsrechtlich lupenrein. Ihre Fraktion werde daher gerne zustimmen.

Bundesrat SCHENNACH (G) hielt es für zynisch zu behaupten, mit dem Fremdenrechtspaket werde das Asylrecht menschlicher. In Wahrheit sei das Asylrecht seit den neunziger Jahren immer mehr verschärft worden, wobei die aktuellen Verschärfungen, von denen niemand sagen könne, ob sie juristisch halten werden, unverständlich seien, nehme die Zahl der Asylsuchenden doch erstmals ab. Man spreche viel über die Zwangsernährung, diese sei aber nur eine von vielen Verschlechterungen für die Asylsuchenden. Jedenfalls sei die Zwangsernährung möglich - auch wenn die SPÖ das Gegenteil glaube, sollte sie ihre Position zum Fremdenrechtspaket überdenken, schloss Bundesrat Schennach.

Bundesrätin Mag. NEUWIRTH (S) erinnerte an das Engagement der SPÖ in den Verhandlungen für ein menschenrechtskonformes Asylrecht, für die Beschleunigung der Verfahren und die Einschränkung des Asylmissbrauchs. Trotz vieler Kompromisse sowie vieler Bestimmungen, die die SPÖ nicht vorgeschlagen hätte - die es jetzt manchem schwer machen zuzustimmen -, können viele Verbesserungen festgestellt und das Paket insgesamt positiv beurteilt werden. Die erste und zweite Instanz werden personell aufgestockt und daher die Verfahren beschleunigt, ein Asylgerichtshof wird geschaffen. Zwangsernährung sei gegen den Willen eines Asylanten nicht möglich, die Betreuung der Flüchtlinge werde verbessert, das Abschieben traumatisierter Flüchtlinge wurde verhindert. Datenschutzrechtliche Bedenken konnten ausgeräumt werden und Vorkehrungen gegen Dumpingarbeitskräfte in Österreich wurden getroffen. Trotz einiger verbleibender Bedenken stimme die SPÖ dem Fremdenrechtspaket daher zu.

Bundesrat Dr. BÖHM (F) befasste sich im Detail mit den Neuerungen zur Beschleunigung asylrechtlicher Verfahren und für mehr Effizienz im Fremdenrecht. Positiv besprach der Bundesrat die neue Systematik des Fremdenrechts und die Umsetzung von EU-Recht im Asyl- und im Fremdenpolizeirecht. Rechtsstaatliche Defizite ortete der Redner aber beim Umgang mit Schubhäftlingen im Hungerstreik. Weder die resignative Freilassung hungerstreikender Schubhäftlinge durch die Behörde noch die Zwangsernährung, auch nicht unter dem Titel Heilbehandlung, hielt Böhm für zulässig. Vermeidung isolierender Einzelhaft, bessere psychologische und ärztliche Betreuung hielt Böhm für geeignetere Mittel als die vorgesehene Überstellung suizidgefährdeter Schubhäftlinge in Strafanstalten. - Trotz dieser Bedenken stimme er dem vorliegenden Gesetzesvorhaben zu.

Innenministerin PROKOP unterstrich ihr Ziel, ein effizienteres und zugleich menschlicheres Asylrecht zu schaffen und sprach die Hoffnung aus, die vorliegenden Gesetze in diesem Sinne umsetzen zu können. Das Fremdenrechtspaket sei aus einer breiten Diskussion, auch mit Praktikern und NGOs, hervorgegangen. Es bestehe breiter Konsens darüber, dass zu helfen sei, wo dies notwendig ist, dass Asylmissbrauch eingeschränkt und Verbrechen strafrechtlich verfolgt werden sollen. Auf Detailfragen eingehend erläuterte die Ministerin, dass Gebietsbeschränkungen nur 20 Tage lang bei der Erstaufnahme gelten, dass der Datenschutzrat in die Verhandlungen eingebunden war und die Dokumentation künftig verbessert werde. Die Feststellung von Traumatisierungen obliege künftig Ärzten. Asyl und Migration sollten in der Diskussion nicht vermischt werden. Die Trennung sei im Interesse jener notwendig, die Asyl vor Verfolgung brauchen, bekräftigte Ministerin Prokop. Die Menschen erwarten von der Politik Lösungen für grundlegende Fragen. Daher sei sie sehr froh über den parteiübergreifenden Konsens beim Fremdenrechtspaket. Es werde die große Tradition des österreichischen Asylrechts fortsetzen und entspreche gleichzeitig dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung.

Kein Einspruch.

Nächster Punkt der Tagesordnung: der Sicherheitsbericht 2003.

Bundesrat SCHIMBÖCK (S) erinnerte an die enorme Zunahme der Delikte und an die Verschlechterung der Aufklärungsquote während der letzten Jahre, insbesondere im Raum Wien. Die Ursachen dafür sah der Bundesrat in der Kürzung des Sicherheitsbudgets und in der Einsparung von 3.000 Planstellen. Der Einsatz von Gendarmeriemethoden im großstädtischen Bereich lasse keine Verbesserung der Situation erwarten, sagte Bundesrat Schimböck. Der Redner sah Handlungsbedarf bei der Dunkelfeldforschung, eine Voraussetzung für präventive Maßnahmen, etwa beim Kampf gegen den Taschendiebstahl. Schimböck bedauerte auch den Rückgang beim außergerichtlichen Tatausgleich und sah in der Zunahme von Delikten und Verurteilungen bei Jugendlichen, insbesondere im Suchgiftbereich, ein Alarmsignal - auch hier sei es notwendig, neue Wege der Prävention zu gehen, schloss Bundesrat Schimböck.

Bundesrat Dr. KÜHNEL (V) führte Personalreduktionen in der Exekutive wie in der Wirtschaft auf effizientere Arbeitsmethoden zurück. Seit 2000 sei es gelungen, die elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten von Polizei und Gendarmerie zu verbessern. Die Innenministerin und ihr Vorgänger haben sich massiv um Reformen bemüht und konnten den von roten Ressortleitern verschuldeten Reformstau auflösen.

Dem Sicherheitsbericht, den Kühnel als detailreiche Fundgrube lobte, könne entnommen werden, dass die internationale Zusammenarbeit intensiviert wurde, die Bekämpfung der Kriminalität werde immer mehr als eine internationale Aufgabe gesehen. Im bisherigen Verlauf des Jahres 2005 habe die Kriminalität in Österreich abgenommen, die Aufklärungsrate sei gestiegen. Für diesen Erfolg gratulierte Kühnel der Ressortleiterin und ihren Beamten.

Innenministerin PROKOP betonte, sie wolle den Sicherheitsbericht 2003 nicht schön reden, die Daten - Anstieg der Delikte um 8 %, ein Rückgang bei der Aufklärungsquote - hätten auch dem Innenministerium "keine Freude gemacht". Sie gab allerdings zu bedenken, dass im Berichtsjahr in manchen Bereichen wie etwa bei Verbrechen gegen Leib und Leben oder bei Sittlichkeitsdelikten mehr Fälle aufgeklärt werden konnten als 2002. Zudem wies sie auf das Problem der importierten Kriminalität - ein Täter reist für kurze Zeit nach Österreich ein, verübt mehrere schwerere Delikte und reist wieder aus - hin.

Erfreut zeigte sich Prokop darüber, dass die Kriminalitätsrate seit diesem Jahr wieder rückläufig sei. Sie führt das nicht zuletzt auf die vom Innenministerium eingeleiteten Maßnahmen zurück. So erlaubt ihr zufolge ein modernes Kriminalitäts-Monitoring maßgeschneiderte Sicherheitskonzepte für jedes Bundesland. Gleichzeitig gebe es durch die Polizeireform mehr Exekutivbeamte auf der Straße. Generell machte Prokop geltend, dass Kriminalität nur durch enge internationale Kooperation und Zusammenarbeit wirksam bekämpft werden könne.

Der Sicherheitsbericht 2003 wurde mit den Stimmen von ÖVP, Freiheitlichen und Grünen zur Kenntnis genommen.

Bundesrätin KONRAD (G) zeigte sich über die vorliegende Reform des Zivildienst es enttäuscht. Hauptkritikpunkte der Grünen seien das zum Teil viel zu geringe Verpflegsgeld für Zivildiener und die Zivildienstdauer von 9 Monaten, skizzierte sie. Ihre Partei habe vorgeschlagen, den Zivildienst in zwei Etappen auf 6 Monate zu verkürzen. Zudem ist es nach Ansicht von Konrad nicht möglich, sich von 5 € pro Tag zu ernähren.

Überrascht sei sie über die Zustimmung der SPÖ zur vorliegenden Zivildienstreform, sagte Konrad. Schließlich habe die SPÖ selbst eine Verkürzung des Zivildienstes auf 6 Monate gefordert und auch sonst keine Verbesserungen für Zivildiener herausverhandeln können.

Bundesrat Mag. BAIER (V) wertete die vorliegende Zivildienstreform hingegen als gelungenen Kompromiss zwischen verschiedenen Interessen. Die junge ÖVP Oberösterreich hätte sich auch eine Verkürzung des Zivildienstes auf 6 Monate gewünscht, sagte er, man müsse aber gewisse Realitäten zur Kenntnis nehmen und fähig sein, Kompromisse einzugehen. Bei einer Verkürzung auf 6 Monate wäre das ganze System gefährdet gewesen.

Baier zufolge bringt die vorliegende Reform zahlreiche Verbesserungen für Zivildiener, nicht nur was die Dauer, sondern auch was die soziale Situation der Zivildiener betrifft. Unter anderem wies er auf die Erhöhung der Pauschalvergütung um etwa 70 € im Monat hin.

Bundesrat LINDINGER (S) bekräftigte, die SPÖ halte weiter an ihrem Ziel, den Zivildienst auf 6 Monate zu verkürzen, fest. Die nunmehr verankerten 9 Monate bezeichnete er in diesem Sinn als Kompromiss. Einige Rechtsträger hätten bei einer weiteren Verkürzung Probleme in Bezug auf das Verhältnis zwischen Ausbildungs- und Einsatzzeit gehabt.

Als Verbesserungen für Zivildiener nannte Lindinger neben der Verkürzung des Zivildienstes die Anhebung der Pauschalvergütung und damit die Gleichstellung von Zivildienern mit Grundwehrdienern sowie den erleichterten Zugang von Zivildienern zu Beschwerdemöglichkeiten. Allgemein wies er darauf hin, dass Zivildiener früher häufig als "Drückeberger" angesehen worden seien, heute werde ihre für die Gesellschaft wichtige Arbeit anerkannt.

Innenministerin PROKOP führte aus, der Zivildienst habe, obwohl ein Wehrersatzdienst, längst eine eigenständige Bedeutung erlangt. Es sei ein großer Irrtum zu glauben, dass Zivildiener billige Ersatzarbeitskräfte im Pflegebereich seien, unterstrich sie, der Zivildienst sei lediglich eine notwendige Ergänzung.

Was die Dauer des Zivildienstes betrifft, sind 9 Monate für Prokop, wie sie sagte, eine gute Lösung. Man habe den Zivildienst von Anfang an verkürzen wollen, skizzierte sie, es habe aber ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen den Anforderungen der Trägerorganisationen und den Interessen der Zivildiener gegeben. Prokop bekräftigte, der Zivildienst werde nun nicht nur verkürzt, auch die Rahmenbedingungen würden verbessert.

Eine Mindesthöhe für das Verpflegsgeld für Zivildiener will Prokop ihrer Darstellung nach erst nach Vorliegen eines entsprechenden VfGH-Erkenntnisses, das sie für den Herbst erwartet, festsetzen. In Bezug auf die freiwillige Verlängerung des Zivildienstes um drei Monate machte die Innenministerin darauf aufmerksam, dass Zivildiener in dieser Zeit kranken-, pensions- und unfallversichert seien und 500 € erhalten würden.

Der Bundesrat erhob mit S-V-F-Mehrheit keinen Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates und erteilte der ZDG-Novelle die verfassungsmäßig erforderliche Zustimmung. (Forts.)


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