Parlamentskorrespondenz Nr. 680 vom 20.09.2005

Volksanwaltschaft urgiert Reform des Sachwalterschaftsrechts

Aktuelle Aussprache im Petitionsausschuss des Nationalrats

Wien (PK) - Die Volksanwaltschaft drängt auf eine rasche Reform des Sachwalterschaftsrechts. Volksanwalt Ewald Stadler berichtete heute im Rahmen einer aktuellen Aussprache im Petitionsausschuss des Nationalrats, dass die Volksanwaltschaft immer wieder mit Problemfällen auf diesem Gebiet konfrontiert werde. Zum einen fühlten sich betroffene Menschen von ihren Sachwaltern nicht betreut, zum anderen klagten Familienangehörige über mangelnde Information und Mitsprachemöglichkeiten. Die Volksanwaltschaft regt daher unter anderem an, im Rahmen einer Evaluierung des 20 Jahre alten Sachwalterschaftsrechtes die Stellung der Angehörigen prozessual zu regeln, ihre Informationsrechte zu verbessern und dem Sachwalter jährliche Berichtspflichten aufzuerlegen. Außerdem kann sie sich vorstellen, Sachwalterlisten aufzulegen, in die sich Interessierte eintragen können und aus denen das Gericht im Fall des Falles jemanden auswählen kann.

Weitere Themen der aktuellen Aussprache waren das Unterhaltsrecht und die diversionelle Erledigung von Delikten. Zudem informierte Volksanwalt Stadler die Abgeordneten über aktuelle Erfolge der Volksanwaltschaft im Zusammenhang mit der Aufhebung der Gastgartenverordnung der Steiermark durch den Verfassungsgerichtshof und der Rückzahlung von Strafverfügungen im Rahmen der Section Control auf der A22. Seiner Meinung nach bleiben aber trotz der erwirkten Rückzahlung grundsätzliche rechtsstaatliche Bedenken gegen die Section Control bestehen.

Um die Notwendigkeit einer Adaptierung der Diversionsbestimmungen zu verdeutlichen, schilderte Stadler einen Fall, in dem ein Autolenker mit weit überhöhter Geschwindigkeit einen Unfall mit zwei Schwerverletzten verursacht habe. Die Sache sei - gesetzeswidrig - mit einer Geldbuße in der Höhe 1.780 € diversionell erledigt worden. Obwohl einem der Opfer ein Bein amputiert habe werden müssen, gebe es keine Möglichkeit, den Fall neu aufzurollen. Wollten die Betroffenen Schadenersatz, bleibe ihnen nichts anderes übrig, als in einem Zivilprozess die Schuld des Täters zu beweisen.

Um solche Fälle in Zukunft zu verhindern, regt die Volksanwaltschaft u.a. an, im Sinne des Opferschutzes Opfer vor der diversionellen Erledigung eines Deliktes zu verständigen und ihnen so eine gewisse Mitsprachemöglichkeit einzuräumen. Zudem hielte es Stadler für sinnvoll, dem Täter eine Kombination verschiedener diversioneller Maßnahmen auftragen zu können, also etwa sowohl eine Geldstrafe als auch einen Beitrag zur Tatbeseitigung. Derzeit sei das nicht möglich, was, so Stadler, dazu führe, dass ein Großteil der Betroffenen lediglich einen Geldbetrag zu zahlen habe und sozial konstruktive Diversionsformen kaum angewendet würden. Von diesen Geldbeträgen, die dem Bundeshaushalt zugute kommen, habe das Opfer aber nichts und sie führten auch nicht unbedingt zur Einsicht des Täters. Das könne, meinte Stadler, den Eindruck erwecken, dass es bei der Diversion vorrangig um Einnahmen für den Bund gehe und das Opfer auf der Strecke bleibe. Darüber hinaus will die Volksanwaltschaft Korrekturmöglichkeiten, wenn offenkundig in gesetzwidriger Weise eine Diversion durchgeführt worden ist.

Immer wieder konfrontiert ist die Volksanwaltschaft Stadler zufolge auch damit, dass unterhaltspflichtige Väter ihren Unterhaltspflichten nicht nachkommen und es zu lange dauere, bis die allein erziehende Mutter einen Unterhaltsvorschuss erhalte. Viele der Betroffenen gerieten dadurch in die Armuts- und Schuldenfalle, was soziale Folgen habe. Nach Ansicht Stadlers wäre es nicht so schwierig, hier Abhilfe zu schaffen. Konkret schlug er vor, grundsätzlich eine Unterhaltsbevorschussung durch die Jugendwohlfahrt einzuführen und das Geld dann von den Vätern zurückzuholen. Für ihn wäre das eine sozial- und familienpolitische Maßnahme, die budgetär kaum belastend sei. Für Fälle, wo es zwischen Mutter und Vater ein Einvernehmen gibt, kann er sich ein "Opting Out" vorstellen.

Was das Sachwalterschaftsrecht betrifft, hält Stadler eine Evaluierung für dringend erforderlich. Das Justizministerium habe zwar eine Arbeitsgruppe eingerichtet, skizzierte er, ein Begutachtungsentwurf liege aber noch nicht vor. Stadler gab zu bedenken, dass es in Österreich derzeit fast 50.000 "Besachwaltete" gebe und einige Anwaltskanzleien eine ganze Reihe von Betroffenen betreuten. In solchen Fällen sehe der Besachwaltete seinen Sachwalter aber oftmals das ganze Jahr nicht, einzig und allein sein Vermögen werde verwaltet.

Sachwalterlisten, in die sich Interessierte eintragen können, könnten der Volksanwaltschaft zufolge dem Mangel an Sachwaltern vor allem am Land entgegenwirken. Zwar würde der bestehende Verein für Sachwalterschaft gute Arbeit leisten, unterstrich Stadler, auch dieser sei jedoch "heillos überlastet".

Allgemein bedauert wurde von Stadler, dass die Volksanwaltschaft beim Verfassungsgerichtshof zwar Verordnungen, aber keine Gesetze anfechten könne. In Antwort auf eine Frage von SPÖ-Abgeordneter Gabriele Heinisch-Hosek trat er für maximale "Privatautonomie" bei der Wahl des eigenen Vornamens ein.

Die Reformvorschläge der Volksanwaltschaft in Bezug auf die grundsätzliche Unterhaltsbevorschussung durch die öffentliche Hand wurden von SPÖ und Grünen unterstützt. So wies Abgeordnete Heinisch-Hosek (S) darauf hin, dass die SPÖ bereits einen entsprechenden Gesetzesantrag eingebracht habe. Ausschussvorsitzende Gisela Wurm (S) machte geltend, dass manche Frauen auch deshalb lange auf Unterhaltszahlungen warten müssten, weil die Väter ihre Vaterschaft bestreiten würden. Hinsichtlich der Reform des Sachwalterschaftsrechtes sprach sich Wurm für eine bessere Information der Bevölkerung über die Aufgaben der Sachwalterschaft aus, um mehr Personen zu animieren, diese Aufgabe zu übernehmen. 

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) schloss sich der Meinung Stadlers an, wonach die jetzige Rechtslage bei der Sachwalterschaft untragbar für jene sei, die auf einen Sachwalter angewiesen sind. Es gebe Kanzleien mit bis zu 400 Klienten, die sehr gut an diesen Personen verdienten, skizzierte sie. Haidlmayr forderte, die Bedürfnisse des Besachwalteten in den Vordergrund zu stellen und nur dann eine Anwaltskanzlei mit der Sachwalterschaft zu betrauen, wenn sich keine Familienangehörigen dafür fänden und auch der Verein für Sachwalterschaft niemanden bereitstellen könne.

Abgeordneter Karl Freund (V) gab zu bedenken, dass das Problem der Sachwalterschaft nicht einfach zu lösen sei. Es sei aber grundsätzliches Bestreben seiner Fraktion, Problemfelder anzuschauen und Verbesserungen für die Betroffenen herbeizuführen, betonte er. Das gelte auch für die Beschleunigung der Unterhaltsbevorschussung.

BESCHLÜSSE DES AUSSCHUSSES FÜR PETITIONEN UND BÜRGERINITIATIVEN

Über die aktuelle Aussprache hinaus befasste sich der Petitionsausschuss mit einer Reihe von Bürgerinitiativen sowie Petitionen und fasste folgende Beschlüsse:

Petition Nr. 65 betreffend die Errichtung einer Facharztstelle für Augenheilkunde und einer Facharztstelle für Gynäkologie im Oberen Mölltal - Einholung einer Stellungnahme des Gesundheitsministeriums.

In der Debatte hatten die Abgeordneten Helga Machne und Karl Freund (beide V) die Petition nachdrücklich unterstützt. Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) fügte hinzu, dass Fachärztemangel nicht nur ein Mölltaler, sondern ein österreichweites Problem darstelle. Ihr Verlangen auf Stellungnahmen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und der Ärztekammer blieb aber in der Minderheit der Oppositionsparteien. - Angenommen wurde hingegen der Antrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr (G) auf Ausschussfeststellung zugunsten des barrierefreien Zugangs zu Arztpraxen.  

Petition Nr. 66 betreffend ein Verbot des direkten Verkaufs von Frettchen in Tierhandlungen - Einholung einer Stellungnahme des Gesundheitsministeriums.

Petition Nr. 67 für eine freie Wahl des Vornamens - Einholung von Stellungnahmen des Justizministeriums und des Innenministeriums.

Petition Nr. 68 betreffend die Auswirkungen der Reformpläne für die Polizei in der Landeshauptstadt St. Pölten - Einholung einer Stellungnahme des Innenministeriums.

Petition Nr. 69 betreffend Umsetzung der EU-Agrarreform - Einholung einer Stellungnahme des Landwirtschaftsministeriums.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) wies einmal mehr darauf hin, dass die Umsetzung der EU-Agrarreform Grundrechte bäuerlicher Grundbesitzer berühre, weil sie keine Möglichkeit haben, Prämien für Flächen zu beantragen, die sie vor 2002 verpachtet haben, jetzt aber wieder bewirtschaften wollen. Sein Antrag auf Stellungnahmen des Verfassungsdienstes, der Volksanwaltschaft und der Landwirtschaftskammern blieb in der Minderheit von SPÖ und Grünen. - Abgeordneter Uwe Scheuch (F) hatte die Zuständigkeit des Landwirtschaftsressorts betont und darauf hingewiesen, dass die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern zu der gewählten Vorgangsweise bei der Umsetzung der Agrarreform geraten habe.  

 

Petition Nr. 70 gegen eine Motorboot-WM am Attersee - Vertagung.

Bürgerinitiative Nr. 26 betreffend die Erhaltung der Kaserne Aigen im Ennstal - Einholung einer Stellungnahme des Verteidigungsministeriums.

Bürgerinitiative Nr. 27 für ein Import- und Handelsverbot von Hunde- und Katzenfellen und von Hunde- und Katzenleder sowie von daraus hergestellten Produkten - Einholung von Stellungnahmen des Gesundheitsministeriums und des Wirtschaftsministeriums.

Petition Nr. 10 gegen die Abschaffung der Notstandshilfe und deren Ersatz durch die Sozialhilfe Neu - Vertagung.

Abgeordnete Helga Machne (V) plädierte für die "Sozialhilfe Neu", weil sie Frauen entgegenkomme, die bisher die Notstandshilfe beziehen mussten, obwohl sie wegen familiärer Verpflichtungen nicht arbeiten konnten. Abgeordnete Gisela Wurm (S) merkte an, dass Frauen vielfach deshalb nicht arbeiten können, weil Kinderbetreuungseinrichtungen fehlten, was zudem Probleme bei ihrer Altersversorgung nach sich ziehe. - Abgeordneter Anton Heinzl (S) brachte Finanzprobleme der Gemeinden durch die Einführung der "Sozialhilfe Neu" zur Sprache. 

Petition Nr. 21 betreffend die Streichung der embryopathischen (eugenischen) Indikation - Vertagung.

Bürgerinitiative Nr. 11 betreffend die Streichung der embryopatischen (eugenischen) Indikation - Vertagung.

Petition Nr. 59 gegen die Verschiebung des Umbaues des Hauptbahnhofes St. Pölten und des Weiterbaues der Güterzugumfahrung St. Pölten - Zuweisung an den Verkehrsausschuss.

Der Antrag des Abgeordneten Anton Heinzl (S) auf dringliche Behandlung im Verkehrsausschuss blieb in der Minderheit der Oppositionsparteien, nachdem Abgeordneter Johann Kurzbauer (V) darüber informiert hatte, dass die Bauarbeiten im kommenden Jahr beginnen werden.

Petition Nr. 60 gegen die Umwandlung des Landesgerichts St. Pölten in ein Regionalgericht - Vertagung.

Petition Nr. 61 für die Senkung der UVP-Schwellenwerte und die Erweiterung der Bürgerbeteiligung im Genehmigungsverfahren von Intensivtierhaltungen - Erledigung durch Kenntnisnahme.

Von der Ausschussmehrheit abgelehnt wurde der Antrag der Abgeordneten Anton Heinzl (S) und Wolfgang Pirklhuber (G), die Petition dem Umweltausschuss zuzuweisen.

Petition Nr. 62 betreffend kostenlose Schutzimpfungen gegen Hepatitis-B für freiwillige FeuerwehrhelferInnen - Vertagung.

Petition Nr. 64 betreffend die Schaffung optimaler Lärmschutzeinrichtungen im Bereich des Autobahnknotens Steinhäusl (Altlengbach) - Zuweisung an den Verkehrsausschuss.

Abgeordneter Johann Kurzbauer (V) unterstrich die Notwendigkeit der Errichtung von Lärmschutzwänden zum Schutz der Bürger/innen von Altlengbach.

Bürgerinitiative Nr. 23 betreffend Steinbruch Pfaffenberg - Vertagung. (Schluss)