Parlamentskorrespondenz Nr. 681 vom 20.09.2005

Justizausschuss macht Verbandverantwortlichkeitsgesetz plenumsreif

Koalition zieht bei Geldbußen Ober- und Untergrenze ein

Wien (PK) - Der Justizausschuss hat heute das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz plenumsreif gemacht. Die Vorlage passierte den Ausschuss in der Fassung eines V-F-Abänderungsantrags, der bei den Geldbussen eine Ober- und eine Untergrenze vorsieht, mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen. Die Zustimmung aller Fraktionen gab es bei einem ebenfalls von den Koalitionsparteien eingebrachten Entschließungsantrag, der eine Evaluierung nach vier Jahren und einen Bericht über die praktische Anwendung des Gesetzes sowie über die Wirksamkeit des Sanktionensystems vorsieht.

In der Debatte bemängelten die Vertreter der Opposition die nach ihrer Auffassung erfolgte Entschärfung des Gesetzes. Abgeordneter Johannes Jarolim (S) beklagte, mit den Änderungen sei das "Drohpotenzial" des Gesetzes massiv eingeschränkt worden. Sein Fraktionskollege Johann Maier kritisierte u.a., dass man kein Sanktionenrecht entwickelt, sondern bloß auf Geldbußen gesetzt habe. Für Abgeordneten Christian Puswald war der Entwurf nur noch eine "bescheidene Lösung", während sein Fraktionskollege Peter Wittmann eine massive Bevorzugung der Großbetriebe und der Industrie gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen ortete.

Ähnlich die Kritik der Grünen: Abgeordnete Terezija Stoisits begrüßte zwar, dass das Gesetz nach dreijähriger Diskussion endlich im Ausschuss debattiert werde, bezweifelte aber seine Wirkung gegenüber internationalen Konzernen, etwa im Fall großer Beeinträchtigungen der Umwelt. "Mikrosoft zahlt die Höchststrafe aus der Portokassa", illustrierte sie ihren Standpunkt pointiert.

Von den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen wurde der Entwurf begrüßt und verteidigt. Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) begrüßte zum einen die damit erreichte Rechtssicherheit und meinte zum anderen, mit der Orientierung der Geldbußen am Ertrag und nicht am Umsatz würde hintangehalten, dass Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet würden. Geschädigte hätten nichts davon, wenn ein Unternehmen in Konkurs geht, ergänzte Abgeordnete Karin Hakl (V).

F-Abgeordnete Helene Partik-Pable argumentierte, man betrete mit dem Gesetz Neuland; eine mögliche Verurteilung sei für die Wirtschaft eine wirksame Drohung. Zudem wäre ja eine Evaluierung vorgesehen.

Für Justizministerin Karin Gastinger ist das Gesetz "ein guter Kompromiss". Sie wies darauf hin, dass unabhängig von verhängten Geldbußen auch Schadenersatz möglich sei; zudem könnte das Gericht auch Betriebsschließungen anordnen. Geldbußen seien steuerlich nicht absetzbar. Nach Auffassung der Ressortchefin hat das Gesetz eine deutliche generalpräventive Wirkung.

Mit dem neuen Gesetz  wird eine Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten statuiert. Das eröffnet die Möglichkeit, auch juristische Personen und Gesellschaften, z.B. Personenhandelsgesellschaften, im Rahmen von gerichtlichen Verfahren zu verurteilen. Anlass für diese seit einigen Jahren diskutierte und auch in der Regierungserklärung festgeschriebene Systemänderung im österreichischen Recht sind internationale Verpflichtungen, und zwar sowohl Rechtsakte der EU als auch völkerrechtliche Verpflichtungen. Erfasst wird eine große Zahl von Delikten; die Erläuterungen sprechen von 85 Delikten im Strafgesetzbuch und rund 15 Nebengesetzen, die von Vermögensdelikten über Tötungsdelikte bis zu Tatbeständen wie Verhetzung reichen.

Ein erster Abschnitt des Entwurfs umfasst Begriffsbestimmungen und Bestimmungen über den Anwendungsbereich. Der zweite Abschnitt umfasst die materiellrechtlichen Bestimmungen. Dabei wird grundsätzlich zwischen zwei Grundfällen unterschieden: einerseits die Begehung einer Straftat durch eine Person in führender Funktion in einem Verband, anderseits die Begehung durch eine unterstellte Person bei mangelnder Überwachung und Kontrolle. Als Sanktion sind Geldbußen vorgesehen, die nach einem Tagsatzsystem berechnet werden. Der dritte Abschnitt enthält Verfahrensbestimmungen.

Die Geldbußen reichen bis zu 180 Tagsätzen, wobei der Tagessatz sich an der Ertragslage und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Verbands orientiert. In einem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Abänderungsantrag wurde in der Sitzung des Ausschusses beim Tagessatz eine Obergrenze von 10.000 und eine Untergrenze von 50 € eingezogen. Bei Verbänden mit gemeinnützigen, humanitären und kirchlichen Zwecken beträgt der Tagsatz mindestens 2 und höchstens 500 €. Außerdem ist es möglich, Geldbußen unter 70 Tagsätzen bedingt nachzusehen, wobei auch Weisungen erteilt werden können. Diese Weisungen können sich auf die Wiedergutmachung eines entstandenen Schadens und/oder auf die Verhinderung zukünftiger Schäden beziehen.

Zu Beginn der Sitzung, die unter dem Vorsitz von Ausschuss-Obfrau Maria Teresia Fekter stattfand, wurde die Tagesordnung um G-Antrag 525/A ergänzt. Außerdem wurde einstimmig eine Aktuelle Aussprache als letzter Punkt der Tagesordnung beschlossen. (Fortsetzung)