Parlamentskorrespondenz Nr. 696 vom 22.09.2005

Finanzausschuss: Beschäftigungsförderungsgesetz plenumsreif

Opposition stimmt zu, übt aber Kritik im Detail

Wien (PK) - Der Finanzausschuss machte in seiner heutigen Sitzung einstimmig einen Regierungsentwurf für ein Beschäftigungsförderungsgesetz (1075 d.B.) plenumsreif. Die Vorlage enthält flankierende Maßnahmen zur Beschäftigungs- und Wachstumsoffensive 2005/2006 von Bundesregierung und Bundesländern.

Neu eingeführt wird ein Kombilohnmodell für die Besetzung von 5.000 Niedriglohn-Arbeitsplätzen mit Anreizen für den Arbeitnehmer und einem Zuschuss für den Arbeitgeber. Das Modell soll ein Jahr lang erprobt werden. Das AMS erhält 285 Mill. € zusätzlich für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Zielgruppen weiterer Qualifizierungsmaßnahmen sind jugendliche Ersteinsteiger/innen, unqualifizierte erwachsene Arbeitslose, Wiedereinsteiger nach familiär bedingten Berufsunterbrechungen und Berufsumsteiger mit nicht (mehr) nachgefragten Qualifikationen in Gesundheits- und Pflegeberufen. Dazu kommt die Förderung des beruflichen (Wieder-)Einstiegs durch zeitlich befristete Eingliederungsbeihilfen für nicht vermittelbare Personengruppen. Eingliederungsbeihilfen für die Einstellung zusätzlicher Lehrlinge mit Förderungen für Betriebe, die ab dem Stichtag 1.9.2005 zusätzlich Lehrlinge aufnehmen. Schließlich enthält der Gesetzentwurf auch ein Sonderqualifizierungsprogramm für Frauen über 25 Jahren sowie die Förderung arbeitsmarktnaher Qualifizierungen, etwa des Europäischen Computerführerscheins.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) leitete die Debatte mit der Feststellung ein, das Beschäftigungsförderungsgesetz sollte im Sozialausschuss behandelt werden. Unbestritten sei aber, dass Maßnahmen zugunsten des Arbeitsmarktes überfällig seien. Im Einzelnen problematisierte der Abgeordnete die Einführung des Kombilohns, der die besondere Eingliederungsförderung ersetzen soll und sprach die Befürchtung aus, dass dadurch Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Nahversorgung eintreten werden. Fachhändler, die dauerhaft Mitarbeiter beschäftigen, könnten davon nicht profitieren, wohl aber große Unternehmen, die Billigjobs anbieten.

Matznetters zweiter Kritikpunkt galt dem Dienstleistungsscheck, für dessen sozialversicherungsrechtliche Abwicklung nun ein Kompetenzzentrum vorgesehen sei. Die SPÖ lehne dies ebenso ab, wie die von der Regierung gewählte Konstruktion des Dienstleistungsschecks. Einen entsprechenden Abänderungsantrag, der bei der Abstimmung in der Minderheit der Oppositionsparteien blieb, legte in der weiteren Debatte Abgeordneter Franz Riepl vor.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) wies die Aussage zurück, die aktuelle Beschäftigungsoffensive komme zu spät und machte demgegenüber auf die erfolgreichen Wachstums- und Beschäftigungspakete der letzten Jahre aufmerksam. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werde dem Bedarf in Pflege- und Gesundheitsberufen Rechnung getragen, der Wiedereinstieg nach familienbedingten Beschäftigungsunterbrechungen gefördert, die Jugendarbeitslosigkeit vermindert und Nachqualifizierungsmaßnahmen getroffen.

Über die Einführung des Kombilohns könne man diskutieren, räumte Tancsits ein, die Vorteile würden aber überwiegen, meinte er, daher sei es richtig, das Modell einzuführen und es ein Jahr lang zu beobachten. Wichtig sei auch, den Kombilohn mit Qualifizierungsmaßnahmen für Jugendliche zu verbinden und unerwünschte Nebeneffekte zu verhindern.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) führte die steigende Arbeitslosigkeit bei älteren und jungen Arbeitnehmern auf die Pensionsreform zurück und machte mit Nachdruck darauf aufmerksam, dass in AMS-Qualifizierungskursen auch ältere und kranke Arbeitnehmer sitzen, für die die Kurse völlig ungeeignet seien. Als absurd bezeichnete der Abgeordnete die Absicht der Regierung, gut ausgebildete, junge PÄDAK-Absolventen, die keine Chance auf eine Lehrerstelle haben, umzuschulen.

Der Kombilohn, den die Regierung nun einführe, habe mit dem eigentlichen Kombilohn-Modell nichts zu tun. Dieses gehe nämlich von der falschen Annahme aus, dass Arbeitnehmer durch zu hohe Sozialleistungen vom Annehmen eine Arbeitsplatzes abgehalten würden. Es sei aber zu befürchten, dass das Modell einen ersten Schritt in diese Richtung darstelle, sagte Öllinger.

In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte Abgeordneter Öllinger die Kritik an der Qualität von AMS-Qualifizierungskursen und brachte Erfahrungsberichte von Absolventen zur Sprache. In manchen Kursen werde viel Zeit vergeudet und den Teilnehmern inhaltlich "ein sehr dünner Kaffee" geboten, sodass sich viele Menschen "veräppelt" fühlten. Öllingers Vorschlag lautete, Menschen in den Ausschuss einzuladen, die solche Qualifikationen absolviert haben, damit sie über ihre Erfahrungen berichten können. Den Grund für die oft schlechte Qualität der Kurse ortete Öllinger in Geldmangel des AMS.

Ausschussvorsitzender Günter Stummvoll (V) wollte die von Abgeordnetem Öllinger referierten Beispiele aus AMS-Kursen zum Anlass nehmen, die Verantwortlichen dazu aufzufordern, solche Missstände abzustellen.

Abgeordneter Franz Riepl (S) trat einer Aussage des Abgeordneten Tancsits entgegen, bei der Lehrlingsbeschäftigung sei eine positive Trendumkehr feststellbar. Jüngste Daten zeigten laut Riepl ein anderes Bild. Die Beschäftigungspakete der Regierung, denen die SPÖ zustimme, weil sie für Maßnahmen zugunsten des Arbeitsmarktes eintrete, fehlen, so Riepl, konjunkturbelebende Maßnahmen. Unternehmen stellen Leute nicht ein, weil sie gefördert werden, sondern nur, wenn sie Arbeit haben. Daran fehle es aber wegen fehlender Nachfrage.

Abgeordneter Richard Leutner (S) bekannte sich zum vorliegenden Qualifikationspaket für Frauen, Jugendliche und Langzeitarbeitslose und trat für die Aufqualifizierung von Arbeitnehmern in Pflegeberufen ein. Bedauerlich sei, dass all diese Maßnahmen so spät ergriffen werden. Auch Leutner wies darauf hin, dass Qualifikationsmaßnahmen zwar die Arbeitsvermittlung erleichtern, aber keine Arbeitsplätze schaffen. Beim Thema Kombilohn sprach sich Leutner gegen die Subventionierung schlecht bezahlter Arbeitsplätze aus und äußerte die Befürchtung, der Kombilohn könnte zur Dequalifizierung junger Arbeitsloser führen.

Abgeordneter Reinhold Mitterlehner (V) verteidigte die Einführung des Kombilohn-Modells, indem er auf die Möglichkeit hinwies, dass sich ein Arbeitnehmer in einem Kombilohn-Job qualifiziere und aus der vorübergehenden Beschäftigung einen Dauerarbeitsplatz mache. Auch er sei dafür, Kündigungen zu verhindern, die auf die Absicht zurückgehen, einen Arbeitnehmer durch einen Kombilohn-Empfänger zu ersetzen. Auch für Mitterlehner ist die Evaluierung des Modells wichtig.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) merkte zu den Ausführungen des Abgeordneten Öllinger an, dass es auch gute Qualifikationsmaßnahmen des AMS gebe. Das AMS brauche mehr Geld und mehr Personal, um nicht gezwungen zu sein, auf Billigstanbieter zurückzugreifen. Beim Kombilohn warnte die Abgeordnete davor, Jugendliche in nicht qualifizierte Jobs zu drängen.

Abgeordnete Erika Scharer (S) hielt die Frage nach geeigneten Rahmenbedingungen in den Pflegeberufen, für die sie eine bundeseinheitliche Regelung forderte, für ebenso offen wie jene nach dem Ausbau der Heimhilfe, nach dem Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen und nach ausreichender Mobilitätsförderung der Arbeitnehmer.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) kritisierte, die Regierung versuche offenbar, Arbeitslosen in Weiterbildungsmaßnahmen zu verschieben, um die Arbeitslosenstatistik kosmetisch zu verschönern. Außerdem bezweifelte die Rednerin, ob die organisatorischen Voraussetzungen ausreichten, um 60.000 Menschen zusätzlich ein Jahr lang zu schulen.

Abgeordneter Herbert Haupt (F) erinnerte daran, dass das Kombilohn-Modell in Österreich nichts Neues sei und verwies auf ähnliche Modelle bei der Förderung der Behindertenbeschäftigung. Auch Haupt wies auf Defizite in Qualifizierungskursen hin, wobei er auf Mängel in Deutschkursen hinwies und die Bedeutung sprachlicher Schlüsselqualifikationen der Arbeitnehmer unterstrich. Abhilfe versprach sich Haupt weniger von zusätzlichem AMS-Personal, sondern von externen Kurs-Anbietern. In seinen weiteren Ausführungen forderte Haupt den elektronischen Akt bei der Anmeldung von Arbeitskräften und klagte über das Auslaufen von Empowerment-Maßnahmen zugunsten arbeitsloser Akademikerinnen.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) brach eine Lanze für die ländlichen Regionen, deren Arbeitsmärkte zunehmend unter Druck geraten und warb für die Einbeziehung der Landwirtschaft in Beschäftigungsmaßnahmen.

Abgeordneter Jakob Auer (V) berichtete von Erfahrungen in seiner Region, wo Unternehmer Schlosser, Werkzeugmacher und Lehrlinge suchten, aber keine bekommen und daher zunehmend auf deutsche Arbeitskräfte angewiesen seien. Pflegeheime könnten ihre Kapazitäten nicht nützen, weil ihnen das Personal fehle. Auf der anderen Seite werde Handwerkern, die in einen Pflegeberuf umsteigen wollen, die Umstiegsbeihilfe mit der Begründung vorenthalten, sie seien nicht arbeitslos.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) verlangte, mehr Augenmerk auf die Erwachsenenbildung zu legen.

Finanzstaatssekretär Alfred Finz führte aus, dass die Kosten von 285 Mill. € nicht gegenfinanziert werden, sodass das Finanzressort bei der Finanzierung auf einen straffen Budgetvollzug, aber auch auf ein höheres Defizit angewiesen sei. Die Behauptung des Abgeordneten Matznetter, die Regierung habe zu lange mit Maßnahmen zugunsten des Arbeitsmarktes gewartet, wies der Staatssekretär zurück. Die Regierung habe Jahr für Jahr Beschäftigungspakete geschnürt und zwar mit Erfolg: In Summe konnte das Wachstum um 1,3 % und die Zahl der Beschäftigten um 53.000 erhöht werden. Die Bemessungsgrundlage beim Kombilohn sei die Summe von Lohn und Beihilfe, eine Ausnahme bilde allerdings der Abfertigungsanspruch. Dem AMS, das viele erfolgreiche Qualifizierungskurse anbiete, konnte durch Umschichtungen mehr Personal zur Verfügung gestellt werden. (Forts.)