Parlamentskorrespondenz Nr. 709 vom 28.09.2005

AKW an Österreichs Grenzen - was tut die Regierung dagegen?

Aktuelle Stunde im Nationalrat

Wien (PK) - Die heutige Sitzung des Nationalrats begann mit einer Aktuellen Stunde, deren Thema von den Grünen ausgewählt worden war: "Große Atomausbau-Offensive an Österreichs Grenzen? Paks, Mochovce, Temelin, Krsko: Welche Initiativen setzt Bundeskanzler Schüssel?"

Bevor die Abgeordneten jedoch über grenznahe Atomkraftwerke diskutierten, gedachte Nationalratspräsident Andreas Khol des kürzlich verstorbenen ehemaligen Parteiobmanns und Klubobmanns der FPÖ, Friedrich Peter. Peter habe über 20 Jahre lang dem Nationalrat angehört und als Klubobmann der Freiheitlichen Parlamentsfraktion 16 Jahre große Verantwortung im Hohen Haus getragen, sagte Khol. Peter habe einen Beitrag dazu geleistet, dass Österreich aus einem Land, das keiner wollte, zu einem Land geworden sei, das heute alle wollen. Er habe Österreichs erfolgreichen Weg mitgestaltet.

Als erste Rednerin in der Aktuellen Stunde trat Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek (G) ans Rednerpult. Sie warf der Regierung vor, gegen die Aus- und Neubaupläne von Atomkraftwerken an Österreichs Grenzen nichts zu tun oder nur unzureichend vorzugehen. Glawischnig-Piesczek erinnerte an das Ziel, ein AKW-freies Mitteleuropa zu schaffen. In den 1990er Jahren seien aber an Österreichs Grenzen vier Reaktoren gebaut worden. Jetzt stehe man vor einer ähnlichen Situation, nachdem das AKW Paks in Ungarn, ein alter russischer Reaktor, für weitere 20 Jahre in Betrieb bleiben soll und man in Slowenien nachdenke, ob man den zusätzlichen Strombedarf ab 2014/15 durch Atomstrom decken solle. Es sei auch zu befürchten, dass Mochovce mit frischem französischem Geld fertig gebaut werde. Protestieren alleine helfe da nichts.

Auf Grund des hohen Ölpreises denke man in Europa grundsätzlich wieder über den Ausbau von Atomstrom nach. In diesem Zusammenhang sei auch der 12. September dieses Jahres ein schwarzer Tag für die AtomgegnerInnen gewesen, nachdem in Finnland mit dem Bau eines neuen Atomkraftwerks begonnen und damit unter Umständen eine neue Ära in Europa eingeleitet worden sei. Glawischnig-Piesczek warnte davor, in dieser Situation abermals so untätig zu sein wie in den 1990er Jahren.

Obwohl bis jetzt in unseren Nachbarstaaten noch keine Entscheidung gefallen sei, müssten seitens der Bundesregierung Alternativen, wie der Bau von Wasserkraftwerken, angeboten werden. Im Gegensatz dazu habe sich Bundeskanzler Schüssel im deutschen Wahlkampf eingemischt und die Kandidatin unterstützt, die den geplanten Atomausstieg im Jahr 2020 rückgängig machen wolle. Die deutsche Entscheidung werde aber eine Weichenstellung für ganz Europa bedeuten, so Glawischnig-Piesczek, und appellierte an die Bundesregierung, glaubwürdig zu agieren.

Bundesminister DI PRÖLL räumte ein, dass es auf Grund der ansteigenden Preise für fossile Brennstoffe und des hohen CO2-Ausstoßes in Europa Überlegungen gebe, wieder stärker in die Nuklearproduktion einzusteigen. Gleichzeitig unterstrich der Umweltminister, dass es an Österreichs Grenzen keine konkreten Pläne über den Ausbau von AKW gebe.

Keine andere Regierung in der EU habe sich so deutlich gegen den Ausbau von Atomkraft ausgesprochen wie Österreich, sagte Pröll. Energiepolitik sei aber nationale Angelegenheit, und darauf habe Österreich beim EU-Beitritt bestanden, damit niemand über die heimische Energiepolitik außerhalb Österreichs bestimmen könne. Man müsse daher das nationale Recht respektieren, Österreich engagiere sich jedoch unter Einsatz aller rechtlichen Mittel. Österreich habe auch erfolgreich alternative Energieproduktion ausgebaut und wie kein anderes Land auf Ökostrom gesetzt, der heute zirka 7 % an der gesamten heimischen Energieproduktion ausmache. Man sei auch im Bezug auf Umwelttechnologie äußerst erfolgreich unterwegs.

Zu den von den Grünen angesprochenen grenznahen AKW meinte Pröll, seitens der Direktion von Krsko habe es Überlegungen zum Ausbau gegeben. Er habe daraufhin sofort an die slowenische Regierung geschrieben, worauf er die Antwort erhalten habe, es gebe keine konkreten Ausbaupläne. Im Fall des AKW Paks in Ungarn überlegten Betreiber und Regierung eine Laufzeitverlängerung, wobei Österreich eng in die Umweltverträglichkeitsprüfung eingebunden sei. Dabei werde Österreich sämtliche legistische Möglichkeiten ausschöpfen. Auch hinsichtlich des Euratom-Vertrages habe kein anderes Land einen so klaren Standpunkt vertreten wie Österreich.

Abgeordneter KOPF (V) warf den Grünen vor, mit der Angst der Bevölkerung zu spielen und vermeintliche Krisenherde heraufzubeschwören. Faktum sei, so Kopf, dass es seitens der slowenischen Regierung keine konkreten Pläne gebe. Kopf kritisierte auch Grüne Bürgerinitiativen gegen Windenergie und Wasserkraft und hielt ihnen vor, Österreich schlecht zu machen. Im Gegensatz dazu verfüge Österreich über einen hohen Grad an Wasserkraftwerken, man könne das Ökostromgesetz als Vorzeigemodell vorweisen und die Bundesregierung habe unzählige Anti-Atominitiativen in Europa gesetzt.

Abgeordneter KRAINER (S) artikulierte die Ängste der Bevölkerung vor den Gefahren der Atomkraft. Anstatt sich zum Anwalt der Sorgen der Menschen mache, hätten sich die Aktivitäten der Bundesregierung zu Temelin als ein Placebo erwiesen. Die Melker Vereinbarung sei nicht Teil des Beitrittsvertrags mit der Tschechischen Republik, Temelin sei nicht sicherer geworden und trotzdem in Betrieb gegangen und Österreich habe keine Klagemöglichkeit. Darüber hinaus habe die Regierung auf EU-Ebene der Aufstockung für Mittel für die Atomkraft zugestimmt. Wenn es auch derzeit keine Entscheidungen über den Ausbau grenznaher AKW gebe, so sei angesichts der Diskussionen jetzt der richtige Zeitpunkt, aktiv zu werden. Sobald Entscheidungen gefallen seien, sei es zu spät, sagte Krainer.

Abgeordneter WITTAUER (F) erinnerte daran, dass die Freiheitlichen vor dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten für eine Volksabstimmung eingetreten seien. Die Grünen hätten damals gemeint, nur innerhalb der EU seien die Probleme zu lösen, jetzt wiederum machten sie die Bundesregierung verantwortlich. Auch Wittauer betonte die nationale Kompetenz in Energiefragen innerhalb der EU, weshalb Österreich die diesbezüglichen Probleme anderer Länder nicht lösen und auch die Pläne der anderen Staaten nicht verhindern könne. Die Grünen seien unglaubwürdig, weil sie Wasserkraftwerke verhindern wollen. Auch in der SPÖ gebe es Politiker, namentlich Hannes Androsch, der die Schließung von Zwentendorf auch heute noch scharf kritisiere.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) konzentrierte sich auf die Rolle der ÖVP in dieser Frage und unterzog das Engagement des Bundeskanzlers im deutschen Wahlkampf einer scharfen Kritik. Schüssel habe dort die Atom-Lobbyisten unterstützt, bemerkte Kogler. Die Bartenstein-Schüssel-Linie geht laut Kogler dahin, Milliarden in nicht erneuerbare Energieträger zu investieren. Die ÖVP habe auch nichts gegen grenznahe AKW unternommen und habe sich lediglich darauf beschränkt, Briefe zu schreiben. Kogler warnte vor allem vor dem Ausbau von Krsko, da dieses auf einer Erdbebenlinie stehe. Durch den Bau der 380-KV-Leitung in der Steiermark werde mit Steuergeldern der Atomstromtransit finanziert, mutmaßte Kogler.

Abgeordneter HORNEK (V) hob aus seiner Sicht hervor, dass Österreich in der Frage Atomenergie immer eine klare Linie verfolgt habe. So sei die erneuerbare Energieproduktion stark forciert worden, und durch massive Investitionen habe man in kurzer Zeit einen 7-%igen Anteil am Ökostrom erreichen können. Darüber hinaus seien auch Schritte gesetzt worden, um Treibstoffe zu kompensieren, sodass in naher Zukunft mehr Energie von den Feldern der Bauern als von den österreichischen Erdölfeldern kommen werde. Österreich sei bereits jetzt Marktführer bei Umwelttechnologien. In Richtung der Grünen merkte er an, wer in der Energiepolitik gegen alles sei, sei für nichts.

Abgeordneter SCHOPF (S) sprach insbesondere Temelin und den Melker Prozess an, den er als gescheitert bezeichnete. Mittlerweile habe es 80 Störfälle gegeben, die Informationen kämen aber nur spärlich und verspätet. Während Minister Pröll vor wenigen Monaten noch bestritten hatte, dass Temelin in den Dauerbetrieb gehe, sei das nun ein Faktum. Auch Schopf vermisste einklagbare Rechte und warf der Regierung vor, es nicht geschafft zu haben, die Melker Vereinbarung im Beitrittsvertrag zu verankern. Der Redner forderte, endlich den Endbericht vorzulegen.

Abgeordneter WALCH (F) unterstrich die Gefährlichkeit von Atomkraftwerken, wies aber darauf hin, dass bei Baubeginn von Temelin im Jahr 1983 die SPÖ den Regierungschef gestellt habe. Beim kürzlichen Treffen der parlamentarischen Freundschaftsgruppe mit tschechischen Abgeordneten sei die SPÖ nicht dabei gewesen, obwohl man dort sehr intensiv über die Probleme mit Temelin diskutiert habe. Es sei auch schmerzlich, so Walch, dass Umweltlandesrat Anschober bislang nichts habe bewegen können. Im Gegensatz dazu habe sich die Bundesregierung unermüdlich engagiert. Bei der Ratifizierung der EU-Erweiterung hätten lediglich zwei F-Abgeordnete gegen den Beitritt Tschechiens gestimmt.

Abgeordnete REST-HINTERSEER (G) hielt dem entgegen, dass Umweltlandesrat Anschober ein Gutachten in Auftrag gegeben habe, aus dem hervorgehe, dass die Melker Vereinbarung doch einklagbar sei. Sie halte es daher für unverständlich, warum der Minister nicht klage. Die Atomenergie sei eine Risikotechnik, sagte die Grün-Abgeordnete, und man habe errechnet, dass das Risiko hinsichtlich eines Super-GAUs in Europa 16 % betrage. Atomstrom sei für die Energieversorgung durchaus verzichtbar, da nur 2,3 % des weltweiten Energieproduktion auf Atomstrom falle. Trotzdem würden in der EU weitere Milliarden in die Kernenergie gesteckt. Rest-Hinterseer plädierte dafür, dieses Geld in die Erforschung erneuerbarer Energieträger zu investieren. Die Atomenergie sei auch ein ungeheurer Müllproduzent, stellte Rest-Hinterseer fest und wies darauf hin, dass die Schweiz ein Endlager in unmittelbarer Grenze zu Österreich plane. Außerdem fördere Atomenergie die Verbreitung von Atomwaffen. Rest-Hinterseer kritisierte auch die vorgesehene Änderung des Ökostrom-Gesetzes in Österreich.

(Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)