Parlamentskorrespondenz Nr. 773 vom 12.10.2005

Neuerungen im Arzneimittelrecht passieren Gesundheitsausschuss

Verbot von Arzneimittelrabatten für Opposition nicht ausreichend

Wien (PK) - Der Gesundheitsausschuss hat heute die Umsetzung von EU-Richtlinien zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Human- und Tierarzneimittel verabschiedet. Zu den Änderungen in zahlreichen Normen des Arzneimittelrechts gehört auch ein ausdrückliches Verbot von Arzneimittel-"Naturalrabatten" für Ärzte. Die Verhandlungen wurden auf der Basis zweier Regierungsvorlagen (1092 d.B. und 997 d.B.) geführt. Im inhaltlichen Zusammenhang brachten die Abgeordneten Erwin Rasinger (V) und Herbert Haupt (F) einen Antrag (§ 27) mit Rechtsanpassungen und Präzisierungen im Musterschutz-, Markenschutz-, Patentamtsgebühren- und Patentanwaltsgesetz ein. Weiteren Rechtsanpassungen dienten zwei Abänderungsanträge zu den Regierungsentwürfen. Die Beschlüsse fielen teils mit der Mehrheit der Regierungsparteien, teils auch mit Zustimmung der SPÖ. Eine Ausschussfeststellung über die Aufrechterhaltung der Abgaberechte von Drogisten im derzeitigen Umfang wurde einstimmig getroffen. Das Verbot von Arzneimittelrabatten war den Oppositionsparteien zu wenig weitgehend, weil Geldrabatte weiterhin zulässig bleiben.

Mit der Mehrheit der Koalitionsparteien wurden zwei Entschließungsanträge der SPÖ (368/A[E], 57/A[E]) zum Thema Nahrungsergänzungsmittel abgelehnt. Abgeordneter Johann Maier (S) hatte eine umfassende Untersuchung der Nahrungsergänzungsmittel und einen Ressortbericht darüber bis Ende Oktober verlangt. Gesetzliche Regelungen, die über die vorliegenden hinausgehen, seien notwendig, um vor verbotenen Stoffen in Nahrungsergänzungsmitteln warnen zu können, und zwar öffentlich und unter vollständiger Namensnennung, sagte SP-Abgeordneter Maier. Der Gesundheitsministerin warf Maier Versäumnisse bei der Kontrolle des Internethandels mit Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln vor.

  

Die neuen Bestimmungen 

Die Neuerungen sollen die Rechtssicherheit in der Produktion und bei der Genehmigung von Arzneimitteln erhöhen und Investitionshindernisse beseitigen. Für Arzneimittel gelten künftig ausschließlich arzneimittelrechtliche Regelungen, auch dann, wenn das Medikament zugleich anderen Definitionen (Medizinprodukt, Biozid, Kosmetikum, Nahrungsergänzungsmittel) entspricht. Diesbezügliche Entscheidungen trifft ein Abgrenzungsbeirat. Die Registrierung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel wird vereinfacht. Neu geregelt wird auch der "Unterlagenschutz", der Patentschutz für Arzneimittel. Die Pharma-Industrie kann innovative Arzneimittel weiterhin exklusiv vermarkten, Generika dürfen erst nach Ablauf des EU-einheitlichen Unterlagenschutzes auf den Markt kommen. Aber auch die Generika-Forschung wird erleichtert: Generika-Hersteller können ihr Produkt schon während der Patentlaufzeit eines Original-Medikaments entwickeln und dürfen es ohne Vorbereitungsverfahren einführen, sobald das Patent ausläuft. Außerdem wird die Pharmakovigilanz verbessert, die systematische Dokumentation der Nebenwirkungen von Medikamenten. Die Durchführung klinischer Prüfungen wird neu geregelt und therapeutische Forschung in Notfällen erlaubt, wenn für den Patienten der Nutzen die Teilnahme überwiegt. Studien und Versuche, die für eine arzneimittelrechtliche Zulassung in Österreich oder in den anderen Mitgliedstaaten der EU erforderlich sind, werden vom Patentschutz frei gestellt.

Die Debatte

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) bekannte sich dazu, Generika früher als bisher auf den Markt zu bringen, hielt aber die vorliegende Lösung des Naturalrabatte-Problems für nicht ausreichend. Grünewald wandte sich dagegen, in Arztpraxen mit Billigangeboten zu operieren, wobei er zu bedenken gab, dass der Arzt, der einen Kassenvertrag habe, nicht auf seinen Status als freier Beruf pochen könne. Trotz allen Mutes der Ministerin sei ihm die Rabatte-Regelung immer noch "zu brav".

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) machte mit Nachdruck darauf aufmerksam, dass die Möglichkeit von Geldrabatten in Arztpraxen mit Hausapotheke für sie eine "legale Schwarzgeldregelung" für einen Berufsstand darstelle, der dies sicher nicht brauche.

Abgeordnete Renate Csörgits (S) sah die Änderung des Arzneimittelgesetzes positiv und schloss sich der Kritik der Grünen an der Lösung des Rabatte-Problems an.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) bat Abgeordnete Haidlmayr, die Kirche im Dorf zu lassen und Unterstellungen gegenüber den Ärzten zu unterlassen. Seiner Meinung nach funktioniere das System der Hausapotheken gut. Geldrabatte senken die Kosten.

Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat brach ebenfalls eine Lanze für die Hausapotheken. Sie seien für viele ältere Menschen im ländlichen Raum wichtig. Geldrabatte müssen auf Rechnungen ausgewiesen sein, stellte die Ministerin klar. Außerdem seien Rabatte von unerlaubten Geschenkannahmen zu unterscheiden, die Gegenstand eines Antikorruptionsgesetz sein werden, an dem das Justizministerium derzeit arbeite.

Die Krankenversicherungen stellen alle notwendigen Arzneimittel zur Verfügung. Geldrabatte könne man aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verbieten, weil sie zur Erwerbsfreiheit und zum Eigentumsrecht gehörten. Man sollte auch nicht vergessen, dass auch Krankenversicherungen und damit die Versicherten von Rabatten profitierten. Die Summe der Rabatte von Apotheken und Hausapotheken betrug zuletzt 32,3 Mill. €.

Abgeordneter Herbert Haupt (F) antwortete auf eine diesbezügliche Frage des Abgeordneten Franz Riepl (S) mit dem Hinweis, dass man sich von den neuen Regelungen für die Pharmaindustrie auch positive Auswirkungen auf die Beschäftigung erwarten könne. Bei den Geldrabatten sollte man "das Kind nicht mit dem Bad ausschütten", sie bringen Vorteile für die Sozialversicherungen und für die Kunden von Hausapotheken im ländlichen Raum.

Abgeordneter Johann Maier (S) sah Versäumnisse bei der Kontrolle von Arzneimitteln, die mit großen Risken für die Konsumenten über das Internet angeboten, beworben und verkauft werden. Maier wies auf Arzneimittelfälschungen und auf den Missbrauch von Dopingmitteln auch im Freizeitsport hin. Das Internet sei ein "Medikamentenflohmarkt", klagte Maier und verlangte die Einrichtung einer speziellen Kontrollbehörde.

Es fehle auch an einer Kontrolle von Arzneimitteln, die aus dem Ausland nach Österreich gelangen und hier als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden. Da die Gesetzesänderungen mehr Aufgaben für das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen mit sich bringen, sei auch dafür zu sorgen, dass das Bundesamt ausreichend Budgetmittel erhalte, sagte Maier.

Abgeordnete Beate Schasching (S) ergänzte die Ausführungen ihres Fraktionskollegen mit der Forderung nach mehr Kontrolle, europäischen Regelungen und Aufklärungskampagnen über die Gefahren des Dopings. "Dieses Thema darf nicht zu einem Ladenhüter werden".

Abgeordneter Karl Donabauer (V) forderte Abgeordneten Maier auf, seitens des Vereins für Konsumenteninformation mit Anzeigen gegen Verstöße gegen das Arzneimittelrecht vorzugehen und im Übrigen Abänderungsanträge mit substanziellen Vorschlägen zu unterbreiten.

Abgeordneter Johann Maier erinnerte demgegenüber daran, wie lange die SPÖ bereits vor den Gefahren des unkontrollierten Nahrungsergänzungsmittelmarktes warne und wie oft er als Konsumentenschützer mit Anzeigen an Kompetenzproblemen und fehlenden gesetzlichen Regelungen gescheitert sei.

Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat machte schließlich darauf aufmerksam, dass der Internethandel mit Arzneimitteln in Österreich verboten sei und illegale Anbieter verfolgt werden. An einer EU-weiten Regelung werde gearbeitet, außerdem wird Österreich während seines EU-Vorsitzes zusätzliche Initiativen ergreifen, kündigte die Ministerin an. Rauch-Kallat sprach die Hoffnung aus, in ihrem Bemühen, den Verkauf von Arzneimitteln in Drogeriemärkten nicht zuzulassen, auch von der Opposition Unterstützung zu bekommen. (Schluss)