Parlamentskorrespondenz Nr. 796 vom 20.10.2005

Von der Gewerbeordnung bis zur dreckigen Kohle

Nationalrat berät Vorlagen aus dem Wirtschaftsausschuss

Wien (PK) - In den späten Abendstunden standen Vorlagen aus dem Wirtschaftsausschuss auf der Tagesordnung der Sitzung des Nationalrats, zunächst das Anlagenrechts-Bereinigungsgesetz und Antrag 695/A. Abgeordnete SBURNY (G) bezweifelte, dass mit dem Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetz 2005 viel bereinigt werde. Mit der Überführung in die Gewerbeordnung sei nun u.a. auch eine besondere Gefahrenabschätzung, die Ausarbeitung von Notfallsplänen und eine verbesserte Information der Öffentlichkeit vorgesehen, hob die Rednerin positiv hervor. Negativ sei jedoch, dass die Nachbarn im Hinblick auf das Störfallrecht keine Einwände vorbringen können. Bei der Änderung der Gewerbeordnung gehe es um neue Gastgartenregelungen, erläuterte Sburny. Ihrer Meinung nach gehe das Gesetz aber nicht weit genug, da Gastgärten als Teil der Betriebsanlage betrachtet werden sollten. Bei derartigen Fragen sollte grundsätzlich versucht werden, ein Einvernehmen zwischen den Anrainern und den Betreibern von Gastgärten herzustellen.

Abgeordneter KOPF (V) erläuterte die wichtigsten Inhalte des Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetzes. Diese Vorlage sei ein weiterer sinnvoller Beitrag zur Verwaltungsökonomie.

Abgeordneter Mag. HOSCHER (S) befasste sich insbesondere mit der Gastgartenregelung. Er hielt es für sinnvoll, wenn für diese Agenden nun nicht mehr der Landeshauptmann, sondern die Gemeinden selbst zuständig sind. Da nach wie vor die Eigenkapitalausstattung der heimischen Gastronomie nicht "sehr berauschend ist", sollten noch weitere Maßnahmen zur Unterstützung dieser Branche gesetzt werden, wie z.B. die Senkung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf 5 %, forderte er.

Abgeordneter DI HOFMANN (F) befürwortete das Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetz, weil damit die Transparenz der Verfahren erhöht und die Abwicklung beschleunigt werden.

Abgeordneter Ing. SCHULTES (V) wies darauf hin, dass es beim ersten Punkt um gewerbliche Schieß- und Sprengmittelanlagen geht. Seiner Meinung nach sei es sinnvoll und praktisch, diesen Bereich auch in der Gewerbeordnung zu regeln.

Abgeordnete SCHARER (S) kam auf die oft schwierigen Arbeitsbedingungen in der Gastronomie und im Tourismus zu sprechen. So verdienen etwa Saisonniers ca. 1.400 € brutto, während der österreichische Durchschnitt bei 2.105 € brutto liege. Sie würde sich wünschen, dass neue Arbeitszeitmodelle erarbeitet und auch ein Ausbildungspaket für die Angestellten in diesem Bereich angeboten wird.

Die Probleme rund um die Öffnung der Gastgärten seien erst mit der Einführung der Sommerzeit entstanden, gab Abgeordnete ROSSMANN (F) zu bedenken. Nun soll den Gemeinden die Möglichkeit gegeben werden, dort, wo es verträglich ist, längere Öffnungszeiten vorzusehen.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN ging auf einige Detailfragen der Abgeordneten ein. Was die Gastgartenregelung angeht, so hielt er es für gut, dass diese Aufgabe nun den Gemeinden übertragen wurde. In Richtung des Abgeordneten Hoscher merkte der Minister noch an, dass die letzte Steuerreform eine massive Entlastung aller kleinen und mittelständischen Unternehmen gebracht habe.

Die V-Abgeordneten ZWEYTICK, SCHWEISGUT, STEINDL und LEDOLTER begrüßten es ausdrücklich, dass in Hinkunft die Öffnungszeiten der Gastgärten von den Gemeinden geregelt werden.

Abgeordneter Dr. BAUER (S) unterstützte die beiden Vorlagen. Er hoffe, dass die Entscheidungen über die Öffnungszeiten der Gastgärten von den Bürgermeistern sensibel gehandhabt werden.

Bei der Abstimmung wurden das Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetz sowie die Änderung der Gewerbeordnung jeweils mit Mehrheit angenommen.

Informationsweiterverwendungsgesetz, Änderung des Vermessungsgesetzes

Beim Informationsweiterverwendungsgesetz handle es sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, wobei Mindestregeln für die Weiterverwendung von Dokumenten des öffentlichen Sektors festgelegt wurden, erläuterte Abgeordnete SBURNY (G). Die Grünen stehen der Maßnahme grundsätzlich positiv gegenüber, allerdings seien einige Bereiche nicht ganz geklärt. So sei es etwa unklar, was genau unter dem öffentlichen Interesse zu verstehen ist. Außerdem gebe es auch keinen Zwang zur Informationsweitergabe. Nicht nachvollziehen könne sie auch, warum manche Institutionen, wie der ORF, Bildungseinrichtungen, Museen, Bibliotheken grundsätzlich ausgenommen sind und warum die Richtlinie in Form eines Bundesgesetzes und neun Landesgesetzen umgesetzt werden muss. Ungeklärt sei weiterhin auch die Frage der Kosten.

Abgeordneter GLASER (V) sprach von "einer guten, runden Sache". Die Vorlage regle die zielgerichtete Weiterwendung von Information des öffentlichen Sektors. Durch die Festlegung von europaweiten Mindeststandards werde mehr Transparenz geschaffen, war der Redner überzeugt.

Auch Abgeordneter MARIZZI (S) begrüßte die Vorlage. Mit dem Gesetz, das die Freigabe von öffentlichen Dokumenten, Statistiken und Gutachten regelt, werde eine EU-konforme Rechtslage geschaffen.

Öffentliche Daten haben ein sehr hohes Wertschöpfungspotential und deshalb sei es sehr wichtig, dass diese Informationen besser zugänglich gemacht werden, erklärte Abgeordnete DI ACHLEITNER (F). Besonders wichtig sei, dass das Prinzip der Nichtdiskriminierung im Vordergrund stehe. Falls Entgelte verlangt werden, dann müssen diese auch angemessen sein und transparent dargestellt werden, hob sie hervor. Schließlich ging sie noch auf die Schlichtungsstelle und die Änderung des Vermessungsgesetzes ein. Auch ihr Fraktionskollege Abgeordneter DI HOFMANN (F) befürwortete die beiden Vorlagen.

Das neue Informationsweiterverwendungsgesetz stelle einen weiteren Meilenstein für die wirtschaftliche Entwicklung dar, denn Wissen bedeute Vorsprung, unterstrich Abgeordnete MIKESCH (V). Der Zugang zu den Informationen müsse aber weitgehend unbeschränkt sein. Das IWG sichere die Weitergabe der Daten nach den Grundsätzen der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Wirtschaftlichkeit.

Bei der Abstimmung wurde das Informationsweiterverwendungsgesetz mehrheitlich, die Änderung des Vermessungsgesetzes einstimmig angenommen.

Änderung des Ziviltechnikergesetzes

Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) erläuterte, bei der Änderung des Ziviltechnikergesetzes gehe es in erster Linie um die Umsetzung von EU-Vorgaben. Im Wesentlichen sollen im Ziviltechnik-Bereich Fachhochschulabsolventen mit Universitätsabsolventen gleichgestellt werden. Um zu vermeiden, dass in einer bestimmten Sparte Österreicher gegenüber anderen EU-Bürgern benachteiligt würden, kündigte Mitterlehner einen Abänderungsantrag an.

Abgeordneter Mag. MOSER (S) signalisierte Zustimmung der SPÖ zur vorliegenden Gesetzesnovelle. Er rechnet damit, dass die Öffnung des Ziviltechnik-Bereichs für Fachhochschulabsolventen mehr Wettbewerb bringen wird. Zudem erwartet er sich niedrigere Preise für die Konsumenten und eine Steigerung der Qualität. Einen Detailpunkt des Gesetzes wird die SPÖ Moser zufolge in Zweiter Lesung jedoch ablehnen - er ortet einen Widerspruch zwischen der betreffenden Gesetzesbestimmung und den zugehörigen Erläuterungen.

Auch Abgeordneter DI HOFMANN (F) begrüßte die vorliegende Gesetzesnovelle. Bisher sei der Beruf des Ziviltechnikers Universitätsabsolventen vorbehalten gewesen, skizzierte er, das werde sich nun ändern.

Abgeordnete SBURNY (G) sprach ebenfalls von positiven Gesetzesänderungen. Wie die sozialdemokratischen Abgeordneten wollen aber auch die Grünen in Zweiter Lesung eine ihrer Ansicht nach fragwürdige Bestimmung ablehnen.

Abgeordnete MACHNE (V) zeigte sich über die Vier-Parteien-Einigung erfreut. Besonders hob sie hervor, dass künftig auch jungen, nicht etablierten Architekturbüros mit ruhenden Befugnissen die Teilnahme an Architektenwettbewerben möglich sein wird. Damit werde der Berufseinstieg erleichtert, unterstrich sie.

Abgeordneter EDER (S) wies darauf hin, dass Österreich im Baubereich und bei technischen Entwicklungen eine große Tradition habe. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf könne diese Tradition fortgesetzt werden, meinte er.

Abgeordnete DI ACHLEITNER (F) befasste sich mit dem Aufgabenbereich von Geometern und Landvermessern und hielt fest, diese Berufsgruppe benötige neben technischem Know-how auch komplexe Rechtskenntnisse. Dafür sei eine entsprechende Ausbildung erforderlich. Achleitner brachte in diesem Sinn einen Abänderungsantrag zum Ziviltechnikergesetz ein, der ein einjähriges Praktikum für diese Berufsgruppe sowohl für Universitätsabsolventen als auch für Fachhochschulabsolventen vorsieht.

Abgeordnete FELZMANN (V) verwies darauf, dass die Architektur ein Teil der Kreativwirtschaft sei. Einer neuesten Studie zufolge seien in 31 europäischen Ländern bereits über 4,7 Millionen Menschen in diesem Wirtschaftszweig tätig und erarbeiteten eine Wirtschaftsleistung 380 Mrd. €, skizzierte sie. Dies übersteige viele traditionelle Industriesektoren.

Abgeordneter Ing. GARTLEHNER (S) begrüßte es, dass zehn Jahre nach der Einrichtung von Fachhochschulen die Diskriminierung von Fachhochschulabsolventen im Ziviltechnik-Bereich beseitigt würde.

Die Änderung des Ziviltechnikergesetzes wurde vom Nationalrat in Dritter Lesung unter Berücksichtigung des VP-F-Abänderungsantrages einstimmig verabschiedet.

Bürgerinitiative "Aus für die dreckige Kohle"

Abgeordneter OBERHAIDINGER (S) schilderte, vor etwa einem Jahr sei unter dem Titel "Aus für dreckige Kohle" eine Bürgerinitiative im Nationalrat eingebracht worden. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner forderten unter anderem, mehr Augenmerk auf Energiesparen und eine höhere Energieeffizienz zu legen. Oberhaidinger kann sich, wie er sagte, vorstellen, langfristig aus der Energiegewinnung mit fossilen Brennstoffen auszusteigen, und unterstützte in diesem  Sinne die Bürgerinitiative.

Abgeordnete REST-HINTERSEER (G) führte aus, die Verbrennung von Kohle in Kraftwerken gehöre zur Energieerzeugung des vorigen Jahrhunderts. Sie sprach sich für einen mittelfristigen Ausstieg aus der Kohlekraft aus. Ein Umstieg von Kohle auf CO2-ärmere Energieträger, insbesondere auf erneuerbare Energieträger, sei erforderlich. In einem von Rest-Hinterseer eingebrachten Entschließungsantrag fordern die Grünen Wirtschaftsminister Bartenstein auf, einen detaillierten Ausstiegsplan aus der Kohleverbrennung in Kraftwerken bis 2010 zu erarbeiten.

Abgeordneter Dr. RADA (S) gab zu bedenken, dass es auch bei Kohletransporten immer wieder zu Problemen und Umweltverschmutzungen gekommen sei. Er vertrat die Auffassung, dass es viel zu wenig Fördermittel beim Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger gebe.

Wirtschaftsminister Dr. BARTENSTEIN machte geltend, dass der Ökostromanteil an der Stromerzeugung in Österreich im EU-Vergleich überproportional hoch sei. Der Anteil gehe in Richtung 7 %, unterstrich er. Ausstiegsszenarien bis 2010 aus der Energieerzeugung aus Kohle hält Bartenstein, wie er sagte, für unrealistisch und unverantwortlich.

Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Bürgerinitiative wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. Der Entschließungsantrag der Grünen blieb in der Minderheit.

(Schluss Wirtschaft/Forts. NR)