Parlamentskorrespondenz Nr. 928 vom 23.11.2005

Budgetsituation zwischen "vorbildlich" und "dramatisch"

Budgetausschuss diskutiert über Lage der öffentlichen Finanzen

Wien (PK) - Die Behandlung des Berichtes des Finanzministers über die Lage der öffentlichen Finanzen (III-165 d.B.) im Budgetausschuss war heute Anlass für eine durchaus unterschiedliche Beurteilung der heimischen Budgetpolitik. Während die Abgeordneten der Regierungsparteien unter Hinweis auf das internationale Umfeld von einem "vorbildlichen" Ergebnis sprachen, sahen die Vertreter der Oppositionsparteien die Budgetsituation hingegen als "dramatisch" an und interpretierten die Zahlen des Berichtes als Ausdruck des Scheitern der Budgetpolitik Grassers. Der Bericht bewertete in seinen Kernaussagen die Fiskalpolitik der Bundesregierung als im EU-Vergleich überwiegend positiv, wobei er vor allem die deutlich unter der 3 %-Grenze liegende Defizitquote und die rückläufige Verschuldensquote des Gesamtstaates hervorhob.

Die negative Einschätzung durch die Sozialdemokraten brachte Abgeordneter Johann Moser auf den Punkt: Die Budgetsituation sei dramatisch, meinte er. So habe die Pro-Kopf-Verschuldung von 16.000 € auf über 18.000 € zugenommen, die Verschuldung des Bundes sei deutlich gestiegen. Für Moser war dies ein Beweis, dass Finanzminister Grasser mit seiner Politik gescheitert ist.

Abgeordneter Hannes Bauer (S) präzisierte, die Verringerung der Staatsschuldenquote gehe auf die Länder und Gemeinden, nicht aber auf den Bund zurück. Auch sei die Abgabenquote in Wirklichkeit gar nicht gesunken. Bei "Übergabe" habe sie 42,1 % betragen, heute stehe sie bei 42,4 %, rechnete er vor.

Abgeordneter Johann Kurzbauer (V) konnte diese Beurteilung nicht teilen und fühlte sich durch den internationalen Vergleich bestätigt. Die Defizitquote entwickle sich positiv, bei der Verschuldensquote wiederum werde Österreich im Jahr 2008 bereits die Maastricht-Grenze von 60 % unterschreiten. Noch nie habe es in den letzten zehn Jahren einen derart positiven Bericht gegeben wie diesen, fügte er an.

Die positiven Schlagzeilen in den internationalen Medien für Österreichs Finanzpolitik seien kein Zufall, sondern vielmehr das Ergebnis einer konsequenten, erfolgreichen Finanzpolitik, die den Schuldenabbau in den Vordergrund stellt, war sich auch Abgeordneter Günter Stummvoll (V) sicher.

Finanzminister Karl Heinz Grasser sah die Budgetpolitik der letzten fünf Jahre von einer Budgetkonsolidierung in Übereinstimmung mit einer sinkenden Steuerbelastung bei gleichzeitigen nachhaltigen Reformen gekennzeichnet. Sämtliche internationale Prüfberichte haben Österreich als Vorbild gelobt, auch der Vergleich mit der Politik der SP-Finanzminister bis 1999 spreche für diese Bundesregierung. Das Jahr 2004 sei bei allen wesentlichen Eckdaten besser als 1999, und das, obwohl sich die gesamtwirtschaftliche Situation in der EU verschlechtert hatte.

Vom Abgeordneten Werner Kogler (G) auf die Finanzierungskonstruktion der Eurofighter angesprochen betonte Grasser, der vorliegende Vertrag habe keinerlei budgetwirksame Zahlungsverpflichtungen vor dem Jahr 2007. Eine Finanzschuld entstehe auf Grund der Bestimmungen des Bundeshaushaltsgesetzes aus dem Abfangjägerkauf nicht, da die Laufzeit der Ratenzahlungen unter zehn Jahren liegt.

Der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses Helmut Frisch meinte an die Adresse der SPÖ gerichtet, die Pro-Kopf-Verschuldung sei kein guter Parameter, Österreich werde vielmehr an den Maastricht-Zahlen gemessen. Wesentlich sei es in diesem Sinn daher, dass die Staatsschuldenquote gesunken ist und die Defizitquote mit derzeit 1,9 % deutlich unter der 3 %-Marke liegt. Frisch sprach von einer erstklassigen Leistung der Finanzpolitik, gab aber zu bedenken, dass für eine weitere Konsolidierung des Budgets nun ein zweiter Schritt bei der Verwaltungsreform unabdingbar sei.

Bei der Abstimmung wurde der Bericht mit den Stimmen der Regierungsparteien zur Kenntnis genommen und gilt damit als enderledigt.

Bundesrechnungsabschluss 2004

Im weiteren Verlauf seiner Sitzung behandelte der Budgetausschuss den vom Rechnungshof vorgelegten Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2004 (III-172 d. B.). Nach einer budgetpolitischen Grundsatzdebatte, an der sich auch Rechnungshofpräsident Josef Moser beteiligte, und nach Beantwortung von Detailfragen der Abgeordneten Johann Moser und Melitta Trunk (beide S) an den Finanzminister genehmigte der Ausschuss den Rechnungsabschluss mit der Mehrheit der Koalitionsparteien und empfahl dem Plenum damit die gesetzliche Entlastung des Finanzministers für das Budgetjahr 2004.

In der Debatte räumte Finanzminister Grasser ein, dass der Primärsaldo - ein für die Stabilität der Haushaltsentwicklung zentraler Parameter - im Jahr 2004 identisch mit dem Wert am Ende der neunziger Jahre sei. Ziehe man aber auch die Entwicklung anderer relevanter finanzpolitischer und ökonomischer Eckdaten seit den neunziger Jahren heran, etwa den deutlich verbesserten BIP-relevanten Saldo oder das gesamtstaatliche Defizit, das 2004 nur 1 % ausmachte, erkenne man, dass sich Österreich gegenüber den neunziger Jahren "in einer anderen Welt befindet". Dies werde durch die Einschätzung der ökonomischen und finanziellen Situation Österreichs von Seiten internationaler Experten und Organisationen bestätigt. In seiner Antwort auf eine diesbezügliche Frage des Abgeordneten Johann Moser (S) wies der Finanzminister darauf hin, dass Österreich international als ein führendes Land bei Wirtschaftsreformen gelte, wobei insbesondere die Pensionsreform, die Reduktion der Steuerlast, die Exportentwicklung und die Steigerung seiner Wettbewerbsfähigkeit sowie seiner Wachstumspotentiale hervorgehoben werde.

Rechnungshofpräsident Josef Moser betonte die Bedeutung der Entwicklung des Primärsaldos, stimmte mit dem Finanzminister aber darin überein, dass der Bundesrechnungsabschluss in der Gesamtheit seiner Ergebnisse zu beurteilen sei. Finanzminister und Rechnungshofpräsident wussten sich darin einig, dass es gelte, die Strukturreformen der vergangenen Jahre fortzusetzen.

Budgetausschuss verabschiedet Bundesfinanzgesetz-Novellen

Regierungsvorlagen für Bundesfinanzgesetz-Novellen zu den Budgets der Jahre 2005 und 2006 sowie ein Budgetüberschreitungsgesetz 2005 (1184 d. B., 1185 d. B. und 1186 d. B.), die wegen nicht vorhersehbarer Entwicklungen im Vollzug des Doppelbudgets 2005/2006 notwendig geworden sind, verabschiedete der Budgetausschuss ebenfalls mit V-F-Mehrheit.

Zwei Abänderungsanträge der Regierungsparteien betrafen die beiden BFG-Novellen und richteten sich auf Vorkehrungen für die Finanzierung erweiterter Heilbehandlungen im Bereich der Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau und bei der Unterbringung, Verpflegung und medizinischen Versorgung von Häftlingen, deren Zahl zuletzt stark, nämlich um 450 zugenommen hat.

In der Debatte beantwortete Finanzminister Karl-Heinz Grasser Detailfragen der Abgeordneten Marianne Hagenhofer (S), Werner Kogler (G) und Franz-Xaver Böhm (V).

Die Abgeordneten erfuhren, dass nicht benötigte EU-Förderungsmittel in Richtung Förderung des ländlichen Raumes umgeschichtet werden und beschleunigten Infrastrukturvorhaben eine Aufstockung der für Grundablösen vorgesehenen Mittel um 100 Mill.€ erfordere. Die vorgesehene Informationskampagne für die Umsetzung des jüngsten Arbeitsmarktprogramms hielt der Finanzminister für notwendig und wies darauf hin, dass die dafür benötigten Mittel beim Budget für das Bundeskanzleramt eingespart werden. Die von Abgeordnetem Kogler kritisierte Personalaufstockung im Büro des Staatssekretärs Mainoni rechtfertigte Minister Grasser mit den stark erweiterten Aufgaben im Bereich der Forschungs- und Technologieförderung.

Im Rahmen ihrer Aufgaben bei der begleitenden Budgetkontrolle analysierten die Abgeordneten schließlich Quartalsberichte des Finanzministers zu überplanmäßigen Ausgaben und Vorbelastungen im 2. und 3. Quartal 2005 (37/BA, 38/BA, 39/BA und 40/BA). - Die Kenntnisnahme der diesbezüglichen Unterlagen erfolgte jeweils mit Mehrheit der Regierungsparteien.

Die Vielzahl von Fragen, die die Abgeordneten Kai Jan Krainer und Melitta Trunk (beide S), sowie Werner Kogler (G) an den Minister richteten, beantwortete Grasser im Detail. - Die Anregung Werner Koglers, Vorbelastungen im Hinblick auf die Zählung des Schaf- und Ziegenbestandes in Österreich zum Anlass zu nehmen, die vom WIFO festgestellten Mängel bei der statistischen Erfassung der Vermögensverteilung in Österreich zu beheben, nahm Bundesminister Grasser gerne entgegen. (Schluss)