Parlamentskorrespondenz Nr. 930 vom 23.11.2005

Sozialausschuss vertagt Oppositionsanträge

Sozialministerium überprüft Pflegegeld-Einstufung für Demenzkranke

Wien (PK) - Im weiteren Verlauf seiner Sitzung vertagte der Sozialausschuss des Nationalrats mit den Stimmen der Koalitionsparteien eine Reihe von Oppositionsanträgen. SPÖ und Grüne wollten unter anderem eine jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe, die Wiedereinführung des Entgeltfortzahlungs-Fonds, eine Pflegegeld-Mindesteinstufung für Demenzkranke in der Pflegestufe 3 oder 4 und ein bundeseinheitliches Berufsgesetz für SozialarbeiterInnen erreichen. Die Vertagungsanträge wurden von der Koalition zum Teil mit weiteren notwendigen Verhandlungen, zum Teil mit kompetenzrechtlichen Problemen begründet, in einigen Fällen zeigten die V-F-Abgeordneten wenig Verständnis für die Anliegen der Opposition. Ausschussvorsitzende Heidrun Silhavy (S) bemängelte, dass manche Anträge schon zum dritten Mal vertagt würden.

Zunächst stand ein Antrag der SPÖ betreffend jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe zur Diskussion. Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) begründete die Forderung ihrer Fraktion damit, dass das Armutsrisiko von arbeitslosen Menschen ein hohes sei. Immer mehr Arbeitslose müssten zusätzlich zum Arbeitslosengeld oder zur Notstandshilfe Sozialhilfe beantragen. Zudem habe Österreich im EU-Vergleich eine der niedrigsten Ersatzraten beim Arbeitslosengeld, skizzierte die Abgeordnete.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) wies darauf hin, dass das Arbeitslosenversicherungsgesetz erst kürzlich umfassend novelliert worden sei und man etwa die Zumutbarkeitsbestimmungen geändert habe. Den von ihm eingebrachten Vertagungsantrag begründete er damit, dass man nicht ständig am gleichen Gesetz "herumdoktern" solle, man müsse sich die Forderungen der SPÖ in Ruhe anschauen. Mit dem gleichen Argument brachte er auch zu einem weiteren Entschließungsantrag der SPÖ einen Vertagungsantrag ein - dieser zielt darauf ab, Lücken im Bereich der Arbeitslosenversicherung zu schließen und dabei insbesondere auf neue Formen von Erwerbstätigkeit wie mehrfach geringfügig Beschäftigte und Neue Selbständige Rücksicht zu nehmen.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) unterstützte beide Anträge der SPÖ, meinte aber, die Valorisierung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe reichten als Mittel zur Armutsbekämpfung nicht aus. Seinen Vorredner wies er auf laufende Novellierungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes hin.

Abgeordneter Maximilian Walch (F) machte geltend, dass es im Bereich der Arbeitslosenversicherung auch noch andere offene Probleme gebe, die man sich alle gemeinsam anschauen solle.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein führte aus, es sei die schwarz-blaue Regierung gewesen, der es vorbehalten geblieben sei, eine Vereinheitlichung der äußerst unübersichtlichen Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf 55 % vorzunehmen. Liege das Arbeitslosengeld unter der Ausgleichszulage, erhalte der Betroffene als Alleinstehender bis zu 60 %, ansonsten bis zu 80 % der Bemessungsgrundlage, unterstrich er. Das sei "ein konkreter Beitrag zur Armutsbekämpfung".

Keine Notwendigkeit sieht die Koalition, die Forderung der SPÖ auf Wiedereinführung des Entgeltfortzahlungs-Fonds zu erfüllen. Die Abgeordneten wiesen darauf hin, dass es für Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern ohnehin Zuschüsse der AUVA gebe. VP-Abgeordneter Tancsits räumte zwar ein, dass einzelne Kleinbetriebe "subjektive Probleme" haben könnten, es wäre ihm zufolge aber sinnvoller, sich zu überlegen, ob man die Zuschussregelung verbessern könnte, statt die alte Regelung wieder einzuführen. Sowohl Tancists als auch Wirtschaftsminister Bartenstein betonten, dass kleine Betriebe in der Vergangenheit verhältnismäßig weniger vom Entgeltfortzahlungs-Fonds profitiert hätten als große.

Eine Wiedereinführung des Fonds würde Lohnnebenkosten von knapp 3 % zur Folge haben und einen erheblichen administrativen Aufwand verursachen, warnte Bartenstein.

Dem gegenüber verteidigte Abgeordneter Richard Leutner (S) den Entschließungsantrag der SPÖ und gab zu bedenken, dass es durch die derzeitige Regelung vermehrt zu krankheitsbedingten Kündigungen von Beschäftigten komme.

Grüne fürStrafen bei Arbeitszeitüberschreitung in Krankenanstalten

Seitens der Grünen erläuterte Abgeordnete Theresia Haidlmayr einen Entschließungsantrag ihrer Fraktion, der auf eine Gleichbehandlung von privaten und öffentlichen Krankenanstalten bei Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Arbeitszeiten und sonstigen Bestimmungen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes abzielt. Die Arbeitsinspektorate hätten bei entsprechenden Überprüfungen festgestellt, dass die gesetzlichen Bestimmungen häufig missachtet würden, skizzierte die Abgeordnete, im Gegensatz zu privaten Krankenanstalten könnten bei öffentlichen Krankenanstalten jedoch keine Sanktionen verhängt werden.

Abgeordneter Georg Keuschnigg (V) unterstrich, seine Fraktion lehne den Inhalt des Antrags der Grünen nicht ab, aus kompetenz- und verfassungsrechtlichen Gründen sei eine Beschlussfassung gegen den Willen der anderen Gebietskörperschaften jedoch nicht möglich. Er trat für eine Fortführung der Diskussion mit den Ländern und Gemeinden ein.

Ähnlich argumentierte auch Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Er habe sich mit Vertretern der Länder getroffen, schilderte er, und sei auf "eine parteiübergreifende Mauer der Ablehnung" hinsichtlich dieses Anliegens gestoßen. Die Länder seien dagegen, dass die Bundesbehörde Arbeitsinspektorat strafend gegenüber den Ländern und Gemeinden tätig werden könne. Schwerpunktaktionen des Arbeitsinspektorats hätten aber zu Verbesserungen geführt.

Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) zeigte sich skeptisch, dass die gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen in Zukunft eingehalten werden, wenn es weiterhin keine Sanktionen gebe. Den Patienten könne es nicht egal sein, wenn Ärzte 72 Stunden pro Woche Normalarbeitszeit hätten, unterstrich er.

Auf einen Entschließungsantrag der Grünen, der österreichweite Schwerpunktaktionen zur Überprüfung der Alten- und Pflegeheime durch das Arbeitsinspektorat zum Ziel hat, reagierte Wirtschaftsminister Bartenstein mit der Bemerkung, dass eine solche Schwerpunktaktion bereits im 1. Halbjahr 2004 durchgeführt worden sei, noch bevor die Grünen ihren Antrag eingebracht hätten. Dabei seien 348 Heime, je etwa zur Hälfte Heime privater Träger und Heime von Gebietskörperschaften, überprüft worden. Eine zweite Schwerpunktaktion werde es 2006 geben, kündigte Bartenstein an.

Der Minister hielt fest, dass bei der Überprüfung zahlreiche Übertretungen festgestellt worden seien, eine Tatsache auf die auch Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) verwies. Haidlmayr warf der Koalition vor, ihr sei die Situation von behinderten und alten Menschen in Heimen offenbar egal.

Als Grund für die Vertagung der Beratungen führte Abgeordneter Günther Hütl (V) an, dass das neue Heimvertragsgesetz neue Überprüfungsmechanismen beinhalte und man abwarten sollte, wie diese wirken.

Grüne wollengerechte Lösung für PensionistInnen der Firma Böhler

Wieder aufgenommen - und neuerlich vertagt - wurden die Beratungen über einen Entschließungsantrag der Grünen, dem zufolge eine Lösung zur Befriedung der Ansprüche jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Böhler erarbeitet werden soll, die in der zweiten Hälfte der 80-er Jahre gegen eine Abschlagszahlung auf ihre Betriebspension verzichtet haben. Bald nach dem Verzicht habe das Unternehmen erhebliche Gewinne geschrieben, begründete Abgeordneter Karl Öllinger (G) den Antrag.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) meinte in Richtung Abgeordnetem Öllinger, die Regierung, an die der Entschließungsantrag gerichtet ist, sei der falsche Adressat. Man soll "gemeinsam" an einer Lösung arbeiten, erklärte er. Abgeordneter Maximilian Walch (F) erinnerte daran, dass die Verzichtserklärung bereits in den 80-er Jahren erfolgt sei und der nunmehrige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider die Betroffenen beim - letztlich verlorenen - Prozess unterstützt habe. Die damalige Interessenvertretung der Arbeitnehmer habe, so Walch, keine glückliche Hand bewiesen.

Arbeitsgruppebefasst sich mit Pflegegeld-Einstufung für Demenzkranke

Ein Entschließungsantrag der Grünen betreffend eine Pflegegeld-Mindesteinstufung für Demenzkranke in Stufe 3 oder 4 wurde von der Koalition mit der Begründung vertagt, dass eine Arbeitsgruppe im Sozialministerium an der Lösung dieser Frage arbeite. Dem Ministerium sei die Problematik bekannt, er wisse, das Handlungsbedarf bestehe, betonte Sozialstaatssekretär Sigisbert Dolinschek. Seiner Ansicht nach geht es vor allem darum, jene Ärzte, die die Pflegegeldeinstufung vornehmen, entsprechend zu schulen. Ergebnisse der Arbeitsgruppe werden ihm zufolge Ende des Jahres vorliegen.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) wies auf die oft sehr unterschiedliche Tagesverfassung von Demenzkranken und den umfangreichen Betreuungsbedarf solcher Menschen hin und gab zu bedenken, dass es etwa auch für RollstuhlfahrerInnen oder für blinde Menschen eine Mindesteinstufung gebe.

Abgeordnete Ridi Steibl (V) betonte, Österreich sei gerade im Pflegegeldbereich in vielen Bereichen internationaler Vorreiter.

Länder gegenbundeseinheitliches Berufsgesetz für SozialarbeiterInnen

Der letzte in der heutigen Sitzung des Sozialausschusses beratene Antrag war ein Entschließungsantrag der Grünen betreffend Schaffung eines bundeseinheitlichen Berufsgesetzes für SozialarbeiterInnen. Abgeordnete Haidlmayr betonte, ein solches einheitliches Berufsgesetz sei notwendig, um die Mobilität von SozialarbeiterInnen über Bundesländergrenzen hinweg zu ermöglichen. Zudem erachtet sie einen einheitlichen Kollektivvertrag für SozialarbeiterInnen für erforderlich.

Abgeordneter Maximilian Walch (F) und Sozialstaatssekretär Sigisbert Dolinschek informierten die Abgeordneten darüber, dass die Landeshauptleutekonferenz in dieser Frage eine Kompetenzverschiebung zum Bund abgelehnt habe. Man könne sich bestenfalls eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über ein einheitliches Berufsbild für Sozialarbeiter vorstellen, sagte Walch. Dolinschek zufolge haben die Landeshauptleute die Einsetzung eines Ausschusses vereinbart, der sich mit diesem Thema befassen soll.

Abgeordnete Renate Csörgits (S) wertete dem gegenüber den Antrag der Grünen als "ganz wichtig". Der ÖGB unterstütze eine bundeseinheitliche Ausbildung von SozialarbeiterInnen, betonte sie. (Schluss)


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