Parlamentskorrespondenz Nr. 972 vom 01.12.2005

Wissenschaftsausschuss hört Experten zur "Forschungsstrategie 2010"

Wie kommt Österreich in die Spitzengruppe der F&E-Standorte?

Wien PK) - Im Anschluss an die Kenntnisnahme des Forschungs- und Technologieberichts 2005 hielt der Wissenschaftsausschuss eine aktuelle Aussprache zum Thema "Forschungsstrategie 2010" auf der Grundlage des diesbezüglichen Papiers des Rates für Forschung und Technologieentwicklung" ab. Als Experten lud der Ausschuss Günter Bonn (Rat für Forschung und Technologieentwicklung), Christoph Kratky (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) sowie Henrietta Egerth und Klaus Pseiner (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft).

In seinem Einleitungsstatement erläuterte Günter Bonn das Strategiepapier des Rates für Forschung und Technologieentwicklung. Der Rat empfehle die Fortsetzung der seit dem Jahr 2000 verfolgten Strategie zur Positionierung des Forschungs- und Technologiestandortes Österreichs im europäischen Spitzenfeld. 2005 betrage der F&E-Anteil am BIP 2,35 %, bis 2006 soll er auf 2,5 % steigen, bei diesem Wert solle man aber nicht stehen bleiben, sondern das 3 %-Ziel im Auge behalten. Als Zukunftsfelder für die österreichische Forschungsförderung identifizierte Bonn die Entwicklung der Humanressourcen, die Grundlagenforschung und die Internationalisierung.

Die Autonomie der Universitäten und Hochschulen sei ein erfolgreiches Konzept, zugleich sollte man aber die Profilbildung forcieren. Mehr Geld werde für die Forschung an den Universitäten gebraucht, wobei die Exzellenz ein wesentliches Kriterium der Förderungspolitik geworden sei, die Mittel für die Universitätsinfrastruktur bleiben aber wichtig. Der Rat empfehle auch, die Fachhochschulen als Kerne für die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft weiter auszubauen.

Der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung brauche dringend mehr Mittel, weil die Ablehnungsquote bei Projekten junger Wissenschaftler zu stark gesunken sei, was deren Motivation beeinträchtige. Bonn riet zu einem Vorgriff auf die Forschungsmilliarde. Im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften registrierte der Experte ein wesentlich verbessertes Gesprächsklima. Unternehmen seien als wichtige Multiplikatoren bei F&E-Investitionen zu betrachten, sagte Bonn und unterstrich dabei die Headquarter-Strategie.

In seinen weiteren Ausführungen wies Bonn auf Empfehlungen für ein neues Konzept und neue Strukturen für Kompetenzzentren hin und unterstrich die Notwendigkeit, auslaufende Programme fortzusetzen.

In der Exzellenz-Strategie, derzeit Thema einer speziellen Arbeitsgruppe, trete der Rat nicht für isolierte "Exzellenz-Universitäten" ein.

Die Quote bei der Nutzung von EU-Förderungsmitteln sei in Österreich sehr gut. Bei der internationalen Kooperation sah Bonn Aufholbedarf in Indien und China.

Bei der Zusammenarbeit mit den Bundesländern machte der Experte darauf aufmerksam, dass die Bundesländer einen Finanzierungsanteil von 15 bis 20 % an den Kompetenzzentren haben und Fachhochschulen wichtige Netzwerkknoten beim Technologietransfer zu den KMU darstellen.

Ein Schwerpunkt bei der Förderung von Humanressourcen sei die Förderung von Forscherinnen, hier registrierte der Experte zugleich Nachholbedarf.

Als Themen staatlicher Nachfrage in der Forschung sah der Experte die Bereiche Sicherheit, Nachhaltigkeit und E-Government.

Abschließend sprach sich Günter Bonn dafür aus, Evaluierungsstandards zu schaffen und hielt fest, dass die Forschungsmilliarde bis 2008 ausreiche, um den Weg zum 3 %-Ziels für die Forschung und Entwicklung fortzusetzen.

Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) sprach von einem guten Papier, regte aber an, die Ziele der Forschungspolitik nicht nur auf Wachstum und Beschäftigung zu reduzieren, sondern auch den Anspruch aufrecht zu erhalten, Erkenntnis an sich zu gewinnen, über Werte zu forschen und im Interesse des sozialen Zusammenhalts zu forschen. Niederwieser wollte Universitäten auch als Teil des Weiterbildungssystems verstanden sehen und sah die Umsetzung der Universitätsreform differenziert. "Es knirscht im Gebälk", lautete seine diesbezügliche Formulierung. Spitzenuniversitäten sollten ein gemeinsames EU-Projekt darstellen und Internationalisierung solle dazu führen, dass Forscher nach Österreich kommen. Konkretere Vorschläge verlangte Niederwieser bei der Frauenförderung und überdies drängte er darauf, Basisprogramme aus dem ordentlichen Budget zu finanzieren.

Abgeordnete Karin Hakl (V) lobte den Bericht als exzellente Grundlage zur Weiterentwicklung der Forschungsförderung. Ihr Zentralthema bildete die Förderung der Informations- und Kommunikationstechnologie. Den Geisteswissenschaften wies sie die Aufgabe zu, die Menschen auf den gesellschaftlichen Wandel vorzubereiten. Eine zentrale Frage laute auch, wie man die KMU dazu bringen könne, mehr zu forschen.

Lobend äußerte sich auch Abgeordneter Kurt Grünewald (G) über die Diskussion zwischen dem Rat für Forschung und Technologieentwicklung mit den Wissenschaftssprechern der Parteien. Seine Empfehlungen würden aber mehr Schubkraft entwickeln können, wenn man die Diskussion bis zu einer gemeinsamen Initiative aller Parteien weiterführen könnte. Grünewald wollte mit der Illusion aufräumen, Forschung führe automatisch zu mehr Jobs. Der wissenschaftliche Fortschritt setze Unternehmen vielmehr in die Lage, mit immer weniger Menschen immer mehr Güter zu produzieren. Grünewald plädierte nachdrücklich für die Förderung der Geisteswissenschaften sowie dafür, die gesellschaftliche Akzeptanz der Wissenschaftsförderung zu erhöhen. In diesem Zusammenhang nannte der Abgeordnete die Themen Medizinethik und Wissenschaftsethik. Für bedenklich hielt er die Konzentration auf Drittmittelfinanzierungen, weil er befürchtete, dass Auftraggeber Einfluss auf Ziel und Richtung der Forschung nehmen. Die Grünen seien weder gegen Exzellenz noch gegen Exzellenzzentren, hielt Grünewald fest.

Ausschussobfrau Magda Bleckmann griff den Wunsch des Abgeordneten Grünewald nach Fortsetzung der Diskussion auf und erinnerte daran, dass ein Entschließungsantrag der Koalitionsparteien Gelegenheit geben werde, auch im Plenum über die "Forschungsstrategie 2010" zu diskutieren und dort eine Einigung zwischen den Fraktionen herbeizuführen.

Abgeordneter Johann Moser (S) fragte nach Vorkehrungen gegen die Strategie von Konzernen, erst Förderungen für das "Anzapfen heimischer Wissensquellen" in Anspruch zu nehmen, mit dem Wissen dann aber an andere Standorte weiter zu ziehen. "Wo entsteht das österreichische Cambridge?" fragte Moser weiter, forderte Risikokapital für Patente und trat nachhaltig dafür ein, Bildung in der Absicht zu fördern, den Menschen die Orientierung in einer sich rasch verändernden Gesellschaft zu erleichtern.

Abgeordnete Gertrude Brinek (V) unterstrich ebenfalls die Orientierungsfunktion der Geisteswissenschaft, sah dort aber keinen Nachholbedarf, weil nach wie vor zwei Drittel der Wiener Studenten in Kultur- und Sozialwissenschaften ausgebildet werden und der Zulauf nicht abreiße. Um Headquarters im Land zu behalten, sei es notwendig, den Standort so attraktiv wie möglich zu machen.

Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) klagte über den geringen Anteil der Geisteswissenschaften an der Forschungsförderung und meldete Zweifel daran an, dass das 3 %-Ziel tatsächlich erreichbar sei. Seiner Meinung nach werde der Beitrag der Wirtschaft viel zu optimistisch extrapoliert. Es fehlte 1 Mrd. €. "Kommt der Bund für die Differenz auf?" fragte Zinggl.

Henrietta Egerth unterstrich die Bedeutung eines nachhaltigen Budgets zur Förderung von Forschung und Entwicklung, informierte über neue Programme für die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft und nannte eine Erhöhung der Förderungseffizienz als Ziel der neuen Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft. Dazu gehörten das Schließen von Förderungslücken, das Zusammenführen von Programmen, eine transparente Evaluierung, die Optimierung des Förderungs-Mix und der Einsatz der richtigen Instrumente.

Klaus Pseiner betonte, es sei eine Priorität der neuen Gesellschaft, KMU in ihren Forschungsbemühungen zu unterstützen: 50 % der Basisprogramme, die insgesamt die Hälfte der Förderungsmittel ausmachen, stehen KMU zur Verfügung. In der Headquarter-Strategie spiele das Kriterium der Nachhaltigkeit eine große Rolle, sagte Pseiner.

Christoph Kratky erinnerte daran, dass das Kriterium der Exzellenz in der Förderungspolitik des Fonds zur wissenschaftlichen Forschung seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle spiele. Auch Kratky klagte über die Abnahme der Genehmigungsquote von 70 % (1993 auf 37 %) 2004. Ein Vorgriff auf die Forschungsmilliarde würde dem Fonds Schwerpunktsetzungen erlauben.

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer würdigte die Arbeit des Rates für Forschung und Technologieentwicklung als Wegweiser. Die Arbeit der Umsetzung komme der Politik zu. Gehrer unterstrich das 3 %-Ziel und die Absicht der Bundesregierung, die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Hinsichtlich der Frage nach dem Beitrag der Wirtschaft verwies die Ministerin auf skandinavische Beispiele, wo Unternehmen einen Anteil von bis zu 25,7 % (Finnland) an den F&E-Ausgaben haben. In der Steuerpolitik werde alles unternommen, um Betriebe zu Investitionen in die Forschung zu bringen.

Staatssekretär Eduard Mainoni bekannte sich dazu, die Sicherheitsforschung zu fördern und die diesbezüglichen Vorteile eines neutralen Staates zu nützen. Er rechne mit Budgetzuwächsen, die Forschungsmilliarde sei ein Signal.

Am Schluss der aktuellen Aussprache entwickelte sich eine Diskussion zwischen G-Abgeordnetem Wolfgang Zinggl und Christoph Kratky über die Möglichkeit, Kunstuniversitäten aus Mitteln des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung zu fördern, wobei Zinggl geltend machte, dass die moderne Kunst wissenschaftsähnliche Formen entwickle, die aber nicht Wissenschaft seien. Kratky zeigte Verständnis für dieses Anliegen der Kunstuniversitäten, über das er mit diesen intensiv diskutiere. Kratky stellte fest, dass Forschungen an Kunstuniversitäten gefördert werden können. Kunst könne vom FWF aber nicht gefördert werden, denn dafür stehen andere Instrumente zur Verfügung.

Novelle des Forschungs- und Technologieförderungsgesetzes

Im weiteren Verlauf seiner Sitzung verabschiedete der Wissenschaftsausschuss eine Anpassung des Forschungs- und Technologieförderungsgesetzes (FTFG) an die letzte Strukturreform der Forschungsförderung, die im Zeichen der Einrichtung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft stand. Neue Förderungsrichtlinien dienen der Rechtssicherheit bei der Abwicklung von Förderprogrammen. Konkret sind spezielle Förderungsprogramme für die angewandte Forschung sowie eine engere Kooperation zwischen wissenschaftlicher und angewandter Forschung unter Einbindung aller Institutionen (Verbund-Förderung) vorgesehen. Zudem wird der Geltungsbereich des Gesetzes auf das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ausgeweitet, das künftig wirtschaftlich-technische Forschungsvorhaben auf der Basis des FTFG fördern kann (1074 d.B.). Der Beschluss erfolgte mit V-F-G-Mehrheit. Die Mehrheit der Regierungsparteien stimmte für einen V-F-Entschließungsantrag, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, ihre Arbeit an der Verbesserung des Forschungs- und Innovationsstandortes Österreich fortzusetzen, um das Ziel einer 3 %-F&E-Quote bis 2010 zu erreichen. 

Abgeordneter Johann Moser (S) sprach von Verbesserungen und notwendigen Änderungen, begründete die Ablehnung der Novelle seitens seiner Fraktion aber damit, dass die Sozialpartner und Arbeitnehmervertreter nicht in die vom Gesetz vorgesehenen Ausschüsse einbezogen seien. Dies widerspreche dem Anliegen, die Forschungsförderung auf eine breite gesellschaftliche Basis zu stellen.

Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) betonte die Notwendigkeit, den Förderdschungel zu beseitigen und klare Richtlinien zu schaffen. Überdies legte er einen V-F-Entschließungsantrag vor, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, ihre Arbeit an der Verbesserung des Forschungs- und Innovationsstandortes Österreich fortzusetzen, um das Ziel einer 3 %-F&E-Quote bis 2010 zu erreichen.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) wandte sich dagegen, Entscheidungskompetenzen in der Forschungsförderung, die bisher bei den Fonds lagen, an das Ministerium zu übertragen.

Abgeordnete Elke Achleitner (F) unterstrich das Ziel, die Struktur der Forschungsförderung zu bereinigen und die Förderrichtlinien zu vereinfachen.

Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) bekannte sich dazu, die Strategie 2010 fortzusetzen, er könne dem Entschließungsantrag aber nicht zustimmen, würde dies doch bedeuten, auch die Fortsetzung der Parteipolitik im Forschungszentrum Seibersdorf gut zu heißen. Außerdem habe es wenig Sinn, wenn der Nationalrat die Bundesregierung dazu auffordert, ihr Regierungsprogramm umzusetzen.

Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) meinte, es reiche nicht aus, wenn der Präsident des WFW mit den Kunstuniversitäten darüber diskutiere, ob und wie Sondermittel auch für Projekte bei der "Entwicklung und Erschließung der Künste" eingesetzt werden können. Man sollte dafür eine gesetzliche Grundlage schaffen.

Abgeordnete Gertrude Brinek (V) meinte hingegen, man sollte Christoph Kratky diese Diskussion mit den Kunstuniversitäten zunächst einmal führen lassen.

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer merkte dazu an, dass Grundlagenforschung an den Kunstuniversitäten schon bisher gefördert werde und nannte als Beispiel eine Studie zum "Mozart-Effekt", die sich mit Heilwirkungen der Musik Wolfgang Amadeus Mozarts beschäftigte.

Keine Versuche an Menschenaffen 


Einer einstimmigen Entschließung des Nationalrates vom Dezember 2004 für ein generelles Verbot von Tierversuchen an Menschenaffen folgend schlug die Bundesregierung eine Novelle des Tierversuchsgesetzes vor, mit der Tierversuche an Schimpansen, Bonobos, Gorillas, Orang-Utans und Gibbons verboten werden (993 d.B.). - Der diesbezügliche Beschluss des Ausschusses erfolgte einstimmig.

Auch ein Abkommen mit der Volksrepublik China über die gegenseitige Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich (781 d.B.) erhielt einhellige Zustimmung. (Schluss)