Parlamentskorrespondenz Nr. 994 vom 06.12.2005

Kritik an Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle auch aus dem F-Klub

Novelle mit Stimmen der Regierungsfraktionen beschlossen

Wien (PK) - Mit Themen aus dem Innenressort ging es weiter: Auf der Tagesordnung stand die Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle. Kritik an der Vorlage gab es von der Opposition, aber auch aus dem Klub der Freiheitlichen. Die Vorlage fand ebenso mehrheitliche Zustimmung  wie ein Vertrag mit Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität.

Abgeordneter PARNIGONI (S) sah keinen Grund für ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz und kritisierte, die Novelle biete keinerlei Maßnahmen für mehr Integration.  Während Österreich mit Visahandel Krimellen Tür und Tor öffne, erschwere die Regierung jenen Menschen, die seit Jahren hier leben und arbeiten, die Einbürgerung, stellte er fest. Parnigoni befürchtete zudem großen Verwaltungsaufwand bei der Vollziehung des Gesetzes und beklagte die hohen Gebühren. Die ÖVP zeige mit dieser Novelle, dass sie die politische Mitte verlassen habe und nun mit der FPÖ um den rechten Rand buhle, bemerkte er.

Abgeordneter Dr. LOPATKA (V) erwiderte, der ÖVP gehe es nicht um Ideologie, sondern um die Sicherheit der Bevölkerung. Österreich habe eine enorme Integrationskraft, die man aber nicht überdehnen sollte, um nicht "Pariser Zustände" und Parallelkulturen entstehen zu lassen. Nach den Worten Lopatkas geht es darum, den in den letzten Jahren verzeichneten starken Anstieg an Einbürgerungen in den Griff zu bekommen. Wichtig waren für den Redner dabei vor allem die Anreize zur Integration durch das Erlernen der deutschen Sprache, eine österreichweit einheitliche Praxis, sowie die Maßnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) warf der Regierung rechtspopulistische Absichten vor und kritisierte, der Erwerb der Staatsbürgerschaft werde durch dieses Gesetz erschwert. Die Rednerin hakte dabei vor allem beim Nachweis der Sprachkenntnisse ein und meinte, sie unterstütze zwar die Förderung der Sprachkenntnisse, es gehe aber nicht an, die Einbürgerung einer ganzen Familie von der positiven Deutschnote eines ihrer Kinder abhängig zu machen. Empört zeigte sich Stoisits darüber hinaus auch über die drastische Anhebung der Einbürgerungsgebühr, die sie als "verwerflich" bezeichnete.

Schließlich kritisierte Abgeordnete Stoisits, dass etwa die Einbürgerung einer vierköpfigen Zuwandererfamilie insgesamt 4.000 € an Bundes- und Landesabgaben koste, und dazu kommen noch die Kosten für die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft des Herkunftslandes. Außerdem habe man im Gedankenjahr 2005 zwar viel gedacht, aber wenig gehandelt und es verabsäumt, Lücken in der Restitutionspolitik zu schließen. Ein Abänderungsantrag der Grünen zielte daher auf Erleichterungen bei der Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft von NS-Opfern und ihrer Nachkommen.

In einer tatsächlichen Berichtigung wies Abgeordneter KRAINER (S) die Behauptung des Abgeordneten Lopatka zurück, in Wien werde rascher eingebürgert als in anderen Bundesländern.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) bekräftigte die Absicht der Regierungsparteien, das Staatsbürgerschaftsgesetz zu verschärfen. "Es soll schwerer werden, österreichischer Staatsbürger zu werden". Ihr Argument lautete, viele Menschen würden die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben, obwohl sie nicht integriert seien und kein geregeltes Einkommen haben. Sie wollten die Staatsbürgerschaft nur erwerben, um möglichst rasch in das soziale Netz zu kommen, einen Reisepass zu erhalten und die Familie nachziehen lassen zu können. Für sie, Partik-Pable, sei die Staatsbürgerschaft das Ende einer erfolgreichen Integration, nicht aber ein Mittel zur Integration. Menschen können ihre politischen Rechte in Österreich nur ausüben, wenn sie die deutsche Sprache beherrschen - "Österreich kann es sich nicht leisten, Menschen einzubürgern, die sich in das soziale Netz fallen lassen wollen", schloss Partik-Pable.

Justizministerin Mag. GASTINGER sah die Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes als "ambitionierten Abschluss des Fremdenrechtspakets". Mit den Änderungen reagiere man auf Probleme in der Praxis, die es im Interesse aller Menschen in Österreich zu lösen gelte. Seit 1995 habe sich die Zahl der Einbürgerungen verfünffacht, zuletzt seien mehr als 60 % der Einbürgerungen vor Ablauf der Zehn-Jahres-Frist erfolgt, und es habe sich gezeigt, dass viele der neuen Österreicher der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Die Staatsbürgerschaft soll der letzte Schritt einer erfolgreichen Integration sein und sie soll ihren hohen Wert behalten, betonte die Ministerin. Dazu gehört der Erwerb der deutschen Sprache als Voraussetzung für die Wahrnehmung politischer Rechte sowie für die Akzeptanz der Zuwanderer in Österreich. Zuwanderer, die die Kriterien legaler Aufenthalt, regelmäßige Einkünfte, Sprachkenntnisse und Gesetzestreue erfüllen, sind willkommen und werden als gleichberechtigte Staatsbürger in Österreich leben können.

Abgeordneter GAAL (S) stellte in Abrede, dass der vorliegende Gesetzentwurf eine erfolgreiche Integration von Zuwanderern zulasse. Die geltende Rechtslage zähle bereits zu den restriktivsten in Europa. Statt die Einbürgerung zu erleichtern, wie dies die EU verlange, peitsche die Regierung gesetzliche Verschärfungen "ohne Rücksicht auf Verluste" durch das Parlament. Gaal konnte keine Dringlichkeit, keine Gefahr im Verzug erkennen und erinnerte an Experten der Regierungsparteien, die diese Novelle im Ausschuss kritisiert haben. Die SPÖ werde nicht zustimmen, sagte Gaal.

Abgeordnete HÖLLERER (V) wies die Zahlen der Abgeordneten Stoisits über die Kosten der Einbürgerung für eine vierköpfige Familie als unseriös zurück und erinnerte daran, dass Nachkommen von NS-Opfern schon bisher die Möglichkeit hatten, österreichische Staatsbürger zu werden. Aufgrund persönlicher Erfahrungen begrüßte es Höllerer ausdrücklich, dass ausreichende Sprachkenntnisse künftig zu den Voraussetzungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft zählen.

Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) lehnte es ab, wie die Regierung mit Menschen in Not umgehe und selbst Flüchtlingen den Erwerb der Staatbürgerschaft erschwere. Dieses Gesetz treffe Frauen und Kinder besonders hart, sagte die Rednerin und machte darauf aufmerksam, dass Frauen, die von ihren Männern misshandelt werden, künftig vor der Frage stehen könnten: Scheidung oder Staatsbürgerschaft. Denn schon bisher haben Frauen, die ein Frauenhaus aufsuchten, Probleme mit ihrem Aufenthaltsrecht bekommen. Für "lächerlich" hielt es die Rednerin, Schulkindern die Verantwortung für den Staatsbürgerschaftserwerb der Familien aufzubürden, indem man ihre Deutschnoten zu einem gesetzlichen Kriterium der Staatsbürgerschaft macht.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) forderte die Grünen auf, das Asylrecht, das einen Schutz auf Zeit vorsehe, nicht mit dem Staatsbürgerschaftsrecht zu vermengen. Es sei das Recht des Staates zu entscheiden, wer zuwandern dürfe und wer nicht. Viele Asylwerber kämen aus wirtschaftlichen Gründen ins Land, sagte Rosenkranz und verlangte gegenzusteuern. Dass die Zuwanderungspolitik der letzten fünf Jahre falsch gewesen sei, könne man am hohen Wanderungssaldo und an der großen Zahl von Einbürgerungen ablesen. Österreich habe die höchste Anerkennungsquote bei den Asylwerbern, klagte die Abgeordnete weiter und machte darauf aufmerksam, dass die Verschleppung der Asylverfahren dazu führe, dass Asylwerber nach Ablauf der vorgesehenen Fristen die Staatsbürgerschaft erwerben können. Dem könne die FPÖ nicht zustimmen.

Abgeordnete Dr. HLAVAC (S) hielt die Verschärfung des Staatsbürgerschaftsrechts für unnötig und kontraproduktiv, wobei sie anhand konkreter Zahlen die Behauptung als falsch zurückwies, in Wien würden besonders viele Zuwanderer vorzeitig eingebürgert. Man sollte beachten, dass viele der gut integrierten Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina bereits zehn Jahre in Österreich sind und daher ein Recht auf die Staatsbürgerschaft erworben haben. Die Staatsbürgerschaft sei kein Endpunkt, sondern Voraussetzung für eine endgültige Integration, zeigte sich die Abgeordnete überzeugt.

Abgeordneter SIEBER (V) wies darauf hin, dass der Erwerb von Sprachkenntnissen nicht nur der Akzeptanz von Zuwanderern und neuen Österreichern diene, sondern auch in deren eigenem Interesse liege. Wer nicht ausreichend Deutsch spricht, habe kaum Chancen auf den Arbeitsmarkt und ein wesentlich höheres Risiko arbeitslos zu werden. Grundkenntnisse der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes zählt Sieber ebenfalls zu den Voraussetzungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft.

Innenministerin PROKOP erinnerte daran, dass ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz nicht nur im Regierungsprogramm vereinbart wurde, sondern dass auch die Landeshauptleute den Wunsch nach einer Vereinheitlichung des Staatsbürgerschaftsrechts ausgesprochen haben. Wer die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben wolle, müsse sich hier zu Hause fühlen, sagte Prokop, denn es sei wichtig, eine Einbürgerungspolitik zu betreiben, die von den Österreichern akzeptiert werde. Dabei machte die Ministerin darauf aufmerksam, wie schwierig es geworden sei, Fremde in Österreich unterzubringen, egal wie der jeweilige Gemeinderat politisch zusammengesetzt sei.

Auf die Wortmeldungen der Vorredner eingehend sagte die Ministerin, das Staatsbürgerschaftsrecht werde auch in anderen Ländern geändert, weil es Probleme mit der Integration gebe. Nach zehn Jahren sei die Verleihung der Staatsbürgerschaft bei erfolgreicher Integration möglich, das Recht darauf erwerbe man durch einen dreißigjährigen legalen Aufenthalt im Land. Im Fall von Gewalt gegen Frauen bestehe die Möglichkeit, einen speziellen Aufenthaltstitel und einen eigenen Weg zur Staatsbürgerschaft zu bekommen. Der Nachweis der Sprachkenntnisse durch Schulnoten stelle eine Erleichterung dar, weil es sich als schwierig herausgestellt habe, die Sprachkenntnisse abzuprüfen. Für sie sei der vorliegende Gesetzentwurf ein guter Mittelweg. "Wir brauchen ein Gesetz, das den Bedürfnissen der Fremden, die Staatsbürger werden wollen, entspricht und den Bedürfnissen der Österreicher Rechnung trägt", schloss Ministerin Prokop.

Abgeordneter Mag. POSCH (S) äußerte die Befürchtung, dieses Gesetz diene nicht der Integration, sondern lediglich der Verschärfung der gegenständlichen Normen. Zudem habe es keinen konkreten Handlungsbedarf gegeben, die Vorlage sei mithin kontraproduktiv und entspreche nicht dem Geist der Integration.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) sprach von einem Gesetzesentwurf, der einen Kompromiss darstelle, der für die Freiheitlichen unzureichend sei. Es hätte einen Paradigmenwechsel gebraucht, der klargelegt hätte, dass man nicht bloß Fristen absitze, sondern sich wirklich in die österreichische Gesellschaft integriere. Seine Partei wolle keine Parallelgesellschaften, unterstrich Bösch, der zudem auf den "Asylmissbrauch", den Missbrauch von Visen an österreichischen Botschaften, zu sprechen kam, der mittlerweile breite Kreise gezogen habe. Hier gebe es neue, schwerwiegende Missstände, die dringend überprüft werden müssten.

Abgeordneter Dr. BRADER (V) meinte an die Adresse seines Vorredners, er sei überzeugt davon, dass alle Missstände behoben würden und die ganze Causa restlos aufgeklärt werde. Der Ministerin gratulierte er zu dem vorliegenden Entwurf, der eine adäquate Antwort auf die diesbezügliche Problemlage darstelle.

Abgeordneter FAULAND (F) nannte die Vorlage ein "äußerst gelungenes Gesetz", das alles regle, was im alten Gesetz noch nicht geregelt gewesen sei. Das alte Gesetz sei mangelhaft gewesen, doch habe man diese Mängel hervorragend repariert.

Abgeordneter Dr. LIECHTENSTEIN (V) bettete seine Überlegungen zum Thema in einen internationalen Kontext ein. Es sei positiv, dass klare Regelungen geschaffen werden, sagte der Redner, der an die durch das Nazitum vertriebenen Österreicher erinnerte und meinte, die Regierung habe hier wichtige Schritte in die Richtung dieser Opfer gesetzt. Nicht zuletzt heiße unsere Zukunft Europa, wobei die europäische Idee nach dem Ersten Weltkrieg von Österreich ausgegangen sei, so Liechtenstein.

Die Vorlage wurde mehrheitlich angenommen, der Zusatzantrag der Opposition fand hingegen keine Mehrheit.

V-S-F-Mehrheit für österreichisch-ungarische Polizei-Kooperation

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) erklärte, ihre Fraktion werde der Vorlage die Zustimmung verweigern, weil Polizeibefugnisse dadurch ständig erweitert würden, etwa die grenzüberschreitende verdeckte Ermittlung, was ihre Fraktion strikt ablehne. Es gebe hier eine Schieflage zwischen den Möglichkeiten der Exekutive einerseits und den Rechten von Beschuldigten andererseits, und das könnten die Grünen nicht goutieren.

Abgeordneter SCHÖLS (V) erwartete sich durch diesen Vertrag hingegen einen wesentlichen Schritt zu einer besseren Zusammenarbeit innerhalb Europas. Es gebe eine gemeinsame Verantwortung für Europa, und daher sei auch dieser Vertrag von entsprechender Wichtigkeit im Sinne einer gemeinsamen Sicherheitspolitik, sei doch die Sicherheit unteilbar.

Abgeordnete PFEFFER (S) erläuterte den Inhalt des Vertrags und meinte, die internationale Zusammenarbeit sei notwendiger denn je, weshalb ihre Fraktion die besondere Bedeutung dieses Vertrages anerkenne und gutheiße, diene dieser doch dem Schutz der heimischen Bevölkerung.

Abgeordneter FAULAND (F) sagte, Kriminalität habe keine Grenzen, weshalb auch die Zusammenarbeit in der Kriminalitätsbekämpfung keine Grenzen kennen dürfe. Aus diesem Grund sei seiner Fraktion gerne bereit, diese Initiative mit zu tragen.

Abgeordneter KAPELLER (V) verwies auf die diesbezügliche grenzübergreifende Zusammenarbeit mit Deutschland, die sich bewährt habe, weshalb sie nun auch mit Ungarn stattfinden solle. Ein grenzenloses Europa brauche auch eine grenzenlos agierende Polizei, um dieses Europa für seine Bürger sicher zu machen.

Abgeordnete KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) erklärte, Sicherheit sei ein Grundbedürfnis der Bürger, und diesem Grundbedürfnis müsse die Politik auch nachkommen. In diesem Sinne begrüße ihre Fraktion dieses Abkommen.

Abgeordneter HORNEK (V) sagte gleichfalls, Kriminalität mache nicht an den Grenzen Halt. Sie sorge für Gefahren, denen man nur gemeinsam begegnen könne. Der Redner referierte den Inhalt des Vertrages und empfahl seine Annahme, sei er doch die optimale Grundlage für eine effiziente Sicherheitspartnerschaft der beiden Staaten.

Die Vorlage passierte mehrheitlich das Plenum.

(Schluss Staatsbürgerschaft/Forts. NR)