Parlamentskorrespondenz Nr. 1006 vom 07.12.2005

Das Legislativprogramm der EU-Kommission

Zweiter Europatag im Nationalrat

Wien (PK) - Zum zweiten Mal hielt heute der Nationalrat eine Plenarsitzung ab, die ausschließlich Europathemen gewidmet war. Gegenstand war diesmal das Legislativprogramm der EU-Kommission. Nationalratspräsident Dr. KHOL eröffnete die Sitzung mit einem kurzen Gedenken für den dieser Tage überraschend im 50. Lebensjahr verstorbenen Mitarbeiter des SP Klubs DI Robert Schnattinger, der 20 Jahre als Experte in Verkehrs- und Umweltfragen im Parlament gearbeitet hatte.

SP-Vorsitzender Dr. GUSENBAUER leitete die Europa-Debatte mit der Feststellung ein, die EU würde nur dann die Akzeptanz ihrer Bürgerinnen und Bürger finden, wenn es gelinge, das Wirtschaftswachstum zu steigern und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Die Vorstellungen über die Wege zu diesem Ziel gingen allerdings auseinander: Die einen setzten auf verstärkte Liberalisierung; das kontinentaleuropäische Modell gehe von einem hohen Schutzniveau aus; beim skandinavischen Erfolgsmodell würde hohe Wettbewerbsfähigkeit mit starker sozialer Integration verbunden.

Die Frage sei, wie man mit der Finanzierung des Wohlfahrtsstaates umgehe, sagte Gusenbauer weiter. Er plädierte für eine Beendigung des Steuerwettlaufs, weil nur so der Sozialstaat erhalten werden könne - und dies sei eine der Aufgaben für die österreichische EU-Präsidentschaft. Weiter gelte es, die Finanzen in Richtung Zukunft zu verändern, und dies bedeute, Geld in Forschung und nicht in die großindustrielle Landwirtschaft zu investieren. Ausdrücklich sprach sich der Redner für eine Demokratisierung Europas aus; beim Thema EU-Verfassung seien neuer Mut und neues Engagement auch von der österreichischen Präsidentschaft gefordert.

In den sieben Jahren seit der letzten österreichischen Präsidentschaft habe sich viel verändert, sagte Vizekanzler GORBACH, der als erstes Regierungsmitglied in der Europadebatte zu Wort kam. Wie sein Vorredner äußerte er sich kritisch über den Finanzplan der Gemeinschaft und forderte mehr Beweglichkeit und mehr Konsensbereitschaft ein. Einig mit Gusenbauer zeigte er sich auch in der hohen Bewertung von Forschung und Entwicklung, die zur Sicherung des Standorts und damit von Arbeitsplätzen beitrügen.

Beim Verfassungsvertrag trat der Vizekanzler für eine Neuverteilung der Kompetenzen bei Regionen, Ländern und Nationen im Sinn der Subsidiarität ein: Auf europäischer Ebene sollte nur geregelt werden, was dort geregelt werden müsse, alles andere aber dort, wo es besser geregelt werden könne. Forschung und Entwicklung müssten besser dotiert werden als bisher, wobei den BürgerInnen der Nutzen besser vermittelt werden müsse. Schwerpunktmäßig würden in der österreichischen EU-Präsidentschaft der Bereich Sicherheitsforschung - einschließlich Verkehrssicherheit - thematisiert werden.

Angesichts von 20 Millionen Arbeitslosen in Europa genüge es nicht, den Menschen zu erklären, "wie es ist", stellte der geschäftsführende S-Klubobmann Dr. CAP fest und skizzierte die Vorstellungen seiner Fraktion: Europa sei nicht nur ein Friedensprojekt, nicht nur ein politisches und wirtschaftliches Projekt, sondern auch ein soziales Projekt. Die Regierung aber habe sich dem neoliberalen Projekt angeschlossen und setze es um - was Cap mit den Folgen Lohndruck, Steuerwettlauf und Sozialabbau beschrieb.

Cap kam dann auf den so genannten Visa-Skandal zu sprechen: Österreich sei ein "offenes Tor für gekaufte Visa in den Schengen-Raum" geworden, mit zehntausenden gekauften Visa. Bis 27. September aber seien "Beweisstücke vernichtet" worden. Er forderte zum Schluss seiner Wortmeldung einen Entwurf für die österreichische Ratspräsidentschaft ein, der das Instrumentarium für die nächsten Erweiterungsschritte umfasse, eine Balance zwischen Wirtschaft und Sozialem verwirkliche sowie Europa wirtschaftlich mit China und politisch mit den USA wettbewerbsfähig mache.

Der den Vorsitz führende Präsident Dr. KHOL mahnte die Abgeordneten, nicht eine allgemeine politische Debatte zu führen. Thema sei das Legislativprogramm der EU; er habe aber diesbezüglich weder Kommentare noch Vorschläge gehört.

Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) skizzierte die Position seiner Fraktion zu einzelnen Punkten: Bei Wachstum und Arbeitsplätzen sollte die österreichische Präsidentschaft in Fortführung der Lissabon-Strategie von den Mitgliedern nationale Reformpläne einfordern. Forschung müsse verstärkt aus europäischen und nicht allein aus nationalen Mitteln gefördert werden, dies schaffe Vorteile im Wettbewerb. Verbesserungen müsse es auch für die kleinen und mittleren Unternehmen geben.

In den Fragen der Sicherheit gehe es nicht allein um inner-, sondern auch außereuropäische Aspekte. Spindelegger nannte in diesem Zusammenhang Initiativen für einen demokratischen Prozess in Südosteuropa mit dem Ziel der Schaffung eines dauerhaften Friedens, von Wohlstand und Stabilität sowie eine Kosovo-Statuskonferenz. Österreich solle auch eine Initiative in Richtung Subsidiarität - für eine Subsidiaritätskonferenz - starten, meinte Spindelegger.

Wohlstand - Arbeitsplätze - Sicherheit - Europa als Partner in der Welt: Mit diesen Stichworten griff F-Klubobmann SCHEIBNER die Themen des EU-Arbeitsprogramms auf und ging dann auf einzelne Punkte ein. Im Fall der EU-Verfassung gebe es eine Fülle von Problemanalysen, aber keine Lösungen. Nochmaliges Abstimmen sei ebenso wenig ein gangbarer Weg wie ein "Filetieren" des Vertrags. Bei den Finanzen müsse das Ziel sein, zusätzliche Belastungen zu vermeiden. Positiv wurde auch von Scheibner die Tatsache bewertet, dass für Forschung und Entwicklung nicht nur nationale, sondern auch EU-Mittel zur Verfügung stehen. Um mehr Bürgernähe zu erreichen, sollte auf die Fachsprache von Technokraten und Bürokraten verzichtet werden; Scheibner brachte im Zusammenhang mit Bürgernähe auch die Möglichkeit von EU-weiten Volksabstimmungen zur Sprache.

Hinsichtlich der nächsten Erweiterungsschritte müsse auf die Erfüllung der Kriterien geachtet werden. Ein klares Wort sei auch bei den Menschenrechten nötig, betonte Scheibner, und zwar sowohl hinsichtlich der Türkei als auch im Zusammenhang mit den viel zitierten Flügen der CIA. Wenn der Verdacht stimme, dann müsse die EU handeln, auch wenn es Mitgliedsländer betreffe, führte der Klubobmann aus. In Punkto Sicherheit müsse die EU ein Pendant - nicht ein Gegner - zu den USA sein, und zwar mit einer offensiven Entwicklungszusammenarbeit sowie politisch und - wenn nötig - militärisch.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) sah die Europäische Union in einer tiefen Krise, stellte seiner kritischen Analyse aber sein klares Bekenntnis zur EU voran: "Gäbe es die EU nicht, müsste man sie erfinden". Die internationalen Probleme können und müssen durch das Engagement der europäischen Staaten im Rahmen der Europäischen Union gelöst werden.

Van der Bellen ortete zunächst ein Führungsvakuum in der EU - Frankreich sei mit sich selbst beschäftigt, Deutschland müsse seine Wirtschaftssituation verbessern, die italienische Politik sei indiskutabel und Großbritannien kein Freund der europäischen Integration. Dies zeige die EU-Präsidentschaft Tony Blairs deutlich. Blairs Vorschlag zur Finanzvorschau ist sowohl hinsichtlich seines Ausmaßes als auch seiner Struktur beschämend für die europäische Idee. Aber auch Österreich habe sich dabei nicht hervorgetan, sagte Van der Bellen. Beim EU-Budget werde über 1 % der Wirtschaftskraft eines Landes diskutiert. Für Österreich gehe es gerade einmal um 1/45 des Betrages, den die Österreicher zur Finanzierung ihrer Republik aufwenden. Tony Blair steuere einer großen Blamage entgegen.

Heftige Kritik übte der Klubobmann der Grünen an Vizekanzler Gorbach, am "Vizekanzler für Geisterfahrer". Dessen Vorschlag für Tempo 160 gehe nämlich exakt in die verkehrte Richtung. Bei Geschwindigkeiten über 130 km/h steigen CO2- und andere Emissionen, die für den Klimawandel verantwortlich sind. "So wird es noch schwerer, die Kyoto-Ziele zu erreichen." 

Ein schwieriges Problem sah Van der Bellen mit dem Verhältnis zu den USA auf die österreichische EU-Präsidentschaft zukommen. Denn es sei "absolut inakzeptabel", dass ein US-Geheimdienst auf fremdem Territorium europäische Staatsbürger, die unter Folterverdacht stehen, entführt und sie in ausländische Gefängnisse verbringt. "Wo sind wir denn?", fragte Abgeordneter Van der Bellen abschließend.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN reagierte auf die Ausführungen seines Vorredners mit dem Hinweis darauf, dass der Bundeskanzler bereits angekündigt habe, mit Präsident Bush wichtige Themen zu besprechen. Den EU-Vorsitz wolle die Bundesregierung als eine professionelle Dienstleistung Österreichs für Europa gestalten. Ganz oben auf der Prioritätenliste stehe das Vertrauen der Bürger in die EU, es soll wieder wachsen. In diesem Zusammenhang kritisierte Bartenstein die Haltung der SPÖ, deren "Zwei-Firmen-Theorie" heute deutlich geworden sei: Klubobmann Cap habe euroskeptisch, Parteivorsitzender Gusenbauer hingegen pro-europäisch gesprochen. Natürlich gehe es um Wachstum und Jobs, hielt der Minister fest, wobei er sich zum Steuerwettbewerb bekannte, weil er Headquarters und damit Arbeitsplätze nach Europa bringe.

Auch für ihn seien die skandinavischen Länder Vorbilder, bei der sozialen Sicherheit, den Investitionen, bei Forschung und Entwicklung - nicht aber in der Arbeitsmarktpolitik, denn hier liege Österreich bei allen Vergleichsdaten besser als Finnland und Schweden. Die Flexibilität, die auf dem Arbeitsmarkt gefordert sei, setze soziale Sicherheit voraus, hielt der Wirtschaftsminister fest. Auf dieser Basis nehmen die Unternehmen den internationalen Wettbewerb auf und schlagen sich - gerade in Österreich - im Export hervorragend.

Für die Umsetzung der Lissabon-Strategie sei das Jahr 2006 ein entscheidendes Jahr, sagte der Minister. Ein spezieller Gipfel im Frühjahr wird entscheiden, ob es einen Lissabon-Relaunch für mehr Wachstum geben wird. Die EU dürfe im globalen Wettbewerb bei Wachstum und Beschäftigung nicht das Schlusslicht bleiben.

Beim Thema Finanzvorschau zeigte sich auch Minister Bartenstein unzufrieden mit den britischen Vorschlägen, konkret hinsichtlich der Finanzierung von Entwicklungsprogrammen für den ländlichen Raum sowie mit den Auswirkungen für den Nettozahler Österreich. Positiv sah er hingegen die vorgeschlagene Förderung der Grenzregionen.

Abgeordneter SCHIEDER (S) sagte der österreichischen EU-Präsidentschaft die Unterstützung der SPÖ zu, wenn sie sich aktiv dafür einsetze, die politische und soziale Situation der Bürger Europas spürbar zu verbessern. Hauptaugenmerk sei auf wirtschaftliche und soziale Reformen sowie auf die Verfassungsreform zu legen. Die soziale Frage werde dabei entscheidend sein, sagte Schieder und zeigte sich skeptisch, ob es der Regierung gelingen werde, auf europäischer Ebene das Gegenteil dessen umzusetzen, was sie in Österreich mache.

Der außenpolitische Sprecher der SPÖ betonte auch die Bedeutung eines europäischen Nachbarschaftsprogramms und wies auf Probleme in der Balkan-Politik hin, wo es gute Einzelvorschläge, er aber kein Gesamtkonzept erkennen könne. Die Aussagen für eine neue China-Politik seien ihm noch zu "kryptisch", meinte Schieder, der beim Thema USA unterstrich, es müsse darum gehen, das europäische Modell der Menschenrechte zu betonen. Hier befürchtete der Abgeordnete eine Mentalreservation der österreichischen EU-Präsidentschaft, die sich den Besuch von Präsident Bush nicht vermasseln wolle.

Abgeordneter Dr. FASSLABEND (V) sprach von einer schwierigen Situation, in der Österreich den EU-Vorsitz übernehme. Der britische Vorsitz habe viele Erwartungen enttäuscht. Nun gehe es darum, das Vertrauen der Bürger in die Union wieder zu gewinnen. Dabei liege die Bundesregierung in weiten Bereichen richtig. Wachstum und Beschäftigung müssen Vorrang haben, daher stehe die Lissabon-Strategie im Mittelpunkt. Dazu kommt der Ausbau von Forschung und Entwicklung. Eine doppelte Wachstumsstrategie sei gefragt. Denn Europa stehe sowohl in Konkurrenz zu den hoch entwickelten USA als auch zu den Billigproduzenten in Ostasien. Fasslabend plädierte vor allem dafür, Standortnachteile gegenüber den USA zu beseitigen, um die Ansiedlung von Unternehmen zu fördern.

In der Sicherheitspolitik gehe es um den Kampf gegen den Terrorismus und gegen die organisierte Kriminalität sowie letztlich darum, den Menschen das Gefühl zu geben, in Europa sicher leben zu können. Die parlamentarische COSAC-Konferenz werde das europäische Sozial- und Wirtschaftsmodell in den Vordergrund stellen. An die SPÖ appellierte Fasslabend, wenigstens im nächsten halben Jahr als staatstragende Partei zu agieren.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) forderte eine grundlegende Änderung der Europäischen Union. Eine politische Kehrtwende sei notwendig, weil man den Menschen eine EU nicht näher bringen könne, die einen falschen Weg verfolge. Der Verfassungsvertrag sei gescheitert, weil es nicht möglich sei, eine europäische Verfassung zu verwirklichen, die von der Republik Frankreich abgelehnt werde. Abgeordneter Bösch wandte sich gegen eine zentralistische EU und sah die Mitgliedsländer als die wichtigste Entscheidungsebene in der EU. Dem britischen Vorsitz warf Bösch vor, europäische Interessen zu Gunsten eigener Interessen zu hintertreiben. Bösch wandte sich auch gegen eine schrankenlose EU-Erweiterung und sagte: "Niemand versteht die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei".

Die Themen Wirtschaft und Arbeitsplätze seien wichtig, damit die Bürger sehen, dass Europa ihre Interessen vertrete. Die österreichische EU-Präsidentschaft soll ihre Möglichkeit nutzen, die Änderung der europäischen Politik einzuleiten: "Weg von einer idealisierten, undifferenzierten Europa-Politik - hin zu einer Politik mit mehr Hausverstand."

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) ging von der Feststellung aus, den Menschen sei die Begeisterung für das europäische Projekt zuletzt abhanden gekommen. Die EU sei zu Gentechnik-freundlich und forciere den Ausbau der Atomenergie. Nationale Regierungen, die in Brüssel Investitionen in AKW beschließen, wollen den Bürgern erzählen, sie hätten "gekämpft, es aber nicht geschafft". Lunacek wies auch auf die zunehmenden Existenzsorgen der Menschen hin und forderte ein nachdrückliches Eintreten für das europäische Sozialmodell. Wettbewerb soll zwischen Unternehmen gelten, nicht aber zwischen den Staaten. Das Steuerrecht sei kein geeignetes Mittel im Standortwettbewerb. Den Begriff "europäisches Lebensmodell", der an die Stelle des "europäischen Sozialmodells" trete, lehnte Lunacek als zu unverbindlich ab. In der Außenpolitik warnte die außenpolitische Sprecherin der Grünen davor, auf dem Balkan EU-Beitrittskandidaten und andere Länder durch eine unterschiedliche Förderungspolitik auseinander zu dividieren und bestehende Klüfte zu vertiefen. Zentrales Anliegen der EU-Präsidentschaft sollten die Menschenrechte sein, sagte Lunacek und kündigte an, Bundeskanzler Schüssel an seinem Mut zu messen, den er diesbezüglich in den USA an den Tag lege.

Staatssekretär Dr. WINKLER bilanzierte 2005 als ein nicht gutes Jahr für die Europäische Union, auch wenn man nicht vergessen sollte, dass die Entscheidung für die Verdoppelung der Mittel zur Bekämpfung der Armut in der Welt eine wichtige Entscheidung auf dem Weg zur Erreichung der Millenniumsziele sei. Um das Vertrauen der Bürger in die EU wieder zu gewinnen, brauche es nicht nur Kommunikation, sondern auch Taten. Das sei die klare Absicht der österreichischen EU-Präsidentschaft, die europäische Politik für die Menschen machen wolle. Dies setze aber die Zusammenarbeit von Kommission, Rat und EU-Parlament voraus, einzelne Institutionen und einzelne Mitgliedsländer seien dabei überfordert. Staatssekretär Winkler kündigte die Evaluierung der nationalen Pläne für die Umsetzung der Lissabon-Strategie und Fortschritte bei der Umsetzung des Haager Programms zur europäischen Sicherheitspolitik an.

In der gemeinsamen Außenpolitik liege die Hauptverantwortung bei den Regierungen. In der europäischen Nachbarschaftspolitik sei die Evaluierung der Pläne für die Ukraine und Moldawien geplant. Der Wert der Menschenrechte werde eine wesentliche Rolle in der österreichischen EU-Präsidentschaft spielen. Auch das europäische Parlament habe sich dafür eingesetzt, den Schutz der Menschenrechte in der Welt zu betonen. Bei den Bemühungen um mehr Vertrauen der Bürger spiele die Subsidiarität eine wichtige Rolle, sagte Winkler, der Fortschritte bei den Bemühungen um eine bessere EU-Gesetzgebung registrierte.

Abgeordnete SILHAVY (S) hielt es für problematisch, ein EU-Legislativprogramm ohne diesbezügliches Budget zu diskutieren. Die Halbzeitbilanz der Lissabon-Strategie sei auch deshalb negativ ausgefallen, weil die Maßnahmen der einzelnen Mitgliedsländer nicht gegriffen haben. Dafür sei auch die Bundesregierung verantwortlich, sagte Silhavy und wies auf die Rekordarbeitslosigkeit in Österreich hin. Auch die Sozialpolitik der Bundesregierung widerspreche den Zielen der EU, kritisierte die Rednerin weiter und fragte, wie die Lissabon-Strategie umgesetzt werden soll, wenn eine gegensätzliche nationale Politik betrieben werde. Der Steuerwettbewerb führe zu Steuerdumping und verschlechtere die Qualität der Arbeitsplätze, analysierte Silhavy. Schließlich richtete sie an die Vertreter der Bundesregierung die Frage, wie man mit Pensionskürzungen, mit zunehmender Armut und sozialer Ausgrenzung das Vertrauen der Bürger gewinnen wolle. Sie könne bei der österreichischen Bundesregierung keinen Ansatz zur Umsetzung des EU-Legislativprogramms erkennen, schloss die Rednerin.

Abgeordneter GRILLITSCH (V) meinte, die aktuelle Debatte böte die Möglichkeit, Bilanz darüber zu ziehen, was Europa dem Land gebracht habe und wo es heute stehe. Die EU habe Frieden und Sicherheit gebracht, und dafür sei man dankbar. Nun gelte es, dies auch für die Zukunft abzusichern, weshalb man keine doppelzüngige Strategie entwickeln dürfe. Es brauche weitere Initiativen in die Zukunft, aber diese dürften nicht auf Kosten der ländlichen Bevölkerung gehen, mahnte der Redner. Dies solle auch die Opposition akzeptieren.

Abgeordneter Mag. HAUPT (F) sprach sich für die Forcierung des kleinen Grenzverkehrs aus, der eine wesentliche Belebung für die betreffenden Regionen bedeuten würde. So könnte man die europäische Identität und das Zusammenleben der Regionen deutlich fördern, meinte Haupt. Die österreichische Präsidentschaft sei der Garant dafür, diese Ziele erfolgreich zu verfolgen, zeigte sich der Redner überzeugt. Zudem verwies Haupt darauf, dass Österreich die höchste Beschäftigtenrate der Geschichte habe, man werde auch in Hinkunft gemeinsam daran arbeiten, zu mehr Arbeit und Beschäftigung zu kommen.

Abgeordnete SBURNY (G) sagte, ein positiver Aspekt der Ratspräsidentschaft sei die Erkenntnis, dass die EU nicht in Brüssel sei, sondern dass wir alle mitentscheiden könnten. Es brauche nun eine Debatte über die positiven Perspektiven für die EU, und dafür müsse auch Österreich sorgen. Die Leute müssten wissen, wo es genau hingehen soll, um das Vertrauen in das politische Projekt EU zu wecken. Konkret setzte sich die Rednerin in der Folge mit der Dienstleistungsrichtlinie der EU auseinander und forderte mehr Verteilungsgerechtigkeit in der EU.

Abgeordneter PARNIGONI (S) befasste sich mit Aspekten der inneren Sicherheit und zeigte sich skeptisch, ob das diesbezügliche Programm der EU zweckmäßig sein könnte. So dürfe die Bekämpfung des Terrorismus nicht dazu führen, die Grundrechte außer Kraft zu setzen, denn damit hätten die Terroristen bereits einen ersten Sieg errungen. Auch eine Antiterrorpolitik müsse ihre Glaubwürdigkeit gewinnen, und dies gelinge nur, indem man sich auch der begleitenden Bereiche wie Integration oder Asyl annehme.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) sprach zum europäischen Sozialmodell und meinte, Europa sei mehr als ein Sozial- oder Wirtschaftsmodell, es sei ein Lebens- und Gesellschaftsmodell, das sich durch vielfache Besonderheit auszeichne. Europa bedeute Sicherheit, Bildung, Gesundheitsvorsorge, Gleichberechtigung und Menschenwürde, sagte die Rednerin. Es sei von zentraler Bedeutung, dass man im Kern darüber rede, welche Werte man für die EU anstrebe und wie man diese umsetze. Dabei müsse man sich der Geschichte und der europäischen Wurzeln besinnen, um dieses Modell entsprechend leben zu können. Daran müsse weiter gearbeitet werden.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) pflichtete seiner Vorrednerin bei, meinte aber, man habe in Europa auch konkrete Probleme, die gelöst werden müssten, und Österreichs Ratspräsidentschaft müsse dazu beitragen, konkrete Lösungsansätze zu finden. Sodann beleuchtete der Redner die Schwerpunkte der kommenden Arbeit, so das EU-Budget, wo für seine Fraktion Beitragserhöhungen nicht in Frage kämen. Die europäische Verfassung sei gescheitert, hier müsse man zurück an den Start gehen und von vorne beginnen. Die Erweiterung der Union sei fraglos wichtig, sie müsse aber so gestaltet sein, dass die EU eine solche auch bewältigen könne.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) sprach zu Fragen der Verkehrssicherheit in Europa und ortete hier massiven Handlungsbedarf. In diesem Zusammenhang sprach sich die Rednerin gegen die Pläne des Vizekanzlers aus. (Schluss)