Parlamentskorrespondenz Nr. 1051 vom 21.12.2005

Nationalrat fasst Beharrungsbeschluss zur Postgesetznovelle

Misstrauensantrag der Grünen gegen Vizekanzler Gorbach abgelehnt

Wien (PK) - Der Nationalrat fasste nach der Europadebatte einen Beharrungsbeschluss zur Postgesetznovelle 2005, die vom Bundesrat beeinsprucht worden war.

Abgeordneter EDER (S) wies darauf hin, dass der Bundesrat gegen die vorliegende Postgesetznovelle Einspruch erhoben habe, und zwar mit der gleichen Begründung, die die SPÖ veranlasst habe, die Gesetzesänderung abzulehnen. Eder zufolge dient diese lediglich dazu, den Börsegang der Post vorzubereiten. EU-rechtlich bestehe kein Handlungsbedarf. 80 % der Österreicherinnen und Österreicher lehnten aber, so Eder, den Verkauf der Post ab. Die SPÖ sei nicht grundsätzlich gegen eine private Beteiligung an der Post, skizzierte er, für eine Privatisierung sei jetzt aber der falsche Zeitpunkt.

Den von den Grünen gegen Vizekanzler und Verkehrsminister Gorbach angekündigten Misstrauensantrag wird die SPÖ, wie Eder sagte, unterstützen. Er begründete dies u.a. mit dem Vorgehen Gorbachs beim Verkauf der Bodenseeschifffahrt, "der kompromisslosen Zerschlagung der Bahn" und der häufigen Abwesenheit des Ministers im Verkehrsausschuss.

Abgeordneter DI REGLER (V) kündigte einen Beharrungsbeschluss zur Postgesetznovelle an. Die Opposition sei nur deswegen gegen die Gesetzesänderung, weil sie vor dem Erfolg der Post Angst habe, vermutet er. Regler fragt sich, was dagegen spricht, österreichischen Bürgerinnen und Bürgern direktes Eigentum an "der gelben Post" zu geben.

Kein Verständnis zeigte der Abgeordnete für den Misstrauensantrag gegen Vizekanzler Hubert Gorbach. Er machte u.a. darauf aufmerksam, dass es in Gorbachs Amtszeit zu einem umfassenden Ausbau des hochrangigen Straßennetzes und zu einer enormen Steigerung der Forschungsquote gekommen sei. Gleichzeitig seien die Ausgaben für die Schieneninfrastruktur verdoppelt, eine Bahnhofsoffensive gestartet und die Verkehrssicherheit gehoben worden. Die Neuordnung der ÖBB habe zu klareren Verantwortlichkeiten und mehr Transparenz geführt. Positiv bewertete Regler auch die neue EU-Wegekosten-Richtlinie, die nunmehr Mautzuschläge am Brenner erlaube.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) brachte gleich zu Beginn ihrer Rede einen Misstrauensantrag gegen Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach ein. Der Misstrauensantrag habe verschiedene Gründe, unterstrich sie und ging in Folge auf einzelne Punkte genauer ein. So wertete Moser die Maßnahmen zur Hebung der Verkehrssicherheit als unzureichend und beklagte etwa, dass Geschwindigkeitsüberschreitungen kein Vormerkdelikt sind, obwohl sie Hauptunfallursache seien. Statt hier auf eine notwendige Mentalitätsänderung hinzuarbeiten, werde von Gorbach Tempo 160 forciert. Moser fragt sich, was passiert, wenn etwas passiert, und rechnet damit, dass diese Frage noch die Verfassungsrichter beschäftigen werde.

Weitere Kritikpunkte betrafen die steigenden Schulden der Asfinag, die "Freunderlwirtschaft" bei der Besetzung von Führungspositionen staatsnaher Unternehmen, der hohe Personalstand in Gorbachs Kabinett und dessen "Ignoranz" gegenüber dem Parlament.

Abgeordnete DI ACHLEITNER (F) sprach von einem "peinlichen Misstrauensantrag" und machte geltend, dass die von Gorbach gesetzten Maßnahmen zur Hebung der Verkehrssicherheit bereits Früchte tragen würden, wie vorliegende Daten bewiesen. Ihrer Ansicht nach haben die Grünen zudem "immer noch nicht kapiert", was Verkehrsbeeinflussungsanlagen bedeuteten. Es gehe nicht in erster Linie um Tempo 160, bekräftigte sie, sondern um Verkehrssicherheit und den Schutz der Umwelt.

In Bezug auf die Postgesetznovelle äußerte Achleitner die Vermutung, dass durch den Einspruch des Bundesrats politisches Kleingeld gemacht werden solle. Der Opposition gehe es nicht um eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen, erklärte sie, sondern um Verunsicherung. Man könne nicht "krampfhaft" an der Institution "Postamt" festhalten, sagte Achleitner, durch die Übernahme von Postdienstleistungen würden Nahversorger gestärkt.

Vizekanzler GORBACH wies sämtliche Vorwürfe der Opposition zurück und verwies u.a. darauf, dass er im Verkehrsausschuss durch seine beiden Staatssekretäre gut vertreten werde. Überdies gab er zu bedenken, dass sich SPÖ-Verkehrssprecher Kurt Eder einer Aussendung zufolge Tempo 150 auf Autobahnen vorstellen könne.

Was den Verkauf der Bodenseeschifffahrt an ein Konsortium der Vorarlberger Illwerke und des Touristikunternehmens Klaus betrifft, unterstrich Gorbach, dass die ÖBB bereits 1993 in die Eigenständigkeit entlassen wurden und der zuständige Minister seither nicht einmal mehr weisungsbefugt sei. Der Verkauf der Bodenseeschifffahrt sei der Vorschlag eines ÖBB-Vorstandsmitglieds gewesen und vom Vorstand und vom Aufsichtsrat beschlossen worden. Auch bei der Interessentensuche sei die Politik nicht im Spiel gewesen. Es gehe nicht an, dass er ständig diskreditiert würde, bekräftigte Gorbach und verwies in diesem Zusammenhang auf bereits vorliegende Gerichtsurteile.

Eingeräumt wurde vom Vizekanzler, dass die Schulden der Asfinag bis zum Jahr 2015 voraussichtlich 13 Mrd. € betragen würden. Er sei jedoch stolz auf die Investitionen der Asfinag, betonte er, da damit tausende Arbeitsplätze gesichert würden. Im Übrigen sei der Asfinag bereits 1997 ein Schuldenstand von 5,7 Mrd. € mitgegeben worden. Bei den ÖBB wurde ihm zufolge die Führungsebene durch die neue Unternehmensstruktur gestrafft.

Abgeordnete BAYR (S) äußerte die Befürchtung, dass die Post im Frühjahr kommenden Jahres "auf den Markt geworfen" und zu einem zu niedrigen Preis "verscherbelt" werde. Und dies, obwohl die Rahmenbedingungen für eine Liberalisierung noch nicht feststünden, kritisierte sie.

Unterstützung signalisierte Bayr in Bezug auf den Misstrauensantrag gegen Verkehrsminister Gorbach. Der Vizekanzler betrachte seine öffentliche Funktion offensichtlich als Teilzeitjob, meinte sie. Weiters bemängelte Bayr zu geringe Verkehrskontrollen und die Einrichtung einer Teststrecke für 160 km/h auf Autobahnen. Im Hinblick auf den Lkw-Verkehr stelle sich Gorbach, so die Abgeordnete, stets auf die Seite der Frächterlobby.

Abgeordneter ESSL (V) führte aus, die Opposition habe keine neuen Argumente gegen die Postgesetznovelle vorgebracht. Für ihn ist die Novelle notwendig, da sie entsprechende Rahmenbedingungen schaffe, die es der Post auch in Zukunft erlaubten, im In- und im Ausland als innovatives Dienstleistungsunternehmen aufzutreten und rasch auf Veränderungen zu reagieren. Für Eßl steht die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen im Mittelpunkt, wobei er dies auch durch alternative Lösungen zu Postämtern gewährleistet sieht.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) meinte, man könne in Bezug auf die Privatisierung und die Liberalisierung der Post verschiedene Modelle diskutieren, das was die Koalition machen wolle, sei aber lediglich "schnelle Kohle". Er selbst wage jedoch zu bezweiflen, dass eine Liberalisierung von Universaldienstleistungen sinnvoll sei. In Richtung Vizekanzler Gorbach hielt Öllinger fest, dieser sei durch die Beschäftigungszusage des Unternehmens Klaus "ein Minister auf Abruf". Er ortet etwa einen Interessenskonflikt beim Verkauf der Bodenseeschifffahrt und übte darüber hinaus massive Kritik an den Reisekosten des Ministers und dem hohen Personalstand in dessen Kabinett.

Abgeordneter WITTAUER (F) warf SPÖ und Grünen im Zusammenhang mit der Beeinspruchung der Postgesetznovelle 2005 vor, den Bundesrat zu missbrauchen. Vizekanzler und Verkehrsminister Gorbach konzedierte er eine Erfolgsbilanz. U.a. machte er auf zahlreiche Maßnahmen zur Hebung der Verkehrssicherheit aufmerksam und nannte dabei die Errichtung von Verkehrsberuhigungsanlagen, das Vormerksystem für Verkehrsdelikte, die Einführung des Mehrphasenführerscheins und die Verpflichtung zu Licht am Tag. Die Maßnahmen hätten bereits zu einem Rückgang der Verkehrstoten in Österreich geführt, zeigte sich Wittauer erfreut.

Abgeordneter HEINZL (S) warf der Bundesregierung vor, die Ausdünnung des ländlichen Raums fortzusetzen. Obwohl man versprochen habe, Postämter nur im Einvernehmen mit den Bürgermeistern zu schließen, habe man sich an dieses Versprechen nicht gehalten. Und nun, vor dem geplanten Börsengang der Post im Frühjahr 2006, drohe die Schließung weiterer 500 Filialen. Man müsse sich fragen, welchen Sinn das Unternehmen Post noch haben soll, wenn es keine Postämter mehr gebe. In Wahrheit gehe es längst darum, dieses Unternehmen, das Dividenden von 515 Mill. € an den Staat zahle, zu einem günstigen Preis zu privatisieren. - Die SPÖ lehnt die Postgesetznovelle weiterhin ab.

Abgeordneter HORNEK (V) bekannte sich nachdrücklich zu einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen und erinnerte die SPÖ daran, dass auch sie sich in den neunziger Jahren dazu bekannt habe, die Postdienstleistungen zu liberalisieren. Um diese EU-Verpflichtung zu erfüllen, sei es notwendig, die Post organisatorisch und finanziell auf den Wettbewerb vorzubereiten. Außerdem lehne er es ab, eine defizitäre Post durch überhöhte Telefontarife zu finanzieren. 

Abgeordnete REST-HINTERSEER (G) schilderte die Unzufriedenheit der Menschen in ihrem Salzburger Heimatdorf seit der Schließung des Postamtes. Unzufrieden sei der Postservice-Dienstleister, der nicht das volle Angebot eines Postamtes bieten könne, und unzufrieden seien die Kunden, die nun keinen PSK-Schalter mehr in ihrem Ort haben. Rest-Hinterseer erinnerte an die "hinterhältige Vorgangsweise" bei der Schließung vieler Postämter, denen man zunächst die Annahme von Massensendungen verboten und ungerechtfertigte Mieten verrechnet habe, um behaupten zu können, sie seien nicht kostendeckend. Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch diese Politik entstehe, sei enorm, schloss die Abgeordnete.

Staatssekretär Mag. KUKACKA vermisste Fairness und Gerechtigkeit in der Debatte und wies darauf hin, dass diese Bundesregierung Rekordinvestitionen in die Straße und Schiene getätigt habe. Die Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit - Vormerksystem, Mehrphasen-Führerschein, Licht bei Tag - sei erfolgreich. 2005 werde man den 2004 erreichten Tiefststand bei den Verkehrsunfällen und Verkehrstoten um 15 % unterschreiten.

Beim Thema Liberalisierung der Post wies der Staatssekretär die Ausdrucksweise der Abgeordneten Rest-Hinterseer zurück und registrierte eine unverständliche Kehrtwendung der Oppositionsparteien. Die reservierten Bereiche der Postdienstleistungen werden nicht vor 2009 liberalisiert, klärte der Staatssekretär auf und sprach von einem Erfolgsweg der Post, seit sie als eigenständiges Unternehmen agieren könne. Den hohen Verlusten, die mit überhöhten Telefongebühren abgedeckt wurden, stünden heute hohe Dividenden gegenüber. Postdienstleistungen seien auch in Zukunft durch die Universaldienstverordnung garantiert, sagte Kukacka und hielt fest - alle Postleistungen im ländlichen Raum bleiben aufrecht. Es gebe keine vernünftige Alternative zur Vorbereitung der Post auf die Vollliberalisierung in der EU ab 2009. Der Einspruch des Bundesrates sei nicht gerechtfertigt.

Abgeordneter PREINEDER (V) sprach die Vermutung aus, die Mehrheit des Bundesrats habe ihren Einspruch aus parteipolitischen Gründen gefasst. Die Opposition benütze ihre Mehrheit in der Länderkammer, um Einsprüche gegen den Nationalrat zu erheben. Der SPÖ warf der Redner überdies vor, mit ihrer Kritik an der Förderung der Landwirtschaft die Entwicklung des ländlichen Raums zu gefährden. Jede Einkommensstatistik zeige, dass die Bauern weniger verdienen als vergleichbare Berufsgruppen in anderen Sektoren. Für eine Kürzung der Agrarsubventionen einzutreten, sei sozial nicht gerechtfertigt.

Abgeordneter MARIZZI (S) sprach die Befürchtung aus, dass weitere 500 als nicht rentabel geltende Postämter geschlossen werden sollen,, weil die Bundesregierung zwar von Liberalisierung spreche, dabei aber Privatisierung meine. Marizzis Vermutung lautete, dass die Post an die "Redmail" verkauft werden solle. Es sei zwar richtig, dass auch die SPÖ in den neunziger Jahren für die Postliberalisierung eingetreten sei, ihr sei es aber um eine sinnvolle Liberalisierung mit einem österreichischen Kernaktionär wie bei der ÖMV, der AUA und der Verbundgesellschaft gegangen. Die SPÖ werde auch dafür sorgen, dass die österreichische Post österreichisch bleibt, schloss Abgeordneter Marizzi.

Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S): Vier Jahre blau-orange Verantwortung im Verkehrsressort bedeute vier völlig überforderte Minister von Schmidt bis Gorbach, Baustellenchaos, zerstörte Strukturen und Finanzdebakel im Schienensektor, nach wie vor kein Semmering-Basistunnel und Postenschacher im Ressort. Auf alle diese Probleme habe der Vizekanzler keine Antworten gefunden, er habe auf der ganzen Linie versagt, lautete das Fazit des Abgeordneten Kräuter.

Staatssekretär Mag. MAINONI unterstrich die Bedeutung der Postgesetznovelle für die Österreichische Post. Dieses Gesetz diene dazu, das Unternehmen und flächendeckende Postdienstleistungen abzusichern. Künftig sollen auch keine ungerechtfertigten Schließungen von Postämtern mehr vorgenommen werden. Vor jeder Schließung eines Postamts müsse künftig geprüft werden, ob es nicht doch kostendeckend geführt werden könne. Außerdem erhalten Hauseigentümer, die Postkästen nicht rechtzeitig austauschen, eine straffreie Nachfrist für die Installierung der neuen Postfächer. Die Sozialdemokraten sollten beachten, dass den Vorschlägen der Arbeiterkammer bei der Postgesetznovelle Rechnung getragen wurde. Postmitarbeiter müssen als solche erkennbar sein und Postsendungen gekennzeichnet werden. Die Zustellung müsse durch den Aufbau ausreichender Netze garantiert und eine Beschwerdestelle eingerichtet werden. Diese Novelle sei modern und stärke die Post auf ihren Weg in die Zukunft.

Abgeordneter PRÄHAUSER (S) sprach von einer großen Chance, die die Regierung vergebe, indem sie die Frist, die ihr der Bundesrat durch seinen Einspruch gegen die Postgesetznovelle 2005 eingeräumt habe, nicht zum Nachdenken nütze.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) unterstrich dem gegenüber die Notwendigkeit, das Unternehmen Post zu modernisieren und fühlte sich durch die Kritik der Opposition an das Beispiel der VOEST erinnert, die seit ihrer Privatisierung eine Erfolgsgeschichte geschrieben habe.

Bei der Abstimmung fasste der Nationalrat gegen den Einspruch des Bundesrates zur Postgesetznovelle 2005 mit V-F-Mehrheit einen Beharrungsbeschluss.

Der Misstrauensantrag der Grünen gegen Vizekanzler Gorbach blieb in der Minderheit der Oppositionsparteien und wurde abgelehnt.

(Schluss Postgesetznovelle/Forts. NR)