Parlamentskorrespondenz Nr. 56 vom 31.01.2006

Verfassungsausschuss diskutiert Tätigkeitsberichte von VfGH und VwGH

Koalition glaubt nicht, dass Legistik schlechter geworden ist

Wien (PK) - Der Verfassungsausschuss des Nationalrats befasste sich in seiner heutigen Sitzung mit den Tätigkeitsberichten des Verwaltungsgerichtshofs und des Verfassungsgerichtshofs für die Jahre 2003 und 2004. Im Mittelpunkt der Diskussion standen dabei die massive Kritik des Verfassungsgerichtshofs an der mangelhaften Legistik und die Frage, ob die beiden Präsidenten der Gerichtshöfe, Karl Korinek und Clemens Jabloner, zu den parlamentarischen Beratungen beigezogen werden sollen.

In beiden Punkten vertraten Koalition und Opposition konträre Auffassungen. So wiesen etwa ÖVP-Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer und Staatssekretär Franz Morak darauf hin, dass die Quote der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Gesetze, gemessen an der Zahl der eingeleiteten Gesetzesprüfungen, über die Jahre hinweg gleich geblieben sei, und schlossen daraus, dass sich die Qualität der Gesetze in den vergangenen Jahren nicht verschlechtert habe. Dass manche Gesetzesbestimmungen schwer zu lesen sind, führt Baumgartner-Gabitzer in erster Linie auf komplexer werdende Rechtsmaterien zurück.

Dem gegenüber verwiesen SPÖ und Grüne auf den Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes, in dem scharfe Kritik an der Formulierung mancher Gesetze geübt wird. Er habe sich auch im Jahr 2004 wiederholt mit gesetzlichen Regelungen befassen müssen, deren Systematik nur mit Mühe zu durchschauen und deren Sinnermittlung nicht zuletzt deshalb schwierig sei, "weil in den anzuwendenden Rechtstexten die Regeln der Grammatik und sonstige Prinzipien der deutschen Sprache gröblich missachtet werden", heißt es im Bericht wörtlich. Zu den Kritikpunkten des Verfassungsgerichtshofs gehören u.a. mangelnde sprachliche Präzision, überlange Sätze mit ineinander verstrickten Gedanken, kaum durchschaubare Verweisungsketten und die häufige Novellierung mancher Gesetze mit zum Teil rückwirkendem Inkrafttreten.

SPÖ-Abgeordneter Johannes Jarolim vermutet, dass diese Kritik des Verfassungsgerichtshofs der Grund für die Ablehnung von ÖVP und Freiheitlichen sei, den VfGH- und den VwGH-Präsidenten zu den Beratungen beizuziehen, was seitens VP-Abgeordneter Baumgartner-Gabitzer und ihrer Fraktionskollegin Maria Fekter vehement bestritten wurde. Es entspreche nicht der Tradition und wäre eine grobe Missachtung der Gewaltenteilung, würde man die beiden Höchstrichter "ins Hohe Haus zerren", begründete Fekter u.a. die Ablehnung eines entsprechenden Ladungsantrags der Grünen. Ihrer Meinung nach wäre es im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Rechtssprechung eine "Schieflage", müssten sich Korinek und Jabloner gegenüber den Abgeordneten für Entscheidungen bzw. Äußerungen rechtfertigen.

Dieser Argumentation konnten SPÖ und Grüne nichts abgewinnen. Sie glaube nicht, dass die beiden Präsidenten eine Einladung zur Teilnahme an den Ausschussberatungen als "Herzitieren" empfinden würden, meinte etwa Abgeordnete Terezija Stoisits (G) und wies in diesem Zusammenhang vorgebrachte Vorhaltungen wie "Missachtung der Gewaltenteilung" und "Respektlosigkeit gegenüber dem Rechtsstaat" als unverständlich zurück. Stoisits zufolge schlagen die Grünen darüber hinaus schon seit Jahren vor, den beiden Präsidenten der Höchstgerichte generell ein Rederecht im Nationalrat einzuräumen.

Ähnlich wie Stoisits äußerten sich die Abgeordneten Elisabeth Grossmann (S) und Eva Glawischnig (G). Die beiden zeigten zudem, wie auch Abgeordneter Jarolim und Abgeordnete Stoisits, wenig Verständnis dafür, dass sich die Regierung mit der Kundmachung von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs zum Teil erheblich Zeit lasse, was auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Bericht moniert habe. Auf den Einwand von Abgeordneter Baumgartner-Gabitzer, im vorliegenden Bericht seien im Bereich des Bundes nur zwei derartige Fälle erwähnt, gab Stoisits zu bedenken, dass es auch im Jahr 2005 trotz der Rüge des Verfassungsgerichtshofes weiter zu verspäteten Kundmachungen, etwa in Zusammenhang mit der Gastgartenverordnung, gekommen sei.

Allein blieb die SPÖ mit ihrer von Ausschussvorsitzendem Peter Wittmann vorgebrachten Rechtsauffassung, wonach Staatssekretär Franz Morak die Präsidenten der beiden Höchstgerichte quasi als "Ressortangehörige" in den Ausschuss mitnehmen hätte können.

Abgeordneter Josef Bucher (F) unterstrich seitens der Freiheitlichen, er halte die Anwesenheit der beiden Präsidenten bei der Debatte nicht für erforderlich. Abgeordneter Roderich Regler (V) wandte sich dagegen, dem VfGH- und dem VwGH-Präsidenten ein automatisches Rederecht im Nationalrat einzuräumen, da diese, im Gegensatz zur Volksanwaltschaft und zum Rechnungshof, keine Organe des Parlaments seien.

Was den Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofs betrifft, verwiesen sowohl VertreterInnen der ÖVP als auch VertreterInnen der SPÖ und der Grünen auf dessen permanente Überlastung hin. Der Rückstau bei den Verfahren werde immer größer, skizzierte etwa Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S). Ihrer Meinung nach könnten hier Landesverwaltungsgerichtshöfe Abhilfe schaffen, allerdings nur dann, wenn man "eine sinnvolle Konstruktion" und gleichzeitig eine Lösung in Bezug auf das Verhältnis zwischen Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof finde.

Abgeordnete Ulrike Baumgarnter-Gabitzer (V) machte geltend, die Überlastung des Verwaltungsgerichtshofs sei darauf zurückzuführen, dass er seit Jahren einen "riesengroßen Berg" an Fällen vor sich herschiebe. Der aktuelle Neuanfall entspreche hingegen in etwa der Zahl der jährlichen Entscheidungen. Abhilfe hält sie allerdings nicht zuletzt aufgrund der durchschnittlichen Verfahrensdauer von 22 Monaten für erforderlich. Es gebe den politischen Willen, Verwaltungsgerichte erster Instanz einzurichten, betonte Baumgartner-Gabitzer und äußerte die Hoffnung auf eine baldige Lösung.

Sowohl ihr Fraktionskollege Roderich Regler als auch G-Abgeordnete Terezija Stoisits sprachen sich dafür aus, die Frage der Einrichtung von Verwaltungsgerichtshöfen erster Instanz aus der in Aussicht genommenen Verfassungsreform herauszulösen und vorweg zu beschließen. Im Österreich-Konvent sei man hier schon "sehr weit gekommen", unterstrich Stoisits, offen geblieben sei lediglich die Frage der Finanzierung und der personellen Zusammensetzung.

Abgeordneter Otto Pendl (S) wies darauf hin, dass es immer wieder zu einer Doppelbefassung des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs mit einem Fall komme und mahnte im Interesse der Rechtsuchenden eine klare Regelung ein.

Sowohl hinsichtlich der VfGH-Richter als auch hinsichtlich der VwGH-Richter sprachen sich die Grünen für eine Anhebung des Frauenanteils aus.

Bei der Abstimmung wurden die von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel vorgelegten Tätigkeitsberichte des VfGH und des VwGH für die Jahre 2003 und 2004 vom Verfassungsausschuss mit VP-F-Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Zu Beginn der Sitzung war ein Antrag der Grünen, die Tagesordnung des Ausschusses um ihren Antrag 732/A betreffend Einleitung einer "Ministeranklage" gegen den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider zu ergänzen, von den Koalitionsparteien mit der Begründung abgelehnt worden, dass diese Frage nicht dringlich sei. Sie halte den Antrag auch inhaltlich für "vollkommen verfehlt", meinte Abgeordnete Ulrike Baumgarnter-Gabitzer (V). Ebenfalls in der Minderheit blieb ein Antrag der Grünen, die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfaltungsgerichtshofes im Plenum des Nationalrats zu debattieren. (Fortsetzung Verfassungsausschuss)