Parlamentskorrespondenz Nr. 68 vom 02.02.2006

Die Politik der Bildungsministerin im Kreuzfeuer der Opposition

Dringliche Anfrage der SPÖ in NR-Sondersitzung

Wien (PK) – Den Versuch einer Generalabrechnung mit der Politik von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer unternahm die Opposition in der Sondersitzung des Nationalrats. Vehikel dafür war eine Dringliche Anfrage mit dem Betreff "Von der Bildungsmisere zum Kulturdesaster".

Abgeordneter Dr. CAP (S) meinte eingangs der Begründung der Dringlichen Anfrage, heute sei ein schwarzer Tag für die Regierung. Er sieht gleich "drei Desaster" an einem Tag: eine neue Rekordhöhe bei der Zahl der Arbeitslosen, die Entscheidung hinsichtlich der Rückgabe der Klimt-Bilder und der Rückzug einer Professorengruppe rund um den Quantenphysiker Anton Zeilinger aus dem geplanten Projekt der Elite-Universität. Die Entscheidung, dass die Regierung kein Geld habe, um die Klimt-Bilder zu kaufen, ist für ihn der Schlusspunkt einer jahrelangen unsensiblen Vorgangsweise.

Bevor Cap zum Hauptgegenstand der Dringlichen Anfrage, dem Kunsthistorischen Museum, kam, übte er zudem noch massive Kritik an der Bildungspolitik von Ministerin Gehrer. Die "Bildungsmisere" sei evident, bekräftigte er. Gehrers "massive Inaktivität" habe zu dem seiner Ansicht nach "verheerenden" Pisa-Bericht geführt.

In Bezug auf das Kunsthistorische Museum hält es Cap, wie er sagte, "schlicht für ein Rätsel", warum Museumsdirektor Wilfried Seipel noch nicht abberufen worden sei. Möglicherweise habe dessen Nicht-Absetzung damit zu tun, dass er zuviel wisse, mutmaßte er. Seiner Auffassung nach kann die jahrelange Verteidigung, wonach es sich beim Saliera-Dieb um einen hoch ausgebildeten Spezialisten gehandelt haben müsse, jedenfalls nicht aufrechterhalten werden.

Weitere Kritikpunkte Caps gegenüber Seipel betrafen die Ausrichtung einer Geburtstagsfeier für Staatssekretär Franz Morak im Kunsthistorischen Museum, Nebenbeschäftigungen des Direktors, das "geheimnisvolle" Ansteigen der Personalkosten im Kunsthistorischen Museum, nicht vorhandene Belege und der Kauf von zwei ägyptischen Grabbeigaben, so genannter Uschebtis, aus dem Museumsbestand durch Seipel selbst. Zudem brachte er den Diebstahl eines ägyptischen Totenbuchs aus dem Museum zur Sprache. Seipel habe das Kunsthistorische Museum so geführt, als ob es sein Privatmuseum gewesen wäre, bekräftigte Cap.

Bildungsministerin GEHRER verteidigte dem gegenüber den Direktor des Kunsthistorischen Museums und betonte, die Bundesmuseen hätten sich nach dem Ende der SPÖ-Alleinregierung in einem "jämmerlichen" Zustand befunden. Als Wilfried Seipel das Kunsthistorische Museum übernommen habe, habe es in wichtigen Bereichen kein Licht, keinen Brandschutz, kein Alarmsystem und keine funktionierende Klimaanlage gegeben. Inzwischen sei nicht nur die Infrastruktur verbessert worden, man habe auch die Sammlungen erweitert. Weiters gebe es ein besseres Informationsangebot und besseres Marketing.

Die Zeit, in der die Saliera entwendet gewesen sei, sei eine "schmerzliche Zeit" gewesen, unterstrich Gehrer und bedauerte, dass die Opposition die Freude am Wiederauftauchen der Saliera nicht teile. Der Verdächtige sei ein mutmaßlicher Dieb und ein mutmaßlicher Erpresser, bekräftigte sie, es gebe keinerlei Grund, das "schönzureden".

In Beantwortung der einzelnen Fragen der Dringlichen Anfrage hielt Gehrer erneut fest, dass die Sicherheitsanlage im Kunsthistorischen Museum zum Zeitpunkt des Saliera-Diebstahls internationalen Standards entsprochen habe. Das sei auch offiziell festgestellt worden. Es sei, so die Ministerin, ein menschlicher Fehler gewesen, dass der Wachmann nicht Licht und Kamera eingeschaltet habe, dann wäre der Dieb zumindest gefilmt worden. Seit dem Diebstahl hat man ihr zufolge 10 Mill. € investiert, um die Sicherheitsvorkehrungen weiter zu verbessern.

Im Sicherheitsbereich des Kunsthistorischen Museums sind nach Auskunft Gehrers sowohl fix angestellte Mitarbeiter als auch freie Dienstnehmer beschäftigt, wobei auch die Entlohnung der freien Dienstnehmer entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen erfolge. In der Sicherheitszentrale sind laut Ministerin ausschließlich angestellte Mitarbeiter beschäftigt.

Zur Geburtstagsfeier für Staatssekretär Morak merkte Gehrer an, es habe sich dabei um eine Öffentlichkeitsveranstaltung für eine große Ausstellung gehandelt, bei der auch viele wichtige Kontakte geknüpft worden seien. Den Vorwurf, KHM-Direktor Seipel würde internationalen Kunsthandel betreiben, wies sie zurück und erklärte, dieser sei nicht an Gewinn orientierten Käufen beziehungsweise Verkäufen beteiligt. Weitere Diebstähle über die Saliera und das ägyptische Totenbuch hinaus seien ihr nicht bekannt.

Die Entscheidung des Ministerrates, die Klimt-Bilder an die Eigentümer zurückzugeben und kein Kaufangebot zu legen, begründete Gehrer damit, dass die Regierung keine Sponsoren gefunden habe, die bereit gewesen wären, einen Betrag von 300 Mill. US-Dollar bereitzustellen. Zudem habe der Anwalt der Erben erklärt, dass nur die Republik Österreich für den Kauf der Bilder in Frage komme, skizzierte sie. Bekräftigt wurde von Gehrer, dass sie alle Briefe von Frau Altmann, die persönlich an sie gerichtet gewesen seien, beantwortet habe.

Zur Kritik im Zusammenhang mit der Pisa-Studie führte Gehrer aus, die engagierten Lehrerinnen und Lehrer seien längst einen Schritt weiter und würden neue Methoden der Wissensvermittlung sowie verstärkte Leseförderung anbieten. "Wir lassen uns unser gutes Schulsystem nicht schlecht reden", konstatierte sie.

Abgeordnete Mag. MUTTONEN (S) forderte Bildungsministerin Gehrer zum Rücktritt auf und bedauerte, dass diese nicht bereit sei, Verantwortung wahrzunehmen. Was Gehrer heute gemacht habe, sei "Geschichten erzählen" gewesen, meinte sie, mit der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage habe das nichts zu tun gehabt. Für Muttonen ist es "schon fast lachhaft", wenn Gehrer immer noch behaupte, die Sicherheitsvorkehrungen im Kunsthistorischen Museum hätten internationalen Standards entsprochen. Auch die Darstellung, Seipel habe das Kunsthistorische Museum "wach geküsst", wies sie als falsch zurück.

Die Vorgänge rund um die Restitution der Klimt-Bilder wertete Muttonen als "unwürdiges Schauspiel". Sie hielt Gehrer vor, in der Causa Bloch-Bauer in den letzten sieben Jahren jegliche Sensibilität vermissen lassen und auf Zeit und Verzögerungstaktik gesetzt zu haben. Die eigentlichen Eigentümer seien, so Muttonen, zu Bittstellern degradiert worden. Nach Meinung Muttonens wird diese Einschätzung von internationalen Medien geteilt.

ÖVP-Klubobmann Mag. MOLTERER betonte, was der Opposition bei Finanzminister Grasser nicht gelungen sei, werde ihr auch bei Bildungsministerin Gehrer nicht gelingen. Abgeordneter Cap habe mit seiner "Büttenrede" zum Ausdruck gebracht, dass die SPÖ nicht in der Sache diskutieren, sondern Ministerin Gehrer ruinieren wolle, sagte er. Um dieses Ziel zu erreichen, sei ihr offenbar jedes Mittel recht. Auch die Grünen gingen diesen Weg mit.

Unverständlich ist es für Molterer, dass die Opposition sowohl nach dem Diebstahl der Saliera als auch nach der Rückkehr der Saliera das Gleiche gefordert habe, nämlich den Rücktritt des KHM-Direktors und der Ministerin. Er sei jedenfalls stolz auf die österreichischen Museen, konstatierte er.

Was die Restitution der Klimt-Bilder betrifft, gratulierte Molterer dem Ministerrat zu seiner Entscheidung, die Bilder den Erben "einfach zurückzugeben". Um dies zu unterstreichen, brachte er namens der ÖVP und der Freiheitlichen einen Entschließungsantrag ein. Darin wird - insbesondere angesichts der Preisvorstellung in der Höhe von 300 Mill. US-Dollar - die Entscheidung der Regierung begrüßt, die Bilder nicht aus Steuergeldern anzukaufen. Im Antrag wird auch der Umstand erwähnt, dass zumindest ein Teil der Erben einen Ankauf der Bilder durch österreichische private Sponsoren im Rahmen der Kaufoption abgelehnt habe.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) sprach von einer kostenintensiven, aber unnötigen Sondersitzung, in der von der Opposition nichts Neues zu hören gewesen sei. Die SPÖ sei daran erinnern, dass die Missstände, die sie Museumsdirektor Seipel vorwerfe, auf die Zeit der Verantwortung sozialistischer Kulturminister zurückgehe. Rechnungshofberichten aus den achtziger Jahren könne entnommen werden, dass damals die Brandschutzanlagen nicht funktionierten. In der Musiksammlung seien Stradivaris unsachgemäß gelagert, das vielfach nicht elektrifizierte Kunsthistorische Museum habe man verlottern lassen. 19 der vom Rechnungshof aufgezeigten 24 Missstände seien mittlerweile behoben. Auch sie habe Kritikpunkte gegenüber Seipel, sagte Partik-Pable, räumte aber ein, dass er das Kunsthistorische Museum sehr gut leite. Partik-Pable bekannte sich dazu, Seipel einen kaufmännischen Direktor an die Seite zu stellen.

Dann wandte sich die Rednerin dagegen, Pflichtverletzungen des Sicherheitspersonals, das vorgeschriebene Rundgänge nicht eingehalten und die Alarmanlage ausgeschaltet habe, wegen geringer Bezahlung entschuldigen zu wollen. Die Versuche des Täters, sein Delikt lächerlich zu machen, qualifizierte die Abgeordnete als Versuch, mildernde Umstände zu sammeln. Und schließlich bekannte sich die Rednerin dazu, die zu restituierenden Klimt-Bilder nicht anzukaufen.

Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) erinnerte an Verfehlungen des Direktors Seipel, die in der Bevölkerung berechtigte Empörung auslösen: Er habe sein Auto an das Museum verkauft, aber weiterhin für sich selbst benützt und er habe ägyptische Grabbeigaben an das Museum zu Preisen verkauft, die er selbst festgelegt habe - zu diesen vom Rechnungshof bestätigten Vorwürfen falle der Ministerin aber nichts anderes ein als zu sagen: "alte Hüte". Gehrer müsse Seipel entlassen, verlangte Zinggl, sonst werde sie selbst verantwortlich. Es gebe in Österreich genügend Manager, die im Stande seien, das Kunsthistorische Museum zu elektrifizieren, ohne dass sie dabei Gesetze verletzen müssten. Die behaupteten Erfolge Seipels stellte Zinggl mit dem Hinweis in Abrede, die Zahl der Ausstellungen sei im KHM seit 1998 von 37 auf 7 zurückgegangen, das Defizit aber gestiegen. Wir werden in diesem Haus auch in Zukunft über Seipel und das Kunsthistorische Museum reden müssen, zeigte sich Abgeordneter Zinggl überzeugt.

Innenministerin PROKOP berichtete über die Arbeit der Exekutive nach dem Diebstahl der Saliera, in deren Verlauf 1.200 Personen vernommen und zahlreichen Mitteilungen aus der Bevölkerung nachgegangen worden sei, die sich aber zunächst allesamt als negativ herausstellten. Im Jahr 2003 sei ein erstes Rückkaufangebot in der Höhe von 5 Mill. € erfolgt, der Kontakt aber wieder abgebrochen worden. Im vergangenen Oktober sei ein neuerliches Angebot in der Höhe von 10 Mill. € eingegangen, wobei es der Exekutive gelang, aufgrund des SMS-Verkehrs via Handy ein Bild des Tatverdächtigen zu erhalten. Diese Datenweitergabe sei freiwillig und in rechtlicher Hinsicht im Rahmen der Strafprozessordnung erfolgt. In Zusammenarbeit mit dem Rechtsanwalt des Tatverdächtigen konnte in weiterer Folge das Versteck der Saliera ermittelt, das Kunstwerk zurück gewonnen und ein volles Geständnis des Täters erwirkt werden. Die Innenministerin sprach allen an den Ermittlungen und an der Wiedergewinnung der Saliera beteiligten Exekutivbeamten ihren Dank für die erfolgreiche Arbeit aus.

Schließlich informierte Ministerin Prokop die Abgeordneten über Bemühungen um den besseren Schutz von Kunstwerken und Kulturgütern, unter anderem in den zahlreichen Kirchen des Landes, sie wies auf Ermittlungserfolge und vor allem auch darauf hin, dass die Zahl der Kunst- und Kulturdiebstähle während der letzten Jahre um 49 % gesenkt werden konnte.

Abgeordneter PARNIGONI (S) meinte, das behauptete "Sicherheitsbollwerk" Kunsthistorisches Museum habe sich in Wahrheit als "löchrig wie ein Emmentaler" herausgestellt. Die Regierung verabsäume es, ihre diesbezügliche Verantwortung wahrzunehmen. Sie sollte darauf verzichten, die Rückkehr der Saliera als ihren Erfolg zu feiern - unser Dank gebühre allein der Exekutive für ihre professionelle Arbeit. Vorwürfe des Direktors des Kunsthistorischen Museums Seipels gegenüber der Spezialeinheit WEGA, einer international hoch renommierten Truppe, wies der Abgeordnete ebenso zurück wie Seipels Vorwurf an die Polizei, sie habe einen "Deal" mit dem Täter abgeschlossen.

Abgeordnete Dr. WOLFMAYR (V) warf der SPÖ vor, sie wolle mit ihrer Kritik an Direktor Seipel vergessen machen, in welchem Zustand Seipel das Kunsthistorische Museum übernommen habe: ohne Sicherheitseinrichtungen, ohne elektrisches Licht und mit einer Instrumentensammlung, in der Stradivaris vermoderten. Für diese Verhältnisse machte Wolfmayr ehemalige sozialistische Minister verantwortlich.

Die Abgeordnete schilderte dann die erfolgreichen Revitalisierungs- und Renovierungsarbeiten der letzten Jahre und lobte Ministerin Gehrer für ihr Bemühen, viele Frauen in verantwortungsvolle Positionen gebracht zu haben. Die Forderung der Opposition nach Ablöse Seipels sei zurückzuweisen. Nirgendwo auf der Welt werde ein Museumsdirektor gefeuert, wenn ein Kunstdiebstahl stattfinde. Wer die Leistung von Museumsdirektor Seipel beurteilen wolle, sollte den Zustand des Kunsthistorischen Museums mit jenem vor Seipel vergleichen.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) unterstützte die Entscheidung der Bundesregierung, darauf zu verzichten, 300 Mill. € für einen Rückkauf der Klimt-Bilder einzusetzen. Wenn die Klimt-Gemälde, die nun restituiert werden, künftig nicht mehr im Belvedere hängen, liege dies nicht in der Verantwortung der Bundesregierung, sondern der Erbengemeinschaft.

Oppositionelle Vorwürfe an die Ressortleiterin wies die Rednerin zurück. Bundesministerin Gehrer habe gut gearbeitet und sie habe vor allem auch rasch reagiert, als das Problem mit ausländischen Studierenden an heimischen Universitäten nach der diesbezüglichen EU-Entscheidung aufgetreten sei. Bleckmann zeigte sich auch zuversichtlich, dass es gelingen werde, eine Neuregelung zu finden, die den Interessen der heimischen Studierenden entspricht.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) sprach von einem peinlichen Versuch der Regierungsparteien, Direktor Seipel als erfolgreich darzustellen, weil es ihm gelungen sei, Strom in das Kunsthistorische Museum einzuleiten. Tatsächlich habe Seipel eine der größten Kunstinstitutionen der Welt zu einem "Selbstbedienungsladen" gemacht. Die Steuerzahler interessiere es nicht, wie viele Glühbirnen eingeschraubt wurden und welche Versäumnisse im Jahr 1977 stattfanden, hielt die Rednerin fest und forderte den Rücktritt Seipels, weil er ein persönliches Sicherheitsrisiko für die Kunstwerke seines Museums darstelle. In diesem Zusammenhang brachte die Abgeordnete die im Rechnungshofbericht dokumentierten Missstände in der Ära Seipel sowie die Kontrolldefizite zur Sprache.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL erinnerte an die klägliche Situation der Bundesmuseen in den achtziger Jahren und würdigte die diesbezüglichen Bemühungen Vranitzkys, Tuppys, Buseks sowie von Ministerin Gehrer. Schüssel erinnerte an die erste Museumsmilliarde und an die 300 Mill. €, die seit den neunziger Jahren in die Bundesmuseen geflossen seien. Tiefspeicher seien gebaut, Sanierungsprojekte durchgeführt und Sicherheitssysteme verbessert worden. Diese Erfolge seien mit dem Namen Wilfried Seipel verbunden. Die Bundesmuseen verzeichnen heute über 3 Millionen Besucher, um 50 % mehr als vor der Museumsoffensive. Allein in der Albertina konnten die Besucherzahlen von 50.000 auf 650.000 gesteigert werden. Umfragen zeigen laut Schüssel, dass 83 % der ausländischen Gäste Wien wegen ihrer Kulturschätze besuchen. Direktor Seipel habe die Zahl der internationalen Ausstellungen von 4 vor seiner Zeit auf 164 seit seiner Geschäftsführung gesteigert. Die Ausgliederung der Bundesmuseen sei ein Segen für diese Einrichtungen gewesen, formulierte Schüssel und wies darauf hin, dass die Bundesmuseen heute über mehr als doppelt soviel Geld verfügen wie vor zehn Jahren. "Absolute Sicherheit ist in Museen nicht möglich", zeigte sich der Bundeskanzler überzeugt und wandte sich entschieden dagegen, einen erfolgreichen Museumsdirektor wegen eines Kunstdiebstahls zum Verbrecher stempeln zu wollen, den Täter aber als Helden zu feiern.

Zur Frage der zu restituierenden Klimt-Gemälde erklärte der Bundeskanzler, es sei mit der Restitutionspolitik, die die Republik in den letzten Jahren aufgrund einstimmiger Gesetzesbeschlüsse betreibe, unvereinbar, nach dem Spruch des Schiedsgerichts mit den Erben der Klimt-Bilder über einen Rabatt zu verhandeln. Die Preisfrage könne nur in einem Marktzusammenhang entschieden werden, sagte Schüssel. An der Auktionierung der Gemälde können sich private Sponsoren, die mit steuerlichen Vorteilen rechnen können, beteiligen, sagte der Bundeskanzler.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) kommentierte die Wortmeldung des Bundeskanzlers mit der Bemerkung, Schüssel werfe Dinge zusammen, die nichts miteinander zu tun haben. Der Besucherboom in den Bundesmuseen sei kein Grund, die Augen davor zu verschließen, dass die Exponate nicht ausreichend geschützt sind und dass der Museumsdirektor nicht im Stande ist, die Sicherheit zu garantieren. Wäre das KHM wirklich ein Bollwerk, wie es Schüssel sagt, und kein Stollwerk, in das jeder hineinkommen kann, dann hätte die Saliera überhaupt nicht gestohlen werden können, stand für Gusenbauer fest. Der SP-Chef ortete bei Seipel einen Fall von Inkompetenz und meinte, der Direktor werde nur deshalb in Schutz genommen, weil er ein Parteifreund der Koalition sei.

Die Geschichte der Universitätspolitik der letzten Jahre wiederum war nach den Worten Gusenbauers „eine einzige Katastrophe“. Er warf der Regierung vor, nicht rechtzeitig auf das zu erwartende EuGH-Urteil reagiert zu haben und nun Zuflucht zu parlamentarischen Schnellschüssen zu nehmen. Die Universitäten seien nicht für die deutschen Studenten gebaut worden, Österreich wolle zwar Studenten aus aller Welt, in erster Linie sollten aber die österreichischen Studierenden zum Zug kommen, betonte Gusenbauer.

Abgeordneter Dr. FASSLABEND (V) äußerte Unbehagen über die Kritik der Opposition und warf der SPÖ vor, den Kunstdieb zu verharmlosen und die Schuld bei Seipel abzuladen. Unbestreitbar waren für Fasslabend die Erfolg Seipels bei der Renovierung des KHM, wobei er meinte, wenn das Museum heute eines der führenden Häuser der Welt ist, dann sei dies im wesentlichen das Werk Seipels.

Empört zeigte sich Fasslabend über die Haltung der Opposition in der Frage der Restitution der Klimt-Gemälde. Es sei unerhört, wenn die SPÖ nun die Ministerin wegen der Rückgabe der Bilder kritisiert, nachdem die Sozialdemokraten das Gesetz im Parlament mit beschlossen hatten, sagte er.

Abgeordneter NEUDECK (F) resümierte, als Folge der heutigen Debatte würden die Klimt-Bilder ins Ausland gehen und Seipel an seinem Posten bleiben, auch wenn es vielen umgekehrt lieber gewesen wäre. Die Entscheidung zum Verzicht auf die Klimt-Gemälde hielt Neudeck für richtig. Es wäre vor der Öffentlichkeit nicht zu verantworten, Millionenbeträge für die Bilder auszugeben, argumentierte er. Ob diese Werke nun in New York oder Tokio hängen, sie bleiben auf jeden Fall österreichische Kunstwerke und werden auch weiterhin eine Visitenkarte Österreichs sein, war Neudeck überzeugt.

Was Seipel betrifft, würdigte der Redner die Leistungen des Direktors für das KHM, untermauerte aber den Vorschlag, an seine Seite einen kaufmännischen Leiter zu stellen. Auch könnte Seipel, wie Neudeck meinte, auf einen Teil seiner Gage verzichten.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) wies den Vorwurf, die Opposition mache Seipel zum Verbrecher und den Dieb zum Helden, scharf zurück und meinte, dies sei eine Verleumdung. In Sachen Klimt-Gemälde ortete die Rednerin Säumigkeit der Ministerin. Die Aktivitäten Gehrers aus der letzten Woche hätten nicht ausgereicht, die Verantwortung wahrzunehmen, die Österreich beim Thema geraubtes Kulturgut trifft. Trotz vielfacher Verhandlungsangebote habe Gehrer Frau Altmann nichts als die kalte Schulter gezeigt, kritisierte Stoisits. Österreich habe viel zu lange in dem Bewusstsein verharrt, auf der Seite des Rechts zu stehen, beklagte die Rednerin und rief die Ministerin auf, das Unrecht Österreichs nun einzugestehen.

Abgeordneter BROUKAL (S) erinnerte an das Umfragetief Gehrers und stellte fest, die Bevölkerung habe aus der Politik der Ministerin, von der Haltung in der Frage der Studienplätze über die Saliera bis hin zur Elite-Universität, den Schluss gezogen, Gehrer habe in ihrem Amt versagt. Er, Broukal, könne sich diesem Urteil nur anschließen.

Abgeordneter Dr. SONNBERGER (V) erwiderte hingegen, die Ministerin könne auf eine starke Bilanz in der Kultur- und Bildungspolitik verweisen. Gehrer werde nur deshalb so aggressiv attackiert, weil sie nicht bereit sei, eine rot-grüne Bildungspolitik mit zu tragen.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) bezeichnete Seipel als sehr guten künstlerischen Leiter des KHM, empfahl aber, die Konsequenzen aus dem Rechnungshofbericht zu ziehen und ihm einen kaufmännischen Direktor zur Seite zu stellen. Zu den Klimt-Bildern meinte Scheibner, es wäre nicht vertretbar, 250 Mill. € an Steuergeldern dafür auszugeben. Die Restitution sei gerechtfertigt, „so leid es einem tue“, eine nationale Katastrophe sei dies aber nicht.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) stützte sich bei seiner Kritik an Seipel auf den Rechnungshofbericht und sprach von einem „barocken Sittenbild“. Die Regierung habe keinerlei Konsequenzen aus den Gesetzwidrigkeiten und Verfehlungen gezogen, Seipel „fuhrwerke“ heute noch immer weiter, kritisierte Kogler.

Abgeordneter SCHIEDER (S) betonte, niemand in der SPÖ verlange, dass für die Klimt-Bilder 250 Mill. € gezahlt werden. Der Regierung gelinge es aber, eine Entschließung so zu formulieren, dass die Opposition nicht zustimmen kann.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) replizierte, der Antrag spiegle eigentlich den Konsens im Haus wieder. Er appellierte an die SPÖ, die parteipolitische Brille abzulegen und doch noch zuzustimmen.

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag der Regierungsparteien betreffend Restitution mit V-F-Mehrheit angenommen.

Ebenfalls mit V-F-Mehrheit angenommen wurden Fristsetzungsanträge betreffend die Einsprüche des Bundesrates in Sachen Staatsbürgerschaftsgesetz, Aufenthaltsgesetz, Meldegesetz, Pädagogische Hochschulstudien, Angestelltengesetz und Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz. (Schluss)