Parlamentskorrespondenz Nr. 78 vom 09.02.2006

Bundesrat: Fragestunde mit Justizministerin Gastinger

Ministerin für Verfassungsbestimmung über Kärntner Ortstafeln

Wien (PK)- Bundesratspräsidentin Sissy Roth-Halvax eröffnete die heutige 731. Sitzung der Länderkammer mit einer Fragestunde, in der Justizministerin Mag. Gastinger ein thematisch sehr breites Fragenspektrum der Bundesräte zu ihrem Ressortbereich beantwortete.

Bundesrätin Bachner (S): Wie beurteilen Sie die schwerwiegenden Einwände nahezu aller Fachleute zur Forderung der Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 13 Jahre, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Kriminalitätsrate?

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Justizministerin Mag. GASTINGER hielt vorweg fest, dass die genannte Forderung nicht aus ihrem Ressort komme und sie selbst dem Vorschlag einer Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf 13 Jahre skeptisch gegenüber stehe; sie nehme die diesbezüglichen Einwände von Kinderpsychologen sehr ernst. Sie begrüße aber die Diskussion über das Problem, weil die Zahl von Kindern, die - teilweise unter zehn Jahren - Straftaten begehen, erschreckend hoch sei. Die Lösung des Problems sah Gastinger aber nicht in der Anwendung des Strafrechts, sondern bei den Eltern und der Jugendwohlfahrt. Die Ministerin berichtete von erfolgreichen Bemühungen, die teilweise bandenmäßige Kriminalität rumänischer Kinder in Kooperation mit rumänischen Stellen durch die geordnete Zurückführung der Kinder in ihre Heimat zu lösen. Aktuelle Probleme mit bulgarischen Kindern versuche das Magistrat Wien auf ähnliche Weise zu lösen. Analysen zeigten, dass die Ursache in mangelnder Betreuung der Kinder liege und es das Ziel der Gesellschaft und der Eltern sein müsse, den Einstieg der Kinder in kriminelle Karrieren zu verhindern.

Bundesrat Dr. Kühnel (V): Was sind die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur Reorganisation der Strafvollzugsverwaltung?

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Die RESSORTLEITERIN erinnerte an den Auftrag, den sie im Dezember des Vorjahres vom Nationalrat auf Vorlage eines Gesetzentwurfs erhalten habe. Seitdem beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel, die derzeit von der Fachaufsicht getrennte Dienstaufsicht in der Strafvollzugsverwaltung in einer Hand zu vereinen. Ob das beim Oberlandesgericht, auf einer Zwischenebene oder in einer Generaldirektion des Ressorts geschehen soll, sei derzeit noch offen, über die Ergebnisse einer abschließenden Bewertung werde sie aber bald berichten, kündigte die Justizministerin an. Auf jeden Fall erwarte sie sich einen Qualitätssprung in der Verwaltung durch einen interdisziplinären Zugang, Kostenneutralität und mehr personelle Ressourcen für den Vollzug statt in der Verwaltung, sagte die Ministerin.

Bundesrat Schennach (G): Sind Sie der Meinung, dass die Gerichtsverfahren in der Causa "Operation Spring" den Grundprinzipien eines Rechtsstaates entsprochen haben?

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Die Justizministerin bejahte diese Frage, ließ aber angesichts des bekannt gewordenen Films Verständnis dafür durchblicken, dass das Verfahren von außen kritisch betrachtet worden sei. Der Rechtsschutzbeauftragte habe das Verfahren allerdings laufend beobachtet und Stellungnahmen abgegeben. Die Rechtsstaatlichkeit sei gewahrt worden, das Verfahren habe sich nicht so abgespielt wie im Film dargestellt, sagte die Ministerin und verwahrte sich dagegen, durch Kritik in die Unabhängigkeit der Gerichte einzugreifen. Fragen, die die Vorgangsweise der Polizei betreffen, bat die Ministerin, an die zuständige Innenministerin zu richten.

Justizpolitische Schwerpunkte der EU-Ratspräsidentschaft beschrieb Ministerin Gastinger mit dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität und den Terrorismus, der Wahrung des Grundrechtsschutzes in der EU und der Einführung von Mindeststandards in den oft sehr unterschiedlichen Strafrechtsordnungen der Mitgliedsländer. Wichtig seien auch die Verhandlungen für einen Rahmenbeschluss zum Thema Datenschutz, um sicherzustellen, dass die Bürger/innen ausreichenden Datenschutz genießen und Vorkehrungen gegen den Datenmissbrauch getroffen werden können. In diesem Zusammenhang bedauerte Gastinger das Nichtzustandekommen des Verfassungsvertrags, zumal dort der Schutz der Grundrechte verankert war.

Bundesrätin Mörk (S): Welche Schritte gedenken Sie im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs zur verstärkten Bekämpfung des Menschenhandels zu setzen?

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Die JUSTIZMINISTERIN erinnerte daran, dass Österreich auch schon vor seiner EU-Präsidentschaft entschlossen gegen den Frauenhandel eingeschritten sei und den EU-Rahmenbeschluss aus dem Jahr 2002 in seiner Rechtsordnung umgesetzt hat. Nunmehr sei es möglich, nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen strafrechtlich wegen Menschenhandels zu verfolgen. Wichtig sei es ihr, sich intensiv um die Opfer des Menschenhandels zu kümmern, wobei Gastinger auf die enge Zusammenarbeit mit dem Verein LEFÖ sowie auf Kontakte mit der rumänischen Justizministerin hinwies, da ein großer Teil der Menschenhandelsopfer rumänische Frauen seien.

Die strafrechtlichen Möglichkeiten im Kampf gegen den Menschenhandel reichten aus, sagte Gastinger, Probleme ortete sie eher bei der großen Dunkelziffer und den Schwierigkeiten, Kontakt mit den Opfern aufzunehmen. Auch hier bewähre sich die Zusammenarbeit mit dem Verein LEFÖ.

Bundesrat Einwallner (V): Wie viele Tage an Ersatzfreiheitsstrafen mussten im Jahr 2005 vollzogen werden?

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Die RESSORTLEITERIN teilte mit, dass 2005 insgesamt 40.401 Tage an Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden, wovon 27.507 tatsächlich verbüßt wurden und die durchschnittliche Dauer einer Ersatzfreiheitsstrafe 25 Tage betrug. Im Kampf gegen den Überbelag der Strafanstalten setze sie auf Alternativen zur Ersatzfreiheitsstrafe, sagte die Justizministerin und informierte über das Projekt "gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe". Es werde gemeinsam mit dem Verein NEUSTART in der Steiermark umgesetzt. Nach Auswertung der Begleitforschung werde eine Regierungsvorlage ausgearbeitet.

Bundesrat Mitterer (o.F.): Welche Verringerung im Häftlingsbelag nichtösterreichischer Staatsbürger erwarten Sie sich durch Ihre Initiative zum Strafvollzug im Heimatland?

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Ministerin Mag. GASTINGER berichtete von Initiativen auf EU-Ebene, für die Strafvollstreckung im Heimatland einen EU-Rahmenbeschluss herbeizuführen. Sie gehe davon aus, dass 50 % bis 66 % der derzeit rund 420 Verurteilungen von EU-Bürgern jährlich in Österreich ihre Strafen in der Heimat verbüßen könnten. Beim Rest wäre dies wegen der Kürze der Strafen nicht zweckmäßig. Die Möglichkeit, Bürger aus Drittländern ihre Strafe in der Heimat verbüßen zu lassen, bestehe auf Grund eines Europarats-Übereinkommens, dessen bislang sehr bürokratische Umsetzung durch direkte behördliche Kontakte vereinfacht werden soll. Diesbezügliche Kooperationen bestehen mit Rumänien, Bulgarien, mit Kroatien und dem Westbalkan. Ausdrücklich nannte die Justizministerin auch das Ziel, die Rückführung von Straftätern nach Nigeria zu ermöglichen.

Bundesrat Wiesenegg (S): Sehen Sie gerade in Ihrer Funktion als Justizministerin die schwerwiegenden Angriffe des Kärntner Landeshauptmannes auf den Verfassungsgerichtshof als ernsthafte Gefährdung des Rechtsstaates?

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Die JUSTIZMINISTERIN verneinte diese Frage, weil sie sich als Justizministerin nicht anmaße, ein Gerichtsurteil zu kommentieren. An sich gehöre die Kritik an Gerichtsurteilen aber zum Recht auf freie Meinungsäußerung, das bei Wertungsexzessen durch das Strafrecht begrenzt werde. "Wir müssen im politischen Diskurs sensibel sein," sagte Gastinger.

Ob das Versetzen der Ortstafeln in Kärnten Amtsmissbrauch sei oder nicht, müssen laut Justizministerin die unabhängigen Gerichte, konkret der VfGH oder ein Strafgericht, beurteilen. Sie maße es sich nicht an, eine Entscheidung der Gerichte vorwegzunehmen, sagte die Ministerin, gab aber zu bedenken, dass maßgebliche Experten wie Präsident Adamovich meinten, dass ein Verrücken der Ortstafeln "rechtlich unangreifbar" sei. Als Mitglied der Bundesregierung müsse sie sich dazu eine Meinung bilden, räumte die Ministerin auf eine Zusatzfrage ein, die diesbezüglichen Beratungen haben in der Bundesregierung aber noch nicht stattgefunden.

Zur juristischen Klärung der Situation führte die Ministerin aus, dass der Staatsvertrag von Wien zweisprachige Ortstafeln im zweisprachigen Gebiet vorsehe. Nach dem letzten VfGH-Erkenntnis aus 2005 sei dieser Vertrag unmittelbar anzuwenden. Da das Volksgruppengesetz keine Prozentschwelle (früher 25 %) mehr enthalte und in der Topographieverordnung für den Bezirk Völkermarkt keine Ortschaften aufgelistet seien, herrsche Rechtsunsicherheit. Man sollte sich im Konsens von Nationalrat, Bundesrat sowie der Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung in Kärnten auf einen Prozentsatz einigen und eine Verfassungsbestimmung für die Ortstafeln und für die Amtssprachen im Volksgruppengesetz einführen. Es sei notwendig, so rasch als möglich eine gesetzliche Grundlage zu haben, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, zeigte sich die Justizministerin überzeugt.

Bundesrat Höfinger (V): Was werden die Schwerpunkte des von Ihnen angekündigten neuen Sachwalterrechts sein?

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Ein Entwurf für ein Sachwalterschaftsrechtsänderungsgesetz ist dieser Tage in Begutachtung gegangen, führte die RESSORTCHEFIN aus. Es soll die Situation alter Menschen verbessern. Als Kernpunkte nannte die Ressortleiterin die Eindämmung der Expansion der Sachwalterschaft durch Betonung der Subsidiarität und die Hilfe im Verwandtenkreis. Es soll eine Personensorge und dafür klare Regelungen geben, etwa Bestimmungen für psychisch Kranke und geistig Behinderte. Das Sachwalterrecht soll vom Kindschaftsrecht abgekoppelt werden. Der Verein für Sachwalterschaft soll als Sachwalter tätig werden können, weil immer weniger Menschen bereit seien, Sachwalterschaften zu übernehmen. Ein anderer Weg wäre eine Gebührenordnung, um für Sachwalter Belohnungen und Versicherungslösungen zu ermöglichen.

Die teilweise hohe Zahl von Sachwalterschaften bei einzelnen Rechtsanwälten soll per Gesetz auf 25 begrenzt werden. Bei der Neuregelung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis soll sichergestellt werden, dass dadurch die Sachwalterschaft entlastet, aber nicht ersetzt oder eingeschränkt wird, sagte die Ministerin zu. (Schluss)


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