Parlamentskorrespondenz Nr. 171 vom 02.03.2006

Patientencharta, Masseure, Hausapotheken und Zigarettenpreis

Gesundheitsthemen und Beharrungsbeschluss zum Führerscheingesetz

Wien (PK) – Mit einem Beharrungsbeschluss gegen den Einspruch des Bundesrats zur 9. Führerscheingesetz-Novelle schloss der Nationalrat gegen Mitternacht seine Beratungen ab. Zuvor standen Gesundheitsthemen auf der Tagesordnung der Sitzung.

Zunächst wurden unter einem Antrag 751/A, eine Patientencharta mit dem Bundesland Wien, Antrag 778/A und Antrag 780/A beraten.

Abgeordneter LACKNER (S) nahm die vorliegenden Materien zum Anlass, sich mit der Gesundheitspolitik der Bundesregierung auseinanderzusetzen. Mit dieser stünde es nicht zum Besten, seit sechs Jahren werde das einst hervorragende Gesundheitssystem Österreichs auf einzigartige Weise geschädigt. Während die Kosten stiegen, würden die Leistungen sinken, die Bevölkerung stelle dieser Politik ein äußerst schlechtes Zeugnis aus. Immer mehr Bürger fürchteten eine Zweiklassenmedizin, ein Kurswechsel auf diesem Gebiet sei daher dringend geboten.

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) meinte, er erlebe das genaue Gegenteil von dem, was sein Vorredner skizziert habe. Die Bevölkerung sei überaus zufrieden mit den herrschenden Verhältnissen und mit der hervorragenden Versorgung. Sodann sprach der Redner zur geplanten Änderung des Apothekengesetzes, zu der er einen Abänderungsantrag einbrachte, wonach in Gemeinden mit nur einem Arzt die Hausapotheke auf jedem Fall bestehen bleiben solle, während bei Gemeinden mit zwei Ärzten die Möglichkeit der Konzessionserteilung gegeben sein solle.

Abgeordnete CSÖRGITS (S) sagte, die Regierung habe ein hervorragendes System, für welches die SPÖ verantwortlich gezeichnet habe, übernommen. Dem Apothekengesetz und dem Abänderungsantrag werde man jedoch zustimmen, da er einen wichtigen Beitrag für den ländlichen Raum darstelle.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) erklärte, für parteipolitische Reden sei der Gesundheitsbereich ungeeignet. Sodann setzte sich auch Rosenkranz mit der Thematik der öffentlichen und der Hausapotheken auseinander. Die in Aussicht genommene Lösung sei richtig, und so freue sie sich über die zu erwartende Zustimmung zu diesem Vorschlag.

Abgeordneter KRAINER (S) ging auf die Finanzierungsprobleme des Gesundheitswesens ein und bemängelte, dass die Regierung die strukturellen Probleme nicht löse, sondern vor sich herschiebe und einen falschen Weg beschritten habe, weshalb es in der Gesundheitspolitik einen deutlichen Kurswechsel brauche. Seine Fraktion spreche sich für eine solidarische Gesundheitspolitik aus, betonte der Redner.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) übte Kritik daran, dass die in Rede stehende Vorlage zum Apothekengesetz nicht vom Ausschuss in Verhandlung habe genommen werden könne. Er werde daher auch nicht zustimmen, da er sich auf eine solch unseriöse Vorgangsweise nicht einlassen wolle. Es sei dies ein diskussionswürdiges Thema, mit dem man sich eingehend im Ausschuss hätte auseinandersetzen sollen.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT erläuterte die Inhalte der Rede stehenden Vorlagen und widersprach der Kritik der Opposition. Es gebe durch entsprechende Strukturmaßnahmen eine positive Bilanz. Bei der Apothekenfrage sei es darum gegangen, die bestmögliche Versorgung für die Patienten sicherzustellen, und dies sei mit der geplanten Vorgangsweise garantiert. Es handle sich um eine für alle Seiten tragbare und gute Lösung, hielt die Ministerin fest.

Abgeordnete Mag. LAPP (S) meinte hingegen, die Gesundheitspolitik der Regierung beschränke sich auf Worthülsen, dies werde auch heute wieder unter Beweis gestellt. Echte Strukturreformen seien nicht zu erkennen, die Patienten seien verunsichert, die Menschen hätten kein Vertrauen in unser Gesundheitssystem mehr, ein Kurswechsel sei daher erforderlich. Für diesen werde die Sozialdemokratie sorgen.

Abgeordneter WÖGINGER (V) würdigte die geplante Vorgangsweise beim Arzneimittelgesetz und sah darin eine ebenso wichtige wie zweckdienliche Vorgangsweise.

Die Abgeordneten SPINDELBERGER, Dr. KRÄUTER und SCHARER (alle S) unterstrichen die Kritik ihrer Fraktion an der Gesundheitspolitik der Regierung und sprachen von unzumutbaren Belastungen und eindeutigen Verschlechterungen auf dem Gesundheitssektor. Konkret setzte sich Spindelberger mit den Patientenrechten auseinander, Kräuter vermisste eine vernünftige Lösung bei den Heilmasseuren, was auch Scharer thematisierte. Beide erklärten, der Verlängerung der Übergangsregelung nicht zustimmen zu wollen.

Abgeordneter LICHTENECKER (F) begrüßte die in Rede stehenden Vorlagen als konkrete Fortschritte für die Patienten und ging dabei besonders auf die geplante Änderung beim Apothekengesetz ein, wo für eine flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln Sorge getragen werde.

Abgeordneter DI HÜTL (V) stellte der Gesundheitspolitik der Bundesregierung ein hervorragendes Zeugnis aus. Die Bundesministerin habe große Verdienste auf diesem Gebiet erworben, und auch die heutigen Vorlagen seien zu begrüßen.

Abgeordneter KAIPEL (S) sprach zum Zahnärztegesetz und erinnerte daran, dass Experten und Opposition schon seinerzeit auf die diesbezüglichen Probleme hingewiesen hätten. Die Regierungsfraktionen sollten künftighin Opposition und Betroffene einbinden und auf deren Argumente eingehen, regte der Redner an.

Positiv zu den in Rede stehenden Materien äußerten sich die Abgeordneten GRANDER, HÖLLERER, DOPPLER, TURKOVIC-WENDL und DONABAUER (sämtlich V).

Das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und die Änderung des Apothekengesetzes wurden in der Fassung eines V-F-Zusatz- bzw. Abänderungsantrages in dritter Lesung mehrheitlich angenommen. Sodann wurde der Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientencharta einstimmig die Genehmigung erteilt. Die Änderung des Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetzes fand die Zustimmung der Mehrheit; einstimmig angenommen wurde hingegen die Novellierung des Zahnärztegesetzes.

Mindestpreisregelungen für Zigaretten werden möglich

Die SPÖ stehe bedingungslos zu dem Grundsatz, junge Menschen durch präventive Maßnahmen vor den negativen Auswirkungen des Tabakkonsums zu schützen, unterstrich Abgeordnete SCHASCHING (S). Nicht zustimmen könne ihre Fraktion jedoch der heute zur Beschluss stehenden Mindestpreisregelung, weil damit die Hersteller billiger Tabakwaren unterstützt werden. Die SPÖ hätte sich vielmehr gewünscht, dass dieser Mindestpreis im Wege der Tabaksteuer erzielt wird, weil dadurch die Preisdifferenz der heimischen Volkswirtschaft zugute komme. Weiters hätte man die Mindestspanne für die Trafikanten erhöhen sollen, forderte Schasching.

Es sollte einen Konsens darüber geben, dass man etwas gegen den Preiswettbewerb bei Tabakerzeugnissen machen sollte, um die jungen Menschen besser zu schützen, entgegnete Abgeordneter Dr. RASINGER (V). Die Einführung eines Mindestpreises sei einfach die effizienteste Methode, war der Redner überzeugt. Wenn man nämlich auf eine steuerliche Maßnahme zurückgreift, könne der Mindestpreis noch immer unterschritten werden.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) stimmte mit seinem Vorredner darin überein, dass in Österreich zu viel geraucht werde und vor allem zu viele Jugendliche zum Nikotin greifen. Ebenso wie seine Fraktionskollegin Schasching war er jedoch davon überzeugt, dass mit einer Mindestpreisregelung der falsche Weg beschritten wird. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die EU-Kommission in dieser Frage ein Verfahren gegen Österreich einleiten wird. Großer Handlungsbedarf bestehe seiner Meinung nach auch bezüglich der Prävention von Alkoholsucht bei Jugendlichen.

Abgeordneter LICHTENEGGER (F) wies darauf hin, dass in Belgien, Frankreich, Italien und Irland ähnliche gesetzliche Maßnahmen beschlossen wurden wie nun in Österreich. Rasches Handeln sei angebracht, um zu verhindern, dass sich die Billigmarken etablieren, war der Redner überzeugt. Man dürfe sich nicht damit abfinden, dass 20 % der Burschen und 25 % der Mädchen im Alter von 15 Jahren bereits rauchen.

Er sei nicht ganz glücklich mit der nun vorliegenden Lösung, da mehrere Maßnahmen gesetzt werden sollten, meinte Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G). Wenn man eine Mindestpreisregelung schon einführen will, dann sollte man sich auch vergewissern, ob dies EU-rechtlich halte. Er sehe das Gesetz als ersten Schritt, weitere Schritte, insbesondere steuerlicher Natur, sollten folgen.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT erinnerte daran, dass ein umfassendes Nichtraucherschutzprogramm entwickelt wurde. Mit der heutigen Maßnahme soll schlicht und einfach vermieden werden, dass der Preiskampf von Tabakkonzernen auf dem Rücken der Jugendlichen ausgetragen wird. Bezüglich der Verordnungsermächtigung kündigte sie an, dass sie sich mit den Experten des Finanzressorts zusammensetzen wird, um die beste Lösung zu finden.

Abgeordnete RIENER (V) brachte einen V-F-G-Abänderungsantrag ein. Dadurch sollen die bestehenden Beschränkungen bei der Werbung und der Annahme von Vorteilen durch Tabaktrafikanten präzisiert und Lücken geschlossen werden.

Abgeordneter NEUDECK (F) bedauerte, dass die SPÖ diesem sinnvollen Gesetz nicht zustimmen wird. Anscheinend habe ein Wahlstratege festgestellt, dass es weniger Trafikanten als Raucher gibt. Positiv beurteilte er den Abänderungsantrag, weil damit die Existenz der kleinen Trafikanten abgesichert wird.

Abgeordnete TURKOVIC-WENDL (V) verteidigte die vorgeschlagene Mindestpreisregelung, die sich in anderen Ländern bereits bewährt habe.

Abgeordneter Dr. MATZNETTER (S) hielt den Rednern der Regierungsfraktionen entgegen, dass etwa in Großbritannien, wo es eine höhere Tabaksteuer gebe, keine Zigarettensorte weniger als 5,50 € koste. Außerdem hätte man den Trafikanten eine höhere Spanne einräumen sollen.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf in der Fassung des V-F-G-Zusatz- bzw. Abänderungsantrages mehrheitlich angenommen.

Beharrungsbeschluss zur Führerscheingesetz-Novelle

Abgeordneter DI MISSETHON (V) ging noch einmal auf die Eckpunkte der Vorlage ein. Wichtig sei für seine Fraktion, dass bei Überschreitung von 180 km/h der Führerschein entzogen wird. Der Test in Kärnten werde durchgeführt, danach werde man sich ein Urteil bilden. Er brachte sodann den Antrag ein, den ursprünglichen Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird, zu wiederholen.

Abgeordneter EDER (S) bedauerte, dass der Einspruch des Bundesrats "so überhastet abgewickelt werde". Außer Deutschland gebe es kein einziges Land in Europa, in dem man mehr als 130 km/h fahren dürfe, gab er zu bedenken. Ein Test sei daher überflüssig, zumal man genau wisse, welche negativen Auswirkungen die Raserei auf Autobahnen habe.

Wenn der Einspruch heute nicht behandelt wird, dann bedeute dies, dass auf Autobahnteilstrecken in Kärnten bis zu 210 km/h gefahren werden darf, hielt Abgeordneter WITTAUER (F) seinem Vorredner entgegen.

Abgeordnete REST-HINTERSEER (G) bekräftigte ihre negative Haltung zur Führerscheingesetz-Novelle. Sie befürchtete eine stärkere Umweltbelastung durch Lärm und Emissionen sowie eine zusätzliche Gefährdung der Verkehrssicherheit. Wirklich dramatisch sei aber, dass sich auch hochrangige Politiker, wie Bundeskanzler Schüssel, dazu bekennen, auch mehr als 130 km/h zu fahren.

Bei der Abstimmung wiederholte das Plenum gemäß Art. 42 Abs. 4 B-VG seinen ursprünglich gefassten Beschluss. (Schluss)