Parlamentskorrespondenz Nr. 231 vom 21.03.2006

Sozialministerin Haubner: Pensionsreform sichert Lebensstandard

S/G kritisieren Kaufkraftverlust durch Gesundheits- und Heizkosten

Wien (PK) - Eine umfassende Debatte über weite Themenbereiche der Sozialpolitik fand zu Beginn der heutigen Sitzung des Sozialausschusses in Form einer Aktuellen Aussprache mit Sozialministerin Ursula Haubner statt. Die Ressortleiterin hatte sich mit Kritik der Opposition an ihrer Informationspolitik, an der Bestellung Herbert Haupts zum Behindertenanwalt und an Kaufkraftverlusten der Pensionisten wegen der Pensionsreform, ungenügender Pensionsanpassungen sowie stark steigender Gesundheits- und Heizkosten auseinanderzusetzen. Ursula Haubner verteidigte ihre Informationspolitik, die den Betroffenen, hauptsächlich den Behinderten und den Angehörigen von Pflegebedürftigen, diene, unterstrich die Qualifikationen ihres Amtsvorgängers Haupt als Behindertenanwalt und betonte einmal mehr, dass Österreich dank  rechtzeitiger Pensionssicherung über ein nachhaltiges Pensionssystem für Generationen verfüge. Als ein besonders wichtiges europäisches Thema bezeichnete Haubner den Kampf gegen die Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen, wies auf das diesbezügliche Engagement der österreichischen EU-Präsidentschaft hin und griff den Vorschlag der SP-Abgeordneten Elisabeth Grossmann auf, die Information von Kindern und Jugendlichen über die Gefahren des Alkoholmissbrauchs zu verstärken.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) leitete die Debatte mit heftiger Kritik an "Unwahrheiten" in der Informationskampagne "Zukunft 2013" ein. Die Darstellung einer behinderten Geschäftsführerin und eines gehörlosen Oberarztes gehe weit an der Realität vorbei, sagte Haidlmayr. Bei der Bestellung Herbert Haupts zum Behindertenanwalt habe das eingesetzte Gremium nichts zu entscheiden gehabt. "Die österreichische Behindertenbewegung hat genug von solchen Spielchen", formulierte Haidlmayr.

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) wandte sich gegen den "Männerbericht", der "aus Raunzereien und einseitigen Darstellungen über die schlechte Lage von Burschen und Männern" bestehe. Während Alleinerzieherinnen oft jahrelang Unterhaltszahlungen nachlaufen müssten, werde im "Männerbericht" darüber geklagt, dass Männer zu wenig über ihre Rechte Bescheid wüssten. "Mir wäre es lieber, wenn Männer mehr über ihre Pflichten Bescheid wüssten", sagte die Abgeordnete pointiert.

Abgeordnete Christine Marek (V) zeigte sich angetan von der Pensionsreform, die mit dem Durchrechnungszeitraum ein gerechteres Pensionsberechnungsmodell und massive Verbesserungen für die Frauen gebracht habe.

Abgeordneter Maximilian Walch (F) verteidigte den neuen Behindertenanwalt Herbert Haupt, der als Sozialminister mehr für die Behinderten getan habe als jeder andere. Walch verteidigte auch die Informationspolitik der Ministerin, die notwendig sei, um Behinderte, pflegende Angehörige und Betriebe über die neue Rechtslage zu informieren.

Abgeordnete Christine Lapp (S) sah angesichts des strengen Winters die Notwendigkeit, einen bundeseinheitlichen Heizkostenzuschuss über die von den Ländern vorgesehenen Beträge hinaus auszuzahlen. Lapp plädierte auch dafür, Menschen in Beschäftigungstherapie in das Pensionssystem einzubeziehen und verteidigte die Bundessozialämter, bei denen angesichts von Reformankündigungen die Alarmglocken läuteten.

Abgeordneter Richard Leutner (S) machte gegenüber Abgeordneter Marek geltend, dass die Anrechnung der Kindererziehungszeiten die Pensionsverluste der Frauen nicht ausgleiche. Leutner klagte auch über ungenügenden Pensionsanpassungen seit dem Jahr 2000, die zu massiven Kaufkraftverlusten und zu einer Politik "weg von der Lebensstandardsicherung für Pensionisten" geführt habe. Bezieher niedriger Pensionen verloren seit dem Jahr 2000 in absoluten Zahlen rund 2.600 €, rechnete Leutner vor.

Abgeordnete Marialuise Mittermüller (F) bezeichnete das Behindertengleichstellungsgesetz als einen Meilenstein der Behindertenpolitik, besprach die Auswirkungen der Behindertenmilliarde positiv und machte darauf aufmerksam, dass Österreich in der EU zum Vorbildland der Behindertenpolitik geworden sei.

Sozialministerin Ursula Haubner korrigierte Behauptungen über schleichende Pensionsverluste und machte auf ständige Aufwertungen des Pensionskontos ab dem Jahr 2007 aufmerksam. Mit dem Hinweis auf aktuelle Diskussionen über das Pensionssystem in Deutschland unterstrich die Ministerin einmal mehr die Zielsetzungen der Pensionssicherungsreform: Nachhaltigkeit und Finanzierbarkeit. Weil Österreich nicht zugewartet, sondern rechtzeitig reagiert habe, konnte das Pensionssystem ohne massive Einschnitte reformiert und harmonisiert sowie gleichzeitig massive Verbesserungen für die Frauen bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten beschlossen werden. Es gebe keinen Grund zum Jubel, aber die Pensionen wurden für die künftigen Generationen und für die Erhaltung des Lebensstandards gesichert.

Die Durchschnittspensionen stiegen bei den Männern in den Jahren 1998 bis 2001 um 9 %, jene der Frauen sanken aber um 2 %. Seit 2001 stiegen die Pensionen der Männer hingegen um 2%, jene der Frauen um 15 %. "Wir sind auf dem richtigen Weg", sagte die Sozialministerin.

Die Information behinderter Menschen setze sie im Auftrag des Parlaments in Form von Foldern, Broschüren und Seminaren um. Die Bundessozialämter seien dabei eingebunden, sagte die Ministerin und lobte diese wichtigen Servicestellen, die bei der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes neue Aufgaben bekommen haben. Das Thema "Barrierefreiheit" sei ihr sehr wichtig, betonte Haubner, der es in Gesprächen mit den Ländern um beschleunigte und ausgeweitete Programme zur Herstellung der Barrierefreiheit gehe. Ausgebaut werde auch die Qualitätssicherung im Pflegebereich und Serviceleistungen für pflegende Angehörige.

Heizkostenzuschüsse bleiben Ländersache, eine Erhöhung, über die auch der Finanzminister zu entscheiden habe, sollte laut Haubner aber bundeseinheitlich erfolgen.

Zum Gender-Mainstreaming zählt es für Ministerin Haubner auch, die in den letzten Jahren stark veränderte Situation der Männer zu beachten und die Väter verstärkt in die familiäre Verantwortung einzubeziehen. Ihr Vorbild seien die skandinavischen Länder, die eine Gleichstellungspolitik betreiben, sagte Ministerin Haubner und unterstrich ihre Bemühungen um Themen wie Männergesundheit, Familienfähigkeit und Vaterentbehrung.

Auf die Frage nach der Anerkennung für Trümmerfrauen erfuhren die Ausschussmitglieder, dass bislang 38.000 Anträge positiv erledigt werden konnten.

Die Behinderteninformationskampagne sei unter Mitwirkung Betroffener gestaltet worden. Man habe keine Scheinwelt, sondern die Realität dargestellt und dafür viele positive Rückmeldungen bekommen.

Um die Position des Behindertenanwalts haben sich zwölf Personen beworben, klärte die Ministerin auf. Die für die Ausschreibung eingesetzte Kommission, die die Kandidaten nach drei Klassifizierungen bewertet habe, habe ihr als Ergebnis eines ordentlich abgewickelten Auswahlverfahrens einstimmig Herbert Haupt empfohlen. Dem Behindertenanwalt wurden vier Mitarbeiter aus dem Ressort zugeteilt, deren Bezahlung dem Dienstrecht entspricht.

In einer zweiten Verhandlungsrunde brachte Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) die zunehmende Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen zur Sprache und regte an, Kinder und Jugendliche verstärkt über die Gefahren des Alkoholmissbrauchs aufzuklären.

Abgeordneter Franz Riepl (S) problematisierte die Behauptung, die Pensionen entsprächen seit der Pensionsreform dem Ziel der Lebensstandardsicherung. Riepl klagte auch über wachsende Schulden der Arbeitgeber bei den Gebietskrankenkassen, die sich der Milliarden-Euro-Grenze nähern und kritisierte die Verunsicherung der Beschäftigten in der Kontrolleinheit gegen die illegale Beschäftigung durch die jüngste Organisationsänderung.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) bezeichnete Herbert Haupt als einen Politiker, der sich für behinderte Menschen engagiere. Es sei aber keine gute Optik, wenn der ehemalige Ressortleiter von seiner Amtsnachfolgerin zum Behindertenanwalt bestellt werde. Die Aussagen des "Männerberichts" qualifizierte Öllinger als skurril und illustrierte dies mit dem Zitat eines darin zu Wort kommenden Wissenschafters: "Männer sind die am meisten benachteiligte Gruppe der Gesellschaft".

Weiters plädierte der Redner für eine sachorientierte Informationspolitik des Ressorts, verlangte aus Aktualitätsgründen die jährliche Vorlage des Sozialberichts, problematisierte die behauptete Nachhaltigkeit des Pensionssystems und meinte, dass der Ausgleichszulagenrichtsatz nicht über, sondern unter der Armutsschwelle liege.

Abgeordneter Manfred Lackner (S) verlangte, bei der Diskussion über die Lage der Pensionisten nicht nur die Auswirkungen der Pensionsreform, sondern auch Kaufkrafteinbußen infolge steigender Gesundheits- und Heizungskosten zu beachten. Die Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums qualifizierte Lackner als "Regierungslyrik".

Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg (V) wies die Kritik der Opposition an der Bestellung Herbert Haupts als Behindertenanwalt zurück und würdigte dessen Leistungen für die behinderten Menschen in Österreich. Für die Zukunft drängte Huainigg auf eine behindertenfreundliche Harmonisierung der Bauordnungen und auf eine leicht lesbare Kurzfassung des Behindertengleichstellungsgesetzes.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) forderte die Ressortleiterin auf, Geld für die Behinderten einzusetzen, statt es für Inseratenkampagnen "zu verjuxen". Auch drängte Haidlmayr darauf, die Behindertenmilliarde zielgerichtet für Behindertenarbeitsplätze einzusetzen.

Sozialministerin Ursula Haubner warb um Verständnis dafür, dass ihr Ressort 2005 vor großen Informationsaufgaben stand, weil pflegende Angehörige in die Pensionsversicherung einbezogen, der Ausgleichszulagenrichtsatz angehoben und das Behindertengleichstellungsgesetz beschlossen wurde. Die Kosten für die Information betrugen dennoch nur 0,2 Promille ihres Budgets, nämlich 3,57 Mill. €. Da sie sich nichts unterstellen lasse, habe sie die interne Revision eingeschaltet und werde die Schlussabrechung durch den Rechnungshof prüfen lassen. Die RH-Empfehlungen für ministerielle Öffentlichkeitsarbeit habe sie in jedem Punkt eingehalten, führte die Ministerin aus.

Weiters informierte die Sozialministerin über die Tätigkeit der Pensionsanpassungskommission, die dem Aspekt der Nachhaltigkeit besonderes Augenmerk schenke und hielt fest, dass die Ausgleichszulagenrichtsätze über der Armutsschwelle liegen. Der nächste Sozialbericht werde Ende 2006 erscheinen und Auskunft über die Einkommensverteilung geben.

Außerdem berichtete die Ministerin über die verstärkten Maßnahmen der Regierung gegen den Sozialbetrug und machte klar, dass das Thema Jugendarmut und Integration junger Menschen, die weniger leistungsfähig seien, zu den großen Herausforderungen in Europa zählen. Daher wurden auf EU-Ebene drei Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich mit diesem Thema befassen. Der Europäische Jugendpakt soll in die Lissabon-Strategie einbezogen werden. Denn es gelte, Verhältnisse wie in Frankreich zu verhindern, schloss die Sozialministerin. (Fortsetzung)


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