Parlamentskorrespondenz Nr. 249 vom 23.03.2006

Justizausschuss beschließt Gesetz über Patientenverfügungen

Betroffene Ressorts sollen nach drei Jahren Bericht vorlegen

Wien (PK) Mit einem öffentlichen Hearing zum Thema Patientenverfügung wurde die Sitzung des Justizausschusses nach dem Beschluss über das Übernahmerechts-Änderungsgesetz fortgesetzt. Die Vorlage wurde mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der Grünen beschlossen. Justiz- und Gesundheitsministerium sollen die Entwicklung evaluieren und nach drei Jahren einen Bericht vorlegen.

Der Gesetzentwurf (1299 d.B.) soll eindeutige und transparente Regelungen für diesen Rechtsbereich bringen und stellt vor allem klar, in welcher Form und mit welchem Inhalt eine verbindliche Patientenverfügung errichtet werden kann und welche Rechtswirkungen von ihr und von anderen Erklärungen des Patienten ausgehen. Vorgesehen ist eine "höchstpersönliche" Errichtung vor einem Rechtsanwalt, Notar oder einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretungen. Nach Ablauf von fünf Jahren verliert die Patientenverfügung ihre Verbindlichkeit und muss erneuert werden. Patientenverfügungen, die nicht nach den Formvorschriften erstellt werden, sind nicht verbindlich, aber beachtlich. Außerdem sind Strafen bei Missbrauch vorgesehen.

Der Entwurf berührt im Übrigen nicht die strafrechtlichen Verbote der Mitwirkung am Selbstmord und der Tötung auf Verlangen. Die so genannte "aktive Sterbehilfe" bleibt weiterhin verboten. Ein in Form einer Patientenverfügung geäußerter Wunsch nach "aktiver Sterbehilfe" ist auch künftig nicht beachtlich.

Öffentliches Hearing: Die Stimmen der Experten

Alfred Zupancic (Vizepräsident des Österreichischen Seniorenrates) eröffnete das Hearing mit einem grundsätzlichen Ja zur Einführung der Möglichkeit einer Patientenverfügung. Er äußerte allerdings seine Befürchtung, dass aufgrund der Ausgestaltung des Gesetzestextes dieses Institut ein, wie er sagte, Minderheitenprogramm werden könnte. Hürden für die Errichtung von Patientenverfügungen sah Zupancic vor allem in den strengen Formerfordernissen, wobei er warnte, die verpflichtende Beiziehung eines Anwaltes oder Notars sei in der Praxis mit hohen Kosten verbunden. Dazu komme noch, dass es mangels eines entsprechenden Registers in vielen Fällen nicht möglich sein werde, eine verbindliche Patientenverfügung rechtzeitig aufzufinden.

Franz Mauthner (Vereinigung österreichischer Richter – Pflegschaftsrichter) meinte hingegen, es sei eine sehr weise Entscheidung, die für den letzten Willen üblichen Formen bei der Errichtung einer Patientenverfügung nicht gelten zu lassen. In seiner langjährigen Tätigkeit als Richter sei ihm diesbezüglich "schon einiges untergekommen", bemerkte Mauthner. Eindeutigkeit und Verständlichkeit müssten bei der Patientenverfügung jedenfalls oberstes Gebot sein. Mauthner begrüßte aus diesem Grund vor allem die Verpflichtung zur juristischen Beratung und bemerkte überdies, schon allein wegen der besonderen Sachkenntnis sei die Errichtung einer Patientenverfügung bei einem Notar wesentlich besser aufgehoben als beim Gericht.

Hildegard Teuschl (Vertreterin der Hospizbewegung) äußerte sich "glücklich" über den Entwurf, in dem sie einen Schritt zur Patientenautonomie sah. Neben dem Aufklärungsgespräch mit einem Arzt hielt Teuschl insbesondere die rechtliche Absicherung für entscheidend, schränkte jedoch ein, die formellen Voraussetzungen sollten nicht so hoch sein. Hinsichtlich der Evidenthaltung von Patientenverfügungen plädierte Teuschl für einen entsprechenden Vermerk auf der E-Card anstelle eines eigenen Registers.

Christian Kopetzki (Institut für Medizinrecht an der Universität Wien) beurteilte den Entwurf grundsätzlich positiv, kritisierte aber die seiner Meinung nach sehr hohe Formschwelle für die Errichtung. Allein schon die Kosten könnten für viele Patienten eine unüberwindbare Hürde bilden, gab er zu bedenken. Die Einschaltung von Notaren und Anwälten schien Kopetzki nicht zielführend, zumal ja bereits, wie er ins Treffen führte, eine Aufklärung durch Ärzte zu erfolgen habe. Überlegenswert war für Kopetzki überdies eine gerichtliche Beurteilung bei Auslegungsfragen.

Gerald Bachinger (Niederösterreichischer Patienten- und Pflegschaftsanwalt) riet zu einem möglichst niedrigschwelligen Zugang und betonte, die formalen, vor allem aber die finanziellen Hürden dürften nicht zu hoch angesetzt werden. Es müsse vermieden werden, dass Patientenverfügungen zu einem elitären Programm für eine kleine Gruppe werden. Was die Evidenthaltung betrifft, sprach sich auch Bachinger für einen Vermerk auf der E-Card des Patienten aus.

Gerhard Benn-Ibler (Österreichischer Rechtsanwaltskammertag) begrüßte den Entwurf als Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage, unterstrich die Bedeutung der juristischen Beratung und meinte, Patientenverfügungen müssten in einer solchen Weise errichtet werden, dass der Inhalt zweifelsfrei erkannt werden kann. Bezüglich der Kosten rechnete Benn-Ibler mit 100 bis 150 € für die Errichtung einer Patientenverfügung.

Bernhard Fritzberg (Notariatskammer) erinnerte daran, dass die österreichischen Notare bereits seit Jahren Patientenverfügungen errichten und diese in einem Register verankern. Er äußerte sich ebenfalls positiv zum Entwurf, der seiner Meinung nach den Zielen von Rechtssicherheit und Rechtsvorsorge Rechnung trägt. Ausdrücklich begrüßte Fritzberg die Höchstpersönlichkeit der Verfügung und das Erfordernis der ärztlichen und juristischen Beratung.

Heinz Barta (Institut für Zivilrecht an der Universität Innsbruck) brachte überwiegend kritische Töne ein und stellte fest, mit dem Gesetz sei eine Chance verpasst worden, man habe den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht, um die Probleme im Zusammenhang mit dem Ende des Lebens zu thematisieren. Der Entwurf sei bevormundend und berücksichtige die Selbstbestimmung des Menschen am Lebensende nicht wirklich. Barta wandte sich insbesondere gegen die zwingende Beratung durch Anwälte, Notare und Ärzte und meinte, eine Formulierungsvorgabe durch das Gesetz wäre wünschenswert und ausreichend gewesen. Mit Nachdruck forderte Barta auch die Möglichkeit einer Registrierung, da seiner Meinung nach nur so der Patientenwille auch ernst genommen werden könne.

Elisabeth Medicus (Tiroler Hospizgemeinschaft) unterstützte die Idee einer Patientenverfügung, bemängelte aber, selbstbestimmte Mitgestaltung und Kommunikation in einer Phase, in der Kommunikation zwischen Patient und Arzt nicht mehr möglich ist, würden durch diesen Entwurf nicht verwirklicht. Die Formalerfordernisse des Gesetzes dienten eher der Sicherheit anderer als der Sicherheit des Patienten, kritisierte sie. Die geltenden Gesetze, insbesondere das Euthanasieverbot, würden den Rahmen für die Patientenverfügungen ausreichend vorgeben, der Entwurf schränke diesen Gestaltungsraum unnötig ein, stand für Medicus fest.

Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat verwies auf die klare Position Österreichs gegen Sterbehilfe und jede Form der Euthanasie. Dem gegenständlichen Entwurf sei eine lange Diskussionsphase mit allen beteiligten Gruppen vorausgegangen, man habe eine klare Entscheidung zwischen verbindlichen und beachtlichen Patientenverfügungen getroffen. Die Ministerin rechnete damit, dass die Zahl der verbindlichen Verfügungen eher gering bleiben werde, die Zahl der beachtlichen Verfügungen hingegen wesentlich steigen werde. Mit den von der Caritas entwickelten Formularen sei auch dem Formulierungswunsch entsprechend Genüge getan, glaubte sie. Einen Vermerk über eine Patientenverfügung auf der E-Card hielt Rauch-Kallat technisch für möglich, meinte aber, über die Form der Registrierung müssten im Rahmen der Evaluierungsphase noch entsprechende Verhandlungen geführt werden.

Justizministerin Karin Gastinger erwartete sich mehr Sicherheit für Patienten, Angehörige und Ärzte durch die Patientenverfügungen und meinte, die Formschwelle sei bewusst sehr hoch angesetzt worden, um Missbräuche hintan zu halten. Es werde der Autonomie des Einzelnen überlassen bleiben, den Weg einer verbindlichen oder jenen einer beachtlichen Patientenverfügung zu gehen, unterstrich sie.

Abgeordneter Johann Jarolim (S) sprach sich dafür aus, die Ergebnisse des Hearings umzusetzen und in den Gesetzestext einfließen zu lassen. Besonders wichtig war für Jarolim dabei eine Evidenthaltung der Verfügungen. Auch müsste seiner Meinung nach Vorsorge getroffen werden, dass eine Patientenverfügung für alle Menschen unabhängig von deren Einkommen leistbar ist.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) qualifizierte die Patientenverfügung als ersten Schritt und stellte die Möglichkeit einer Zustimmung durch seine Fraktion in den Raum. Eine "Schieflage" sah er allerdings in der Verpflichtung der notariellen Beglaubigung, wobei er betonte, die Autonomie des Patienten sei doch ein Grundrecht. Für sinnvoll hielt Grünwald eine Registrierung der Verfügungen.

Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) begrüßte die strengen Formvorschriften mit dem Argument, eine Patientenverfügung gehe weit über das Testament hinaus, es müsse daher garantiert sein, dass der Wille des Patienten eindeutig und unmissverständlich festgestellt werden kann.

Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) bekannte sich ebenfalls zu den Hürden des Gesetzes und meinte, diese sollten dem Einzelnen die Bedeutung der Verfügung klar vor Augen führen. Wichtig war für die VP-Sprecherin überdies, dass durch die Möglichkeit einer Patientenverfügung kein Druck auf die Patienten ausgeübt werde. 

Die Regierungsfraktionen legten in der Sitzung einen Entschließungsantrag vor. Darin werden die Gesundheitsministerin und die Justizministerin ersucht, nach Ablauf von drei Jahren einen Bericht über die Erfahrungen mit der Patientenverfügung vorzulegen, wobei u.a. die Erfahrungen mit den Kosten berücksichtigt werden sollen. Außerdem sollen Vorkehrungen getroffen werden, damit Ärzte möglichst rasch vom Vorliegen einer Patientenverfügung Kenntnis erlangen, etwa durch eine entsprechende Eintragung auf der E-Card.

In einer Ausschussfeststellung wird zudem festgehalten, dass Maßnahmen, die einer ärztlichen Anordnung bedürfen, als "medizinische Behandlung" zu verstehen sind und daher Gegenstand einer Patientenverfügung sein können. Das umfasst auch die Einsetzung einer PEG-Sonde. Die Grundversorgung von Patienten – wie die "händische" Verabreichung von Nahrung und Flüssigkeit - hingegen ist Teil der Pflege und kann daher nicht abgelehnt werden.

In einer abschließenden Runde gingen die ExpertInnen noch einmal auf einzelne Aspekte des Gesetzesvorhabens und in der Diskussion aufgetauchte Fragestellungen ein. Einige Experten bekräftigten die Meinung, das Gesetz bewirke keine Stärkung der Patientenautonomie, aber eine Absicherung der Umgebung der Patienten. Der so genannte Übereilungsschutz sei wichtig, doch sei absolute Sicherheit nicht erreichbar; es sollten daher keine weiteren Hürden aufgebaut werden. Unterschiedlich beurteilt wurde die Anregung, medizinische und rechtliche Beratung miteinander zu verbinden, ebenso die Überlegung, eine Verbindung zwischen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht herzustellen. Außerdem wurde in der Schlussrunde der Experten auf die Notwendigkeit einer mehrstufigen Information und einer einschlägigen Schulung sowohl für Ärzte wie für Pflegende hingewiesen. Zustimmung gab es für eine Evaluierung der Erfahrungen und für eine Eintragung hinsichtlich der Patientenverfügung auf der E-Card und/oder in ein entsprechendes Register.

Die Debatte der Abgeordneten mit den Ministerinnen

Nach Ende des Hearings nahmen die beiden zuständigen Ministerinnen, Justizministerin Karin Gastinger und Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat, Stellung zum Gesetzentwurf. Beide fühlen sich, wie sie sagten, durch das Hearing in ihrem Weg bestärkt. Zur Frage der Registrierung merkte Gastinger an, man müsse sich noch genauer überlegen, welche Form der Registrierung Sinn mache. Ministerin Rauch-Kallat hält in diesem Zusammenhang etwa ein parallel zum Testamentsregister eingerichtetes Patientenverfügungsregister für eine gangbare Lösung und wies auf ein entsprechendes Angebot der Notare hin. Zudem brachte sie die geplante elektronische lebensbegleitende Gesundheitsakte zur Sprache, deren Entwicklung sich Rauch-Kallat zufolge jedoch noch im Anfangsstadium befindet und die daher frühestens 2010/11 zur Verfügung stehen wird. Einen Vermerk auf der E-Card kann sie sich lediglich als Zusatzangebot vorstellen.

In der anschließenden Diskussion im Ausschuss ging es in erster Linie um die auch von den Experten aufgeworfenen Frage, ob Patientenverfügungen ausschließlich dann verbindlichen Charakter haben sollten, wenn die Beratung durch einen Rechtsanwalt oder einen Notar erfolgt, bzw. inwieweit nicht auch die Heranziehung anderer rechtskundiger Personen ausreichend wäre. Abgeordnete Barbara Riener (V) regte beispielsweise an, Familienberatungsstellen miteinzubeziehen, und machte geltend, dass dort ebenfalls Ärzte und Juristen zur Verfügung stünden. Diesem Vorschlag schlossen sich auch die Abgeordneten Kurt Grünewald (G), Johannes Jarolim (S), Gisela Wurm (S) und Terezija Stoisits (G) an. Es gebe viele Organisationen, die über hervorragende rechtskundige Personen verfügen, unterstrich Abgeordneter Jarolim, es müssten nicht unbedingt Rechtsanwälte oder Notare sein.

Abgeordnete Stoisits hielt fest, die Grünen stünden dem Patientenverfügungsgesetz "höchst positiv" gegenüber, ihre Fraktion wolle aber verhindern, dass Patientenverfügungen durch zu strikte Zugangshürden zu einem elitären Instrument würden. Mit der Zahlung von 100 € werde die Sache sicher nicht getan sein, bekräftigte sie.

Ausschussvorsitzende Maria Theresia Fekter (V), Abgeordneter Walter Tancsits (V) und Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) warnten allerdings davor, jedem Rechtskundigen zu gestatten, verbindliche Patientenverfügungen aufzusetzen. Man habe, um Missbrauch zu verhindern, bewusst darauf verzichtet, "rechtskundige Personen aller Art" zuzulassen, sagte Fekter. Auch Abgeordneter Tancsits sieht durch die Beschränkung auf Rechtsanwälte und Notare das Missbrauchsrisiko minimiert. Abgeordnete Partik-Pable zeigte sich überzeugt davon, dass die Kosten eine nicht so große Rolle spielen und sich bei rund 100 € einpendeln werden. Sie hält dies für zumutbar.

Was die Einbeziehung von Familienberatungsstellen betrifft, sagte Fekter zu, bis zur Plenarsitzung zu klären, ob dies generell möglich sei und diese sich überhaupt in der Lage sehen würden, entsprechende Aufgaben zu übernehmen. Ihr zufolge müssen in dieser Frage auf jeden Fall das zuständige Sozialministerium und die Länder miteinbezogen werden. Ein Experte des Justizministeriums machte geltend, dass Familienberatungsstellen auch nach dem vorliegenden Entwurf Hilfestellung für beachtliche Patientenverfügungen anbieten könnten.

Ein Antrag von SPÖ-Abgeordnetem Christian Puswald, die Beratungen über das Patientenverfügungsgesetz zu vertagen, wurde nur von der Opposition unterstützt und blieb damit in der Minderheit. Ausschussvorsitzende Fekter begründete die Ablehnung damit, dass das Gesetz ihrer Meinung nach beschlussreif und "sehr gut ausgefeilt" sei. Zudem sehe der Entschließungsantrag in Bezug auf die Kosten eine Evaluierung vor, unterstrich sie.

Abgeordneter Puswald hatte zuvor argumentiert, dass einige Gesetzesbestimmungen noch einer Nachjustierung bedürften. Im Ergebnis wollten alle Fraktionen das Gleiche, führte er aus, über Ausformulierungen im Detail müssten aber noch Diskussionen geführt werden. Pauschalierte Kosten für Patientenverfügungen festzulegen, erachtet Puswald, wie er sagte, für unrealistisch, schließlich gehe es bei Patientenverfügungen um die Fragen von sterben oder leben, was genaue Prüfungen notwendig mache.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) merkte zur Kostenfrage an, er könne sich nicht vorstellen, dass die Länder in einem für die Patientenanwaltschaften so elementaren Bereich keine Ressourcen zur Verfügung stellten.

Bei der Abstimmung wurden sowohl die Regierungsvorlage als auch der Entschließungsantrag und die Ausschussfeststellung mit den Stimmen der Koalitionsparteien und der Grünen genehmigt. (Fortsetzung Justizausschuss)