Parlamentskorrespondenz Nr. 305 vom 06.04.2006

Außenpolitischer Ausschuss zieht Zwischenbilanz über EU-Vorsitz

Plassnik: Präsidentschaft keine Bühne zur Selbstdarstellung

Wien (PK) – Die Beratungen des Außenpolitischen Ausschusses über das EU-Arbeitsprogramm 2006 auf der Grundlage des operativen Jahresprogramms des Rates boten den Abgeordneten heute Gelegenheit, eine Zwischenbilanz über die ersten drei Monate der österreichischen EU-Präsidentschaft zu ziehen. Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) sprach von einem großen Erfolg, wobei er vor allem die Einigungen über das Budget und die Dienstleistungsrichtlinie sowie die Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Arbeit und Beschäftigung, Forschung und erneuerbare Energien als Pluspunkte hervorhob.

Abgeordneter Herbert Scheibner (F) beurteilte die erste Hälfte der Präsidentschaft ebenfalls äußerst positiv und bemerkte, auch wenn man weiß, dass man keine Entscheidungen erzwingen kann, sei es nicht verboten, eigene Ideen einzubringen. Wichtig war für Scheibner weiters, dass bei künftigen Beitritten immer wieder auf das Erreichen der Kriterien hingewiesen werde.

Abgeordneter Caspar Einem (S) meinte anerkennend, die Regierung habe die Präsidentschaft professionell vorbereitet. Er bemängelte aber, inhaltlich sei das Programm nicht besonders ambitioniert und zeichne sich vor allem durch eine starke Event-Orientierung aus. Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) wiederum sah Österreich aufgefordert, durch konkrete Aktivitäten die Zustimmung der Bevölkerung zur EU zu heben.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) appellierte an die Bundesregierung, bei den kommenden großen Gipfeltreffen der EU mit Russland und mit den USA auch sensible Themen wie den Kaukasus und Transnistrien bzw. Guantanamo anzusprechen.

Außenministerin Ursula Plassnik betonte, die österreichische EU-Präsidentschaft sei alles andere als eine Bühne zur Selbstdarstellung, sondern vielmehr eine Dienstleistung an den EU-Partnern. Das österreichische Engagement in der Sache, die Hartnäckigkeit und Zähigkeit in den Verhandlungen würden international geschätzt. Zu Guantanamo merkte Plassnik an, es dürfe keine rechtsfreien Räume geben, die Forderung nach Schließung bezeichnete sie als wichtig und richtig.

Erfreut zeigte sich die Ministerin zudem über die Budgeteinigung mit dem Europäischen Parlament, die es nun ermöglicht, 800 Mill. € zusätzlich für die klassische GASP und 200 Mill. € zusätzlich für den Bereich der Nachbarschaftspolitik zur Verfügung zu stellen.

Der Bericht über das Jahresprogramm wurde schließlich mit den Stimmen der Regierungsparteien und der SPÖ angenommen. 

Gesetz sichert internationale Anerkennung der Studien an der DA

Einstimmig verabschiedete der Ausschuss eine Änderung des Bundesgesetzes über die Diplomatische Akademie Wien, durch die die Studien an der DA in den Bologna-Prozess eingeordnet werden. Studierende erhalten damit die Sicherheit, dass ihr Studium international anerkannt wird. Ein Vier-Parteien Abänderungsantrag unterstreicht überdies die besondere Berücksichtigung der französischen Sprache.

Verbesserungen für bedürftige AuslandsösterreicherInnen

Die Hilfe für bedürftige Auslandsösterreicher durch den "Fonds zur Unterstützung österreichischer Staatsbürger im Ausland" soll erweitert werden. Ein entsprechendes einstimmig beschlossenes Gesetz sieht neben Anpassungen an aktuelle Rechtslage nun auch die Möglichkeit vor, in besonderen Härtefällen auch ehemalige österreichische Staatsbürger oder Kinder österreichischer Staatsbürger zu unterstützen, sofern hiefür über die primäre Aufgabe hinaus noch Mittel zur Verfügung stehen. Dabei sollen NS-Opfer und deren Angehörige besonders bevorzugt werden.

Krisenintervention: Kostenersatz bei selbst verschuldeter Gefährdung

Maßnahmen zum Schutz österreichischer Staatsbürger im Ausland sind oft mit hohen Kosten für die Republik verbunden und konnten aufgrund der bisherigen Rechtslage selbst bei grob schuldhaftem Verhalten  nicht oder nur schwer zurückgefordert werden. Auf diesen Umstand reagiert ein heute vom Außenpolitischen Ausschuss mit V-F-Mehrheit beschlossener Antrag der Koalitionsparteien, der eine rechtliche Handhabe für Regressansprüche vorsieht, "wenn sich jemand mit auffallender Sorglosigkeit in eine besondere Gefahrensituation begeben hat". Als grob schuldhaftes Verhalten definiert der Gesetzestext in Hinkunft etwa die Missachtung von Reisewarnungen des Außenministeriums. Ein Abänderungsantrag der Regierungsparteien stellt dazu im wesentlichen klar, dass Vertreter von NGO oder Geschäftsreisende von dem Kostenersatz nicht betroffen sind.

Die Abgeordneten der Regierungsparteien sahen das Gesetz als Signal an leichtfertige Abenteurer. So meinte etwa Abgeordneter Michael Spindelegger (V), diejenigen, die sich als Abenteuertouristen in Gefahr begeben, sollten nicht ohne einen eigenen finanziellen Beitrag den österreichischen Staat in Anspruch nehmen können. Die im Gesetz enthaltene Betragsbegrenzung von 20.000 € sei überdies an die KFZ-Haftpflichtversicherung angelehnt.

Abgeordneter Herbert Scheibner (F) wiederum betonte, die Maßnahme richte sich nicht an "normale" Touristen, sondern ausschließlich an leichtfertige Abenteurer, die grob fahrlässig handeln und Reisewarnungen nicht ausreichend beachten. Klar war sich Scheibner allerdings darüber, dass das Gesetz einen Interpretationsspielraum biete und nicht kasuistisch vorgehen könne.

Massive Bedenken äußerte hingegen Abgeordneter Peter Schieder (S). Er argumentierte, dieses Gesetz greife in weit reichende juristische Fragen ein, etwa in die Bereiche des Konsumentenschutzes oder des Rechtes der Reisebüros. Seitens des Außenamtes sei man sich der Bedeutung und juristischen Tragweite der Reisewarnungen offenbar nicht bewusst gewesen, vermutete Schieder.

Dieser Argumentation schloss sich auch Abgeordnete Terezija Stoisits (G) an, die darüber hinaus auch das Prozedere bei der Beschlussfassung rügte. Es gehe nicht an, eine Materie mit derart weit reichenden Folgen ohne eingehende Diskussion mit Experten zu beschließen. Mit ihrem Antrag auf Vertagung konnte sich Stoisits aber nicht durchsetzen.

Die weitere Tagesordnung: Abkommen, SOS Kinderdorf, Streubomben, EZA

Schließlich genehmigte der Ausschuss jeweils einstimmig ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Republik Tadschikistan sowie ein Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit.

Einhelligkeit bestand auch bezüglich eines von allen vier Parteien gemeinsam eingebrachten Antrags auf Nominierung von "SOS Kinderdorf International" für den Friedensnobelpreis 2006.

Einstimmig vertagt wurde hingegen ein gemeinsamer G-S-Antrag, in dem die Abgeordneten Ulrike Lunacek (G) und Walter Posch (S) eine österreichische Initiative für ein Verbot von Streubomben und Streumunition verlangen.

Die von den Grünen überreichte Petition mit dem Titel "Menschenrechte für alle! Für die besondere Berücksichtigung der Rechte von Personen mit Behinderung in den Entwicklungsländern" sowie der Bericht der Außenministerin betreffend die Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwicklungspolitik wurden dem Unterausschuss für Entwicklungszusammenarbeit zugewiesen.

Südtirol-Autonomie in Verfassungspräambel: Unterausschuss am Zug

Eine von Nationalratspräsident Andreas Khol gemeinsam mit weitern ÖVP-Abgeordneten und dem F-Abgeordneten Klaus Wittauer vorgelegte Petition der Tiroler Schützenkompanien, in der die Aufnahme eines Bekenntnisses zum Selbstbestimmungsrecht Südtirols in die Präambel der in Diskussion stehenden neuen Bundesverfassung gefordert wird, leitete der Ausschuss an den Südtirol-Unterausschuss weiter.

(Schluss)