Parlamentskorrespondenz Nr. 449 vom 11.05.2006

Gesetzes-Pfusch bei Brieffachanlagen?

Dringliche Anfrage der SPÖ an Vizekanzler Gorbach im Bundesrat

Wien (PK) – Eine Reihe von Fragen richtete Bundesrat Lindinger von der SPÖ in seiner dringlichen Anfrage an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Gorbach. So wollten die Bundesräte im Lichte des VfGH-Erkenntnisses u.a. wissen, wer die Kosten für die bereits installierten Hausbrieffachanlagen zu tragen habe, wer Eigentümer der installierten Anlagen sei und ob man den Vorschlag von Redmail nachkommen und sämtlichen privaten Postanbietern auch einen Schlüssel zu den alten noch nicht umgerüsteten Postkästen geben will.

Bundesrat LINDINGER (S) verwies als Erstunterzeichner dieser Dringlichen auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, der Teile des Postgesetzes aufgehoben hat. Bei diesem Postgesetz handelt es sich nach Ansicht des Redners um ein weiteres verpfuschtes Gesetz. Die Sozialdemokraten hätten bei den Postgesetznovellen 2003 und 2005 bereits auf jene Bestimmungen aufmerksam gemacht. Der Schaden, der durch das "verpfuschte Gesetz" entstanden sei, ist laut Lindinger nicht abschätzbar. Die Gemeinde Wien habe bereits 220.000 Briefkästen umgerüstet und kein Recht auf Rückerstattung der angelaufenen Kosten. Man schätzt, dass es in ganz Österreich in den Wohnanlagen 1,000.000 Briefkästen gibt. Die Kosten hiefür werden mit etwa 100 Mill. € beziffert. Die im Gesetz vorgesehene Umsetzungsfrist bis 30. Juni 2006 sei zu knapp bemessen gewesen, behauptete der Bundesrat. Die EU-Richtlinie sah eine Frist bis 2009 vor. Nach Ansicht des Bundesrates wäre es nicht notwendig gewesen, diese kurze Frist zu setzen. Die Bundesregierung schädige mit diesem Gesetz die österreichische Wirtschaft. Man rechnet damit, dass 200 Arbeitsplätze abgebaut werden.

Staatssekretär Mag. KUKACKA wies darauf hin, dass sich Redmail 2002 mit einer Beschwerde an die EU-Kommission gewandt und einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Hausbrieffachanlagen begehrt hat, da nach Auffassung von Redmail eine wettbewerbsrechtliche Diskriminierung gegeben wäre. Um einer drohenden Verurteilung durch den EuGH zuvorzukommen, habe die Bundesregierung 2003 beschlossen, eine Novelle des Postgesetzes zu erarbeiten. In mehreren Gesprächsrunden – auch unter Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde – habe man die 2003 beschlossene Umrüstungspflicht mit Kostentragung durch die Hauseigentümer als die praktikabelste Variante angesehen, um den alternativen Postanbietern den Zugang zu den Hausbrieffachanlagen zu gewähren. Die Problematik des Zugangs zu diesen Anlagen in den alten EU-Mitgliedsländern ist nur in Österreich bzw. in den neuen EU-Staaten nur in Polen aufgetreten. In allen anderen EU-Mitgliedsländern hätten alternative Anbieter bereits jetzt die gleichen Möglichkeiten zur Zustellung wie die Monopolisten.

Die Kostentragung durch die Hauseigentümer wurde auch aus dem Grund normiert, da die Hauseigentümer seit dem Postgesetz 1972 für die Anbringung von Hausbrieffachanlagen bei Neubauten verantwortlich sind. Von einem Husch-Pfusch-Gesetz könne keine Rede sein, betonte der Staatssekretär und meinte, der von der SPÖ am 25.1.2006 im Nationalrat eingebrachte Antrag auf Kostentragung durch Private sei eine Wettbewerb verzerrende Maßnahme. Die von der SPÖ vorgeschlagene Fondslösung würde auch mehrere Fragen aufwerfen, u.a. inwieweit neu in den Markt eintretende Postdienstanbieter in die Fondslösung miteinbezogen werden können bzw. zu welchem Prozentsatz die Marktteilnehmer in diesen Fonds einzahlen müssen. Der Vorschlag der SPÖ habe laut Kukacka rechtlichen Diskussionsbedarf und könne keinesfalls ohne weiteres übernommen werden.

Zu Detailfragen meinte das Regierungsmitglied, die Kosten für bereits installierte Hausbrieffachanlagen trugen bisher die Hauseigentümer. Seitens des Verfassungsgerichtshofes wurde klargestellt, dass eine Rückforderungsmöglichkeit für entstandene Kosten nicht vorgesehen ist. Eine bereits erfolgte Umrüstung ist als Zukunftsinvestition zu verstehen, da man davon ausgeht, dass frühestens ab dem Jahr 2009 in einem voll liberalisierten Markt ein Zugang für alternative Postdienstleister gegeben sein muss.

Die Hausbrieffachanlagen bleiben im Eigentum des jeweiligen Errichters. Das entspreche der Rechtslage seit dem Postgesetz 1972.

Derzeit laufen nach Auskunft des Staatssekretärs Verhandlungen über mögliche gesetzliche Regelungen auf Beamten- und Expertenebene.

Die Weitergabe von Schlüsseln wurde im Vorfeld der Novelle 2003 mehrfach diskutiert, jedoch von allen Beteiligten als untaugliches Mittel verworfen, da u.a. die Haftung für allfällig nicht zugestellte Briefsendungen ungeklärt sei.

Eine eigene Informationshotline wurde nach Auskunft von Kukacka nicht eingerichtet, da für Anfragen aller Bürger grundsätzlich das Bürgerservice des Vizekanzlers zur Verfügung steht. Es wurden auch viele Anfragen seitens der Obersten Post- und Fernmeldebehörde direkt beantwortet.

Die erfolgten Umrüstungen können nicht als verlorener Aufwand eingestuft werden. Die Frage einer steuerlichen Geltendmachung ist laut Kukacka an das Finanzministerium zu richten.

Es gebe keine Rechtsgrundlage für allfällige Schadenersatzansprüche. Im Übrigen habe der Verfassungsgerichtshof klargestellt, dass eine Rückerstattung der Kosten nicht vorgesehen sei.

Bundesrätin MÖRK (S) meinte, dieses Gesetz sei von der Regierung durchgeboxt worden, obwohl die EU die Postliberalisierung erst für 2009 festgelegt habe und es bereits im Vorfeld Bedenken im Hinblick auf die Verfassungskonformität gegeben habe. Mit diesem Husch-Pfusch-Gesetz habe die Bundesregierung einen Schaden in Millionenhöhe verursacht. Für hunderttausende Haushalte wurden die Briefkästen bereits ausgetauscht, weil dies unter Strafandrohung (bis 30.000 €) bis zum 1. Juli dieses Jahres vorgeschrieben war. Nun stelle sich heraus, dass dies nicht auf deren Kosten gehen dürfe. Wenn nur für die Hälfte der 3 Millionen Haushalte bereits neue Brieffächer installiert wurden, handelt es sich um einen Schaden in der Höhe von ca. 60 Mill. €.

Bundesrat Mag. HIMMER (V) meinte, auch die Vorschläge der Sozialdemokraten hinsichtlich der Fondslösung brächten Problemstellungen mit sich. Man verhandle nun über eine neue Gesetzesvorlage, da ja ein klarer Auftrag des Verfassungsgerichtshofes vorliege.

Bundesrätin LICHTENECKER (G) erklärte, Gesetze müssten verfassungskonform erstellt werden; zudem hielt sie es für mühsam, sich immer wieder mit Gesetzen zu befassen, die den Konsumenten und der Wirtschaft Nachteile bringen und außerdem verfassungswidrig sind. Aus diesem Grund habe der Oberösterreichische Landtag einstimmig einen Initiativantrag beschlossen, den der Bundesrat unterstützen sollte. Die Rednerin präsentierte eine entsprechende Entschließung.

Bundesrat WIESENEGG (S) erinnerte an seine seinerzeit geäußerten Bedenken. Die Höchstrichter teilen laut Wiesenegg seine Befürchtung, dass die Postgesetznovelle 2005 einen eklatanten Eingriff in das Eigentum der Hauseigentümer darstellt. Als unrichtig bezeichnete der Redner die Behauptung des Staatssekretärs, dass diese Briefkastenaktion nur bei Neubauten gilt.

Bundesrat Ing. KAMPL (o.F.) meinte, die Regelungen seien seinerzeit schlecht beraten worden und die Bundesregierung sollte neue Überlegungen anstellen. Ungeklärt sei u.a. die Haftung für beschädigte Anlagen und die Frage, was mit den Anlagen, die im Eigentum der Post stehen, geschehen soll. Er hoffe auf einen Weg, der allen weiterhilft.

Bundesrat KONECNY (S) strich heraus, dass die Post hunderttausende Postkästen angekauft und montieren habe lassen. Nun werde sie entschädigungslos enteignet, weil ihre Postkästen für nicht mehr verwendbar erklärt werden. Konecny glaubte aber nicht, dass der Marktzutritt neuer Anbieter bedeuten kann, dass Dritte verpflichtet werden können, denen den Marktzutritt zu ermöglichen.

Der S-G-Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Kostentragung für Hausbrieffachanlagen auf Grund des Postgesetzes fand mehrheitliche Annahme. (Schluss Dringliche)


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