Parlamentskorrespondenz Nr. 492 vom 19.05.2006

Justizausschuss einhellig für Änderung des Sachwalterrechts

Anträge zum Familienrecht vertagt, zum Konsumentenschutz abgelehnt

Wien (PK) – Das Sachwalterrecht, die eingetragene Lebensgemeinschaft bzw. der Zivilpakt sowie Themen des Konsumentenschutzes standen im Mittelpunkt der weiteren Debatten im Justizausschuss.

Einhellige Zustimmung zur Änderung des Sachwalterrechts

Die Regierungsvorlage zum Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 (1420 d.B.) sieht tief greifende Änderungen im Sachwalterrecht vor. Zunächst wird die Bestellung eines Sachwalters ausgeschlossen, "soweit Angelegenheiten der behinderten Person durch einen anderen gesetzlichen Vertreter oder im Rahmen einer anderen Hilfe, besonders in der Familie, in Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder im Rahmen sozialer oder psychosozialer Dienste, im erforderlichen Ausmaß besorgt werden", etwa durch eine Vorsorgevollmacht. Diese Vorsorgevollmacht soll nach einem in der Sitzung des Ausschusses eingebrachten Abänderungsantrag nur so lange gelten bzw. die Bestellung eines Sachwalters entbehrlich machen, als der Vollmachtgeber mit der Besorgung seiner Angelegenheiten durch den Bevollmächtigten einverstanden ist. Bei der Sachwalterschaft wird nach Art und Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten differenziert: Sachwalter können mit der Besorgung einzelner Angelegenheiten, eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten (zB Vermögensverwaltung) oder mit der Besorgung aller Angelegenheiten betraut werden.

Rechtsanwälte und Notare können einen entsprechenden Auftrag ablehnen, wenn sie bereits mit fünf oder mehr Sachwalterschaften betraut sind. Generell ist die Zahl bei Einzelpersonen mit fünf, bei Rechtsanwälten und Notaren mit 25 Sachwalterschaften gleichzeitig begrenzt. In einem Abänderungsantrag der Koalitionsfraktionen wird vorgesehen, dass diese Höchstgrenzen ohne Ausnahme gelten sollen.  Außerdem sieht der Antrag vor, dass Sachwalter keinen Anspruch auf Ersatz ihrer Barauslagen haben, wenn die besachwaltete Person dadurch unter das Existenzminimum fiele. Nahestehende Personen – wie ein bisher mit der Obsorge betrauter Elternteil – werden bevorzugt.

Außerdem ist vorgesehen, dass Sachwalter persönlichen Kontakt mit ihren Klienten halten müssen, und zwar mindestens einmal pro Monat, sofern sich die Sachwalterschaft nicht bloß auf die Besorgung einzelner Angelegenheiten bezieht.

Neu geregelt werden auch die Bestimmungen für Sachwalterschaftsvereine: Das Justizministerium entscheidet durch Verordnung über die Eignung derartiger Vereine. Zu den Aufgaben dieser Vereine gehört, dass sie hauptamtliche Vereinssachwalter, Patientenanwälte und Bewohnervertreter namhaft machen, für deren Aus- und Fortbildung zu sorgen, sie anleiten und deren Arbeit überwachen. Außerdem können die Sachwaltervereine ehrenamtliche Sachwalter bekannt geben. Die Vereine sollen darüber hinaus als Clearingstellen fungieren, indem sie auf Ersuchen des Gerichts überprüfen, ob die Bestellung eines Sachwalters erforderlich ist und welche nahe stehende Person dafür allenfalls in Frage käme.

In der Sitzung wurden von den Koalitionsfraktionen neben dem genannten Abänderungsantrag  zwei § 27-Anträge und zwei Ausschussfeststellungen eingebracht. Dabei geht es zum einen um für stationäre Einrichtungen und für Wohngemeinschaften gleichlautende Regelungen hinsichtlich (auto)aggressiven Personen, zum anderen um eine Angleichung der Rechte und Pflichten von Rechtsanwälten an jene von Gerichten und Notaren bei der Errichtung von Vorsorgevollmachten (z.B. Belehrungspflicht). In einer Ausschussfeststellung werden alle Stellen, die Anliegen behinderter Personen verfolgen, aufgefordert, für die Übernahme von Sachwalterschaften zu werben. Außerdem wird festgehalten, dass Sachwalter behandelnde Ärzte der von ihnen besachwalteten Personen über Patientenverfügungen zu informieren haben.

Die Vorlage fand die einhellige Zustimmung aller Fraktionen, ebenso ein Entschließungsantrag, zwei §27-Anträge und zwei Ausschussfeststellungen.

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S) wertete die Vorlage positiv, sprach sich aber für die Streichung eines Passus aus, nach dem Sachwalter vor Gericht zur Aussage gegen die Interessen der ihnen anvertrauten Personen verpflichtet wären – ein Anliegen, dem auch Ausschuss-Vorsitzende Fekter und Justizministerin Gastinger zustimmten und dem entsprochen wurde. Auch regte Stadlbauer an, dass im Fall medizinisch nötiger Maßnahmen vom Gericht auch der betreffende Sachwalter angehört werden sollte; dies sei gängige Praxis, versicherte Justizministerin Gastinger.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) begrüßte das Ende der "Massen-Sachwalterschaften" durch die Novelle und sprach sich im Hinblick auf befürchtete budgetäre Probleme der Sachwaltervereine für eine Evaluierung des Gesetzes aus.

Ausgelöst durch einen Debattenbeitrag von Abgeordneter Helene Partik-Pable (F) entspann sich im Ausschuss eine längere semantische Diskussion. Wie Partik-Pable fanden auch andere Mitglieder des Ausschusses (Fekter, Stoisits) die Bezeichnung "behinderte Person" für einen Menschen, der von einem Sachwalter betreut wird, irreführend und unzutreffend. Mit einem Entschließungsantrag, dass von Seiten des Justizressorts bis zur Plenardebatte nach geeigneteren Formulierungen gesucht werden solle, zeigten sich schließlich alle Fraktionen zufrieden; es gebe allerdings noch keine etablierte Begrifflichkeit, stellte ein Ressortvertreter dazu fest.

Justizministerin Karin Gastinger kündigte – auch in Anknüpfung an eine Frage von Abgeordneter Elisabeth Grossmann (S) – klare Informationen zum Thema Sachwalterschaft an; die lange Übergangsfrist diene auch der entsprechenden Vorbereitung. Die neu geschaffene Clearingstelle werde auch in dieser Richtung aktiv; die budgetären Sorgen wollte die Ministerin nicht teilen.

Sämtliche Vorlagen – das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz in der Fassung des Abänderungsantrags, der Entschließungsantrag, zwei Ausschussfeststellungen und zwei §27-Anträge – wurden einstimmig angenommen.

Ehe – Zivilpakt – Eingetragene Partnerschaft

Unter einem mit der Neuregelung des Sachwalterrechts wurde eine ganze Reihe von Anträgen der Oppositionsfraktion debattiert. Zwei Anträge – einer von den Sozialdemokraten (582/A) und einer von den Grünen (712/A) – schlugen Regelungen für eine "eingetragene Partnerschaft" respektive einen "Zivilpakt" vor. Ein weiterer G-Antrag (715/A) verlangt die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften unter Berufung auf eine Entschließung des Europäischen Parlaments.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) trat für die Schaffung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Paare ein, aus dem sich mehr oder weniger gleiche Rechte und Pflichten wie aus einer Ehe ergeben sollten; derzeit hätten diese Paare nur die Möglichkeit einer informellen Lebensgemeinschaft. Es gehe darum, ein Modell zu schaffen, das für heterosexuelle und homosexuelle Partnerschaften gleich sei und keine Abhängigkeit schaffe. Österreich sei auf diesem Gebiet europäisches Schlusslicht. Im Hinblick auf die oft davon betroffenen Kinder fragte die Abgeordnete in Richtung ÖVP-MandatarInnen: "Wo bleibt die christliche Nächstenliebe?" – Abgeordnete Stoisits bezog sich auf das zur Begutachtung ausgesandte Familienpaket und äußerte die Befürchtung, der Entwurf werde mit den anstehenden Problemen "nichts zu tun" haben.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) stellte im Hinblick auf das soeben in Begutachtung befindliche Familienpaket einen Vertagungsantrag für die drei Anträge der Oppositionsfraktionen.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) wandte sich kritisch gegen einen "Khol-Fekter-Justizkurs", der eine dynamische Entwicklung nicht zur Kenntnis nehme. Nicht alle würden dem "konfessionellen Bild der sakramentalen Ehe" entsprechen, sagte Jarolim pointiert und sprach sich für einen "unverkrampfteren Zugang" aus. In ähnlichem Sinn äußerte sich seine Fraktionskollegin Elisabeth Grossmann, die bedauerte, dass Österreich immer mehr zurück falle; den Antrag ihrer Fraktion sah sie als "Akutmaßnahme" und Hilfe für gleichgeschlechtliche Paare nach dem jüngsten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs.

Justizministerin Karin Gastinger sah bei diesen Themen die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Diskussion gegeben, die lange brauche. Sie räumte ein, dass ihre persönliche Position von jener der Regierungsfraktionen abweiche, nehme diese Position – die nicht Teil des Regierungsübereinkommens sei - aber zur Kenntnis. Ähnlich wie bei den Lebensgemeinschaften verhalte es sich auch beim Thema Patchwork-Familie. Dass die Familie im Wandel sei, sei ein weltweites Phänomen. Das jetzt vorliegende Paket sei ein "Minipaket", aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, sagte die Ministerin.

Antrag 582/A wurde mit Mehrheit, die beiden anderen Anträge wurden einstimmig vertagt.

Konsumentenschutz: Sämtliche Anträge mit Mehrheit abgelehnt

Weitere Anträge, sämtlich von Abgeordnetem Johann Maier (S) eingebracht, betreffen die Erweiterung der Beweislastumkehr bei Gewährleistungsansprüchen (690/A[E] ), die Schaffung eines Konsumentenschutzrats (510/A), die Abschaffung der Sonderstellung vertraglicher Pfandrechte im KSchG (497/A), die Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben des E-Commerce-Gesetzes (353/A[E]), eine einheitliche Rücktrittsfrist von 14 Tagen in sämtlichen "Konsumentenschutzgesetzen" (56/A[E]) sowie überhaupt eine Neukodifikation des Konsumentenschutzgesetzes (36/A[E]). Alle sechs Anträge wurden mehrheitlich abgelehnt.

Der Konsumentenschutz sei in Österreich gut ausgebaut, meinte Abgeordneter Walter Tancsits (V), Käufer und Verkäufer agierten als gleichberechtigte Vertragspartner. Er warnte davor, die Konsumenten, die ja "mündige Bürger" seien, unter eine "Käseglocke" zu stellen.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) vertrat eine entgegengesetzte Position: Das Konsumentenschutzgesetz sei gerade zum Ausgleich der Ungleichheit zwischen Käufern und Verkäufern geschaffen worden. Österreich hänge auch auf diesem Gebiet inzwischen hinten nach, es gebe Fehlentwicklungen. – Für die Fraktionen der Grünen drückte Abgeordnete Gabriela Moser die Unterstützung der in den Anträgen ausgedrückten Anliegen aus.

SPÖ-Konsumentensprecher Abgeordneter Johann Maier beklagte einen "rechtspolitischen Stillstand". Die europäische Gesetzgebung räume zwar einen Handlungsspielraum ein, der allerdings von Österreich nicht ausgeschöpft werde. Die von ihm eingebrachten Anträge gingen auf Erfahrungen zurück, etwa der schon im Jahr 2004 eingebrachte Antrag zum E-Commerce-Gesetz. Maier zitierte eine Studie des Sozialministeriums, in der von einer fehlenden institutionellen Einbindung des Konsumentenschutzes die Rede sei.

Diese "institutionelle Einbindung" sei in Österreich in Form der Sozialpartnerschaft gegeben, replizierte Abgeordneter Tancsits (V) darauf.

Für Justizministerin Gastinger hingegen ist die Frage der Verankerung offen, der Themenbereich müsse weiter diskutiert werden. Den Mehrwert eines Konsumentenschutzrats sah die Ministerin nicht. Ein generelles Verbot von Verpfändungen würde möglicherweise Kredite verteuern, gab sie zu bedenken. Bei den Rücktrittsfristen von Geschäften tue es eine einheitliche Frist allein nicht.

Die sechs Anträge wurden mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen abgelehnt. (Schluss Sachwalterrecht/Forts. Justizausschuss)