Parlamentskorrespondenz Nr. 493 vom 19.05.2006

Justizausschuss: Strafvollzug wird neu organisiert

Benachteiligungen von Frauen im Versicherungsrecht werden beseitigt

Wien (PK) - Der Strafvollzug wird neu organisiert. Der Justizausschuss des Nationalrats stimmte mit V-F-Mehrheit der Einrichtung einer neuen Behörde zu, die nicht nur für alle Agenden des Strafvollzugs, sondern auch für alle anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen - etwa die Durchführung der Untersuchungshaft - zuständig sein wird. Dazu gehören etwa auch der Jugendstrafvollzug, die Errichtung und Erhaltung von Vollzugsanstalten sowie die Planstellenbewirtschaftung. Zudem werden der neuen "Vollzugsdirektion", die unmittelbar dem Justizministerium nachgeordnet ist, auch die Schulungs- und Fortbildungseinrichtungen für Justizwachebeamten wie etwa die Strafvollzugsakademie unterstellt.

Die neue Behörde soll interdisziplinär ausgestattet sein, d.h. über PsychologInnen, BetriebswirtInnen und Exekutivbedienstete, verfügen. Angestrebt wird eine Straffung der Organisation, eine Verkürzung der Entscheidungswege und ein effektiverer Personal- und Finanzmitteleinsatz. Die strategische Planung und Steuerung, die innere Revision und die Aufsichtsaufgaben bleiben allerdings in der Zuständigkeit des Justizministeriums.

Die Opposition wollte eine Vertagung der Beratungen erreichen, um eine Einigung über die Neuorganisation des Strafvollzugs zu ermöglichen, konnte sich damit aber ebenso wenig durchsetzen wie mit ihrem Wunsch, nicht eine eigene Behörde für den Strafvollzug einzurichten, sondern einer Generaldirektion im Justizministerium den Vorzug zu geben. ÖVP und Freiheitliche gaben zu bedenken, dass mit einer solchen Konstruktion kein Instanzenzug bei Beschwerden über den Strafvollzug möglich wäre.

Basis für den Beschluss im Justizausschuss bildete eine von der Regierung vorgeschlagene Gesetzesnovelle (1426 d.B.), zu der die Koalitionsparteien im Rahmen der heutigen Sitzung einen Abänderungsantrag vorlegten, der bei der Beschlussfassung mitberücksichtigt wurde. Unter anderem sprachen sich die Abgeordneten dafür aus, die Behörde nicht wie ursprünglich geplant als "Strafvollzugsdirektion", sondern als "Vollzugsdirektion" zu bezeichnen. Überdies wurde festgelegt, dass Gefängnisleiter aufsehenerregende bzw. durch pflichtwidriges Verhalten ermöglichte Fluchtfälle ausschließlich der Vollzugsdirektion zu melden haben, die dann das Justizressort darüber informiert.

In einer so genannten "Ausschussfeststellung" halten die Abgeordneten fest, dass der Leiter der Vollzugsdirektion und dessen Stellvertreter insbesondere auch Managementfähigkeiten und praktische Erfahrungen im Vollzugsbereich aufweisen müsse. Zudem wenden sie sich mit einer Entschließung an Justizministerin Karin Gastinger, im Sinne einer weiteren Dezentralisierung zu prüfen, welche Agenden den Vollzugsanstalten selbst übertragen werden können. Sowohl die Ausschussfeststellung als auch die Entschließung wurden mit V-F-Mehrheit gefasst.

Im Rahmen der Debatte übten die Abgeordneten Otto Pendl (S), Terezija Stoisits (G) und Johannes Jarolim (S) zum Teil massive Kritik am Gesetzentwurf. Zwar begrüßten sowohl die SPÖ als auch die Grünen die Bemühungen, den Strafvollzug neu zu organisieren, die Abgeordneten bezweifelten jedoch, dass die Einrichtung einer eigenen Behörde tatsächlich die effizienteste Lösung ist. Bestehende Personalprobleme im Justizwachebereich würden dadurch jedenfalls nicht gelöst, sagte Pendl, vielmehr stelle sich die Frage, wer die Arbeit in der Vollzugsdirektion machen solle.

Ein von Pendl zur Regierungsvorlage eingebrachter und von den Grünen unterstützter Abänderungsantrag zielte darauf ab, alle Aufgaben des Vollzugs und der Fachaufsicht in einer Generaldirektion im Justizressort zusammenzuführen. Zudem unterstrich Pendl die Notwendigkeit, die Strafvollzugsakademie als eigenständige Institution beizubehalten.

Abgeordnete Stoisits bedauerte, dass die Beratungen über den Gesetzentwurf nicht vertagt würden, und machte geltend, dass es bisher im Bereich des Strafvollzugs immer einen relativ großen Konsens zwischen den Fraktionen gegeben habe. Die Grünen hätten nichts gegen organisatorische Änderungen, um die Effizienz im Strafvollzug zu steigern, erklärte die Abgeordnete, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf habe sich in der Begutachtung aber niemand "besonders zufrieden" gezeigt. Warum müsse man die Verantwortung für den Strafvollzug aus dem Justizministerium auslagern, fragte sie. Überdies sei kein einziger zusätzlicher Dienstposten für den Strafvollzug und "kein einziger Cent mehr" vorgesehen und auch die Frage der bedingten Entlassungen bleibe dadurch ungelöst.

Um zumindest in einem Detailbereich eine Änderung zu bewirken, brachte Stoisits ebenfalls einen Abänderungsantrag ein, dem zufolge die Vollzugsdirektion auch für Fragen der Resozialisierung zuständig sein solle. Dieser wurde bei der Abstimmung von den Koalitionsparteien aber ebenso abgelehnt wie der von Pendl vorgelegte S-G-Abänderungsantrag.

Seitens der Regierungsfraktionen verteidigten Ausschussvorsitzende Maria Theresia Fekter (V) und Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) die Einrichtung der Vollzugsdirektion. Die Idee, eine eigene Behörde einzurichten, sei nicht neu, betonte Fekter, zudem seien die Oppositionsparteien bereits im Stadium der Expertenberatungen in die Gesetzwerdung eingebunden worden. Sie könne daher dem Argument, die Beschlussfassung erfolge viel zu schnell, nichts abgewinnen.

Abgeordnete Partik-Pable (F) hielt fest, sie sei grundsätzlich ebenfalls für die Einrichtung einer Generaldirektion, dies würde in der Praxis aber dazu führen, dass bei Beschwerden die erste und zweite Instanz ident wären. Sie sprach sich daher dafür aus, zunächst einmal eine eigene Vollzugsbehörde einzurichten. Würde die Stellung der einzelnen Vollzugsanstalten in Zukunft, wie beabsichtigt, gestärkt, könne man sich Änderungen überlegen. Eine Vertagung der Beratungen lehnte Partik-Pable aufgrund des bevorstehenden Endes der Legislaturperiode dezidiert ab. Sie hat die Befürchtung, dass in einem solchen Fall "gar nichts mehr rausschaut".

Justizministerin Karin Gastinger gab gleichfalls zu bedenken, dass bei der Einrichtung einer Generaldirektion der Instanzenzug wegfallen würde. Zudem habe sie der Nationalrat in einer Entschließung beauftragt, eine Reorganisation des Strafvollzugs in Angriff zu nehmen, konstatierte sie.

Bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs hat das Justizressort Gastinger zufolge großen Wert auf die Interdisziplinarität der Vollzugsbehörde gelegt, und darüber hinaus darauf geachtet, dass nur die unbedingt notwendigen Aufgaben im Justizministerium selbst belassen würden. In weiterer Folge denkt man laut Gastinger daran, die Anstaltsleitungen zu Justizbehörden erster Instanz aufzuwerten. Die zahlreichen kritischen Stellungnahmen zum Gesetzentwurf führte sie auf die divergierenden Interessen der Betroffenen zurück.

Den Vorwurf, sie habe im Strafvollzug außer einer Organisationsänderung keine Verbesserungen erreicht, wies die Ministerin vehement zurück und machte unter anderem geltend, dass es noch nie so viel Personal im Strafvollzug gegeben habe. Zudem verwies sie auf verschiedene Modellversuche wie das elektronische Monitoring und die Heranziehung von Verurteilten für gemeinnützige Arbeiten.

Grün-Abgeordnete Terezija Stoisits hielt dem entgegen, dass elektronische Fußfesseln keine Entlastung für den Strafvollzug brächten. Die Ausweitung des Personals steht ihrer Ansicht nach überdies in keiner Relation zur deutlichen Steigerung der Häftlingszahlen.

Benachteiligungen von Frauen im Versicherungsrecht werden beseitigt

Eine Besserstellung der Versicherungsnehmer bei der vorzeitigen Kündigung von Versicherungsverträgen sowie ein Verbot der Benachteiligung von Frauen bei der Berechnung von Versicherungsprämien im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt bringt das Versicherungsrechts-Änderungsgesetz (1428 d.B.), das vom Justizausschuss einhellig gebilligt wurde.

Bisher wurden bei vorzeitigen Kündigungen und bei Umwandlungen von Versicherungen die daraus entstehenden Kosten in der Regel dem Versicherungsnehmer in Rechnung gestellt. Mit dem Vorlage soll es nun eine Regelung geben, wonach einmalige Abschlusskosten höchstens mit jenem Anteil berücksichtigt werden, der dem Verhältnis zwischen der tatsächlichen Laufzeit und dem Zeitraum von fünf Jahren (oder der vereinbarten kürzeren Laufzeit) entspricht. Anderseits hat in diesen Fällen der Vermittler auch nur auf den analogen Teil der Provision Anspruch.

In Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung im Versicherungsrecht stellt der Entwurf fest: "Die Kosten und Risiken der medizinischen Betreuung und Behandlung im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, der Entbindung und der Mutterschaft dürfen in der Krankenversicherung nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen zwischen Männern und Frauen führen."

In der Debatte begrüßten alle Abgeordneten das vorgesehene Diskriminierungsverbot von Frauen bei der Prämienfestsetzung, Abgeordnete Gabriela Moser (G) urgierte aber eine systematische Gleichstellung von Männern und Frauen in allen Versicherungszweigen, etwa auch bei Pensionsversicherungen. Diesem Anliegen schloss sich auch Ausschussvorsitzende Maria Theresia Fekter (V) an, sie gab aber zu bedenken, dass einer Umsetzung entsprechender Forderungen noch diverse sachliche Einwände entgegenstünden.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) hielt dazu fest, man könne trotz aller berechtigten gesellschaftspolitischen Anliegen die Regeln der Versicherungsmathematik nicht außer Kraft setzen. Als wichtigen konsumentenpolitischen Fortschritt wertete er die neuen Bestimmungen über die Kostentragung bei Versicherungsabschlüssen. Positiv zum Gesetzentwurf äußerte sich auch Abgeordneter Johann Maier (S).

Justizausschuss legt Rahmenbedingungen für Europäische Genossenschaften fest

Am 18. August 2006 tritt die EU-Verordnung über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE – Societas Cooperativa Europaea) in Kraft, und bis zu diesem Termin muss das entsprechende Ausführungsgesetz erlassen sein. Bis zum gleichen Datum muss auch die Beteiligung der ArbeitnehmerInnen gemäß EU-Richtlinie geregelt sein. Beides wird mit der vom Justizausschuss mit V-F-Mehrheit angenommenen Regierungsvorlage des Genossenschaftsrechtsänderungsgesetzes 2006 (1421 d.B.) umgesetzt. Die Vorlage umfasst außer dem SCE-Gesetz, das neben allgemeinen Vorschriften Bestimmungen über die Verlegung des Sitzes einer SCE, über die Gründung einer SCE durch Verschmelzung resp. durch Umwandlung enthält, korrespondierende Änderungen in einer Reihe von Rechtsbereichen, zB im Arbeitsverfassungsgesetz und im Landarbeitsgesetz, durch die - in Umsetzung der EU-Vorgaben - ein Recht auf Beteiligung der ArbeitnehmerInnen in Form von Rechten auf Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung statuiert wird.

Ein von den Koalitionsfraktionen vorgelegter Abänderungsantrag stellt auf eine Harmonisierung des Gesetzentwurfs mit anderen Gesetzen - wie der nachfolgend beratenen Publizitätsrichtlinie - ab und bringt darüber hinaus eine Änderung bezüglich der Altersbeschränkung für Laienrichter an Arbeits- und Sozialgerichten.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) vermisste Mindeststandards für die Stärkung der Position der Aufsichtsräte und kritisierte, es sei nicht einzusehen, dass die Kontrolle bei Kapitalgesellschaften besser geregelt sei als bei Genossenschaften.

Justizministerin Karin Gastinger meinte dazu, eine Regelung im Sinne des SP-Justizsprechers wäre ein "Fremdkörper", zumal das Genossenschaftsgesetz durch eine hohe Satzungsfreiheit gekennzeichnet sei.

Neue Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen

Mit dem Publizitätsrichtlinie-Gesetz (1427 d.B.) wird eine Richtlinie der Europäischen Union in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen umgesetzt. Konkret geht es etwa um die Verankerung des elektronischen Rechtsverkehrs in Firmenbuchsachen im Firmenbuchgesetz, wobei kleine Gesellschaften (Jahresumsatz bis 70.000 €) von dieser Verpflichtung ausgenommen sein sollen. Die elektronische Urkundensammlung ist als gesetzlicher Normalfall vorgesehen, für die "Papierform" wird es allerdings ein Übergangsrecht geben. Damit geht die neue Regelung teilweise über die von der EU vorgesehene Lösung hinaus.

Ein Abänderungsantrag der Koalitionsfraktionen sieht neben einer Anpassung des Firmenbuchgesetzes und des Aktiengesetzes an das im Jahr 2005 beschlossene Handelsrechts-Änderungsgesetz eine Reihe weiterer Detailänderungen und Klarstellungen vor. So wird etwa im Unternehmensbuchgesetz klargestellt, dass der Beobachtungszeitraum für bisher nicht rechnungslegungspflichtige Unternehmen erst mit Inkrafttreten des Handelsrechts-Änderungsgesetzes zu laufen beginnt und die festgelegte Umsatzschwelle in den Geschäftsjahren 2007 und 2008 überschritten werden müsste, um nach dem "Pufferjahr" 2009 für das Geschäftsjahr 2010 die Rechnungslegungspflicht zu begründen. Nur bei einem qualifizierten Überschreiten des Schwellenwertes könnte die Rechnungslegungspflicht bereits im Jahr 2008 eintreten. Für bisher ebenfalls nicht rechnungslegungspflichtige "verdeckte Kapitalgesellschaften" ist eine Rechnungslegungspflicht für das Geschäftsjahr 2008 vorgesehen.

Darüber hinaus werden im Handelsvertretergesetz neue Bestimmungen bezüglich des Anspruchs von Versicherungsvertretern auf Folgeprovisionen verankert, die für alle nach dem 31.12.2006 abgeschlossene Agenturverträge anzuwenden sind. Mit diesen neuen Bestimmungen will man, wie es in den Erläuterungen heißt, vermeiden, dass Versicherungsvertreter bei Beendigung des Vertragsverhältnisses mit Versicherungen ihre wirtschaftliche Basis verlieren.

Die Gesetzesvorlage wurde vom Justizausschuss einstimmig angenommen.

(Fortsetzung Justizausschuss)