Parlamentskorrespondenz Nr. 494 vom 19.05.2006

Justizausschuss: Wohnrecht bleibt Zankapfel

Wohnrechtsnovelle und Energieausweis beschlossen

Wien (PK) – Das Wohnrecht bleibt weiterhin Zankapfel zwischen Opposition und Regierungsfraktionen. Das zeigte heute einmal mehr die Diskussion im Justizausschuss zur Wohnrechtsnovelle 2006 (1183 d.B.) sowie zum Energieausweis-Vorlage-Gesetz (1182 d.B.). Während SPÖ und Grüne kritisierten, die Novellierungen zum Wohnrecht führten zu weiteren Verschlechterungen für die Mieterinnen und Mieter, argumentierte die ÖVP, die Gesetzesänderungen brächten im Gegenteil mietrechtliche Verbesserungen, und in das tägliche Vertragsverhältnis würde ein Stück mehr Normalität einkehren. Die Änderungen stützten sich auf Erfahrungen aus der Praxis.

Die Anregung von Abgeordnetem Johann Maier (S), für die Hausverwaltung eine Haftpflicht und eine getrennte Kontenführung einzuführen, wurde sowohl von der Ausschussvorsitzenden Maria Theresia Fekter als auch von Justizministerin Karin Gastinger grundsätzlich positiv aufgenommen. Beide zeigten sich bereit, über dieses Thema weiter zu diskutieren.

Die Wohnrechtsnovelle wurde in der Fassung eines Abänderungsantrages von ÖVP und F-BZÖ mehrheitlich angenommen. Darüber hinaus beschlossen die Regierungsfraktionen mehrheitlich eine Ausschussfeststellung betreffend Dachbodenausbauten und die §§ 18 ff. Mietrechtsgesetz. Darin wird klargestellt, dass unter Erhaltungsarbeiten, die zu einer Mietzinserhöhung führen können, nicht nur Erhaltungsarbeiten an den allgemeinen Teilen des Hauses zu verstehen seien, sondern auch Arbeiten zur Erhaltung eines Mietgegenstandes. Die inhaltlichen Änderungen der Vorlagen betreffen das Wohnungseigentumsrecht, das Mietrecht (z.B. die Erweiterung der Erhaltungspflicht des Vermieters um die Beseitigung von Gesundheitsgefahren) und das Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht.

Ebenfalls mit Stimmenmehrheit der Regierungsfraktionen wurde das Energieausweis-Vorlage-Gesetz beschlossen. Durch einen Abänderungsantrag wird das Inkrafttretensdatum mit spätestens 1. Jänner 2008 festgesetzt, sollten nicht vorher alle Bundesländer über den Inhalt und die Ausstellung des Energieausweises Regelungen getroffen haben. Eine ebenfalls von ÖVP und F-BZÖ angenommene Ausschussfeststellung geht auf den Fall ein, dass die energietechnische Erfassung eines Gebäudes mehrere Energieausweise erforderlich macht.

Das Energieausweis-Vorlage-Gesetz basiert auf einer entsprechenden EU-Richtlinie und normiert, dass beim Verkauf und bei der Vermietung von Gebäuden dem potenziellen Käufer oder Mieter vom Eigentümer ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes vorgelegt wird.

Unterausschuss zur Prüfungskompetenz des Rechnungshofes bei gemeinnützigen Bauvereinigungen

Zur Vorbehandlung des von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Antrags (741/A) wurde mit den Stimmen von ÖVP und F-BZÖ ein Unterausschuss eingesetzt. Der Antrag sieht vor, gemeinnützige Bauvereinigungen in die Prüfungskompetenz des Rechnungshofs einzubeziehen. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass gemeinnützige Bauvereinigungen einerseits von Ertragssteuern befreit und anderseits verhalten sind, ihre Tätigkeit unmittelbar auf die Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben des Wohnungs- und Siedlungswesens zu richten.

Die Koalitionsparteien begründeten die Einsetzung des Unterausschusses damit, dass genau geprüft werden müsse, ob für diese Regelung eine Verfassungsbestimmung notwendig sei. Abgeordnete Doris Bures (S) nannte dies eine "absurde Vorgangsweise" und vermutete, dass die Regierungsfraktionen dadurch einen Ausweg für den Zank innerhalb der Regierung suchten. Sie teilte die verfassungsrechtlichen Bedenken, die auch von der Ausschussvorsitzenden Maria Theresia Fekter (V) öffentlich geäußert worden waren, und schlug daher vor, den Antrag zurückzuziehen und eine verfassungskonforme Regelung vorzulegen.

Anträge der Opposition wurden abgelehnt

Unter einem mit diesen Vorlagen wurden Anträge der Oppositionsfraktionen diskutiert. So hat die SPÖ eine Änderung des Mietrechtsgesetzes dahingehend beantragt (294/A), dass künftig falsch verrechnete Betriebskosten nicht nur an die betroffenen Mieter zurückgezahlt werden, sondern vom Vermieter zusätzlich auch als Einnahme verbucht werden müssen, und zwar in jener Abrechnungsperiode, die der rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts oder der Schlichtungsstelle folgt. Dieser wurde nur von der SPÖ unterstützt und blieb somit in der Minderheit.

Weitere Anträge betreffen eine Einschränkung befristeter Mietverträge (S - 526/A[E]), klare und nachvollziehbare Mietzinsbegrenzungen (S - 542/A[E]), die Beschränkung der Kaution auf maximal zwei Brutto-Monatsmieten (S - 675/A[E]), mehr Transparenz bei den Mietzinsobergrenzen (G - 659/A[E]), die Beschränkung der Kautionen im Mietrecht (G - 660/A[E]), die Angleichung der Verjährungsfrist von Verwaltungsstrafen nach illegal kassierten Ablösen (G - 661/A[E]) und schließlich die verstärkte Berücksichtigung von Energiespar- und Klimaschutzmaßnahmen im Wohnrecht (G - 787/A[E]). Sie alle wurden mit den Stimmen von ÖVP und F-BZÖ mehrheitlich abgelehnt.

Die Debatte

In der Diskussion stellte Abgeordnete Ruth Becher (S) aus ihrer Sicht fest, die Wohnrechtsnovelle gehe völlig zu Lasten der Mieter. Zur Untermauerung wies sie auf die Änderungen für Dachbodenausbauten, die Verlängerung der Rügepflicht auf drei Monate und die Verlängerung befristeter Mietverträge hin und meinte, für die VermieterInnen würde die Erhaltungspflicht eingeschränkt. Im Gegensatz dazu trete die SPÖ dafür ein, unbefristete Mietverträge wieder zur Regel werden zu lassen und die Wohnkosten einzudämmen.

Ähnlich argumentierte Abgeordnete Doris Bures (S), indem sie bemängelte, es werde ein weiteres Mal im sensiblen Bereich des Wohnrechts "herumgepfuscht". Die Wohnrechtsnovelle sei insofern eine logische Fortsetzung der Novelle von 2002, da die Rechte für MieterInnen weiterhin eingeschränkt würden, der Rechtszugang nicht verbessert werde und auch die Mietkosten nicht gesenkt würden. Die SPÖ-Vorschläge, wie sie in den Anträgen formuliert seien, würden zu einer Senkung der Wohnkosten und zu mehr Sicherheit für die Mieterinnen und Mieter führen.

Anhand zweier Skandale in Salzburg versuchte Abgeordneter Johann Maier (S) grobe Mängel bestehender miet- und wohnrechtlicher Bestimmungen deutlich zu machen und bedauerte, dass diese durch die Novelle nicht behoben worden seien.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) befürchtete eine weitere Aushöhlung des Mietrechts und nannte in diesem Zusammenhang die Sonderregelung für Zubauten. Ablehnend äußerte sie sich auch dazu, dass bei Hausverwaltungen Eigenkonten nicht mehr zwingend vorgesehen sind. Ihrer Ansicht nach sollte das gesamte Miet- und Wohnrecht vereinfacht und transparenter gestaltet werden. Diese Materien würden große Potentiale im Hinblick auf die Kyoto-Ziele, auf mögliche Impulse für die Beschäftigung, für Innovationen und für die Klein- und Mittelbetriebe in sich bergen. Ein ambitionierteres Vorgehen im Miet- und Wohnrecht sei daher dringend erforderlich.

Ganz anders wurden die Vorlagen von Abgeordnetem Walter Tancsits (V) bewertet. Als logische Fortsetzung der Wohnrechtsnovelle 2002 bringe auch diese Reform mehr Markt bei gleichzeitiger Verbesserung des Schutzes für Mieterinnen und Mieter, wo dies notwendig ist, hielt er fest. Er widersprach den Vorrednerinnen von SPÖ und Grünen, die einen massiven Anstieg der Wohnkosten beklagt hatten, und meinte, die Statistik beweise, die Wohnkosten seien seit 2002 nicht gestiegen. Auch die befristeten Mietverträge seien auf Grund der Abschläge nicht, wie von der Opposition befürchtet, explosionsartig angewachsen. Bei den Dachbodenausbauten sei man vorsichtig vorgegangen und man habe einen positiven Bauboom ausgelöst. Die Neuregelung hinsichtlich der "erheblichen Gesundheitsgefährdung" bringe einen wesentlichen Fortschritt, da sich bisher die Erhaltungspflicht der VermieterInnen nur auf ernste Schäden des Hauses beschränkt hätten. Tancsits verteidigte auch die Drei-Monats-Frist betreffend die Rügepflicht, denn man wolle, dass die Wohnungen in Ordnung gebracht werden. Das Ziel der Bestimmung sei die Instandsetzung. Die Anträge der Grünen zur thermischen Sanierung bewertete Tancsits grundsätzlich positiv und zeigte sich bereit, darüber weiter zu reden.

Auch Justizministerin Karin Gastinger bezeichnete die Novelle als "wohl überlegt, durchdacht und ausführlich diskutiert". Das Mietrecht stelle immer eine Abwägung zwischen außerordentlich unterschiedlichen Interessen von MieterInnen und VermieterInnen dar und werde daher immer kontroversiell sein. Hinsichtlich der Rügepflicht bestätigte sie die Auffassung von Abgeordnetem Tancsits, denn nach den geltenden Regelungen würde bei Unbrauchbarkeit einer Wohnung der Mietzins herabgesetzt und das unbefristet. Ziel sei aber die Wiederherstellung der Wohnung innerhalb von drei Monaten.

Kritik wurde von SPÖ und Grünen auch daran geübt, dass die Länder noch keine Regelungen zum Energieausweis getroffen haben. Hier räche sich die föderalistische Struktur, sagte Abgeordnete Gabriela Moser (G). Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) äußerte sich grundsätzlich skeptisch zum Energieausweis, denn dieser koste viel Geld und bringe nichts für die Umwelt, sagte sie. Da es sich hier aber um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handle, habe man sich auf eine Minimalvariante geeinigt.

Justizausschuss beschließt Anpassungen im Luftfahrthaftungsrecht

Eine einstimmig angenommene Regierungsvorlage passt das österreichische Luftfahrthaftungs- und –versicherungsrecht an die internationale Entwicklung an. Damit werden zum einen die mit dem Übereinkommen von Montreal im Zusammenhang mit internationalen Beförderungen enthaltenen Regelungen nachvollzogen und zum anderen die in der so genannten Überbuchungsverordnung zugunsten der Fluggäste statuierten Normen in österreichisches Recht übernommen.

Das Gesetz wurde in der Debatte auch von den Sozialdemokraten als Fortschritt begrüßt. Abgeordneter Johann Maier (S) bezeichnete es allerdings als problematisch, die AUSTRO-CONTROL als Schlichtungsstelle mit der Entscheidung über Entschädigungen bei Flugverspätungen zu beauftragen. Seiner Meinung nach sollten diese Verfahren vom Verein für Konsumenteninformationen abgewickelt und die AUSTRO_CONTROL nur für allfällige technische Expertisen herangezogen werden. Maier schlug überdies auch eine Berichtspflicht der AUSTRO_CONTROL an das Parlament über die jährlich bei ihr eingelangten und von ihr behandelten Beschwerdefälle vor.

Internationale Übereinkommen einstimmig genehmigt

Jeweils einstimmig genehmigte der Justizausschuss ein Übereinkommen über den Beitritt der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten zum Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft, die Satzung der Haager Konferenz für internationales Privatrecht sowie das Zivilrechtsübereinkommen über Korruption samt Abkommen über die Errichtung der Staatengruppe gegen Korruption.

Mit den Stimmen der Regierungsparteien und der SPÖ wiederum wurde das internationale Übereinkommen zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen angenommen. Abgeordnete Gabriela Moser (G) begründete ihre Gegenstimme mit einem ihrer Meinung nach bestehenden Defizit bei Initiativen der Bundesregierung zur Vorbeugung gegen Terroranschläge.

Justizausschuss fasst Beharrungsbeschluss zum Übernahmerechts-Änderungsgesetz

Der Bundesrat hatte gegen das vom Nationalrat am 29. März beschlossene Übernahmerechts-Änderungsgesetz 2006 Einspruch (1441 d.B.) erhoben. Wie es in der Begründung heißt, würde das Gesetz "den Ausverkauf von österreichischen Unternehmen fördern, den österreichischen Kapitalmarkt schädigen und die Positionen der Kleinaktionäre am österreichischen Kapitalmarkt schwächen", wodurch wichtige Industriestandorte in Mitleidenschaft gezogen würden. Besonders kritisiert wird, dass Beteiligungen bis 26 % als "nicht beherrschend" gelten sollen.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) bekräftigte die Argumentation des Bundesrates und betonte, das Gesetz nehme zu wenig Rücksicht auf die spezielle österreichische Situation, wo beherrschende Beteiligungen schon bei 20 % ausgeübt würden.

Abgeordneter Michael Ikrath (V) erwiderte, dieses Gesetz sei richtungweisend und ermögliche die Bildung von heimischen Kernaktionären. Auch sei die bestehende Grenze enger gezogen als in den meisten EU-Staaten.

Der Ausschuss fasste daraufhin mit den Stimmen der Regierungsparteien einen Beharrungsbeschluss.

Menschenhandel, Kriminalstatistik, Suchtgiftgesetz: SP-Anträge vertagt

Mit den Stimmen der Regierungsparteien wurden schließlich drei Anträge der SPÖ vertagt, die einen Forderungskatalog gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung (779/A[E]), die Wiedereinführung der Rückfallstatistik sowie die Zusammenführung der Diversionsstatistik mit der gerichtlichen Kriminalstatistik zu einer "Statistik justizieller Erledigungen" und die Neugestaltung der Strafvollzugsstatistik (450/A[E]) und die Vorlage detaillierter Berichte in der Anti-Drogen-Politik (83/A[E]) betreffen. (Schluss)