Parlamentskorrespondenz Nr. 644 vom 04.07.2006

Rechnungshofausschuss: ÖBB-Güterverkehr, Semmering-Basistunnel

SPÖ protestiert gegen Nicht-Ladung von ÖBB-Chef Huber

Wien (PK) – Als nächster Punkt auf der Agenda des Rechnungshofausschusses stand sodann der Güterverkehr der ÖBB mit der Marke "Rail Cargo Austria" (RCA).

Vor Eingang in die Debatte erklärte SPÖ-Abgeordneter Günther Kräuter, dass er sich - angesichts der zahlreichen Kritikpunkte, die im Bericht angeführt werden – im Vorfeld intensiv darum bemüht hätte, eine Einigung bezüglich der Ladung von ÖBB-Generaldirektor Martin Huber zustande zu bringen; dies sei aber leider nicht gelungen. Er habe zudem gehört, dass Huber heute deswegen verhindert gewesen wäre, weil er zum WM-Halbfinale nach Dortmund gefahren ist.

Abgeordneter Alfred Schöls (V) warf Kräuter vor, den Ausschuss wieder einmal in eine Politshow umfunktionieren zu wollen und gab zu bedenken, dass Huber und andere ÖBB-Verantwortliche bereits klar und des öfteren Position bezogen hätten. Abgeordneter Detlev Neudeck (F) bezeichnete die Art und Weise, wie Huber auf die Kritik des Rechnungshofs eingegangen ist, zwar als "kaltschnäuzig und schnoddrig"; dennoch sollte man das Thema heute abschließen. Öffentliche Äußerungen von Personen, die in leitender Position in vom Rechnungshof geprüften Unternehmen arbeiten, seien natürlich zulässig, sie unterliegen aber besonderer Beobachtung, meinte Ausschussvorsitzender Werner Kogler. Der Antrag der SPÖ, den ÖBB-Generaldirektor zu laden, sei seiner Auffassung nach grundvernünftig. Außerdem obliege es der Präsidiale, einen weiteren Ausschusstermin festzulegen. - Nachdem die Ausschussmehrheit den von Kräuter im Laufe der Sitzung eingebrachten Ladungsantrag abgelehnt hatte, verließ die SPÖ-Fraktion unter Protest geschlossen den Ausschuss und blieb der Sitzung bis zum Schluss fern.

RCA: Absicherung der Ertragskraft nur teilweise geglückt

Rail Cargo Austria zählte zu den führenden europäischen Güterbahnen, heißt es im Bericht des Rechnungshofs. Gemessen an der Transportleistung in Tonnenkilometern verzeichnete der Schienengüterverkehr in Österreich im Jahr 2002 mit 32,8 % einen nahezu gleich hohen Marktanteil wie der Straßengüterverkehr mit 34,1 %. Die Sicherung der Ertragskraft mit Hilfe von Kostensenkungsprogrammen, Wachstumskonzepten sowie mit Hilfe der Absicherung des internationalen Verkehrs durch Allianzen und Zukäufe gelang jedoch nur zum Teil, lautete das Resümee des Berichts.

Sowohl der Anteil der Schiene im Güterverkehr als auch jener im kombinierten Güterverkehr lagen in Österreich jeweils deutlich über dem EU-Durchschnitt. Wesentliche Herausforderungen für die weitere Entwicklung von Rail Cargo Austria lagen in der Liberalisierung des Schienenverkehrsmarktes und in der EU-Erweiterung 2004. Mit 1. Jänner 2005 wurde der Teilbereich Güterverkehr innerhalb der Holdingstruktur der neuen ÖBB als Rail Cargo Austria Aktiengesellschaft gesellschaftsrechtlich verselbständigt.

Im Prüfungszeitraum 1999 bis 2003 baute Rail Cargo Austria das Logistikangebot aus und plante die Versorgung zentral-, süd- und osteuropäischer Räume. Dabei gelang ein stetiges Mengenwachstum, das allerdings von einem Rückgang der Margen und Erträge aus Auswirkung der Liberalisierung der Verkehrsmärkte begleitet wurde. Der Umsatz stagnierte bei rund 1 Mrd. €.

Abgeordneter Karl-Heinz Dernoscheg (V) wies darauf hin, dass Generaldirektor Martin Huber erst seit Anfang des Jahres 2005 im Amt ist, die Gebarungsüberprüfung jedoch den Zeitraum 1999 bis 2003 umfasst. Er zitierte sodann eine APA-Meldung, in der Huber feststellt, dass er mit den Analysen des RH übereinstimme, dass der dringende Handlungsbedarf vom Management erkannt wurde und dass auch sofort entsprechende Maßnahmen eingeleitet wurden.

Der Staatssekretär im BMVIT, Helmut Kukacka, ging auf die Fragen von Dernoscheg ein und stellte eingangs fest, er gehe davon aus, dass sich die Österreichischen Bundesbahnen auf einem guten Weg befinden. Die "roten Zahlen" im Jahr 2004 konnten bereits 2005 in "schwarze" umgewandelt werden, das Geschäftsergebnis betrug 13 Mill. €. Die positive Entwicklung sei seiner Meinung nach nicht zuletzt auf die Bahnreform zurückzuführen, dieser Weg müsse nun fortgesetzt werden.

Was nun konkret den Güterverkehr angeht, so müsse er schrittweise aus der Obhut des Staates entlassen und Kooperationen mit strategischen Partnern angestrebt werden. Kukacka erinnerte daran, dass der Rechnungshof die Ostexpansion, die 1999 begonnen und "bis dato ganz gut realisiert" wurde, gelobt habe. Eine durchaus positive Entwicklung sei auch bei den Umsatzerlösen der Rail Cargo Austria sowie bei den Transportleistungen (plus 14 %) zu erkennen. Erfreut zeigte sich der Staatssekretär darüber, dass ein genereller Wandel der Rail Cargo Austria von einem Transport- zu einem Logistikunternehmen eingeleitet wurde. Hinsichtlich des kombinierten Verkehrs erklärte Kukacka, dass es trotz guter Entwicklungen noch Schwächen gebe; die grundsätzliche Strategie sei jedoch richtig. Bei der so genannten rollenden Landstraße sei klar, dass hier aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen (u.a. Wegfall der Ökopunkte) ein gewisser Einbruch zu erwarten war. Aber auch in diesem Bereich konnte durch Anwendung neuer Marketingstrategien und der Übernahme der Firma ÖKOMBI eine Aufwärtsentwicklung erreicht werden.

Ein großes Problem stelle sicher der Stückgutverkehr, der am Wachstum nicht ausreichend partizipiert habe, dar, räumte Kukacka ein. Dieser Bereich sei seit mehreren Jahren verlustträchtig und konnte auch trotz mehrmaliger Sanierungsanläufe nicht in die Gewinnzone gebracht werden. Deshalb wurden alle Aktivitäten in einem Profitcenter gebündelt und ein eigener Geschäftsbereich eingerichtet, erklärte der Staatssekretär. Nun müsse diese Aufbauarbeit konsequent fortgesetzt werden. – Der Bericht wurde sodann mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Wie geht es weiter mit dem Semmering-Basistunnel?

Ein verkehrspolitischer Dauerbrenner war das nächste Thema, mit dem sich die Abgeordneten befassten, nämlich das Eisenbahnprojekt Semmering-Basistunnel. Das heftig diskutierte Bauvorhaben, dessen Chronologie bis ins Jahr 1989 zurückreicht (Auftragsvergabe für Planung und Bau des Tunnels an die HL-AG), wurde von Jänner bis Mai 2005 einer genauen Prüfung durch den Rechnungshof unterzogen. RH-Präsident Josef Moser, der von einer "unendlichen Geschichte" sprach, gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass nun endlich die Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden und mit voller Kraft an der Realisierung des Projekts gearbeitet wird.

Mit dem auf politischer Ebene hergestellten Einvernehmen über eine Neutrassierung des Semmering-Basistunnels bis in den Raum Langenwang wurde ein bereits vor rund 20 Jahren verworfenes Konzept aufgegriffen, erinnerte Moser. Für das dem Grunde nach notwendige und zweckmäßige Projekt "Bestandssanierung Semmering" (vorgesehenes Investitionsvolumen rd. 205 Mill. €) eröffne dieser Beschluss eine zeitliche Begrenzung für die Nutzung der Bestandsstrecke unter Vollbetrieb bis etwa zum Jahr 2020. Das damit verbundene Einsparungspotential liegt bei mindestens 25 Mill. € (laut Stellungnahme der ÖBB-Infrastruktur Bau AG) bzw. bei bis zu 44 Mill. € (laut RH).

Eine zügige Umsetzung des Projekts sei vor allem deshalb notwendig, weil bei einem längeren als dem derzeit geplanten Vollbetrieb auf der Bestandsstrecke aufgrund des sich verschlechternden Bauzustandes und dem Anpassungsbedarf an höhere Sicherheitsstandards weitere Sanierungsmaßnahmen von rd. 83 Mill. € erforderlich wären, heißt es im Bericht. Nach der Fertigstellung des Tunnels verliere natürlich auch der Bahnhof Mürzzuschlag seine derzeitige betriebliche Funktion und Bedeutung, gab Moser zu bedenken. Die technische und betriebliche Notwendigkeit der Bahnhofsbauten in Mürzzuschlag (rund 23,5 Mill. €) sowie in Breitenstein und in Spital am Semmering (rund 6,85 Mill. €) sollte daher überdacht werden.

Das Semmering-Basistunnel-Projekt sei ein Lehrbeispiel dafür, dass man in der Politik kühlen Kopf bewahren müsse und dass "Justament-Standpunkte" nicht hilfreich sind, meinte Abgeordneter Alfred Schöls (V). Nun habe erfreulicherweise ein Umdenkprozess eingesetzt.

Man sollte nicht vergessen, wer politisch für die Verzögerungen verantwortlich war und wie viel Steuergeld dadurch verschwendet wurde, gab Abgeordneter Wittauer (F) zu bedenken.

Mehrheitliche Kenntnisnahme des Berichts.

Die ÖBB und ihre externen Beratungsleistungen

Die vom RH bei den ÖBB festgestellten Mängel betrafen vor allem den wenig sparsamen und wirtschaftlichen Umgang mit externen Beratungsleistungen. Diese betrugen im Zeitraum 1999 bis 2001 34,55 Mill. € und in der Zeit zwischen 2002 und 2004 56,18 Mill. €.

Der durchschnittliche Beratungsaufwand lag im Zeitraum 2002 bis 2004 mit jährlich 18,73 Mill. € um 7,21 Mill. € oder rund 63 % über dem jährlichen Durchschnittswert der Jahre 1999 bis 2201. Dieser zusätzliche jährliche Beratungsaufwand von 7,21 Mill. € entsprach den Kosten von 103 Arbeitsplätzen bzw. der Entlohnung von weiteren 17 Vorstandsmitgliedern.

Der höchste Beratungsaufwand fiel 2003 an, in dem an 364 Beratungsunternehmen insgesamt 21,81 Mill. € flossen. In diesem Jahr entfielen auf ein Beratungsunternehmen allein rund 33 % und auf weitere 20 Beratungsunternehmen rund 42 % - zusammen rund drei Viertel – des Gesamtaufwandes an externen Beratungsleistungen. Den Vergaben an Beratungsunternehmen lagen im überprüften Zeitraum 1999 bis 2004 keine Kosten-Nutzen-Untersuchungen zugrunde.

Abgeordneter Erwin Hornek (V) hielt es für wichtig, dass bei den Beratungsleistungen differenziert wird. Denn man müsste sich genau anschauen, ob die Beratungen effizient und produktiv waren und welche positiven Veränderungen sie ausgelöst haben. Abgeordneter Detlev Neudeck (F) erkundigte sich danach, ob die von Generaldirektor Huber angekündigten positiven Entwicklungen tatsächlich schon feststellbar sind oder ob "der Wunsch der Vater des Gedankens war".

Wie RH-Präsident Josef Moser u.a. mitteilte, vergaben die ÖBB die Dienstleistungsaufträge häufig unter Bezug auf die Ausnahmebestimmungen des jeweiligen Bundesvergabegesetzes. Für das Zutreffen der Ausnahmebestimmungen lagen nicht immer nachvollziehbare Begründungen vor. Die Leistungserbringung begann manchmal vor der schriftlichen Beauftragung. Dass ein Unternehmen externe Berater braucht, stellte Moser nicht in Abrede, schränkte aber ein, dass nur jene Bereiche betroffen sein sollten, die über kein entsprechendes Know-how verfügen.

Staatssekretär Helmut Kukacka meinte zu Abgeordnetem Detlev Neudeck (F), der Verkehrsminister habe im Juli 2004 selbst die Gebarungsüberprüfung veranlasst, weil der Umfang und die Höhe der Beratungsleistungen als zu hoch angesehen wurden. Die Verantwortung für die operativen Maßnahmen der ÖBB liege beim Vorstand und dem Aufsichtsrat. Der Minister oder der Staatssekretär haben kein Weisungsrecht. Eine politische Verantwortung könne es nur insoweit geben, als seitens des Regierungsmitgliedes die Aufsichtspflicht und die Eigentümerfunktionen vernachlässigt werden.

Ende 2004 hat der Vorsitzende des Aufsichtsrates veranlasst, dass die externen Beratungsleistungen in den Katalog der genehmigungspflichtigen Geschäfte aufgenommen und die Genehmigungsgrenzen reduziert werden. Bei einem Einzelauftrag ab 200.000 € und einem Jahresauftrag ab 1 Mill. € bestehe eine Genehmigungspflicht durch den Aufsichtsrat.

Der RH stellte auch fest, so Kukacka weiter, dass alle notwendigen und gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der Vergabe der Beratungsverträge gemäß den Vergabebestimmungen ordnungsgemäß durchgeführt wurden; allerdings gebe es eine Differenz zwischen der Auffassung des RH und der ÖBB, was eine Beratungsleistung sei. Von 2003 auf 2005 sei die klassische Beratungsleistung um 18 % oder um 13,7 Mill. € gesunken, die Rechtsberatung und die Prüfungskosten für die Wirtschaftsprüfer seien 2005 stark gestiegen. Die ÖBB machen aber darauf aufmerksam, dass die Kosten für die Wirtschaftsprüfer 2006 enorm sinken werden.

RH-Präsident Josef Moser strich heraus, dass das Vergaberecht angewendet und die Ausnahmebestimmungen intensiv genutzt wurden; manchmal konnte nicht nachvollzogen werden, warum die Ausnahmebestimmung angewendet wurden.

Den Namen jenes Vertreters einer Rechtsberatungskanzlei, der vor Bestehen eines nachvollziehbaren schriftlichen Auftragsverhältnisses mit den ÖBB im Privatjet nach Berlin geflogen ist, wollte Moser nicht preisgeben.

Der Bericht wurde mit der Mehrheit der beiden Regierungsparteien zur Kenntnis genommen.

Der Bericht des RH in III-220 d.B. (betrifft u.a. E-Card, AMS Wien) wurde vertagt. (Schluss)