Parlamentskorrespondenz Nr. 645 vom 04.07.2006

Berichte der E-Control zum Energiemarkt im Wirtschaftsausschuss

Marktöffnung ließ Preise sinken, Unbundling-Ziele nicht erreicht

Wien (PK) - Die Situation auf den Energiemärkten diskutierte der Wirtschaftsausschuss heute unter der Leitung seines Obmannes Reinhold Mitterlehner in öffentlicher Sitzung. Den Abgeordneten lagen Berichte der Regulierungsbehörde Energie-Control vor, der Jahresbericht 2005 (III-224 d.B.) und der Bericht "Über den Stand der Umsetzung des Unbundling der österreichischen Elektrizitätsnetzbetreiber" (III-229 d.B.). Die Bundesregierung wurde vom zuständigen Wirtschaftsminister Martin Bartenstein vertreten. Detailfragen nach den Kostenvorteilen durch die Liberalisierung, zum Thema Ökostrom und zur Kritik der Regulierungsbehörde an der ungenügenden Entflechtung der Netzbetreiber beantwortete Energie-Control-Chef Walter Boltz. - Kenntnisnahme und Enderledigung der Berichte erfolgten jeweils einstimmig.

Die Debatte über den E-Control-Jahresbericht eröffnete Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) mit kritischen Anmerkungen wegen der aus seiner Sicht mangelnden Aussagekraft dieses Berichts. Aufgabe der E-Control sei es, als Regulierungsbehörde darauf zu achten, dass Wettbewerb stattfinden könne, wobei sich die E-Control an das österreichische Recht halten sollte, statt zum Ausdruck zu bringen, was sie selbst oder Brüssel sich wünsche. Für wünschenswert hielt Oberhaidinger hingegen eine Darstellung, was sich angesichts der Veränderungen auf dem Energiemarkt in der Energiewirtschaft alles verändert habe. Es sei höchste Zeit für einen neuen Energiebericht.

Abgeordnete Michaela Sburny (G) lobte den klaren Bericht, kritisierte aber die Skepsis, die von der E-Control gegenüber dem Ökostrom zum Ausdruck gebracht werde. Die Förderung des Ökostroms müsse man nicht als "finanzielle Belastung" bezeichnen, man sollte vielmehr von Investitionen in die Zukunft sprechen. In diesem Zusammenhang erkundigte sich Sburny danach, in welchem Ausmaß sich der Förderungsbedarf für den Ökostrom angesichts der aktuellen Strompreiserhöhungen verringere. 

Abgeordneter Karlheinz Kopf (V) erinnerte daran, dass die  Strommarktöffnung die Einrichtung einer unabhängigen Instanz notwendig gemacht hat, lobte die Tätigkeit der E-Control als Hüterin des Wettbewerbs und gratulierte ihr zu Erfolgen bei der Senkung der Netztarife. Es sei auch die Aufgabe des E-Control-Geschäftsführers, sich in Wettbewerbsfragen öffentlich zu Wort zu melden, wenn er Mängel auf dem Markt feststelle. Kopf ersuchte Boltz, beim Thema Wettbewerb offensiv zu bleiben und die Arbeit des Ausschusses weiterhin mit Expertisen zu unterstützen.

Beim Thema Ökostrom bekannte sich Kopf zum Ausbau erneuerbarer Energieträger, brach dabei aber eine Lanze für die Förderung der Technologieentwicklung mit dem Ziel, zu marktreifen Produktionen zu gelangen. Daher sei es richtig gewesen, bei der Ökostromgesetz-Novelle ausufernde Förderungen zu verhindern und eine höhere Effizienz anzustreben.

Abgeordneter Johann Moser (S) erbat Auskunft über die Preissenkungen und die Qualitätssteigerungen, die der erhöhte Wettbewerb auf dem Energiemarkt erreichen ließ. Als Hinweis auf das energiepolitische Versagen der Bundesregierung wertete der Abgeordnete jüngst bekannt gewordene Probleme bei der Stromversorgung von zehn Großbetrieben im Süden Österreichs.

Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) bedankte sich seinerseits für die engagierte Tätigkeit der E-Control und trat für eine differenzierte  Betrachtungsweise beim Ökostrom ein. Die hohen Kosten für Ausgleichsenergie, die beim Einsatz der Windkraft entstehen, sollten in Förderungsberechnungen einbezogen werden, meinte Hofmann.

Die E-Control habe in ihrem Bericht nicht "Wünsche" dargelegt, sondern Mängel aufgezeigt und sei ihrer Aufgabe nachgekommen, diese Mängel öffentlich zu machen. Die E-Control sei nicht nur die Hüterin des Wettbewerbs, sondern auch ihr Umsetzungsbeauftragter, meinte Hofmann. Seine Detailfragen galten internationalen Netzkostenvergleichen und den Möglichkeiten des Gesetzgebers, den grenzüberschreitenden Stromaustausch zu fördern.

Der Geschäftsführer der E-Control Walter Boltz teilte mit, dass die jährlichen Förderungskosten für Ökostrom von 270 Mill. € auf 220 Mill. € sinken würden, bliebe der Strompreis auf dem Niveau der ersten Monate des Jahres 2006, als er kurzfristig 57 Cent pro Kilowattstunde betrug. Er rechne aber mittelfristig mit Preisen um die 50 Cent, sagte Boltz. Er habe keine negative Meinung zum Ökostrom, sagte der E-Control-Chef, wiederholte aber seine Kritik an der Gesamtbelastung der Stromkonsumenten durch mangelnde Energieeffizienz in manchen Bereichen der Ökostromproduktion, etwa bei Kleinstanlagen.

Die Liberalisierung habe seit 1999 zu einer Strompreisentwicklung unter der Inflationsrate geführt; die Konsumenten wurden netto entlastet.

Hinsichtlich der Versorgungssicherheit wies Boltz auf die unzureichende Nord-Süd-Verbindung im österreichischen Stromnetz hin und bezifferte die Kosten für das dadurch notwendige Engpassmanagement mit 18 Mill. € pro Jahr. Vor diesem Hintergrund wurden Großverbraucher jüngst gefragt, ob sie bereit seien, gegen eine entsprechende Abgeltung ihren Stromverbrauch zu reduzieren. Im Übrigen gab Boltz seiner Hoffnung auf einen baldigen Abschluss des Genehmigungsverfahrens für dringend benötigte Stromleitungen Ausdruck.

Die Netzkosten, die am Beginn des Liberalisierungsprozesses zu den höchsten in Europa zählten, bewegten sich zuletzt in Richtung europäischer Durchschnitt. Der Anteil der Netzkosten an den Energiekosten sei um bis zu 8 % gesunken.

Die Marktkonzentration sei in Österreich sehr hoch, was etwa in der Tatsache zum Ausdruck komme, dass bei Ausschreibungen das günstigste Angebot in der Regel vom lokalen Anbieter stamme. Es sei bislang nicht gelungen, die Energiemärkte in Europa über die Grenzen hinweg zu öffnen. Hier sei Österreich gefordert, sagte Walter Boltz.

Energieminister Martin Bartenstein schloss sich dem Lob für die E-Control an und kündigte den nächsten Energiebericht für Herbst 2007 an. Die Ökostromnovelle sei angesichts der dynamischen Entwicklung bei den alternativen Energieträgern notwendig gewesen, weil es galt, die finanzielle Belastung der Stromkunden und das Gebot der Effizienz im Auge zu behalten. Künftig werde es darum gehen, den Verbrauchszuwachs zu drosseln, durch Energiesparen und höhere Effizienz. Fossile Energieträger werden ihre Rolle im Energiemix behalten, weil es bis zum Jahr 2030 maximal möglich sein werde, den Anteil der Energieaufbringung aus Solar-, Wind- und Photovoltaik-Anlagen auf 3 % zu erhöhen.

Die Liberalisierung der Energiemärkte war sinnvoll, zeigte sich der Minister überzeugt und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die 380-kV-Leitung in den Süden des Bundesgebietes bald gebaut werden könne. Die zitierten Verhandlungen mit Großabnehmern hätten nichts mit der Androhung von Abschaltungen zu tun, diese Verhandlungen sind Teil des notwendigen Engpassmanagements.

Thema Unbundling (Entflechtung)der Elektrizitätsnetzgesellschaften

Auch die Debatte über den Unbundling-Bericht der E-Control leitete Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) mit kritischen Anmerkungen ein. Der Nationalrat habe in seiner Entschließung einen Bericht darüber verlangt, in welcher Weise die EU-Richtlinie umgesetzt wurde. Dieses Thema habe die E-Control verfehlt, meinte Oberhaidinger, denn ihr Bericht behandle diesbezügliche Wünsche der EU-Kommission. Auch hielt es Oberhaidinger nicht für angebracht, von einer unzureichenden Personalausstattung der Netzunternehmen zu sprechen, wenn diese Unternehmen Personal leasen. Er könne hiebei keinen Zusammenhang zu den Netztarifen erkennen. Dasselbe gelte für Pachtverhältnisse bei den Netzanlagen. Sofern keine überhöhten Pachtzinse verlangt werden, seien Rückschlüsse auf die Netztarife nicht zulässig. Er hätte sich Auskunft über Nachbesserungsbedarf auf rechtlicher Ebene, über die Landesgesetze sowie darüber erwartet, wie die Unternehmen reagiert haben.

Abgeordneter Hannes Bauer (S), der Wettbewerb im Bereich der leitungsgebundenen Energien grundsätzlich nur bedingt für möglich hielt, erbat eine Gesamteinschätzung der Strommarktliberalisierung und wies darauf hin, dass 30 % der Bevölkerung nicht wissen, was Unbundling sei.

Abgeordnete Michaela Sburny (G) zeigte sich "begeistert" und sprach von einem bemerkenswerten Bericht mit klaren Feststellungen. Der Bund habe es offensichtlich verabsäumt, seinen Einfluss auf die Bundesländer geltend zu machen, sagte Sburny und fragte den Bundesminister, wie es mit dem Unbundling weitergehen solle.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (V) erinnerte daran, dass die Sozialdemokraten für eine minimalistische Umsetzung der Richtlinie eingetreten seien. Der Bericht zeige nun, dass sich die Bundesländer an den Wortlaut des Gesetzes hielten, aber nichts darüber hinaus taten. Wolle man mehr, müsse man als Bundesgesetzgeber ein anderes Gesetz beschließen, denn man könne von den Ländern nicht verlangen, Gesetze zu machen, die die Marktposition ihrer Gesellschaften verschlechtern. Es sei gut, dass dieser Bericht klar sage, dass man auf diese Weise einen "gescheiten Wettbewerb" nicht zustande bringe.

Abgeordneter Konrad Steindl (V) machte darauf aufmerksam, dass das Burgenland sein Landesgesetz noch nicht umgesetzt habe.

Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) hielt den Bericht für einen Anlass, über die Energiegesetzgebung nachzudenken, wobei er insbesondere auf die unzureichende Personalausstattung der Netzbetreiber und deren intransparente Preisgestaltung hinwies.

Abgeordneter Johann Moser (S) wollte wissen, was auf dem liberalisierten Strommarkt erreichbar wäre, hätte man alle Liberalisierungsziele umgesetzt.

E-Control-Geschäftsführer Walter Boltz sprach von einem wenig erfreulichen Bericht, bei dem seine Behörde nicht Wünsche, sondern rechtlich verbindliche EU-Maßstäbe angewandt habe. Es sei das Ziel der Richtlinie, eigenständige Netzbetreiber zu schaffen, die an nichts anderem als am Netzbetrieb interessiert seien. Dieses Ziel sei nicht erreicht worden, stellte Boltz fest, obwohl es auch Beispiele für eigenständige Netzgesellschaften gebe. Ob man dieses Ziel mit dem geltenden Bundesgesetz generell erreichen könne, bezweifelte Boltz. Mit geleastem Personal und ausgelagertem Betriebskapital sei man als Netzbetreiber nicht Herr im eigenen Haus und könne die gewünschte Vertraulichkeit zwischen Stromlieferanten und Netzbetreibern nicht erreichen.

Die Liberalisierung habe in ihrer ersten Phase funktioniert, die Preise konnten gesenkt werden. Jetzt bestehe Anlass zu überlegen, wie man die Vorteile der Liberalisierung auch in der nächsten Zeit nützen könne. Ein funktionierendes Unbundling führe zu Kostensenkungen für die Konsumenten. In der EU werde deshalb über "Ownership Unbundling" diskutiert. Eine Alternative dazu wäre eine Verschärfung der Kontrollen nach dem Vorbild der USA. Der derzeitige Zustand sei jedenfalls unbefriedigend und trage den Interessen der Konsumenten nicht Rechnung.

Bundesminister Martin Bartenstein stimmte E-Control-Geschäftsführer Boltz zu und dankte ihm für seinen Bericht, den er als einen "Weckruf" qualifizierte. Die Ziele des Gesetzgebers seien offensichtlich nicht erreicht worden, daher müsse man darüber nachdenken, wie man zu einem vernünftigen Unbundling komme. (Schluss)


Themen