Parlamentskorrespondenz Nr. 653 vom 05.07.2006

Basel II auf dem Weg zur Gesetzesform in Österreich

Finanzausschuss: Konsens für neue Eigenkapitalvorschriften möglich

Wien (PK) - Auf dem Weg der neuen Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute, besser bekannt unter dem Titel "Basel II", zur Gesetzesform in Österreich hat der Finanzausschuss heute einen wichtigen Schritt gesetzt. Unter der Vorsitzführung von Ausschussobmann Günter Stummvoll empfahlen die Abgeordneten dem Plenum die Annahme des über 200 Seiten starken Regierungsentwurfes zur Änderung des Bankwesengesetzes und zahlreicher anderer finanzgesetzlicher Vorschriften (1558 d.B.) mit V-F-Mehrheit unter Berücksichtigung zweier V-F-Abänderungsanträge. Das von Abgeordneter Gabrielle Tamandl (V) beantragte Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz wurde einhellig verabschiedet.

Die Oppositionsparteien mit ihren Sprechern Christoph Matznetter (S) und Werner Kogler (G) zeigten sich zur Zustimmung im Plenum der nächsten Woche bereit, sofern es gelinge, eine Reihe noch offener Detailfragen bis zur Abstimmung im Nationalrat zu lösen. Ausschussobmann Günter Stummvoll, den Sprecher aller Parteien für seine umsichtige Vorbereitung der Ausschussberatungen über die sehr komplexe Materie lobten, plädierte dafür aus, die Zeit bis zum Plenum für eine Konsenslösung zu nutzen. 

Was bringt Basel II?

"Basel II" ergänzt in seiner ersten Säule die klassischen Ordnungsnormen mit risikospezifischeren Kapitalanforderungen. Risiken können mit dem Standardansatz oder internen Verfahren erfasst werden. Neu erfasst werden operationelle Risiken, die Gefahr von Verlusten infolge des Versagens interner Verfahren, von Menschen und Systemen oder durch externe Ereignisse. Auch solche Risiken sind künftig mit Eigenkapital zu unterlegen. Säule II verstärkt die risikospezifischen Sorgfalts- und Organisationsverpflichtungen der Banken und schreibt ihnen unter dem Titel ICAAP (Internal Capital Adequacy Assessment Process) eigenverantwortliche Verfahren zur Risikoerfassung und Eigenmittelbemessung vor. Die Finanzmarktaufsicht soll unter dem Titel SREP (Supervisory Review and Evaluation Process) stärker system- und verfahrensorientiert vorgehen. In der Säule III werden die Transparenzverpflichtungen der Bankinstitute hinsichtlich ihrer Organisations- und Geschäftsstruktur erweitert.

Die Auswirkungen der neuen Eigenmittelnormen auf den Wirtschaftsstandort Österreich sind laut Regierung positiv. Eine bessere Risikoerfassung senkt das Eigenmittelerfordernis, nützt Banken und Kreditnehmern und stabilisiert die Gesamtwirtschaft. Die Situation der KMU werde ebenso berücksichtigt wie dezentral strukturierte inländische Institute. Gehören sie die demselben Sicherungssystem an, können sie Forderungen gegenüber dem Zentralinstitut mit einem Gewicht von null % versehen.

Zudem wird die Möglichkeit geschaffen, Ordnungsnormen auf der Grundlage von Abschlüssen zu berechnen, die nach internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) erstellt wurden. Dieses Wahlrecht soll auf Konzernebene für Wirtschaftsjahre nach dem 31. Dezember 2007 in Anspruch genommen werden können. Die Ausübung dieses Wahlrechtes wirkt zwingend auf die Berechnung der Ordnungsnormen auf Gruppenebene für alle in den Konzernabschluss einbezogenen Institute.

Debatte über Detailfragen

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) legte die Liste jener offenen Punkte vor, die einer Klärung bis zur Abstimmung im Plenum bedürfen. Es gehe darum, Nachteile für Körperschaften ohne Gewinnabsichten zu vermeiden und das heikle Problem des Datenschutzes zu lösen, indem die Evidenz bestimmter Daten bei der Nationalbank lokalisiert werde. Auch sollten die Banken verpflichtet werden, ihren Kunden die Gründe für das jeweilige Rating bekannt zu geben. Die vorgesehene stärkere Verantwortung der Bankprüfer sollte nicht nur auf die Prüfungsleiter beschränkt, sondern für alle Bankprüfer gelten. Gemeindebetriebe sollten beim Rating gleich behandelt werden wie Bundesunternehmen, verlangte Matznetter und hielt es für angebracht, für Gleichbehandlung der verschiedenen Sektoren zu sorgen.

Abgeordneter Josef Bucher (F) erkundigte sich, ob die Bedenken wegen der Autonomie der Genossenschaftsbanken ausgeräumt und Probleme für KMU vermieden werden konnten.

Abgeordneter Jakob Auer (V) sprach von einer sehr umfangreichen Materie mit Auswirkungen auf die Kreditwirtschaft und die Wirtschaft insgesamt. Der politische Wille laute, nicht über die EU-Richtlinien hinaus zu gehen, was im Wesentlichen gelungen sei. Auer bat darum, die noch offenen Fragen bis zur zweiten Lesung auszuräumen und drängte auf Berücksichtigung der Wünsche des Gemeinde- und Städtebundes.

Abgeordneter Werner Kogler (G) schloss sich dem Ersuchen an, die von Abgeordnetem Matznetter aufgeworfenen Fragen bis zum Plenum zu klären, wobei er sich dafür aussprach, die vorgesehenen FMA-Verordnungen an die Zustimmung des Hauptausschusses zu binden. Hinsichtlich der Finanzmarktaufsicht präferierte Kogler die Vorlage eines "großes Pakets im Herbst" statt kleiner Maßnahmen, auch wenn er einräumte, dass die Bestimmungen über den Wirkungsbereich und die Berichtspflichten der Bankenprüfer Verbesserungen darstellten. Es gehe aber auch um Verbesserungen in der internen Revision, bei den Aufsichtsräten und bei der Bestellung der Bankprüfer. Eine Zusage für ein solches Paket würde seine Zustimmung erleichtern, sagte Kogler.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) wollte wissen, ob die geforderte Eigenkapitalunterlegung bei gemeindeeigenen Betrieben von 100 % auf 20 % zurückgeführt wurde.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (V) legte im inhaltlichen Zusammenhang mit der Regierungsvorlage (§ 27 GOG) einen Antrag für ein Abschlussprüfungsqualitätssicherungsgesetz sowie zwei Abänderungsanträge und drei Ausschussfeststellungen vor.

Finanzminister Karlheinz Grasser erinnerte an die Bemühungen seines Ressorts, auf EU-Ebene eine Koalition für ein KMU-verträgliches Basel II zu bilden. Von den vorliegenden Bestimmungen erwarte er sich wesentliche Fortschritte bei den Finanzierungsmöglichkeiten für KMU und mittelfristig ein besseres Risikomanagement in Europa. Bei der Umsetzung der EU-Richtlinien habe Österreich nahezu alle Wahlrechte ausgenützt, sagte Grasser und zeigte sich überzeugt, dass dieses Gesetz der Finanzmarktstabilität ebenso nützen werde wie der Aufsichtsqualität.

In seinen Antworten auf Detailfragen hielt der Finanzminister die Frage nach Lösungen für NGO und gemeindeeigene Betrieben für gelöst. Letztere erhalten durch eine begünstigte Risikogewichtung attraktive Bedingungen. Eine Bevorzugung von Unternehmen im öffentlichen Eigentum gegenüber privaten Unternehmen würde europarechtliche Probleme nach sich ziehen.

Der Datenaustausch innerhalb einer Unternehmensgruppe sei eine notwendige Voraussetzung für die Risikoabschätzung, erläuterte der Finanzminister. Über die Gruppe hinaus sei kein Datenaustausch möglich.

Bei der Offenlegung der Risikoabschätzung gegenüber den einzelnen Kunden setze man auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Banken. Bei Bedarf werde man eine gesetzliche Regelung ins Auge fassen, sagte der Minister. 

Verbesserungen bei den Bankprüfern sollte man nach Ansicht des Finanzministers rasch herbeiführen und zugleich an einem größeren Paket weiterarbeiten, das er für die Zeit nach der Wahl in Aussicht stellte.

Demgegenüber hielt es Abgeordneter Matznetter (S) für durchaus möglich, bei den Bankprüfern schon jetzt mehr zu erreichen als derzeit vorgesehen sei.

Vom Vorschlag, die vorgesehenen Verordnungen der Finanzmarktaufsicht an die Zustimmung des Hauptausschusses zu binden, riet der Finanzminister ab, weil dies seiner Meinung nach die Unabhängigkeit der FMA beeinträchtigen würde.

Diese Ansicht wurde von den Abgeordneten Stummvoll (V), Kogler (G), Matznetter und Gaßner (beide S) nicht geteilt. Kogler meinte, die Unabhängigkeit der Finanzmarktaufsicht gelte für deren Prüfungstätigkeit, nicht aber für die Erlassung der Verordnung. Man könnte die vorgesehenen Regelungen auch im Gesetz treffen, ohne dass dadurch die Unabhängigkeit der FMA beeinträchtigt würde.

In der weiteren Debatte konzentrierten sich die Abgeordneten Heinz Gradwohl, Marianne Hagenhofer und Hannes Bauer (alle S), Werner Kogler (G) sowie Günter Stummvoll, Michael Ikrath und Werner Fasslabend (beide V) auf die Frage, wie man Nachteile für nicht auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen durch die neuen Eigenkapitalvorschriften verhindern könne. Diese Diskussion, an der sich von Seiten des Ressorts Finanzstaatssekretär Alfred Finz beteiligte, führte zur Feststellung des Ausschusses, Nachteile für "nicht auf Gewinn gerichtete bzw. karitative Organisationen" seien zu vermeiden (Fortsetzung).