Parlamentskorrespondenz Nr. 690 vom 12.07.2006

Außenpolitik im Nationalrat

Wien (PK) – Auf die sozialpolitische Debatte folgte im Nationalrat eine Diskussion über außenpolitische Themen. Eröffnet wurde dieser Themenblock mit einer neuerlichen Beschlussfassung zum Konsulargebührengesetz, gegen das der Bundesrat Einspruch erhoben hatte.

Abgeordneter Dr. SCHIEDER (S)     erinnerte an die Notwendigkeit, Vorsorge dagegen zu treffen, dass Menschen leichtsinnig in gefährliche Gegenden reisen, aus denen sie von der Republik mit hohen Kosten gerettet werden müssen. Diesem Prinzip stimme die SPÖ zu. Was dazu vorgelegt wurde, sei aber handwerklich schlecht gemacht. Die Regelung stelle auf Situationen ab statt auf Länder oder Gegenden. Dies bedeute, so Schieder, dass auch in der Schweiz ein Schadenersatzfall entstehen könnte, wenn es sich um eine "bestimmte Situation" handle. Dieses Gesetz könne gar nie angewendet werden, vermutete der Redner. Da sei husch-pfusch etwas gemacht worden, was man mit gutem Willen gut hätte regeln können.

Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) hielt die Kritik seines Vorredners für nicht zutreffend und warf der SPÖ vor, einen Rückzieher zu machen, nachdem man zunächst bereit gewesen sei, eine Regelung herbeizuführen. Es habe sehr eingehende Beratungen mit NGO gegeben, die der getroffenen Regelung durchwegs ihre Zustimmung gegeben haben. Wer sich grob fahrlässig verhält, Warnungen vernachlässigt und die Republik in eine schwierige Lage bringe, von dem könne man mit gutem Recht einen Schadenersatz verlangen. Das Gesetz stelle eine Warnung für jene Menschen dar, die sich aus Abenteuerlust in gefährliche Situationen begeben wollten.

Staatssekretär Dr. WINKLER teilte die Bedenken des Abgeordneten Schieder nicht, der vor allem mit dem Begriff "Situation" Schwierigkeiten hatte. Das Völkerrechtsbüro und die anderen befassten Stellen im Außenministerium hätten sich die Formulierungen, gerade in diesem Punkt, sehr genau überlegt, gab er zu bedenken. Was den angesprochenen Fall in der Schweiz betrifft, so sei es wenig wahrscheinlich, dass die österreichische Botschaft einen Hubschrauber anmieten muss, um einen in Bergnot geratenen Österreicher in der Schweiz zu retten. Es könne aber sein, dass von der schweizerischen Seite Rettungsmaßnahmen ergriffen werden, deren Kosten dann zurückverlangt werden. Winkler erinnerte sodann daran, dass  vor zwei Jahren eine Gruppe von Touristen – grob fahrlässig – in gefährliche Gebiete in Algerien gereist sei, wo sie dann als Geisel genommen wurden. Da sich in diesem Fall die Personen in eine gefährliche Situation begeben hätten, wäre eine Anwendung des – damals noch nicht gültigen - Gesetzes durchaus gerechtfertigt gewesen. Generell hoffe er natürlich, dass das Gesetz als Abschreckung dient und nie angewendet werden muss.

Es sei richtig, dass sich Menschen auf Reisen grundsätzlich verantwortungsvoll verhalten und sich nicht grob fahrlässig in Gefahrensituationen begeben sollten, räumte Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) ein. Die Grünen würden jedoch dem Beharrungsbeschluss aus zweierlei Gründen nicht zustimmen: Einerseits habe man es verabsäumt, NGOs und humanitäre Organisationen im Vorfeld einzubeziehen, andererseits enthalte der Entwurf noch unklare Bestimmungen. So liege etwa dann eine grobe Schuldhaftigkeit vor, wenn allgemein zugängliche Informationen über Gefahrensituationen unzureichend berücksichtigt wurden. Was passiere aber, wenn zum Beispiel das Reisebüro ein Gebiet empfiehlt, für das auf der Homepage des Außenministeriums eine Reisewarnung ausgesprochen wurde. Wer ist dann schuld, wer muss dann zahlen, fragte Lunacek. 

Abgeordneter SCHEIBNER (F) erinnerte seine Vorrednerin daran, dass die Grünen vor zwei Jahren, bei dem Fall der Touristen in Algerien, auch der Auffassung waren, es müsse etwas getan werden. Als dann ein Gesetz erarbeitet wurde, hätten die Grünen heftige Kritik geübt und versucht den Eindruck zu erwecken, als könnte nun jeder normale Tourist und jeder ehrliche Mitarbeiter einer Entwicklungshilfeorganisation von den Regelungen betroffen sein. Da man von vornherein nicht jeden einzelnen Fall festlegen könne, brauche man im Gesetz einen gewissen Spielraum, hielt Scheibner dem Abgeordneten Schieder entgegen. Das Gesetz sei vor allem ein Signal an potentielle Abenteurer, vorsichtig zu sein und mehr Selbstverantwortung zu übernehmen.

Der Beschluss des Nationalrates bezüglich das Konsulargebührengesetz wird mit Stimmenmehrheit wiederholt.

Weitere außenpolitische Vorlagen

Unter einem wurde dann eine Reihe weiterer Vorlagen aus dem Außenpolitischen Ausschuss debattiert. Im einzelnen waren dies die Zurückziehung des österreichischen Vorbehalts zu Art. 11 der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hinsichtlich der Nachtarbeit von Frauen, die Änderung des Übereinkommens über den physischen Schutz von Kernmaterial, ein Kulturabkommen mit Albanien, das Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, das Protokoll Nr. 2 zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen  Gebietskörperschaften betreffend die interterritoriale Zusammenarbeit, ein Europäisches Abkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats (Suspendierung im Verhältnis zur Ukraine) sowie ein G/S- Antrag betreffend eine österreichische Initiative für das Verbot von Streubomben und Streumunition.

Ein Schwerpunktthema der österreichischen EU-Präsidentschaft war der Balkan, erinnerte Abgeordneter Dr. BRADER (V). Deshalb begrüße er, dass heute ein Abkommen zwischen Österreich und Albanien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft auf der Tagesordnung steht. Ebenso wichtig sei das Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, führte Brader weiter aus. Kulturelle Vielfalt und interkultureller Dialog seien eine sichere Garantie für die positive Weiterentwicklung in der Welt.

Abgeordneter Mag. POSCH (S) wies darauf hin, dass vor zwei Tagen eine Enquete zum Thema Streubomben bzw. Streumunition stattgefunden hat. Alle Experten seien einhellig zu der Meinung gekommen, dass diese Art von Waffen geächtet und verboten werden müsse. Er bedauere daher, dass es in dieser Frage zu keiner Vierparteien-Einigung gekommen sei. Er gab zu bedenken, dass vor allem Kinder durch die Streubomben zu Schaden kommen, da sie oft wie Spielzeug ausschauen. In großer Anzahl seien Streubomben etwa in Afghanistan, im Balkan- und im Golfkrieg zum Einsatz gekommen. Der von den Regierungsparteien vorgelegte Antrag würde seiner Meinung nach wenig am Status quo ändern, da es auch im österreichischen Bundesheer eine derartige Munition gebe. Er forderte ein Moratorium für Streumunition, die rasche Ratifizierung des Protokolls V der "Convention on Conventional Weapons" und keine Beteiligung an internationalen Militäreinsätzen, bei denen Streumunition zum Einsatz kommt.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) ging noch einmal auf die Erfolge der österreichischen EU-Präsidentschaft ein. Er hob zudem hervor, dass im außenpolitischen Ausschuss ein sehr gutes Klima herrsche und sehr sachlich diskutiert werde. So wurde unter anderem auch über den so genannten Federschmuck des Montezuma ausführlich debattiert. Die österreichischen Experten hätten nicht nur darauf hingewiesen, dass es nicht klar sei, ob die Federkrone überhaupt von Montezuma ist, sondern sich auch klar gegen eine Rückgabe ausgesprochen.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) gab zunächst bekannt, dass die Grünen der Erklärung über die Zurückziehung des österreichischen Vorbehalts zu Art. 11 der Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau hinsichtlich der Nachtarbeit von Frauen zustimmen werden, da es sich um eine Angleichung an EU-Recht handle. Dennoch sei es klar, dass die Grünen sehr für verstärkte Schutzmaßnahmen für Menschen, die in der Nacht arbeiten müssen, eintreten. Sodann ging sie auf den S-G-Antrag betreffend einer österreichischen Initiative für das Verbot von Streubomben und Streumunition ein. Österreich sollte ihrer Ansicht nach ein unilaterales Moratorium aussprechen; d.h. die Munition sollte nicht produziert, nicht gelagert und nicht verwendet werden. Das österreichische Bundesheer habe bedauerlicherweise noch immer solche Munition gelagert, obwohl das Rote Kreuz ins Treffen führt, dass der Einsatz derartiger Munition dem internationalen humanitären Recht nicht entspricht. Streubomben seien sogar noch gefährlicher als Landminen, da die Splitter den Körper zerstören und zu massivsten Verletzungen führen können, die nicht mehr heilbar seien, zeigte Lunacek auf. Österreich sollte auch in diesem Bereich – wie im Fall der Landminenkampagne – eine Vorreiterrolle einnehmen und nicht auf andere Länder warten.

Staatssekretär Dr. WINKLER ging zunächst auf das Thema Streubomben und Streumunition ein. Er teile natürlich die humanitären Zielsetzungen der Abgeordneten Posch und Lunacek, betonte er. Das Außenministerium habe in der Frage der Abrüstung immer eine Vorreiterrolle inne gehabt und sich intensiv mit der Frage der Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts befasst. Dennoch müsse man sich immer wieder die Frage stellen, ob man auf viele Jahre hinaus gar nichts erreicht oder sich schrittweise den Zielen annähert. Daher bemühe sich sein Ressort, Regelungen zu erreichen, die den Einsatz von Streumunition mit hoher Blindgängerrate verringert. Dies sei seiner Meinung nach der strategisch richtige Ansatz, denn man müsse zur Kenntnis nehmen, dass ein Totalverbot derzeit politisch nicht durchsetzbar sei. Winkler gab bekannt, dass das Protokoll V sehr bald beschlossen werden kann, da nun alle Sprachfassungen vorliegen. Weiters setze man sich sehr für ein Protokoll Nummer VI ein, das vor allem die Verminderung der Gefahren für die Zivilbevölkerung zum Inhalt hat.

Was das Abkommen mit Albanien angeht, so stehe dabei vor allem die symbolische Bedeutung im Vordergrund. Es werde nämlich ein Vertrag mit einem Land abgeschlossen, in dem die Menschen vor noch gar nicht so vielen Jahren in einer totalen Isolation leben mussten, ähnlich wie in Nordkorea. Dieses Land habe inzwischen ungeheure Fortschritte gemacht, die Menschen seien voll europäischer Begeisterung und es sei daher sehr wichtig, dass gerade auf dem Gebiet der Universitäten, der Berufsbildung und der Schulen ein Zeichen gesetzt wird.

Auch Abgeordneter GROSSRUCK (V) kam auf das Abkommen mit Albanien zu sprechen. Es sei richtig, dass der symbolische und ideelle Wert des Vertrags viel höher einzustufen ist als der materielle. Das Abkommen sei aber nur der "Gipfel des Eisberges", da sich Österreich in sehr vielen Bereichen in Albanien engagiert. Besonders Ministerin Gehrer, die schon in den 90er Jahren Hilfslieferungen organisiert habe, werde in Albanien sehr geschätzt. Mitte Juni wurde unter der Ägide der Außenministerin das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Albanien unterzeichnet, wodurch das Land an die europäischen Normen herangeführt werden soll.

Abgeordneter Mag. MUTTONEN (S) zeigte sich erfreut über die Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Die Zustimmung der Regierungsfraktionen dazu erscheine allerdings angesichts des Slalomkurses von Bundeskanzler Schüssel und Landeshauptmann Haider in der Ortstafelfrage fast zynisch. Das UNESCO-Übereinkommen definiert die völkerrechtlich verbindliche Basis für das Recht aller Staaten auf eine eigenständige Kulturpolitik. Es sei sehr positiv, dass Österreich einer der ersten EU-Staaten ist, das dieses Abkommen ratifizieren wird.

Er würde den Sozialdemokraten einmal empfehlen, mit der Kärntner Landesgruppe eine Mediation durchzuführen, um sich auf eine Meinung bezüglich der Ortstafelfrage zu einigen, schlug Abgeordneter FAULAND (F) seiner Vorrednerin vor. Bezüglich der Streumunition, das noch immer als aktives Mittel der Kriegsführung auch von europäischen Staaten eingesetzt wird, teile er die Ansicht des Staatssekretärs, wonach keine "Insellösung" angestrebt werden kann. Ein solches Problem könne nur im Konsens gelöst werden, war er überzeugt. Auch das Thema Landminen sei sicher noch nicht vom Tisch, da Staaten wie China, Russland und die USA noch nicht dem Ottawa-Abkommen beigetreten sind. Allein im letzten Jahr wurden wieder 10 Millionen Landminen hergestellt, zeigte Fauland auf.

Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) begrüßte die Unesco-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Seiner Ansicht nach sind Subventionen im Kulturbereich unbedingt erforderlich, um den Markt nicht großen Produzenten zu überlassen und damit eine Einheitskultur zu forcieren. In Bezug auf die im Völkerkundemuseum ausgestellte so genannte Federkrone Montezumas, sprach sich Zinggl für eine Schenkung an Mexiko aus.

Abgeordnete FELZMANN (V) wies darauf hin, dass es sich bei der im Völkerkundemuseum befindlichen Federkrone nach einhelliger Expertenmeinung nicht um die Federkrone Montezumas handle. Sie fürchtet, dass eine Schenkung an Mexiko unabsehbare Folgen für andere Kunstwerke haben könnte. Positiv äußerte sich Felzmann zum Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen.

Abgeordneter Ing. GARTLEHNER (S) machte darauf aufmerksam, dass Streubomben und Streumunition besonders grausame und verheerende Waffen seien. Es gebe viele Gründe, die für ein Verbot sprechen, unterstrich er und appellierte an die Koalitionsparteien, sich für ein solches Verbot auszusprechen. In Bezug auf die Federkrone solle Österreich, so Gartlehner, "einen Schuss mehr Mut haben".

Abgeordneter LEDOLTER (V) setzte sich mit dem Europäischen Abkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats auseinander und wies auf die Notwendigkeit hin, der Ukraine die europäischen Türen weiter offen zu halten. Erfreut zeigte er sich darüber, dass es Bundeskanzler Schüssel im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft gelungen sei, die Reputation und das Ansehen Österreichs als Tourismusland zu heben.

Abgeordneter HEINZL (S) nahm zum Kulturabkommen zwischen Österreich und Albanien Stellung und hielt fest, Österreich habe im Bereich grenzüberschreitender kultureller Zusammenarbeit große Tradition. Kultureller Austausch und das bessere Kennenlernen anderer Lebensweisen ist für ihn eine wichtige Grundlage für die Friedenssicherung. Ausdrücklich begrüßt wurde von Heinzl auch das kürzlich beschlossene Assoziationsabkommen der EU mit Albanien.

Abgeordneter MURAUER (V) bekräftigte, selbstverständlich sei Österreich gegen kriegerische Auseinandersetzungen und die Verwendung von Streumunition. Man müsse aber zur Kenntnis nehmen, dass jeder Staat autonom über die von ihm verwendeten Waffen entscheide. Österreich könne nur darauf drängen, dass die Zahl der Blindgänger reduziert werde. Ein generelles Verbot von Streubomben und Streumunition erachtet Murauer als "utopisch".

Abgeordneter Dr. LIECHTENSTEIN (V) zeigte sich zuversichtlich, dass Albanien trotz der derzeit vorherrschenden Armut eine große Zukunft haben werde. In diesem Sinn wertete er das Abkommen zwischen Österreich und Albanien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft als positiv. Zum Europäischen Abkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats merkte Liechenstein an, die Ukraine sei ein Teil Europas.

Abgeordneter DI AUER (V) bezeichnete die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen als bedeutendes Übereinkommen. Es sei in der heutigen Zeit nicht leicht, jahrhundertelange Traditionen zu bewahren, sagte er. Erfreulicherweise gebe es in Österreich aber wieder mehr Brauchtumspflege.

Bei der Abstimmung genehmigten die Abgeordneten sämtliche Abkommen, wobei die Erklärung über die Zurückziehung des Vorbehalts zu Art. 11 der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hinsichtlich der Nachtarbeit mehrheitlich, alle anderen Abkommen einhellig gebilligt wurden. Stimmenmehrheit erzielte auch der ablehnende Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den G-S-Entschließungsantrag betreffend Streubomben sowie die dem Ausschussbericht beigefügte Entschließung.

(Schluss Außenpolitik/Forts. NR)