Parlamentskorrespondenz Nr. 692 vom 12.07.2006

Zu später Stunde: Noch ein Beharrungsbeschluss und das Thema ORF

Wien (PK) – Zu nächtlicher Stunde debattierte der Nationalrat zunächst einen weiteren Einspruch des Bundesrats, diesfalls gegen die Schwerarbeitsregelung für Beamte.

Abgeordneter PENDL (S) erinnerte an seine Rede, die er bei der ersten Diskussion zu diesem Thema gehalten habe, denn an deren Inhalten habe sich nichts geändert. Die Regierung habe eine weitere Chance verpasst, diese Materie adäquat zu lösen. Die geplante Vorgangsweise sei inakzeptabel, ein anderer Zugang wäre erforderlich, meinte der Redner.

Abgeordneter NEUGEBAUER (V) verteidigte hingegen die Pläne der Regierung als zweckdienlich, weshalb der ursprüngliche Beschluss des Nationalrates an dieser Stelle wiederholt werden sollte.

Personalvertreter, Gewerkschafter und Abgeordnete, die sich für die Anliegen ihrer Kollegen einsetzen, würde sie sich mehr wünschen, betonte Abgeordnete Mag. STOISITS (G). Zum Weinen sei es aber, wenn der Vorsitzende der Gewerkschaft öffentlicher Dienst sagt, es soll einmal geschaut werden, ob die Bestimmungen praxistauglich sind und ob es wirklich Verlierer gibt oder nicht. Ein solches Risiko gehen Sie ein? fragte Stoisits den V-Mandatar Neugebauer. Die Grüne Fraktion stimme sicher wieder gegen das Gesetz.

Abgeordneter FAULAND (F) bestritt vehement, dass es durch die Schwerarbeiterregelung Verlierer gebe. Der Gewinner sei vielmehr der Bereich des öffentlichen Diensts, war der Redner überzeugt. Man werde es sich selbstverständlich genau anschauen, wie die Schwerarbeiterregelung angewendet wird. Sollten Nachjustierungen erforderlich sein, dann werde es die auch geben. Für ihn war es besonders wichtig, dass im Bereich der Exekutive, der Justiz und des Bundesheeres anerkannt wird, dass dort Schwerarbeit geleistet wird.

Abgeordneter Mag. LANGREITER (V) bezeichnete die Vorschläge der Opposition im Zuge der gesamten Pensionsreformdebatte als dürftig. Es könne natürlich Kritik vorgebracht werden, aber es sollten auch Alternativen aufgezeigt werden. Die Länder geben 138 Mill. € für die Beamtenpensionen aus; diese Pensionen müssten auch für die Zukunft abgesichert werden.

Abgeordneter DI HÜTL (V) räumte ein, dass es sich bei der Schwerarbeiterregelung um eine schwierige Materie handle, da es keine allgemein gültige Definition gibt. Es werde damit nicht nur in Österreich, sondern auch auf internationaler Ebene Neuland beschritten. Deshalb sei es wichtig, dass eine Expertenkommission eine regelmäßige Evaluierung vornimmt. Für den öffentlichen Dienst wurde festgelegt, dass alle Beamten künftig auch dann unter diese Regelung fallen, wenn sie in den letzten 20 Jahren vor Pensionsantritt mindestens zehn Jahre Schwerarbeit geleistet haben. Gleichzeitig muss eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 42 Jahren nach dem 18. Lebensjahr vorliegen. Es ist vor allem gelungen, jene Bereiche mit aufzunehmen, die in ihrem beruflichen Tätigkeitsfeld ein hohes Risiko haben, etwa die Exekutivbeamten.

Der Antrag des Ausschusses, den ursprünglichen Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2006 zu wiederholen, wurde mehrheitlich angenommen.

G-Antrag auf Änderung des ORF-Gesetzes

Abgeordneter Dr. CAP (S) bedauerte, dass dieser Tagesordnungspunkt erst so spät diskutiert wird. Es sei dringend notwendig, nicht nur über die Zukunft des ORF, sondern auch über die grundsätzlichen medienpolitischen Visionen der Bundesregierung zu debattieren. Zu beantworten wäre etwa die Frage, welche Rolle ein öffentlicher Rundfunk spielen soll, und zwar in einer Zeit, in der es kein Empfangs- und Sendungsmonopol mehr gibt. Außerdem sollte man sich mit der "Info-Krise" im ORF befassen, forderte Cap. Offensichtlich aber interessiere es niemanden in der ÖVP, warum die Einschaltquoten bei den Informationssendungen sinken. Diskutieren müsste man auch über die spezielle Organisationsstruktur im ORF, also die Tatsache, dass alle Entscheidungen über den Schreibtisch von Chefredakteur Werner Mück laufen. Die ÖVP riskiere, dass das Unternehmen ORF großen Schaden erleide, nicht nur hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit, sondern auch finanziell und materiell. Die Mitarbeiter und die Zuseher hätten ein Recht auf einen objektiven und unabhängig agierenden österreichischen Rundfunk.

Abgeordneter Cap habe eine Grundsatzdebatte über den ORF angekündigt, aber dann nur über Macht und Einfluss geredet sowie über das, was Herr Mück angeblich macht, erklärte Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V). In keiner Weise habe sich ihr Vorredner mit dem vorliegenden Antrag auseinandergesetzt und auch nichts darüber gesagt, welche Rolle der ORF in der Zukunft spielen soll. Die Bundesregierung hingegen sei aktiv und habe mit der letzten ORF-Gesetz-Novelle sehr gute Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter des ORF geschaffen. Es wäre besser, wenn man die Mitarbeiter in Ruhe arbeiten ließe und sie vor parteipolitischen Manövern verschont, entgegnete sie Cap.

Der ORF leide derzeit unter der "fürsorglichen Umarmung" der ÖVP, konstatierte Abgeordnete STOISITS (G). Wenn das so weitergehe, dann werde der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF erstickt. Im besonderen zeigte sich die Rednerin darüber beunruhigt, dass die redaktionellen Inhalte ausgedünnt und der Informationsgehalt der Sendungen verwässert wird. Außerdem setzte sie sich für die Abhaltung eines öffentliches Hearings im Rahmen der Bestellung des Generaldirektors/der Generaldirektorin ein.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) erinnerte Van der Bellen daran, dass die Sonderaktionen der Grünen heute über drei Stunden gedauert hätten. Dann dürfe man sich aber nicht beschweren, dass dieser Tagesordnungspunkt erst so spät behandelt werde. Sodann gab er zu bedenken, dass Generaldirektorin Lindner erst vor kurzem beim Sommerfest der SPÖ aufgetreten sei.

Auch Abgeordneter PRÄHAUSER (S) trat für die Abhaltung eines öffentlichen Hearings bei der Auswahl von Führungskräften im ORF ein. Der ORF sei auch selber schuld, wenn er ins Gerede komme, meinte Prähauser, denn "Kultur sei sicher mehr als viermal Armin Assinger in der Woche".

Aus ihrer Sicht als Konsumentin mache der ORF ein sehr gutes und ausgewogenes Programm, für jung und alt, für Sportfans, Kulturbegeisterte, Politikinteressierte und Informationsdurstige, meinte Abgeordnete MACHNE (V). Sie müsse auch Armin Assinger verteidigen, da sich viele Menschen seine Sendungen gerne anschauen. Der ORF werde auch international anerkannt, betonte Machne, so habe etwa das Schweizer Fernsehen sein Schema auf die Programmphilosophie des ORF umgestellt.

Abgeordneter BROSZ (G) wiederholte die Eckpunkte des Antrags der Grünen. Offensichtlich fänden die Vorschläge auch bei manchen BZÖ-Vertretern Anklang, meinte Brosz, denn die BZÖ-Stiftungsräte seien der Auffassung, dass eine geheime Abstimmung keine schlechte Idee wäre. Der qualitative Unterschied zu früher sei, dass heute im ORF nicht mehr direkt interveniert werden müsse, sondern dass die der Regierung nahe stehenden Leute die Machtfunktionen inne hätten und daher genau wüssten, welche Politik sie umzusetzen hätten.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) vermisste konstruktive Vorschläge von Seiten der Opposition. Internationale Experten stellten dem ORF ein sehr gutes Zeugnis aus; es gebe eine beispielhafte Filmförderung, hervorragende kulturpolitische Beiträge sowie ein hervorhebenswertes Mischfinanzierungsmodell.

Abgeordneter Dr. CAP (S) forderte Molterer und Morak auf, endlich Stellung zu beziehen und zu erklären, wie der zukünftige Weg des ORF ausschauen solle. Er könne sich nicht erinnern, dass es im ORF jemals so ein Unbehagen, so eine Kritik und Rebellion von Seiten der Mitarbeiter, die sich gegen die Vorgangsweise von Mück auflehnten, gegeben habe. Es sei daher verdienstvoll, dass sich auch die BZÖ-Vertreter für die Einrichtung einer Untersuchungsgruppe eingesetzt hätten. Ebenso wie die Grünen halte er es auch für sinnvoll, dass es bei der nächsten Bestellung eines ORF-Generaldirektors ein öffentliches Hearing sowie eine geheime Wahl gibt.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) wandte sich gegen geheime Wahlen im ORF und warf der SPÖ vor, einen Zickzack-Kurs zu verfolgen. Die Stiftungsräte müssten zu ihrer Entscheidung stehen, betonte sie.

Der ablehnende Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag der Grünen betreffend Änderung des ORF-Gesetzes wurde vom Nationalrat mit Stimmenmehrheit zur Kenntnis genommen.

Nach Erledigung der Tagesordnung wurde eine ganze Reihe von Fristsetzungsanträgen abgestimmt. Auf Antrag der Koalitionsparteien wurden dem Gesundheitsausschuss, dem Landwirtschaftsausschuss, dem Verkehrsausschuss und dem Justizausschuss zur Vorberatung von Einsprüchen des Bundesrates eine Frist bis zum 13. Juli gesetzt. Auch in Bezug auf einen Antrag der ÖVP und einen Antrag der FPÖ auf Änderung des Volksgruppengesetzes beschloss der Nationalrat eine Fristsetzung mit 13. Juli.

Eine weitere (159.) Sitzung des Nationalrates diente in der Geschäftsordnung vorgesehenen Mitteilungen und Zuweisungen. Nationalratspräsident KHOL gab in dieser Sitzung bekannt, dass die Präsidialkonferenz für die beiden Nationalratssitzungen am Donnerstag und am Freitag geänderte Tagesordnungen festgelegt hat. So stehen die Ausschussberichte über die Einsprüche des Bundesrats bereits morgen auf der Tagesordnung. (Schluss)