Parlamentskorrespondenz Nr. 702 vom 14.07.2006

Keine Verfassungsmehrheit für Lösung der Kärntner Ortstafelfrage

Nationalratsdebatte mit gegenseitigen Schuldzuweisungen

Wien (PK) – Das Finale der XXII. Gesetzgebungsperiode im Nationalrat wurde mit einem Ortstafel- Antrag von V-Klubobmann Mag. Molterer und einem Antrag von F-Klubobmann Scheibner eingeleitet. Beide Anträge wurden unter einem debattiert.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) erinnerte zunächst an die Verhandlungssituation der letzten Nacht, in der die Regierungsparteien versucht haben, in der wichtigen Frage der zweisprachigen Ortstafeln mit der SPÖ und den Vertretern des Zentralverbandes der Slowenen sowie mit der Gemeinschaft der Slowenen eine Lösung zu erzielen. Es sei heute Nacht nicht möglich gewesen, die Konsenslösung von Kärnten in Wien umzusetzen, weil kurz vor der Ziellinie die SPÖ "der Mut zur Verantwortung" verlassen habe. Wir kennen das, sagte Molterer, immer dann, wenn staatspolitische Verantwortung gefordert ist, verlasse die SPÖ der Mut zur Verantwortung. Erstmals seit vielen Jahrzehnten bestehe eine realistische Chance auf einen Konsens in Kärnten, auf den die KärntnerInnen sehnsüchtig warten und der Kärnten und Österreich essentielle Zukunftschancen biete.

In den letzten Jahren sei es Kanzler Schüssel gelungen, Bewegung in die verfahrene Situation zu bringen. Ein historisches Aufeinanderzugehen wurde ermöglicht, die Konsenskonferenz, die es in Wien gegeben hat, habe dieses Aufeinanderzugehen ermöglicht. "Die ÖVP will eine Lösung, sie habe eine Lösung mit aller Kraft angestrebt und mit jeder Faser des Herzens wurde an dieser Lösung gearbeitet und für diese Lösung gekämpft." Die Konsenschance liege auf dem Tisch und es liege ein Gesetzesantrag vor, der diesen Konsens rechtlich absichert, so wie es die Kärntner Konsensparteien wollen. "Folgen Sie doch dem Wunsch der Kärntner Konsensparteien!", meinte Molterer in Richtung SPÖ.

Der Klubobmann der ÖVP brachte sodann einen gesamtändernden Abänderungsantrag der beiden Regierungsparteien ein. Die Kernpunkte dieses Abänderungsantrages, erläuterte der Redner, entsprechen dem erzielten Kompromiss. Der Konsens in der Nacht sei nicht an den Minderheitenvertretern gescheitert, die hätten nämlich mit viel Engagement an diesem Konsens gearbeitet, sondern an der Bundes-SPÖ, die nun die Verantwortung für die Fortführung eines Konfliktes übernehmen muss. Man habe sich von der SPÖ erwartet, dass sie eine Lösung ermöglicht und nicht verhindert. Es sei "nackte Wahrheit": "Die Parteitaktik auf Bundesebene ist der SPÖ viel wichtiger als das, was die Menschen in unserem Heimatland und in Kärnten erwarten. Folgen Sie doch dem Rat der Kärntner SPÖ-Parteivorsitzenden und stehen Sie zu dieser Lösung!"

Abgeordneter Dr. CAP (S) ließ den Vorwurf, dass sich die SPÖ nicht um einen Konsens bemüht hätte, nicht gelten. Seit über vier Jahren sitze er, Cap, in dieser Konsenskonferenz, um die Ortstafelfrage zu lösen. In den letzten Tagen und Wochen wurde "fast Tag und Nacht" versucht, eine Lösung zu erreichen. Der SPÖ ist es um eine korrekte, verfassungskonforme Umsetzung gegangen. Auch gehe es der SPÖ darum, dass in Kärnten wieder andere Themen zur Sprache kommen als die "ewige Frage" der Ortstafeln. Wenn behauptet werde, die SPÖ solle Verantwortung übernehmen, wo war denn dann die Verantwortung der ÖVP in den letzten vier Jahren?, fragte Cap. Molterer wisse ganz genau, dass man kein Verfassungsgesetz braucht, er wisse auch, das, was heute auf dem Tische liege, könne man auch in einem einfachen Gesetz beschließen, und er wisse auch, dass er das Vorliegende in einer Verordnung hätte erlassen können. Wo ist der Appell an die Bundesregierung, endlich eine Verordnung zu machen? – "Nun soll die SPÖ die Kastanien aus dem Feuer holen, die die ÖVP hineingelegt hat."

Wichtig ist für Cap eine Garantie, dass nicht in Zukunft Landeshauptmann Haider "alle am Schmäh hält" oder "papierlt", was er in der Vergangenheit Jahr für Jahr getan habe. Aber diese Sicherheit wollte die Regierung nicht. Gescheitert seien die Verhandlungen auch daran, dass sich der Bundeskanzler an den mit den Slowenenvertretern erzielten Kompromiss nicht gehalten habe. Molterer solle seinen "Sonntagvormittagspathos" weglassen und endlich schauen, dass eine Verordnung erlassen oder ein einfaches Gesetz beschlossen wird. Cap schlug auch vor, nach der Nationalratswahl wieder zusammen zu kommen und die Gespräche fortzusetzen – im Interesse der KärntnerInnen und einer endgültigen Lösung.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) gab zu, dass Cap persönlich lange Zeit versucht habe, "ehrlich und offen" zu verhandeln und einen Konsens zu finden, aber andere in der SPÖ hätten diesen Konsens verhindert. Das ist nach Meinung Scheibners der Grund dafür, dass die SPÖ die Gespräche auf die Zeit nach der Wahl verschieben wolle. Der Redner sprach auch die Vermutung aus, Volksgruppenpolitik solle zum Wahlkampfthema gemacht werden, und mutmaßte, dass die SPÖ nur dann Verantwortung übernehmen wolle, wenn sie in der Regierung ist. Er unterstellte auch den Sozialdemokraten, ein doppeltes Spiel zu spielen: "In den intellektuellen Zirkeln der Großstädte spielen Sie sich groß liberal auf und als Volksgruppenvertreter und in den kleinen Gemeinden, in denen die SPÖ die Bürgermeister stellt, rennen Sie herum und sagen, wir haben die Ortstafeln verhindert." Das widerspreche jedem Konsens. Die SPÖ befinde sich nun in der Gesellschaft von slowenischen Kommunisten, von einer radikalen Slowenenorganisation und von Strache, die gerne Politik auf dem Rücken der Kärntner Bevölkerung machen, die polarisieren, die trennen wollten. "Wir wollen nicht trennen, wir wollen zusammenführen", betonte Scheibner.

Zum gestrigen Scheitern der Verhandlungen habe auch der Wunsch geführt, dass selbst in Ortschaften zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden sollen, in denen nicht ein einziger Vertreter der Minderheiten seinen Hauptwohnsitz hat. Nicht die Aussagen von Jörg Haider verhinderten eine Lösung, nur aus parteipolitischen Gründen sei man dagegen. Auch die Meinung des Bundespräsidenten, der behauptet hat, das sei die beste Lösung, wurde nicht berücksichtigt. Auch Jörg Haider appelliert heute an die SPÖ, diesem Kompromiss, zu dem er sehr wohl stehe, doch zuzustimmen. Aber der Hass auf Jörg Haider hindere die SPÖ daran. Die Koalitionsfraktionen seien bereit, bis zum letzten Tag dieser Legislaturperiode an einer sinnvollen Lösung für die Kärntner Bevölkerung zu arbeiten. Aus diesem Grund werde der F-Antrag an den Ausschuss rückverwiesen.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G): Für das, was die Regierungsparteien vorhätten, brauche man keine Verfassungsbestimmung, sie wäre kontraproduktiv und deute auf einen, wie Heinz Mayer sagte, "erbärmlichen Umgang mit der österreichischen Verfassung" hin. Die Koalitionsparteien würden so tun, als ob eine Verfassungsbestimmung zum Schutz der Minderheitenrechte in Österreich notwendig wäre, insbesondere der Kärntner mit slowenischer Muttersprache. Es gebe den Staatsvertrag von 1955, dessen Verpflichtungen nach übereinstimmender Meinung aller Fraktionen dieses Hauses nicht erfüllt sind, die Staatszielbestimmung nach Art. 8 B-VG und die einschlägigen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes. Würde man allein den Art. 8 B-VG ernst nehmen, müsste allen klar sein, dass eine Verfassungsbestimmung für das, was man vorhat, nicht notwendig und daher eine Zweidrittelmehrheit nicht erforderlich sei. Somit brauche man die Zustimmung der Bundes-SPÖ nicht. "Sie sind entweder zu feig, das mit einem einfachen Gesetz zu beschließen, oder Sie wollen durch eine Verfassungsbestimmung die Kontrolle des VfGH aushebeln", erklärte der Redner.

Van der Bellen erinnerte an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und warf den Regierungsparteien vor, in den letzten fünf Jahren "keinen Finger gerührt" zu haben, aber nun werde in einer "Nacht- und Nebelaktion" von Donnerstag auf Freitag dieser Woche von der ÖVP staatspolitische Verantwortung beschworen. Das ist nach Ansicht Van der Bellens unglaubwürdig.

Für Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL zeigt die Kärntner Geschichte jene Wunden auf, die die europäische Geschichte kennt und woraus die Sensibilität der Frage ersichtlich ist. Er halte es für berechtigt, die Bestimmungen des Staatsvertrages 1:1 umzusetzen, sagte er, man müsse aber auf Grund der Sensibilität, auch der Mehrheitsbevölkerung, bemüht sein, unter Einbindung aller einen breiten Konsens zu suchen und nicht einen Gewaltakt zu setzen. Dabei sei zu bedenken, dass der Staatsvertrag von Wien sehr unbestimmt sei und nur eine Handlungsanleitung gebe, die zu definieren man im Jahr 1955 hinausgeschoben habe. Der Bundeskanzler streifte die Ereignisse und gescheiterten Ansätze einer Lösung seit diesem Zeitpunkt, was ein, wie er sich ausdrückte, verkrampftes Verhältnis in dieser Frage deutlich mache.

Nun stehe man aber vor einer Richtungsentscheidung, betonte der Bundeskanzler. Von Beginn des Jahres 2000 an sei der Bundesregierung die Minderheitenpolitik ein großes Anliegen gewesen. Schüssel wies in diesem Zusammenhang auf die Staatszielbestimmung, auf die Topographieverordnung für das Burgenland, auf die Charta der Regional- und Minderheitensprachen und auf das ORF-Gesetz hin und hob insbesondere auch die Rahmenbedingungen für das zweisprachige Schulwesen hervor, das in den betreffenden Regionen von 36 % aller Schülerinnen und Schüler besucht wird. All diese Erfolge seien vom Ortstafelkonflikt überlagert gewesen, bedauerte er.

Um zu einer Lösung zu kommen, habe er eine Konsenskonferenz einberufen, und auch mit den Kärntner Bürgermeistern die Problematik in einer eigenen Konferenz erörtert. Zwei bis drei Mal sei man unmittelbar vor einer Lösung gestanden, und das tue man auch heute wieder. Der Abwehrkämpferbund und zwei Slowenenorganisationen seien dabei über ihre Grenzen hinaus gegangen. Die ehemals einzementierten Fronten seien aufgegeben worden. Die Topographieverordnung habe im Begutachtungsverfahren große Zustimmung erfahren, und diese Stimmung sollte man nun nützen und sich bemühen, den historischen Kompromiss, der auch durch Slowenien Zustimmung finde, zu realisieren.

Dieser bestehe aus zwei Komponenten: Einerseits aus der im Hauptausschuss bereits verabschiedeten Topographieverordnung, die 141 zweisprachige Ortstafeln vorsieht, und andererseits durch ein begleitendes Verfassungsgesetz, mit dem eine dauerhafte Lösung und Rechtssicherheit erzielt werden soll. Es dürfe kein Veto geben, bekräftigte der Kanzler, aber auch keine Automatik. Der Kompromiss entspreche dem, was mit den Kärntner Slowenenvertretern, dem Abwehrkämpferbund und dem Heimatbund ausgemacht worden sei. Er stehe zu seinen Zusagen, versicherte Schüssel. Um die Akzeptanz des verfassungsgesetzlichen Vorschlags zu unterstreichen, zitierte Schüssel den ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Adamovic sowie den gegenwärtigen Präsidenten Korinek, die den Weg einer verfassungspolitischen Lösung für sinnvoll erachten, weil diese einen breiten Konsens garantiere.

Schüssel zeigte daher kein Verständnis für die Haltung der SPÖ, zumal man deren Bedingungen, nämlich eine Einigung der Regierungsfraktionen und die Zustimmung der Kärntner Parteien, und damit auch der von Gaby Schaunig, mit dem vorliegenden Kompromiss erfülle. Denn diese entspreche auch voll inhaltlich dem mit allen Beteiligten erzielten Kompromiss der Vorwoche. Um die Bedenken der SPÖ auszuräumen, schlug der Bundeskanzler daher vor, das Gesetz gemeinsam zu beschließen und zusätzlich einen Entschließungsantrag anzunehmen, in dem alle relevanten Organe aufgefordert werden, dieses auch umzusetzen. Sollte das nicht der Fall sein, würden entsprechende Konsequenzen zu ziehen sein. Der Respekt vor der Umsetzung gelte für alle Staatsorgane, betonte der Schüssel mit Nachdruck, und notwendig wäre eine rot-weiß-rote und eine Kärntner Lösung. Er wolle das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten und eine Einigung stellte ein Signal dar, dass sich die Parteien selbst zu diesem Zeitpunkt die Hände reichen können.

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) schloss sich dem Appell an, einer dauerhaften Lösung zuzustimmen. In ihren Ausführungen versuchte sie, die Einwände der Opposition zu entkräften. Der vorliegende Kompromiss sei seit dem Jahre 1955 der erste Versuch, die Problematik dauerhaft zu lösen. Das Vorgehen der Regierung sei in keiner Weise "schluddrig", wie das Abgeordneter Cap behauptet hatte, denn man sei im Rahmen der Konsenskonferenz und in zahlreichen anderen intensiven Gesprächen mit allen Betroffenen bemüht gewesen, eine Lösung herbeizuführen. Sie verstehe daher die Eitelkeit der SPÖ nicht, die über eine staatspolitische Lösung gestellt werde. Es mangle auch nicht an Garantien zur Umsetzung, denn eine größere Garantie als ein Verfassungsgesetz und weitere im Abänderungsantrag eingebaute Garantien, wie die Berichtspflicht an das Parlament, könne es nicht geben. Die Regierung schiebe keine Verantwortung ab und habe in den letzten fünf Jahren alles getan, um den Frieden und die Rechtssicherheit in einer so schwierigen und polarisierenden Frage herbeizuführen. Auch Baumgartner-Gabitzer wies auf die positive Beurteilung des Gesetzesvorschlags durch den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs hin.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) brachte seitens der SPÖ einen gesamtändernden Abänderungsantrag ein, der in wesentlichen Teilen mit jenem der Regierungsparteien übereinstimmt, jedoch andere Formulierungen in Bezug auf die Öffnungsklausel und die Rechtsdurchsetzung enthält. Wittmann konnte den von den RegierungsvertreterInnen beschworenen Konsens nicht finden, denn diesen gebe es seiner Meinung nach ausschließlich zwischen Haider und Schüssel. Die Minderheit habe man derzeit nicht im Boot und somit würde die Mehrheit ein Gesetz ohne die Minderheit beschließen. Das Misstrauen sei durch das "lächerliche Schauspiel Haiders" entstanden, der keine Lösung wollte und will, meinte Wittmann und wies auf eine Pressemeldung hin, in der Haider klar machte, dass er sowieso das tun werde, was er wolle. Deshalb bestehe die SPÖ auf die Sicherstellung der Rechtsdurchsetzung zum jetzigen Zeitpunkt. Nach dem Konsens habe die Kärntner Landesregierung aus der Öffnungsklausel ein Zustimmungsrecht der Gemeinden und des Landes gemacht, womit man den Grundkonsens verlassen habe. Auch der jetzt auf dem Tisch liegende Vorschlag entspreche nicht dem Konsens, behauptete Wittmann. Er rief den Bundeskanzler auf, die Ortstafeln dort aufstellen zu lassen, wo sie auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs hingehören.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) warf den Grünen eine abwertende Haltung gegenüber den Kärntnerinnen und Kärntnern vor, was er aufs Schärfste zurückwies. Die Grünen machten eine Politik auf dem Rücken der Kärntner Bevölkerung, stellte er fest. Die Gesamtlösung, die für das Land Frieden gebracht hätte, sei heute zu Grabe getragen worden und Totengräber sei die SPÖ. Für ihn sei es unfair, dass die Bundes-SPÖ ein Land aus parteipolitischem Kalkül opfert. Scheuch verteidigte Landeshauptmann Haider, der aus seiner Sicht nicht als Parteipolitiker agiert habe, sondern versucht habe, Kärnten zu vertreten. Er habe die Rechte der Minderheit schützen, aber auch den Wünschen und Sorgen der Mehrheit Rechnung tragen wollen. Hängen bleibe von der heutigen Sitzung, dass es diesem Parlament nicht gelungen sei, Frieden herzustellen und ein 30jähriges Problem zu lösen.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) replizierte auf die Ausführungen des Bundeskanzlers und betonte, dass es darum gehe, ein verfassungsmäßig gewährleistetes Recht der Minderheit umzusetzen. Dies könne nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Mehrheit das will oder nicht. Was die Regierung in den letzten Tagen und Wochen vorgelegt habe, schließe auch zweisprachige Ortstafeln für jene Orte aus, die knapp über 14 % Anteil an slowenischer Bevölkerung aufweisen. Das sei klar gegen die Bestimmungen des Staatsvertrages, den sie als die Magna Charta des Minderheitenschutzes in Österreich bezeichnete, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs. Der Minderheitenschutz sei Aufgabe der Mehrheit und die Politik habe den diesbezüglichen verfassungsgesetzlichen Rahmen nicht in Frage zu stellen. Tatsächlich aber versuche die Regierung mit der Vorlage den Verfassungsgerichtshof auszuschalten und den Minderheitenschutz einzuschränken.

Bundesministerin Mag. GASTINGER bedauerte es ausdrücklich, dass man nach fünf Jahren intensiver Verhandlungen unter Einbindung aller Betroffenen zu keiner einvernehmlichen Lösung gefunden habe. Sogar der Bundespräsident habe den Kompromiss als beste Lösung der letzten 50 Jahre bezeichnet, merkte sie an, und auch Präsident Adamovic habe sich ausdrücklich für die Lösung ausgesprochen. Daher halte sie es persönlich für "schlimm", wenn nun keine weiteren Ortstafeln aufgestellt werden können, weil die Rechtsgrundlage fehle. Das Bundesverfassungsgesetz hätte für Rechtssicherheit gesorgt, und das wäre im Interesse aller Kärntnerinnen und Kärntner gelegen. Denn die Mehrheit der Kärntnerinnen und Kärntner lebe friedvoll zusammen und hätte eine Lösung erwartet. Trotz allem hoffe sie persönlich auf eine Lösung noch in dieser Gesetzgebungsperiode.

Abgeordneter Ing. WINKLER (V) konnte es nicht nachvollziehen, dass der heutige Tag zu keinem historischen Tag und Festtag für Österreich und Kärnten geworden ist, sondern zu einem Trauertag. Die SPÖ habe die Chance verpasst, die Rechte der Kärntner Minderheit zu stärken. Alle Beteiligten hätten sich auf einen Kompromiss geeinigt, der im Sinne aller Interessensgruppen gelegen wäre. In einem vereinten Europa sei es unverständlich, dass es immer noch emotionale Grenzen gibt und deshalb wäre es begrüßenswert gewesen, der Polarisierung durch die Einigung ein Ende zu setzen. Die Vereinbarung hätte eine neue Qualität im Zusammenleben gebracht, sagte Winkler, die SPÖ sammle aber politisches Kleingeld, anstatt ihre staatspolitische Verantwortung wahrzunehmen.

Abgeordnete Mag. MUTTONEN (S) entgegnete, die SPÖ habe alles getan, um eine Lösung zu ermöglichen. Sie gab insbesondere Jörg Haider die Schuld, dass die große Lösung, der alle zugestimmt hätten, nun geplatzt sei. Denn nach der ursprünglichen Einigung habe ein "unschönes Feilschen" begonnen und nach Art der Salamitaktik sei Scheibchen für Scheibchen vom ausverhandelten Papier weggekommen. Haider habe keine Handschlagqualität und der Kompromiss habe von vornherein den Giftkern der Rücksichtnahme auf den Kärntner Landeshauptmann in sich getragen. Aufgabe des Bundeskanzlers wäre es, so Muttonen, eine Lösung zu finden. Schüssel habe sich aber als ein von Haider Getriebener von seinen Zusagen entfernt. Die Regierung wolle die Judikatur aushebeln und die Rechte des Staatsvertrages einengen. Sie habe sich zu lange Zeit gelassen und wolle jetzt eine Lösung durchpeitschen.

Für Abgeordneten FAULAND (F) komme die SPÖ von ihrem Kainsmal nicht mehr weg, über die eigene Landesgruppe drüberzufahren und den Konsens zu verlassen. Sie habe 30 Jahre lang den Bundeskanzler gestellt und nichts getan. Der gegenwärtigen Bundesregierung sei es gelungen, eine dauerhafte Lösung auf den Tisch zu legen. Die Volksgruppenpolitik beurteilte Fauland insgesamt als zwiespältig und zitierte den SPÖ-Landtagspräsidenten im Burgenland, der mehrmals öffentlich darauf hingewiesen habe, man dürfe die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden nicht ausschließen. Das "mimosenhafte" Verhalten der SPÖ halte er für unfair und bedauerlich, weil damit eine Chance vertan worden sei.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) stellte aus ihrer Sicht klar, dass es nicht darum gehen könne, einen Schlussstrich zu ziehen, sondern dass es nur um den Schutz der Minderheit in Gegenwart und Zukunft gehen müsse. Ihrer Ansicht nach befindet sich der Bundeskanzler in der Geiselhaft Haiders, denn dieser sei es, der sich nicht an Artikel 7 des Staatsvertrags und an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs halte. Nur deshalb habe man die gegenwärtige Diskussion. Der Bundeskanzler hätte es in der Hand, eine Verordnung zu erlassen und dafür zu sorgen, dass die Tafeln aufgestellt werden. Den von ihm vorgeschlagenen Entschließungsantrag hält sie für eine "Chuzpe". Die Verfassungsbestimmung bezeichnete sie "historisch erbärmlich" und "europäisch erbärmlich". Wovor fürchtet man sich in einem gemeinsamen Europa, fragte sie. Abschließend brachte sie einen Entschließungsantrag der Grünen ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, dem Nationalrat umgehend einen Entwurf zu einem verfassungskonformen Volksgruppengesetz vorzulegen. Dieses soll gewährleisten, dass weder Landeshauptmann noch Bürgermeister die Möglichkeit haben, die Umsetzung des Gesetzes zu verhindern. Das Recht des Verfassungsgerichtshofs, die Umsetzung des Staatsvertrags zu prüfen, dürfe nicht beschnitten werden.

Bei der Abstimmung wurde der Rückverweisungsantrag des Abgeordneten Scheibner zum Antrag 849/A mit den Stimmen der Abgeordneten von ÖVP und Freiheitlichem Parlamentsklub mehrheitlich angenommen.

Der gesamtändernde Abänderungsantrag des Abgeordneten Cap zum Antrag 848/A erhielt nur die Unterstützung der SPÖ und damit nicht die erforderliche verfassungsmäßige Zweidrittelmehrheit. Ebenso wenig erhielt der Antrag 848/A des Abgeordneten Molterer unter Berücksichtigung des gesamtändernden Abänderungsantrages die erforderliche verfassungsmäßige Zweidrittelmehrheit, da er nur von ÖVP und F unterstützt wurde.

Abgelehnt wurde schließlich auch der Entschließungsantrag der Grünen. Dieser erhielt nur die Unterstützung der eigenen Fraktion.

(Schluss Ortstafeln/Forts. NR)