Parlamentskorrespondenz Nr. 713 vom 27.07.2006

Fragestunde mit Finanzminister Grasser im Bundesrat

Gedenkminute für die im Libanon getöteten vier UN-Soldaten

Wien (PK) - Bundesratspräsident Gottfried Kneifel eröffnete die 737.  Sitzung des Bundesrates mit einer Fragestunde, in der Finanzminister Mag. Grasser den Bundesräten Rede und Antwort stand. Thematisch galten die Fragen einer objektiven Amtsführung, der Kontrolle illegaler Beschäftigung, der Finanzmarktaufsicht und den Auswirkungen der Steuerreform.

BR-Präsident Kneifel für unverzügliche Einstellung der Kampfmaßnahmen

Vor Aufruf der Fragen hielt der Bundesrat eine Gedenkminute für die vier UN-Soldaten ab, die gestern in der Krisenregion Libanon in ihrem Dienst für Frieden, Freiheit und Sicherheit durch israelische Treffer getötet wurden. Bundesratspräsident Kneifel brachte seine Anteilnahme für die Familien der Opfer zum Ausdruck und appellierte an die Kriegsparteien sowie an die diese unterstützenden Staaten, die Kampfmaßnahmen unverzüglich einzustellen und zu den Mitteln der friedlichen Konfliktlösung zurückzukehren. Präsident Kneifel dankte dem Bundespräsidenten und der Außenministerin für die Verurteilung der Aktion, die den Tod der UN-Soldaten verursacht hat. Kneifels Hoffnung richtete sich auf einen baldigen Waffenstillstand als Voraussetzung für neue Friedensverhandlungen.      

Fragestunde

Bundesrat KONECNY (S): Sollte die Anleitung aus der Anti-Korruptions-Broschüre des Bundesministeriums für Finanzen „Lehnen Sie Geschenke und Vorteile konsequent ab!“ nicht nur für Ressortbedienstete, sondern auch für Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre gelten, um eine unbeeinflusste und objektive Amtsführung zu garantieren?

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Finanzminister Mag. GRASSER machte auf Unterschiede in der Rechtslage zwischen Regierungsmitgliedern auf der einen sowie Beamten und Vertragsbediensteten auf der anderen Seite aufmerksam; die zitierte Broschüre betreffe ausschließlich Beamte und Vertragsbedienstete. Dort sei festgehalten, dass bestehende Freundschaften von den Bestimmungen nicht berührt seien. Seine Arbeitskraft gehöre der österreichischen Bevölkerung, hielt Grasser fest. Diese Aufgaben nehme er völlig unbeeinflusst und unabhängig wahr. Sein Privatleben allerdings gehöre nur ihm selbst, er werde sich von niemandem vorschreiben lasse, wann, wie oft und wo er seine Freunde treffe.

In Antworten auf Zusatzfragen erinnerte Minister Grasser an kritische Stellungnahmen des Rechnungshofes zu Gratisflügen des ehemaligen sozialdemokratischen Bundeskanzlers Vranitzky. Von allen Anschuldigungen, die von der Opposition an seine, Grassers, Person gerichtet wurden, sei nichts geblieben als rechtskräftige Verurteilungen der SPÖ und eines Grünen Abgeordneten wegen unhaltbarer Vorwürfe. In diesem Zusammenhang sprach der Finanzminister von "dirty campaigning".

Bundesrat Dr. KÜHNEL (V): Wird bei der jetzigen durch das „Betrugsbekämpfungsgesetz 2006“ initiierten KIAB-Reform (Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung) auf die gerechte Aufteilung der Kontrollorgane zwischen den Bundesländern geachtet?

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Bundesminister Mag. GRASSER teilte mit, dass die KIAB-Mitarbeiter nach sachlichen Kriterien, etwa nach Betriebs- und Bevölkerungszahlen, auf die Regionen aufgeteilt werden. Der Probebetrieb im Burgenland zur Umsetzung der Vorschrift, Arbeitnehmer bereits vor Arbeitsantritt anzumelden, funktioniere. Negativ überrascht zeigte sich der Ressortleiter, dass bei 473 Betriebsüberprüfungen seit Jahresbeginn 74 Betriebe beanstandet werden mussten. Von 1.607 Arbeitnehmern waren 275 nicht angemeldet.

Die Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung bilde einen Schwerpunkt der Bundesregierung, bekräftigte Minister Grasser und erinnerte daran, dass die Zahl der KIAB-Mitarbeiter während der letzten Jahre von 40 auf 327 erhöht wurde. Damit sei auch die Kontrolle im Zusammenhang mit der neuen Dienstleistungsrichtlinie gewährleistet. Grasser lobte ausdrücklich das große Engagement der KIAB-Mitarbeiter.

Bundesrätin Dr. LICHTENECKER (G): Wie haben sich die Einnahmen aus der KÖST von 2000 bis 2005 entwickelt und wie wird die voraussichtliche Entwicklung von 2006 bis 2009 sein?

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Finanzminister Mag. GRASSER teilte mit, dass sich die KÖST-Einnahmen in den Jahren 2000 bis 2005 von 3,865 Mrd. € auf 6,635 Mrd. € erhöht haben. Zwischen 2000 und 2004 machten die Einnahmen im Durchschnitt 4,3 bis 4,5 Mrd. € aus, 2005 konnten höhere Einnahmen erzielt werden. Für 2006 und 2007 erwartet Grasser jeweils Einnahmen zwischen 3,5 bis 4 Mrd. €. Für 2008 werden 4,5 bis 4,6 Mrd. € prognostiziert, für 2009 5 Mrd. €. - Die Länder werden ausreichend Mittel zur Verfügung haben, um ihre Aufgaben zu erfüllen, zeigte sich der Finanzminister überzeugt.

Auf Steuerausfälle infolge der Gruppenbesteuerung angesprochen, informierte Minister Grasser darüber, dass er für 2005 Einnahmenminderungen in der Höhe zwischen 130 bis 180 Mill. € erwarte. Dem stünden Wachstums- und Beschäftigungseffekte durch die Steuerreform gegenüber, die diesen Ausfall kompensierten. Auch kleine und mittlere Unternehmen beginnen die Gruppenbesteuerung zunehmend zu nutzen. Die Gruppenbesteuerung bringe deutliche Vorteile für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich.

Den Schwerpunkt Betrugsbekämpfung der Bundesregierung machte der Finanzminister plausibel, indem er darauf aufmerksam machte, dass der private Konsum infolge der Steuerreform um 14 %, die Umsatzsteuereinnahmen aber nur um 13 % zugenommen haben.

Bundesrat KALTENBACHER (S): Wie war der genaue Aktenlauf im Finanzministerium vom Einlangen bis zur Ablage des Berichtes der Nationalbank über die bei der Hypo Alpe-Adria-Bank AG vom 4. September 2001 bis 21. November 2001 durchgeführten Erhebungen gem. § 70 Abs. 1 BWG?

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Finanzminister GRASSER berichtete vom Beschluss der zuständigen Expertenkommission auf Vor-Ort-Prüfung der Marktrisiken im Jahr 2001. Diese Prüfung wurde 2001 auf die Themen Risikomanagement und Großkreditrisken erweitert. 2001 wurde auch die Nationalbank mit Prüfungen beauftragt. Im September 2001 habe er die Prüfung von Risken u.a. im Kroatien-Geschäft verlangt, sagte Grasser. Die Notenbank-Prüfung begann noch im September 2001 und wurde im Jänner 2002 abgeschlossen. Es habe weder Gefahr im Verzug noch Gläubigergefährdung bestanden. Der Prüfbericht zeigte, dass keine Verletzung des Bankwesengesetzes vorlag und es damit auch keine Basis für einen aufsichtsrechtlichen Bescheid gab.

Dem Prüfbericht der Notenbank sei Handlungsbedarf für die Bank insofern zu entnehmen gewesen, als Mängel bei der Konzernsteuerung, beim Rating-System und bei den Zielvorgaben im Risikobereich festgestellt wurden. Diesen Mängeln sei von den Prüfern aber keine zentrale Bedeutung für die Bank beigemessen worden. Es gebe auch keine Kausalität zwischen den Feststellungen im genannten Prüfbericht und den 2004 eingetretenen Verlusten, hielt der Finanzminister fest.  

Bundesrat MAYER (V): Welche Maßnahmen werden gesetzt, um die Länder Tirol und Vorarlberg, die enorme Schäden an ehemaligen Bundesstraßen B zu verzeichnen haben, für die bisher keine Mittel aus dem Katastrophenfonds vorgesehen waren, zu unterstützen?

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Der FINANZMINISTER leitete seine Antwort mit der Feststellung ein, die Bundesländer hätten wegen geringer Schadensfälle in den letzten Jahren von der Übertragung der Bundesstraßen B und der Katastrophenfondsmittel profitiert. Über die in Vorarlberg und Tirol zuletzt aufgetretenen Schäden mit einer Gesamtsumme von 50 Mill. € habe er mit den Landeshauptleuten ein 15 Mill. €-Hilfspaket vereinbart, das 5 Mill. € an Bundesmitteln enthalte. Die Umsetzung dieses Pakets setze eine Novelle des Katastrophenfondsgesetzes voraus, die in der nächsten Gesetzgebungsperiode möglichst rasch beschlossen werden soll, so der Minister.

Bundesrat MITTERER (o.F): Welche Konsequenzen wären eingetreten, wenn das BAWAG P.S.K – Sicherungsgesetz nicht beschlossen worden wäre?

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Finanzminister Mag. GRASSER bezifferte den Gesamtschaden mit mehr als 3 Mrd. € und wies darauf hin, dass insgesamt 120 Stiftungen und Sondergesellschaften gegründet worden waren, um Verluste aus hoch riskanten Spekulationen zu verschleiern. Ohne das BAWAG-Sicherungsgesetz wäre die Insolvenz der viertgrößten Bank Österreichs eingetreten. Dieses Gesetz habe Arbeitsplätze und Sparguthaben gesichert und Schaden vom Finanzplatz Österreich abgewendet. Dies auch im Interesse des Steuerzahlers, da aus der Haftung des Bundes für die PSK sowie durch die staatliche Einlagensicherung der Schaden für den Steuerzahler deutlich höher wäre als selbst im Falle der gänzlichen Inanspruchnahme der 900 Mill. €-Bundeshaftung für die BAWAG.

In seinen Antworten auf Zusatzfragen führte der Finanzminister einmal mehr aus, dass bei der BAWAG systematisch gelogen wurde, um unverantwortliche Spekulationsgeschäfte abwickeln zu können. Den schriftlichen Berichten, die den Aufsichtsorganen vorgelegt wurden, waren keinerlei Hinweise auf Verluste, Probleme oder die ÖBG-Haftung für die BAWAG zu entnehmen. Der Wirtschaftsprüfer habe das Risikomanagement der BAWAG vielmehr in den höchsten Tönen gelobt. Grasser äußerte den Verdacht, dass Vorstand, Aufsichtsrat und Eigentümer der BAWAG zusammengewirkt und strafrechtliche Handlungen gesetzt haben. Er sei an einer schlagkräftigen Bankenaufsicht interessiert, sagte Grasser und erinnerte daran, dass er bereits am Beginn seiner Amtsführung für eine verbesserte Finanzmarktaufsicht gesorgt habe.

Bundesrat Dr. GUMPLMAIER (S): Welche Steuerersparnis brachte Ihre so gelobte Steuerreform im Jahr 2005 den hundert reichsten ÖsterreicherInnen (siehe Trend 7-8/2006)?

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Bundesminister Mag. GRASSER rechnete den Bundesräten vor, die Steuerreform habe Steuerzahlern mit einem Einkommen von mehr als 51.000 € eine Entlastung von 165 € gebracht. Eine allein erziehende Mutter profitiere aber mit 700 € netto. Daher konnten Experten zuletzt feststellen, die Steuerreform habe keine Umverteilung "von unten nach oben" gebracht.

Auf die Feststellung des Fragestellers, das Vermögen der hundert reichsten Österreicher habe seit der Steuerreform um 18 Mrd. € auf 356 Mrd. € und die Gewinne an der Börse um 116 % zugenommen, reagierte der Finanzminister erfreut, weil es zeige, dass in den österreichischen Unternehmen tüchtige Manager und Arbeitnehmer tätig seien. Sozial sei, was Arbeit schaffe, zeigte sich Grasser überzeugt und meinte: Gewinne schaffen die Basis für ein engmaschiges und solidarisches Sozialnetz.

Von einer Steuerreform profitieren in erster Linie Steuerzahler, sie seien die Zielgruppe einer solchen Reform. Menschen mit geringem Einkommen seien hingegen die Zielgruppe einer guten Sozialpolitik, die von der Bundesregierung in den letzten Jahren verbessert worden sei, was der Minister mit der steigenden Sozialquote nachzuweisen versuchte.

Die Normverbrauchsabgabe bezeichnete Grasser als eine "gescheite Konstruktion", weil sie Fahrzeuge mit hohem Treibstoffverbrauch zugunsten der Umwelt höher besteuere als Fahrzeuge mit geringem Spritverbrauch.

Die günstigen Auswirkungen der Steuerreform illustrierte Grasser, indem er das überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum Österreichs, die drittniedrigste Inflationsrate in Europa, die Zunahme der Beschäftigung und die Verringerung der Arbeitslosigkeit darstellte. Er sehe keine Alternative zur Wirtschafts-, Finanz-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik dieser Bundesregierung, sagte Finanzminister Mag. Grasser.

Bundesrätin ROTH-HALVAX (V): Wie werden sich nach der aktuellen Einschätzung des Bundes die Ertragsanteile der Länder und Gemeinden und die Bedarfszuweisungen an die Länder bis zum Ende der laufenden FAG-Periode entwickeln?

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Nach einem Minus von 1,5 % im Jahr 2006 werden die Ertragsanteile der Länder im Jahr 2007 um 3,6 % und im Jahr 2008 um 5,4 % steigen, prognostizierte der FINANZMINISTER. Die Gemeinden verzeichnen 2006 ein Minus von 0,7 %. 2007 werden sie um 4,3 % und 2008 um 5,1 % höhere Ertragsanteile erzielen. Die Werte des Jahres 2006 seien auch durch hohe Vergleichswerte des Jahres 2005 erklärbar, sagte der Minister und teilte weiters mit, dass die Bedarfszuweisungen im Jahr 2006 um 5,2 %, 2007 um 5,1 % und 2008 um 19 % steigen werden.

Die Aussage, Investitionen der Gemeinden gingen zurück, wies der Finanzminister als unrichtig zurück. Die Ertragsanteile der Gemeinden seien seit 1995 von 4,419 Mrd. € über 5,693 Mrd. € (2000) auf 6,437 Mrd. € (2005) gestiegen und werden 2008 7 Mrd. € ausmachen.

Die Bundesregierung habe die Einnahmenquote gesenkt, die Steuerzahler entlastet und gleichzeitig dafür gesorgt, dass Bund, Länder und Gemeinden mehr Geld zur Verfügung haben. "Wir werden alles tun, um Rot-Grün zu verhindern und eine positive Wirtschaft- und Finanzpolitik fortzusetzen", schloss Finanzminister Grasser. (Schluss)


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