Parlamentskorrespondenz Nr. 749 vom 21.09.2006

Bilanz zur Frauenpolitik in der Aktuellen Stunde des Nationalrates

Kontroverse zwischen Opposition und Regierung beim Thema Teilzeit

Wien (PK) - Auf Vorschlag der Grünen leitete der Nationalrat seine heutige 163. Plenarsitzung mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "Vorrang für Frauen - Initiativen zur Förderung von Frauen am Arbeitsmarkt, in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst" ein. In der kontroversiellen Debatte zogen Bundesministerin Rauch-Kallat und die VertreterInnen der Regierungsfraktionen eine positive Bilanz zur Frauenpolitik der letzten Jahre, während die Oppositionssprecher harsche Kritik formulierten.

Als größtes Problem der österreichischen Frauen bezeichnete Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) die Einkommensschere. "Im Durchschnitt verdient ein Mann im Laufe seines Lebens um 250.000 € mehr als eine Frau." Die Bundesregierung habe nichts getan, um dies zu ändern, sagte die Rednerin und klagte zugleich über die starke Zunahme der Teilzeitbeschäftigungen von Frauen. Teilzeit bedeute weniger Geld, schlechte Aufstiegschancen und Armut im Alter. Wenn die Bundesregierung von steigender Frauenbeschäftigung rede, müsse man wissen, dass die Frauen insgesamt weniger Arbeit haben als noch vor sieben Jahren. "Diese Regierung hat an jedem Tag ihrer Verantwortung 18 Frauen arbeitslos gemacht", kritisierte die Abgeordnete weiter. Das positive skandinavische Beispiel zeige demgegenüber, dass die Politik die Entwicklung beeinflussen könne.

Die Grünen wollen mehr Arbeitsplätze für die Frauen schaffen, in der Wirtschaft, im öffentlichen Dienst und an den Universitäten. Während die Bundesregierung, etwa Umweltminister Pröll, nur Männer zu Sektionschefs mache, obwohl qualifizierte Frauen zur Verfügung stünden, wollen die Grünen mehr Frauen in Spitzenpositionen bringen. Insgesamt sollen jährlich 10.000 Arbeitsplätze mehr für die Frauen geschaffen werden, spezielle Qualifizierungsprogramme nach der Babypause eingerichtet, das Kindergeld erhöht und die partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit unterstützt werden. Ein Zwang zu Hause zu bleiben, komme für die Grünen nicht in Frage, stellte Glawischnig-Piesczek klar. Mit Empörung reagierte die Rednerin auf die jüngste Äußerung des Bundeskanzlers, Emanzen würden vor ihm "flachliegen", wäre er ein Linker. "Geht es noch tiefer?" lautete die Frage von Glawischnig-Piesczek dazu.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT korrigierte die Aussagen ihrer Vorrednerin, indem sie klarstellte, die Frauenbeschäftigung habe 2006 ein noch nie erreichtes Rekordniveau erreicht. Das Ziel der Grünen, 10.000 Frauenarbeitsplätze pro Jahr zu schaffen, sei wenig ehrgeizig, wenn man denke, dass die derzeitige Regierung in jedem Jahr seit ihrem Antritt 30.000 Frauenarbeitsplätze geschaffen habe. Die Ministerin erinnerte an erfolgreiche Qualifizierungsmaßnahmen und wies die Aussage zurück, Frauen wollten keine Teilzeitarbeit. Tatsächlich seien mehr als 80 % der teilzeitbeschäftigten Frauen mit ihren Jobs zufrieden. Die ÖVP habe für Teilzeitarbeitsmöglichkeiten der Frauen gekämpft, während SPÖ und Grüne dagegen gewesen seien. Der Erfolg gebe der Bundesregierung recht, während die Frauenarbeitslosigkeit in der EU bei 9 % liege, betrage dieser Wert in Österreich 5,3 % und gehe weiter zurück, ebenso wie die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen und der älteren Menschen.

In ihren weiteren Ausführungen listete die Ressortleiterin die beschäftigungspolitischen Maßnahmen, die Qualifizierungsprogramme und den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen auf und kündigte an, in Zukunft noch mehr für die Einbeziehung der Väter in die Kinderbetreuung zu tun - nicht mit Zwang, sondern mit Unterstützung und durch Überzeugungsarbeit. Unternehmen, die Wiedereinsteigerinnen beschäftigen, werden unterstützt, Frauen für Pflegeberufe bis hin zur Diplomkrankenschwester qualifiziert und Frauen im öffentlichen Dienst gezielt gefördert.

Für sie sei auch die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen untragbar, gab die Ministerin ihrer Vorrednerin Recht. Die Regierung sei aber auf dem richtigen Weg und konnte das Missverhältnis von 21 % auf 18 % reduzieren. Wichtig sei es, Frauen künftig nach der Unterbrechung ihrer Berufstätigkeit stärker zu unterstützen. - SPÖ und Grüne haben keinen Alleinvertretungsanspruch für die Frauen, sagte Ministerin Rauch-Kallat und warf den Grünen vor, frauenpolitische Aussagen des Bundeskanzlers bewusst misszuverstehen.

Abgeordnete MAREK (V) reagierte auf die Kritik der Grünen an Bundeskanzler Schüssel und warf ihnen vor, T-Shirts mit sexistischen Angriffen auf Bildungsministerin Gehrer zu verkaufen. Die Aussagen Glawischnig-Pieszceks über die Entwicklung am Frauenarbeitsmarkt wies die Rednerin zurück: Heute haben 97.000 Frauen mehr Arbeit als 2005 und zugleich sei die Frauenarbeitslosigkeit um 7.000 zurückgegangen. Die Opposition schüre Ängste bei den Frauen und übersehe, dass das AMS jährlich 100 Mill. € zur Förderung von Frauen einsetze. Die Regierung habe das Beschäftigungsverbot in der Karenz beseitigt, lobte die Rednerin und kündigte eine weitere Verbesserung des Kinderbetreuungsgeldes auf Grund der Evaluierungsstudie an. Dass Frauen Teilzeitjobs wollen, gehe aus der Tatsache hervor, dass sich derzeit 28.000 Frauen um 4.000 offene Teilzeitjobs bewerben.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) warf der Regierung vor, kein Konzept für eine gerechte Verteilung der Arbeit zu haben. Sie betreibe keine Gleichstellungspolitik, was von Experten und auch von ÖVP-Politikerinnen bestätigt werde. Viele Frauen seien gezwungen Teilzeitjobs anzunehmen, von denen sie nicht leben können. Mit seiner jüngsten Aussage erinnere Bundeskanzler Schüssel an Äußerungen über Homosexuelle und gegen den deutschen Bundesbankchef, erinnerte sich Heinisch-Hosek und "übersetzte" Schüssels gestrige Aussage über "Emanzen", um zu verdeutlichen, wie sie die Aussage des Bundeskanzlers verstehe: "Ich bin ein Rechter und erwarte mir Unterwürfigkeit, Dankbarkeit und unbedingten Gehorsam".

Abgeordnete DI ACHLEITNER (F) warf SPÖ und Grünen vor, im Innviertel die Frauenausschüsse und damit eine wichtige Mitsprachemöglichkeit für Frauen abgeschafft zu haben. Die Bundesregierung hingegen betreibe eine erfolgreiche Frauen- und Wirtschaftspolitik. Daher habe Österreich eine bessere Beschäftigungsquote als die skandinavischen Länder. Die Frauenbeschäftigung steige, während die Frauenarbeitslosigkeit abnehme. Achleitner lobte frauenspezifische Förderungsmaßnahmen des AMS und insbesondere auch die Förderung von Frauen in Wissenschaft und Forschung. Die Zahl der Frauen, die Teilzeitbeschäftigungen wollen, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren, bezifferte die Abgeordnete mit 94 %. Für die Zukunft sei es wichtig, die Einkommensschere zu schließen, das Kinderbetreuungsgeld auszubauen und Familienkosten steuerlich absetzbar zu machen.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) wies die Interpretation beschäftigungsstatistischer Daten für Frauen, wie sie von der Regierungsseite dargelegt wurden, zurück. Beim Vergleich mit Skandinavien müsste berücksichtigt werden, dass sich die skandinavischen Quoten auf Vollzeitarbeitsplätze beziehen. Dass Frauen Teilzeitjobs bevorzugten, bezweifle er, sagte Van der Bellen und hielt es angesichts der Konsequenzen für unverantwortlich, Frauen Teilzeitbeschäftigungen zu empfehlen. Teilzeit bedeute geringe Aufstiegschancen und Nachteile in der Altersversorgung. Vielmehr gehe es um bessere Angebote bei der Kinderbetreuung: mehr und bessere Kindergärten sowie mehr Ganztagsschulen mit einem pädagogischen Konzept statt bloßer Nachmittagsbetreuung. Österreich könne es sich nicht leisten, die Diskriminierung der Frauen am Arbeitsplatz beizubehalten, schloss Van der Bellen.

Abgeordnete RIENER (V) rückte Aussagen der Opposition über Frauen im öffentlichen Dienst zurecht. Obwohl gespart werde, sei dort der Anteil der Frauen um 2,1 % auf 38 % gestiegen, bei Akademikern von 38,1 % auf 50,3 %. Es werden fast nur noch Frauen aufgenommen, lobte die Rednerin. Außerdem wies sie darauf hin, dass die Frauenförderpläne in den Ministerien und an den Universitäten erfolgreich umgesetzt werden und ein Mentoring-Projekt zur Entwicklung von Frauennetzwerken laufe.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT trat der Aussage des Abgeordneten Van der Bellen entgegen, Teilzeitbeschäftigung sei mit Nachteilen bei der Weiterbildung verbunden. Tatsächlich sei es genau umgekehrt. Weiterbildung sei für Frauen mit Familie oft nur auf der Grundlage von Teilzeitarbeit möglich. Arbeitsmarktpolitik setze eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik voraus, das zeige vor allem der Vergleich mit Deutschland, das von einer rot-grünen Regierung in den wirtschaftlichen Abgrund geführt worden sei. Den Sozialdemokraten warf die Ministerin vor, in der Zeit ihrer Regierungsverantwortung die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes für Bäuerinnen, Studentinnen und Hausfrauen verhindert zu haben. Die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes bezeichnete die Ministerin als wichtigste Maßnahme gegen die Frauenarmut und erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die Steuerreform und an die Anerkennung der Familienarbeit im Pensionsrecht.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) kritisierte die "Ministrantenrolle", die die Frauenministern in der Regierung Schüssel einnehme, was darin zum Ausdruck komme, dass Rauch-Kallat auf Kritik an der Pensionsreform verzichtet habe, obwohl diese Reform die Position der Frauen verschlechtert und die Gefahr der Altersarmut erhöht habe. Auch Abgeordnete Kuntzl problematisierte den starken Anteil der Teilzeitbeschäftigung bei den Frauen, was zu geringeren Einkommen und schlechteren beruflichen Aufstiegschancen für die Frauen führe. Ablesbar sei dies auch am Phänomen der "Working Poor" - Menschen, die arbeiten und dennoch auf Sozialhilfe angewiesen sind. Die Verantwortung für diese Entwicklung trage die Regierung Schüssel.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) brach eine Lanze für die Teilzeitbeschäftigung von Frauen, die berufstätig sein, aber auch Zeit für ihre Kinder haben wollen. Diesen Frauen helfe die Entscheidung der Bundesregierung, Erziehungszeiten als pensionsbegründende Zeiten anzuerkennen, ein Fortschritt, dem sich die SPÖ immer verschlossen habe. Die Sozialdemokraten sollten, wenn sie über die Einkommensschere und die Altersarmut von Frauen klagten, daran denken, dass diese Entwicklung auf Versäumnisse aus der Zeit ihrer Regierungsverantwortung zurückgehe. Das BZÖ wolle die Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld abschaffen, einen freiwilligen Vatermonat einführen und Kinderbetreuungseinrichtungen ausbauen, schloss Abgeordnete Bleckmann.

Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) verlangte von Bundeskanzler Schüssel, sich für seine gestrige Entgleisung zu entschuldigen und kritisierte den Versuch der Frauenministerin, die katastrophale Bilanz der Frauenpolitik schönzureden. Frauen seien in Top-Positionen des öffentlichen Dienstes nach wie vor rar, klagte Weinzinger und erinnerte Rauch-Kallat, dass die Bewerberin, die sie bei der Besetzung einer Leiterstelle in ihrem Ministerium übergangen habe, ein Gleichbehandlungsverfahren gewonnen habe. Von Fortschritten auf dem Weg zum Schließen der Einkommensschere zu reden, sei unangebracht, kritisierte sie. 1995 betrug das durchschnittliche Frauengehalt 68,8 % eines Männergehalts; 2005 lag die Relation bei 67,2 %. Die Frauenarbeitslosigkeit steige weiter und von freiwilliger Teilzeitarbeit könne keine Rede sein. Für viele Frauen bedeute Teilzeitarbeit lediglich, wöchentlich 40- bis 50-Stunden zu arbeiten, ohne Überstundenzuschläge zu bekommen. (Schluss)