Parlamentskorrespondenz Nr. 49 vom 30.01.2007

Grüne fordern Klimaschutz jetzt!

Aktuelle Stunde im Nationalrat

Wien (PK) - Die heutige Sitzung des Nationalrates wurde mit einer von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde zum Thema "Schluss mit Lippenbekenntnissen: Klimaschutz jetzt – der Jobmotor der Zukunft!" eingeleitet. Unmittelbar zu Beginn der Sitzung wurde Laura Rudas als neue Abgeordnete angelobt; sie übernahm das Mandat der nunmehrigen Frauenministerin Doris Bures.

Die Dritte Präsidentin des Nationalrates Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) warf als erste Rednerin Bundesminister Pröll vor, auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit als Umweltminister wenig Glaubwürdigkeit in Fragen des Umweltschutzes zu besitzen. Zur Untermauerung führte sie die Entwicklung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien und des Ökostroms an, dessen Anteil von 70 % im Jahr 1996 mittlerweile auf 57 % gesunken sei. Es sei daher fraglich, wie man auf einen Anteil von 80 % kommen wolle, wie im Regierungsprogramm angekündigt, bemerkte Glawischnig-Piesczek. Dieses enthalte nämlich keinerlei konkrete Maßnahmen und Finanzierungsvorschläge.

Glawischnig-Piesczek kritisierte auch scharf das Verhalten Österreichs auf EU-Ebene, wobei sie von "haarsträubenden Positionen" sprach. Im Gegensatz zu anderen innovativen Ländern agiere Österreich in Brüssel als Lobbyist gegen die Energiewende und gegen Klimaschutzziele über Kyoto hinaus. Österreich stehe damit in der EU als Bremser da, sagte Glawischnig-Piesczek. Große Schuld an diesem Verhalten wies sie Bundesminister Bartenstein zu, der ihrer Ansicht nach ambitionierte Ziele verhindere, obwohl aktiver Klimaschutz auch ein wirtschaftspolitisches Gebot sei, da er für die Betriebe neue Chancen eröffne und Arbeitsplätze schaffe. So habe beispielsweise das WIFO ein Potential von rund 100.000 neuen Arbeitsplätzen in dieser Branche prognostiziert, sagte sie. Es sei daher höchst an der Zeit, konkrete Schritte und Maßnahmen zu setzen.

Glawischnig-Piesczek kündigte daher einen umfassenden Antrag der Grünen an, der weitreichende Vorschläge enthalte, um die Energiewende zu schaffen, neue Arbeitsplätze zu ermöglichen und die Haushalte zu entlasten. Sie erwarte sich darüber eine ernsthafte parlamentarische Diskussion, so die Dritte Präsidentin des Nationalrates.

In seiner Stellungnahme unterstrich Bundesminister PRÖLL, die Regierung handle, die Grünen redeten aber nur. Zur Untermauerung seiner Argumentation zitierte er Daten, die Österreich auf Platz fünf unter 30 Wirtschaftsnationen im Bereich Umweltschutz aufweisen. Österreich und die EU würden international eine Vorbildwirkung ausüben, betonte Pröll, und Österreich habe es auch geschafft, den Emissionsausstoß von der Wirtschaftsleistung zu entkoppeln. Während der EU-Präsidentschaft habe Österreich wesentliche Impulse gesetzt, erinnerte der Umweltminister und erwähnte u.a. das Ziel der EU, bis 2020 Energie um 20 % einzusparen und bis 2015 den Anteil an erneuerbaren Energien auf 15 %, den Anteil an Biokraftstoffen auf 8 % zu steigern. Man habe auch das Signal gesetzt, dass Atomkraft keine Lösung für den Klimaschutz darstelle, so Pröll weiter, man habe einen Biomasse-Aktionsplan entwickelt und eine EU-Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet.

In Österreich habe man die Bundesmittel um 30 Mill. € pro Jahr für den Klimaschutz erhöht, das Ökostromgesetz auf den Weg gebracht, die Energieeffizienz forciert und das Road-Pricing für Lkw eingeführt, was einen wichtigen Schritt zur Kostenwahrheit darstelle. Der österreichische Emissionshandelsplan mit der Deckelung für die österreichische Industrie gelte in der EU als vorbildlich, bemerkte Pröll. Die Förderung der Umwelttechnologie sei ein Jobmotor, und er werde daher auch weiterhin gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister und den Industrien die Umwelttechnologie forcieren.

Was das Regierungsprogramm betreffe, so habe es noch nie zuvor derart ambitionierte Ziele und Maßnahmen für den Klimaschutz gegeben, hielt Pröll fest. Hauptziel sei eine weitere Verbesserung der Energieeffizienz und die Hebung des Anteils an erneuerbaren Energieträgern auf 80 % bis zum Jahr 2010. In diesem Jahr wolle man auch die Beimischung zum Sprit auf 10 % erhöhen. Der Umweltminister setzte auch große Hoffnungen in den Energie- und Klimaschutzfonds, der mit 500 Mill. € dotiert ist, und fasste zusammen, eine alternative Energiezukunft sei sowohl gut für die Umwelt als auch gut für den ländlichen Raum.

Die neue Umweltsprecherin der SPÖ, Abgeordnete BAYR, begann ihren Debattenbeitrag mit den Worten: "Die Welt hat Fieber". Der österreichische Beitrag zum Klimaschutz sei dringend notwendig. Sie begrüße daher die Ankündigungen von Bundesminister Pröll, erhoffe sich aber auch eine ehrliche Diskussion im Parlament im Sinne einer gesunden Umwelt. Man müsse nämlich nachdenken, sagte Bayr, wie eine post-fossile Ära konkret aussehen soll. Heute in die Förderung von alternativen Energien zu investieren, sei auch eine Investition in zukünftige Arbeitsplätze. Bayr forderte den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und trat dafür ein, sich aktiv in den Nach-Kyoto-Prozess einzubringen mit dem Ziel, ein breites und tragfähiges Übereinkommen zu erreichen. Bayr hielt auch einen verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen in den Entwicklungsländern für unabdingbar.

Abgeordneter KOPF (V) wies auf die internationale Komponente eines effektiven Klimaschutzes hin und erinnerte daran, dass Österreich die Probleme frühzeitig erkannt und Maßnahmen eingeleitet habe. Den Grünen warf er Panikmache vor, denn das Umweltprogramm der vergangenen Regierung sei jenes gewesen, das man im Jahr 2002 mit den Grünen ausverhandelt habe. Trotz Wirtschaftswachstums sei der Emissionsausstoß um 20 % gesunken, argumentierte Kopf und erwähnte ebenfalls das Road-Pricing für Lkw und die frühzeitige Umsetzung der Biogasstoff-Richtlinie. Es seien auch massive Anstrengungen im Bereich der erneuerbaren Energien getätigt worden. Klimaschutz stelle aber nicht nur eine Verantwortung für das Budget und die Politik dar, merkte Kopf an, sondern für jeden einzelnen. Denn das größte Problem sei der Verkehr, und hier könne jeder etwas zum Klimaschutz beitragen.

Im Gegensatz zu ihrem Vorredner bezweifelte Abgeordnete Dr. MOSER (G) die Vorbildfunktion Österreichs. Wenn man die Bevölkerung aufrufe, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, so müsse man dies auch ermöglichen. In Österreich erlebe man dabei aber seine blauen, schwarzen und roten Wunder, bemerkte Moser und kritisierte, dass man im Hinblick auf ein flächendeckendes Streckennetz massive budgetäre Streichungen vorgenommen habe. Sie stellte daher den Vorschlag der Grünen zu einer "Mobilitätscard" vor, die wie eine Kreditkarte funktioniere und mit der man problemlos öffentliche Verkehrsmittel benützen könne. Der von Pröll propagierte Bioethanol-Plan helfe keiner Pendlerin und keinem Pendler, denn der Anbau von Biotreibstoffen gehe zu Lasten von Anbaugebieten für Nahrungsmittel.

Abgeordneter HOFER (F) begrüßte zwar den Bioethanol-Plan, vertrat jedoch die Auffassung, dass in den letzten Jahren nichts getan worden sei, um die selbst gesteckten Ziele umzusetzen. Zur Erreichung der Ziele im Regierungsprogramm fehle es an konkreten Umsetzungsvorschlägen. Als Sündenfall bezeichnete Hofer das Ökostromgesetz, das diesen Zielen sicherlich nicht dienlich sei. Er befürworte daher ein neues Gesetz nach dem Vorbild Deutschlands. Hofer setzte sich insbesondere für den Passivhausbau ein und verlangte, die Wohnbauförderungsgelder wieder zweckgebunden zu vergeben. Darüber hinaus befürwortete er eine Steuerentlastung für jene, die ein Auto fahren, das weniger als 5 l braucht, und verlangte den Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag.

Abgeordneter WESTENTHALER (B) bezeichnete die Ziele des Regierungsprogramms als ambitioniert, er hegte jedoch Zweifel an der Umsetzung. Klimaschutz bedeutet für Westenthaler nicht nur Schutz der Zukunft, sondern insbesondere auch Heimatschutz. In Richtung der Grünen meinte er, Klimaschutz dürfe nicht als Ökopopulismus betrieben werden. Er sei dagegen, unter dem Titel Klimaschutz Menschen gegeneinander auszuspielen, und sprach sich dagegen aus, den Autofahrern noch mehr Belastungen aufzubürden. Klimaschutz sei vielmehr eine Mischung aus Motivation und Förderung, wie das in Kärnten praktiziert werde, und könne nicht durch Schikanen und Verbote durchgesetzt werden. In diesem Zusammenhang kündigte Westenthaler einen Antrag des BZÖ an, in dem ein 20-Punkte-Programm enthalten ist.

Abgeordneter Mag. KUZDAS (S) warnte vor exorbitanten Schäden durch den Klimawandel. Daher sei es besser vorzubeugen, meinte er, und zwar durch ein Umdenken im Umgang mit wertvollen Ressourcen und die Förderung erneuerbarer Energieträger. Denn die größten Sorgenkinder seien der Straßenverkehr und der Tanktourismus sowie die Energie. Kuzdas trat daher vehement für die Förderung von Elektrofahrzeugen ein und kritisierte den großen Mangel an Stromtankstellen in Österreich. Er befürwortete auch eine Initiative für den öffentlichen Nahverkehr und unterstützte das Programm der Bundesregierung zur Förderung erneuerbarer Energie.

Abgeordneter GRILLITSCH (V) wies auf die massiven Auswirkungen von heftigen Wetterkapriolen in immer kürzeren Abständen auf die Natur hin, was besonders die Bauern zu spüren bekämen. Deshalb sei es notwendig, auf erneuerbare Energieträger zu setzen, wie dies unter der Regierung Schüssel begonnen worden sei. Heute nehme Österreich Platz 1 beim Anteil an erneuerbaren Energieträgern und an der biologischen Landwirtschaft ein, betonte Grillitsch. Dieser Weg müsse nun fortgesetzt werden, sagte er und begrüßte insbesondere den Energie- und Klimafonds. Damit sei man auf dem richtigen Weg, die heimischen Potentiale mit den neuen Technologien zu nützen. Die Trendwende habe daher längst eingesetzt, bemerkte Grillitsch abschließend angesichts der Kritik der Grünen.

Es sei ganz offensichtlich, dass die globalen Leitbegriffe der Zukunft "global warming" und "fight against climate change" heißen, meinte Abgeordneter Mag. KOGLER (G). Es gehe aber nicht darum, nun Weltuntergangsstimmung zu verbreiten, sondern die enormen wirtschaftlichen Chancen zu erkennen, die mit diesen ökologischen Herausforderungen verbunden sind. Bedauerlicherweise finde sich im Regierungsprogramm aber fast nichts zum Thema Umwelt, bemängelte Kogler. Es wäre wichtig, dass die Handlungsanleitungen des Wifo-Weißbuchs wirklich ernst genommen werden und dass massiv in heimische alternative Energieträger und nicht in Gasgroßkraftwerke oder Gaspipelines investiert wird. Man müsse als großes Ziel vor Augen haben, Energieunabhängigkeit in Österreich zu erreichen, forderte der G-Mandatar.

Abgeordneter WEINZINGER (F) vermisste eine glaubwürdige Umweltpolitik. Obwohl die düstersten Umweltprognosen, wie sie auch von Otto König bereits vor über 15 Jahren angekündigt wurden, mittlerweile eingetroffen sind, wurde tatsächlich nichts getan. Auch auf EU-Ebene habe man nicht reagiert und man müsse sich etwa fragen, ob ein Hemd wirklich bis zu 15.000 km durch Europa reisen muss, weil in einem Land die Knöpfe angenäht werden und es dann ganz woanders verkauft wird. Derzeit sei der Klimaschutz nur ein Lippenbekenntnis, urteilte Weinzinger, denn effektive Maßnahmen fehlen sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene.

Abgeordneter SCHALLE (B) bedankte sich bei den heimischen Medien, insbesondere beim ORF, die in der letzten Woche die österreichische Bevölkerung komprimiert und ausführlich über das Thema Klimawandel informiert haben. Kritik übte er auch am Regierungsprogramm, da im Kapitel Umwelt nur schwammige und sehr langfristige Ziele aufgelistet und keine konkreten Maßnahmen vorgeschlagen wurden. Im besonderen vermisse er kurzfristige Vorhaben, die schnell umsetzbar sind, denn voller Einsatz sei nun notwendig.

Schalle kündigte daher an, dass das BZÖ einen Entschließungsantrag betreffend Kyoto-Ziele und Klimaschutz einbringen wird, "um der neuen Regierung auf die Sprünge zu helfen". Das 20-Punkte Programm für ein lebenswertes Österreich beinhalte z.B. die Einführung eines Klimaschutzführerscheins, die österreichweit einheitliche und lukrative Förderung der Althaussanierung sowie der Umstellung auf erneuerbare Energieformen, die Gratisbenutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, die Nachrüstung mit Dieselpartikelfiltern, der Einsatz von Biodiesel, die Aufforstung von abgeholzten Wäldern etc. Wenn nicht reagiert wird, dann müsse man in den nächsten fünf Jahren mit Folgekosten in der Höhe von bis zu 6 Mrd. Euro allein in Österreich rechnen, warnte er.  (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)