Parlamentskorrespondenz Nr. 61 vom 02.02.2007

Gleichbehandlungsbericht (2)

Neue Anwältinnen für Antidiskriminierung und Antirassismus

Wien (PK) - Der zweite Teil des Gleichbehandlungsberichtes  enthält eine Zusammenfassung der Tätigkeit der Gleichbehandlungsanwältinnen in den Jahren 2004 und 2005 (III-13 d.B.). Auf insgesamt 156 Seiten sind nicht nur die Berichte der vier Regionalanwaltschaften und eine Beratungsstatistik (mit Beispielen) zu finden, sondern auch Informationen über die Arbeitsschwerpunkte in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung, Anmerkungen zu ausgewählten Urteilen und Vorschläge zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Die Anwaltschaft für Gleichbehandlung besteht aus drei inhaltlich unabhängigen Teilen: Der "Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt" mit einer Zentrale in Wien,  vier Regionalbüros und insgesamt 18 Mitarbeiterinnen. Dazu kommen entsprechend dem seit 1.7. 2004 in Kraft befindlichen Gleichbehandlungsgesetz die "Anwältin für die Gleichbehandlung in der Arbeitswelt ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung" (Antidiskriminierung) und die "Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen" (Antirassismus). Die beiden neuen Anwältinnen haben ihre Tätigkeiten mit 1.3.2005 aufgenommen und sind jeweils alleine für ganz Österreich zuständig. In diesem Zusammenhang wird auf die problematische Personalsituation hingewiesen, da jeweils nur eine einzelne Person für Anfragen aus und Beratungen in allen Bundesländern zur Verfügung steht. Auch in der Zentrale der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt wären aufgrund des stark ausgeweiteten Geltungsbereichs des Gleichbehandlungsgesetzes zusätzliche Mitarbeiterinnen erforderlich, heißt es im Bericht.

Beratungsstatistik 2004 und 2005

Im Jahr 2004 wurden insgesamt 4.558 neue Beratungsfälle konstatiert, wobei sich 72 % auf das Gleichbehandlungsgesetz bezogen haben. Die weitere Aufteilung sieht folgendermaßen aus: Sonstige Gleichbehandlungsfragen 12 %, Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht 8 % und Neue Diskriminierungsgründe 8 %. Im Jahr 2005 gab es insgesamt 4.418 neue Beratungsfälle, die prozentuelle Aufteilung entspricht dabei genau dem Vorjahr. Ebenso wie im Jahr 2004 betraf ein Viertel der Beratungsfälle Männer, drei Viertel Frauen. Da die Beratungen meist auch weiterführende Kontakte nach sich zogen, betrug die Gesamtzahl der Beratungen im Jahr 2005 25.059.

Im Kapitel "Themenschwerpunkte in der Beratung" wird darauf hingewiesen, dass der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" zwar bereits seit 1979 im Gleichbehandlungsgesetz verankert ist, die Erfolge aber aufgrund der individuellen Durchsetzungsmöglichkeiten begrenzt sind. Viele Betroffene wollen bei bestehendem aufrechten Dienstverhältnis ihre Ansprüche nicht geltend machen, weil sie Sanktionen fürchten, heißt es im Bericht. Viele Frauen berichten auch, dass sie, wenn sie ihre engagierte Arbeit und guten Leistungen zum Ausdruck bringen, offensichtlich gegen Rollenerwartungen verstoßen und riskieren, sich bei Vorgesetzten wegen zu viel Selbstlobs unbeliebt zu machen. Weiters stellten die Autorinnen fest, dass auch dem Bereich der Raum- und Landschaftsplanung sowie der Architektur vermehrt Anfragen von selbständigen Unternehmerinnen nach gendergerechten Vergabekriterien kommen. Außerdem kommen zahlreiche Beschwerden, dass sexuelle und geschlechtsbezogene Belästigungen in Berufsschulen immer wieder ein Thema seien. Am schwersten hätten es dabei Mädchen mit Migrationshintergrund, da es "auch seitens der Berufsschullehrer/innen oft zu rassistischen Äußerungen" käme.

Ein weiterer Beratungsschwerpunkt betraf das neue Elternteilzeitrecht. Sehr bald nach Inkrafttreten des Gesetzes haben sich die ersten Personen mit Beschwerden an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt, weil ihnen die Elternteilzeit entweder trotz gesetzlichen Anspruchs zunächst verwehrt oder aus unsachlichen Gründen eine diesbezügliche Vereinbarung verweigert wurde; noch häufiger aber waren Beschwerden darüber, dass sich in einer faktisch angetretenen Elternteilzeit die Arbeitsbedingungen massiv verschlechterten.

Generell habe die Einrichtung von zwei neuen Anwaltschaften (Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder sexuellen Orientierung  in der Arbeitswelt bzw. Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen) eine sichtbare Verlagerung des Interesses und der allgemeinen Anfragen zum Gleichbehandlungsgesetz, seinen Tatbeständen und seinen Umfang ergeben.

Die neuen Diskriminierungstatbestände

Seit Beginn der Tätigkeit im März 2005 bis Ende des Jahres wandten sich 391 Menschen erstmals an die Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt. In den meisten Fällen führten Erstanfragen zu weiterer – oft sehr umfangreicher – Tätigkeit in Form von persönlichen Beratungsterminen, Telefonaten, Schlichtungsversuchen, Teilnahme an Sitzungen der Gleichbehandlungskommission etc. Bis zum Stichtag 31.12.2005 wurden 1577 weiterführende Kontakte verzeichnet. Jeweils 37 % der Erstberatungen betrafen Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und allgemeine Anfragen zum Gleichbehandlungsgesetz. In 12 % der Fällen ging es um Altersdiskriminierungen in der Arbeitswelt, in 10 % um Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Daneben gab es vergleichsweise weniger Anfragen (2 % bzw. 3 %) zu den Diskriminierungsgründen Religion und Weltanschauung.

Einen Schwerpunkt hinsichtlich der Diskriminierungstatbestände stellten Benachteiligungen bei der Begründung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen und bei den sonstigen Arbeitsbedingungen, sowie Belästigungen –zum Beispiel rassistische, homophobe oder altersbezogene Beschimpfungen oder Bemerkungen dar.

Auffällig war, dass sich überwiegend Menschen, welche sich nicht mehr oder noch nicht in einem aufrechten Dienstverhältnis befanden, zur Beratung an die Anwältin wandten. Trotz des gesetzlich geregelten Benachteiligungsverbots wagten es demnach viele Menschen aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes nicht, gegen Diskriminierung vorzugehen oder sich beraten zu lassen.

Beispiele aus der Praxis

Eine gebürtige Wienerin, die die HTL für Restaurierung absolviert hat, bewirbt sich auf eine Zeitungsannonce hin in einem Restaurationsgeschäft für den Verkauf. Als sie zum persönlichen Vorstellungstermin kommt, wird sie wüst beschimpft und gefragt, wie sie überhaupt auf die Idee komme, sich hier zu bewerben, da sie ja wisse, was mit "Schwarzen" verbunden würde. Auf Nachfrage führt der Geschäftsführer aus, dass "Schwarze" mit Drogen handeln würden und daher er und seine Kunden keine schwarze Verkäuferin haben wollen. Überdies handle es sich bei seinem Geschäft um ein Familien- und Traditionsunternehmen und es sei geradezu eine Frechheit, dass sie auf die Idee komme, hier arbeiten zu wollen. Die junge Frau wendet sich an die Anwältin, weil sie sich aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert fühlt.

Ein Beispiel für Diskriminierung aufgrund des Alters: Im Handel wurde eine Stelle als Reinigungskraft ausgeschrieben. Daraufhin meldeten sich viele Interessentinnen bei der Firma, die zu einem Sammel-Vorstellungstermin lud. Bereits zu Beginn wurden ältere Bewerberinnen mit: "Alle über 50 können gleich wieder heim gehen, wir nehmen nur unter 50jährige", hinaus"komplimentiert".

Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen

Mit der 6. Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes wurden einerseits die Gründe, deretwegen ein Mensch nicht diskriminiert werden darf, und andererseits der Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgesetzes erweitert. Das Gleichbehandlungsgebot gilt daher seit 1. Juli 2004 auch für Bereiche außerhalb der Arbeitswelt. Diese so genannten "sonstigen Bereiche" sind im Teil III des Gesetzes geregelt und umfassen den Zugang zu und die Versorgung mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen, Bildung, Sozialschutz und soziale Vergünstigungen.

Ein Großteil der Menschen, die sich zur Beratung an die Anwältin wandten, fühlte sich aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Hautfarbe am Wohnungsmarkt, in Lokalen oder Geschäften und bei anderen Dienstleistungen benachteiligt. Im Berichtszeitraum hat sich der überwiegende Teil der Beratungen dabei örtlich auf Wien und Umgebung konzentriert. Dies zeige sehr deutlich, wie wichtig die örtliche Nähe zu der Beratungsstelle für die betroffenen Menschen ist, urteilen die Autorinnen.

In einem beispielhaften Fall aus der Praxis wird darüber berichtet, dass eine in Österreich lebende Frau russischer Herkunft in einem Damenmodengeschäft auf der Suche nach einer Jacke war. Als sie sich in nicht akzentfreiem Deutsch an die Verkäuferin wandte, forderte sie diese auf, das Geschäft zu verlassen und nicht mehr zu kommen, da sie sich in diesem Geschäft sowieso nichts leisten könne. Probleme für Menschen nichtösterreichischer Herkunft gab es auch bei der Wohnungssuche. Aufgrund des Akzents wurde ihnen beim ersten Telefongespräch von vielen Immobilienbüros mitgeteilt, dass die Wohnung bereits vergeben ist. Ein Mann afrikanischer Herkunft klagte darüber, dass er lange Zeit keine Wohnung gefunden habe. Oft war es so, dass ihm der Vermieter, wenn er ihn beim ersten Besichtigungstermin erklärt habe, dass die Wohnung nicht mehr frei sei. Als am nächsten Tag jedoch ein Freund beim Makler angerufen hat, war die Wohnung wieder zu haben. (Schluss)