Parlamentskorrespondenz Nr. 87 vom 15.02.2007

Die EU-Jahresvorschau von Finanzminister Molterer

Themen: Finanzdienstleistungen, Steuern, Stabilität

Wien (PK) – Das durch Deutschland und die beiden nachfolgenden EU-Präsidentschaften Portugal und Slowenien erstellte Arbeitsprogramm des Ecofin-Rates benennt – neben der Umsetzung der Lissabon-Strategie – die Fortsetzung der Debatte zur Zukunft Europas unter dem Aspekt der künftigen Ausgestaltung der EU-Finanzen sowie der Stärkung seiner externen Rolle als strategische Schwerpunkte. Dies geht aus dem Bericht betreffend der Jahresvorschau 2007 des Bundesministers für Finanzen hervor, der dieser Tage dem Hohen Haus zugeleitet wurde (III-24 d.B.).

Lissabon-Strategie

Die Lissabon-Strategie wird weiterhin als Schlüssel für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa betrachtet. Das Thema "Energie" wurde hierbei an oberste Stelle der Agenda gesetzt, wobei konsequent am Aktionsplan zur weiteren Liberalisierung der Energiemärkte festgehalten wird. Eine erste Bewertung der Umsetzungsschritte der nationalen Reformprogramme zur Lissabon-Strategie zeigte gute Ergebnisse, jedoch auch deutliche Unterschiede im Reformtempo der einzelnen Mitgliedsstaaten. Österreich habe das Programm bis dato zufriedenstellend umgesetzt, Reformbedarf zeige sich jedoch bei der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung älterer ArbeitnehmerInnen, heißt es im Bericht.

Der Bundesminister für Finanzen betrachtet die Lissabon-Strategie als Rahmen für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Dynamik und der Stärkung des sozialen Zusammenhalts, weshalb alle Mitgliedsstaaten für effiziente Ausbildungssysteme, ausreichende Mittel für Zukunftsinvestitionen und stabile makroökonomische Rahmenbedingungen zu sorgen hätten. Vor diesem Hintergrund sei eine regelmäßige und systematische Bewertung der nationalen Wirtschafts- und Budgetpolitiken von großer Bedeutung.

Stabilitäts- und Wachstumspakt

Aufgrund des höheren Wirtschaftswachstums dürfte (nach vorläufigen Berechnungen der EU-Kommission, EK) das Nettodefizit in der Euro-Zone und im Europa der 25 im Jahr 2006 auf jeweils knapp unter 2 % gesunken sein. Dennoch waren zu Jahresbeginn gegen insgesamt elf Mitgliedsstaaten Verfahren wegen Vorliegens eines übermäßigen Defizits anhängig.

Im Februar und März 2007 erfolgt die Prüfung der aktualisierten Stabilitäts- und Konvergenzprogramme. Der Bundesminister für Finanzen tritt für eine konsequente Umsetzung des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspaktes ein, wobei insbesondere auf die Sicherstellung einer symmetrischen Anwendung der Fiskalregeln über den Konjunkturzyklus zu achten sei.

Schlüsselthemen

Unter Vorsitz Deutschlands wird – den Usancen entsprechend –

ein Schlüsselthemen-Papier des Ecofin-Rates vorbereitet. Die günstigen Wachstumsbedingungen sollen, diesem Papier zufolge, zu weiteren Strukturreformen genutzt und die länderspezifischen Empfehlungen konsequent umgesetzt werden. Größere Auffassungsunterschiede bestehen bei der Koordination der Steuerpolitik. Finanzminister Molterer unterstützt Initiativen zur besseren Abstimmung von Steuerfragen.

Erweiterung der Euro-Zone

Mit 1. Januar 2007 führte Slowenien als erstes der neuen Mitgliedsstaaten die gemeinsame Währung erfolgreich ein. Malta und Zypern könnten bereits in diesem Jahr folgen. Aus Sicht des Finanzministeriums ist die Erweiterung der Euro-Zone grundsätzlich als positiv zu betrachten, sofern die vertraglich festgelegten Eintrittskriterien ausnahmslos erfüllt werden und ein hohes Maß an nachhaltiger Konvergenz sichergestellt ist.

EU-Haushaltsfragen

Im Rahmen des Haushaltsverfahrens wird der Ecofin-Rat im Februar 2007 auf Grundlage des Jahresberichts des Europäischen Rechnungshofs Entlastungsempfehlungen an das EU-Parlament (EP) verabschieden. Für Österreich stehen hierbei – neben der Einhaltung der Grundsätze der Haushaltsdisziplin – die Sicherstellung ausreichender Margen bei allen Ausgabekategorien und eine realistische Veranschlagung der Zahlungs- und Verpflichtungsermächtigungen im Vordergrund.

Finanzdienstleistungen

Im Bereich der Finanzdienstleistungen stehen 2007 umfangreiche legislative Vorhaben auf dem Programm:

Mit der geplanten Zahlungsverkehrsrichtlinie sollen ein gleichberechtigter Marktzugang und eine Modernisierung von Infrastrukturen im Zahlungsverkehr erzielt werden. Durch ihr Inkrafttreten wird eine neue Kategorie von Zahlungsdienstleistern geschaffen und das Verhältnis zwischen Zahlungsdienstleistern und Zahlungsdienstnutzern konkret geregelt. Obgleich man das Vorhaben unterstütze, herrsche aus österreichischer Sicht in einigen Punkten (wie den Zulassungs- und Aufsichtsbestimmungen) noch Diskussionsbedarf, so Molterer.

Die Verhandlungen mit dem EP um den Kompromisstext zur "Cross Border Acquisition"-Richtlinie, die einer Abschottung des nationalen Bankenmarktes entgegenwirken will, sollen im ersten Halbjahr 2007 zum Abschluss kommen. Der Bundesminister für Finanzen formulierte hierbei die Sicherstellung der (Prüfungs-)Fristen im Rahmen grenzüberschreitender Fusionen als zentrales Anliegen.

Die in Form eines Weißbuches durch die EK im November 2006 unterbreiteten Vorschläge zur besseren Ausschöpfung des Potentials der Investmentbranche dienen derzeit als Diskussionsgrundlage in den EU-Fachgremien. Der Ecofin-Rat wird sich voraussichtlich im Mai damit befassen. Aus österreichischer Sicht wird der Grundtenor des Weißbuches geteilt.

In Anlehnung an Basel II sollen auch im Versicherungsbereich die Eigenkapitalvorschriften an die tatsächlichen Risiken angepasst werden. Die EK will daher im Juli 2007 einen

RL-Vorschlag zu neuen Solvabilitätsanforderungen und Aufsichtsstandards vorlegen, wobei eine intensive Diskussion (auch im Ecofin-Rat) zu erwarten sei, so der Bericht. Der Finanzminister sieht hierbei allerdings die Notwendigkeit einer Detailprüfung der Implikationen des EK-Vorschlags.

Im Juli 2006 hat die EK eine Strategie zur Senkung der teils extrem hohen Kosten des grenzüberschreitenden Aktienhandels verabschiedet, deren erster Schritt auf Selbstregulierung mit Hilfe eines Verhaltenskodex basieren soll. Seitens des Finanzministeriums halte man dies für einen geeigneten Weg, eine Gesamtevaluierung erfolge im Februar 2008.

Die wachsende Bedeutung der Hedge Fonds, die durch ihre Strategie extreme Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität haben können, hat die Diskussion um eine angemessene Regulierung dieser Branche verstärkt. Die Befassung des Ecofin-Rates mit dieser Thematik ist für den Mai 2007 vorgesehen, wobei der Finanzminister grundsätzlich für die Förderung von Selbstregulierung unter Überwachung durch die Aufsichtsbehörden eintritt.

Steuern

Der deutsche Vorsitz hat die Fortsetzung über die Beratungen zum Mehrwertsteuerpaket angekündigt und möchte nun endgültige Einigung schaffen. Mit dem Reverse Change System tritt man zudem für die Implementierung einer effektiveren Betrugskontrolle ein. Der Bundesminister für Finanzen betrachtet eine Verknüpfung dieser beiden Bereiche (Mehrwertsteuerpaket und Reverse Change System) jedoch als nicht zweckmäßig.

Die Pläne für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer werden von Österreich grundsätzlich unterstützt, wobei diese allerdings auch mit einheitlicheren Regelungen bei den Steuersätzen verknüpft werden sollten.

Da zahlreiche Ausnahmebestimmungen, die in der Energiesteuerrichtlinie enthalten sind, mit 31. Dezember 2006 ausliefen, können die Mitgliedsstaaten nun eine Verlängerung beantragen. Auch Österreich hat einen Antrag auf Steuerbefreiung für Altöl gestellt und wird daher bei der Verlängerung der Sonderregelungen für andere Mitgliedsstaaten eine pragmatische Zugangsweise wählen.

Der Vorschlag der Kommission zur Anhebung der Mindeststeuersätze für Alkohol entsprechend der kumulierten Inflationsrate konnte keine breite Zustimmung finden. Eine im ersten Halbjahr 2007 von der EK vorzulegende Studie wird als Basis der Beratungen im Ecofin-Rat dienen. Österreich, wo die zur Diskussion stehenden Steuersätze ohnedies über den Mindestsätzen liegen, befürwortet diese Annäherung.

Für 2007 wird der Abschluss der Arbeiten zum modernisierten Zollkodex angestrebt. Aus österreichischer Sicht besteht großes Interesse an der Weiterentwicklung und generellen Einführung der zentralen Zollabwicklung. Vor diesem Hintergrund besteht Bereitschaft, an der Entwicklung eines Single Window als zentralem Einstieg für die koordinierte elektronische Abwicklung mitzuwirken.

Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission

Die EK wird sich aktiv am Vorbereitungsprozess zur EU-Verfassungsdiskussion beteiligen, die im Juni 2007 im Rat Behandlung finden wird. In Bezug auf neue Rechtsvorhaben wolle man zurückhaltend agieren, so der Bericht. Ziel sei der Einsatz für die Modernisierung der nationalen Wirtschaften und eine Vervollständigung der Binnenmarktregelungen. Ein weiterer Schwerpunkt betrifft den Bereich "Energieversorgung/Energiesicherheit". Zum Thema natürliche Ressourcen und Klimaschutz wird die EK im Laufe des Jahres 2007 ein Grünbuch über Optionen der internationalen Zusammenarbeit nach 2012 vorlegen.

Im Bereich der EU-Außenbeziehungen ist eine baldige Einigung bei den Verhandlungen in der Doha-Entwicklungsrunde als eines der Hauptanliegen der EK zu identifizieren. (Schluss)