Parlamentskorrespondenz Nr. 321 vom 02.05.2007

Mehr Wachstum, mehr Jobs, weniger Schulden

Viel Optimismus im neuen Stabilitätsprogramm

Wien (PK) - Finanzminister Wilhelm Molterer hat dem Nationalrat kürzlich das "Österreichische Stabilitätsprogramm für die Jahre 2006 bis 2010" (III-54 d.B.) vorgelegt. Nach den Verhandlungen des Doppelbudgets kommt damit das Thema "mittelfristige Budgetplanung" auf den Tisch des Hauses. Das Stabilitätsprogramm ist das erste von insgesamt drei mittelfristigen Budget-Planungsinstrumenten. Spätestens am 11. Juli 2007 wird die Regierung ihr Budgetprogramm vorlegen, und über einen neuen Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich für den Zeitraum ab 2009 zu verhandeln sein. Die weitere Verbesserung der mehrjährigen Budgetplanung, etwa durch Einführung verbindlicher mittelfristiger Ausgabenobergrenzen, wird Teil der weit reichenden Reform des Haushaltsrechts sein, die derzeit im Finanzressort vorbereitet wird.  

Die aktuelle Budget- und Finanzpolitik ist nachhaltig ausgerichtet. Die Regierung will für Disziplin bei Ausgaben und Steuereinnahmen sorgen und über den Konjunkturzyklus hinweg eine ausgeglichene Bilanz vorlegen. Steuerliche Entlastungen sollen erarbeitet werden und nicht zu Lasten wichtiger Zukunftsinvestitionen gehen. Wichtig für die Zukunft sind laut Regierung Forschung und Entwicklung, Infrastruktur, Bildung und Universitäten, Soziales, Wachstum und Beschäftigung. Die finanziellen Spielräume für die geplante Steuerreform sollen durch Wettbewerbs- und Arbeitsmarktpolitik sowie durch Strukturreformen in der öffentlichen Verwaltung entstehen, heißt es im Stabilitätsprogramm, das auf dem Doppelbudget 2007/2008 und auf der mittelfristigen Wachstumsprognose des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) aufbaut.

Unter der Annahme eines durchschnittlichen BIP-Wachstums von 2,5 % bis 2010 (2006: 3,1 %, 2007: 2,7 %, 2008: 2,3 %, 2009: 2,5 %, 2010: 2,6 %) hält es die Bundesregierung für möglich, im Jahr 2010 wieder einen positiven gesamtstaatlichen Budgetsaldo zu erwirtschaften. In Relation zum BIP lautet ihre Prognosewerte zum gesamtstaatlichen Budgetsaldo - 2006: -1,1 % des BIP, 2007: -0,9 %, 2008: -0,7 %, 2009: -0,2 %, 2010: 0,4 %.

Dies setzt eine positive Entwicklung der Primärsalden (Defizit minus Zinsaufwand für die Staatsschuld) voraus. Diese wichtige Budgetkennzahl wird laut Stabilitätsprogramm wie folgt prognostiziert (in Prozent des BIP) - 2006: 1,9 %, 2007: 2 %, 2008: 2,1 %, 2009: 2,6 %, 2010 3,1 %.

Da infolgedessen die Staatsschulden langsamer wachsen als das BIP, nimmt die Staatsschuldenquote relativ ab (2006: 62,2 %, 2007: 61,2 %, 2008: 59,9 %, 2009; 58,5 %, 2010: 56,8 %). Auch der Anteil des Zinsenaufwands für die Staatsschuld nimmt ab , von 3 % am BIP im Jahr 2006 auf 2,7 % im Jahr 2010.

Robustes Wirtschaftswachstum

Seitdem die Wirtschaft auf breiter Basis mit etwa gleich großen Beiträgen von privatem Konsum, Investitionen und Nettoexporten wächst, also seit 2006, sieht das WIFO eine gute Ausgangsbasis für ein sich selbst tragendes Wachstum. Für den Zeitraum 2007 bis 2011 kann mit einem durchschnittlichen BIP-Wachstum von 2,5 % und einer jährlichen Beschäftigungssteigerung von 1 % gerechnet werden. Gründe für die höhere BIP-Wachstumsrate gegenüber der Periode 2000/2006 (1,7 %) sind die bessere Konjunktur in Deutschland, die gute Position Österreichs in den rasch wachsenden Volkswirtschaften Ost- und Südosteuropas, die gute Wettbewerbsposition der heimischen Wirtschaft, die Anhebung der F&E-Quote und das kräftige Wachstum des Arbeitsangebots. Deswegen wird die Arbeitslosenrate nur langsam zurückgehen. Bei der Beschäftigung hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, die Arbeitslosenquote bis 2010 auf unter 4 % zu senken, die Frauenbeschäftigungsquote soll auf 65 % steigen. Lohnsteigerungen und Inflation (1,75 % pro Jahr) werden laut WIFO moderat bleiben.

Die geringen Auswirkungen der teilweise stark steigenden Öl- und Rohstoffpreise auf die österreichische Volkswirtschaft zeigen, wie resistent Österreich gegenüber externen Preisschocks mittlerweile ist. "Zweitrundeneffekte", Preissteigerungen auf Produkt- und Arbeitsmärkten, sind ausgeblieben. Österreich zählt zu den preisstabilsten Volkswirtschaften der Eurozone. Daher hält das WIFO die Risken für die dargestellten günstigen mittelfristigen Entwicklungen für gering. Externe Schocks könnten allenfalls vom Welthandel, vom Euro/Dollar-Wechselkurs und von den Ölpreisen ausgehen. 

Wege zur Vollbeschäftigung  

Im Gleichklang mit der Lissabon-Strategie zielt die Bundesregierung in ihrer Wirtschafts- und Budgetpolitik bis 2010 auf mehr Wachstum und Beschäftigung für Österreich. Ihr Programm hat sieben Schwerpunkte:

1) Die Qualität des Forschungs- und Entwicklungsstandortes soll durch Erhöhung privater und öffentlicher F&E-Ausgaben (2006: 6,24 Mrd. € oder 2,43% des BIP) weiter gesteigert werden. Mit zusätzlichen öffentlichen Mitteln von bis zu 800 Mill. € bis 2010 soll eine F&E-Quote von 3% des BIP erreicht werden.

2) Der Anteil erneuerbarer Energie soll von derzeit 22 % auf 45 % erhöht werden. Die Umweltförderung im Inland und das JI/CDM-Programm (2007 um 10 Mill. € gegenüber 2006; 2008 um weitere 10 Mill. € gegenüber 2007) werden aufgestockt. Ein Klima- und Energiefonds mit bis zu 500 Mill. € dient der Entwicklung neuer Energietechnologien und ihrer Markteinführung. 

3) Für Investitionen in die Schiene werden bis 2010 6 Mrd. € und für die Straße 4,5 Mrd. € bereitgestellt. Dazu kommen Investitionen in den Hochwasserschutz und für die Schifffahrt.

4) Die Internationalisierungsoffensive "Go international" soll bis 2010 fortgeführt werden. Wettbewerbsbeschränkunken sollen abgebaut, der wöchentliche Rahmen für Ladenöffnungszeiten unter Beibehaltung der Sonntagsruhe ab 2008 auf 72 Stunden ausgeweitet werden. Bis 2010 sollen die Verwaltungskosten der Unternehmen infolge von Informationsverpflichtungen um 25 % sinken. Die Rahmenbedingungen des Kapitalmarkts sollen weiter verbessert und die weitere Expansion österreichischer Unternehmen in die neuen EU-Länder unterstützt werden. KMU können spezielle Förderungen erwarten.

5) Bis 2010 soll Vollbeschäftigung herrschen und die Arbeitslosenquote um 25 % auf unter 4 % sinken. Die Arbeitszeit soll flexibler werden: die tägliche Höchstarbeitszeit soll auf 12, die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 60 und die Normalarbeitszeit auf bis zu 10 Stunden angehoben werden. Der Schwerpunkt der aktiven Arbeitsmarktpolitik liegt bei der Qualifizierung. Die duale Ausbildung soll gestärkt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll verbessert, ausreichend Fachkräfte sollen zur Verfügung gestellt und der Kampf gegen die Schwarzarbeit soll forciert werden.

6) Die Bundesregierung betrachtet das Sozialsystem als Produktivkraft und setzt auf seine wachstumsfördernde Wirkung. Ein stabiles Sozialsystem schafft Vertrauen, reduziert Risken und stärkt Konsum sowie Investitions- und Risikobereitschaft. Mindestsicherungssysteme in der Pensions- und Arbeitslosenversicherung sowie in der Sozialhilfe dienen dem Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung. In der Pflegesicherung gilt es, Beschäftigung aus dem informellen Sektor in reguläre Arbeitsverhältnisse umzuwandeln, pflegende Angehörige sozialrechtlich besser abzusichern und behinderte Menschen zu qualifizieren. Insgesamt stehen 2007 für die soziale Absicherung 185 Mill. € zusätzlich zur Verfügung; 2008 sind es 260 Mill. €.

7) Die Bundesregierung will Bildung auf allen Ebenen forcieren. Das Vorschulangebot wird vor allem für Kinder mit Migrationshintergrund verbessert, die Klassenschülerhöchstzahl ab 2007/08 auf 25 SchülerInnen gesenkt und die Tagesbetreuung in den Schulen verbessert. Für Jugendliche gilt eine Ausbildungsgarantie; das lebensbegleitende Lernen wird speziell gefördert. Zusätzliche Mittel für Bildung betragen 2007 50 Mill. € und 2008 145 Mill. €. Die Universitäten erhalten 2007 172 Mill. € mehr als 2006 und 2008 noch einmal 25 Mill. € mehr.

Sparen bei Personal, Verwaltung und im Gesundheitssystem

Einsparungen will die Bundesregierung mit einer restriktiven Personalpolitik und Zurückhaltung bei gestaltbaren Ermessensausgaben erzielen. Die Planstellen werden 2007 und 2008 um 1.464 Planstellen gekürzt. Pensions- und Arbeitsmarktreformen sollen erhebliche Einsparungen auf der Ausgabenseite bringen. In Summe plant die Regierung bis zum Jahr 2010 strukturelle Einsparungen von 0,5 % und Zinsenersparnisse von 0,3 % des BIP. Unterstützung für die Budgetkonsolidierung erwartet die Regierung durch die günstige Konjunktur, sie soll Mehreinnahmen bringen und die Arbeitslosenversicherung entlasten.

Im Rahmen der Gesundheitsreform 2005 bis 2010 wurden bereits eine Bundesgesundheitsagentur und 9 Landesgesundheitsfonds als gemeinsame Planungs- und Steuerungsinstrumente eingerichtet. 2007 und 2008 sind gemeinsame Modellversuche zur integrierten Planung, Umsetzung und Finanzierung der fachärztlichen Versorgung in Spitalsambulanzen und bei niedergelassenen Ärzten geplant. Der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) wird weiterentwickelt und ergänzt. Zu den 2005 vereinbarten Einsparungen von 300 Mill. € bis zum Jahr 2008 wurde eine weitere Einsparung von 100 Mill. € bis 2010 vereinbart. Die Sozialversicherungsbeiträge werden um 0,15 Prozentpunkte angehoben.

Bei der Verwaltungsreform ist vorgesehen, Kosten der Unternehmen bei der Erfüllung bundesrechtlicher Informationspflichten durch Anwendung des europäischen Standardkostenmodells zu senken, und zwar um 25 % bis 2010, das sind 2 Mrd. € oder 0,8 % des BIP. Bis Juni 2007 sollen alle Rechtsvorschriften analysiert und die Verwaltungskosten gemessen werden. Im Herbst dieses Jahres sollen ressortspezifische Reduktionsziele festgelegt werden. Bis 2010 soll das Standardkostenmodell eingeführt werden. (Schluss)