Parlamentskorrespondenz Nr. 401 vom 24.05.2007

Molterer im Finanzausschuss für EU-Harmonisierung indirekter Steuern

Produktpiraterie nimmt dramatisch zu, Aufklärung notwendig

Wien (PK) - Am Beginn seiner mehrstündigen Sitzung debattierte der Finanzausschuss heute zunächst ausführlich zwei Ressortberichte: das gemeinsame finanzpolitische EU-Arbeitsprogramm der deutschen Präsidentschaft und ihrer beiden Nachfolgepräsidentschaften Portugal und Slowenien (III-24 d.B.) sowie dann den Produktpirateriebericht 2006 (III-40 d.B.). Der erste Bericht wurde mit S-V-B-Mehrheit, der  zweite einstimmig zur Kenntnis genommen, beide Berichte wurden vom Ausschuss enderledigt. Das Verlangen der FPÖ, die Berichte auch im Plenum zu debattieren, blieb in der Minderheit und damit wirkungslos.

Abgeordneter Hannes Bauer (S) betonte eingangs der Debatte zur EU-Finanzpolitik das große Interesse seiner Fraktion an einer europäischen Steuerharmonisierung und zeigte sich erfreut über die Diskussionsbereitschaft zu den Stabilitätskriterien, während sich sein Fraktionskollege Johann Maier (S) erkundigte, ob der Datenschutz bei den Datenspiegelungen über SWIFT gewährleistet sei.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) problematisierte die Absicht, allen Arbeitsimmigranten die selben Sozialstandards einzuräumen, wie Inländern, weil dies seiner Meinung nach das Sozialsystem überlaste. Zanger trat auch gegen eine Vereinheitlichung der Körperschaftssteuer auf und trat dafür ein, den niedrigen Steuersatz beizubehalten und Wachstumspolitik zu betreiben. Weitere Fragen betrafen die Erhöhung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und das Problem der Aufsicht bei grenzüberschreitenden Bankenzusammenschlüssen.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) bedauerte, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt keine Regeln für die Phase der Konjunkturaufschwünge vorsehe, obwohl gerade in diesen Zeiträumen die größten Budgetfehler gemacht werden. Rossmann plädierte für eine symmetrische Finanzpolitik über den Konjunkturzyklus hinweg und gegen eine prozyklische Budgetpolitik, wie sie über die letzen Jahre betrieben wurde. Rossmanns Interesse galt auch Programmen für die Erhöhung der Erwerbstätigkeit älterer Arbeitnehmer, der Reduktion der Verwaltungskosten für KMU und dem Beitrag der Geldpolitik zu stabilen makroökonomischen Rahmenbedingungen. Gemeinsame Bemessungsgrundlagen für die KÖST begrüßte Rossmann und forderte als zweiten Schritt einheitliche Regelungen gegen Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt durch Steuerdumping.

Abgeordneter Jakob Auer (V) widmete sich dem Kampf gegen den Steuerbetrug, wollte wissen, welche Probleme bei der Vorbereitung der Zahlungsverkehrsrichtlinie bestehen und verlangte eine bessere Koordination bei der Überwachung von Hedge Funds.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) wollte wissen, wie die unterschiedlichen Ambitionen der EU-Mitglieder in der Budgetpolitik bewertet werden, und forderte, die Bedeutung der Ausgaben für volkswirtschaftliche Leistungen als Kriterium beim Stabilitäts- und Wachstumspakt zu beleuchten.

Abgeordneter Josef Bucher (B) ging auf die Diskussion über neue Umweltsteuern ein, etwa eine Kerosinsteuer, und wollte wissen, wann eine Entscheidung darüber zu erwarten sei, wofür die Mittel verwendet werden sollen, sowie ob eine Senkung der EU-Mitgliedsbeiträge dadurch ermöglicht werde. Interessiert zeigte sich Bucher auch an den ersten Beratungsergebnissen über die Verwaltungsreform, an der Umsetzung von Basel II in der EU sowie an der Frage, ob das Entstehen grenzüberschreitender Finanzkonglomerate eine europaweite Finanzmarktaufsicht nach sich ziehe.

Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) vermisste Aussagen über ökologische Themen im aktuellen Finanzarbeitsprogramm der EU.

Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) kritisierte generell die Tendenz, nationalstaatliche Kompetenzen an die EU abzugeben und forderte, dass das Steuerrecht mit Ausnahme einer gemeinsamen Umsatzsteuer bei den Nationalstaaten bleiben soll.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) wollte dem gegenüber nicht einzusehen, dass große Unternehmen und die Inhaber großer Kapitalien die Mobilität nützen, um jene Orte aufzusuchen, die ihnen die geringste Einkommen- und Kapitalbesteuerung bieten. Eine Steuerharmonisierung entspreche dem Subsidiaritätsprinzip, weil die Staaten in der Steuergesetzgebung keinen Gestaltungsspielraum haben, sondern Getriebene seien. Die Steuerharmonisierung bringe auch Gerechtigkeit für jene, die es sich nicht leisten können, "Steueroasen" aufzusuchen.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) merkte an, dass es nicht ausreiche, Lösungen für die Unternehmensbesteuerung zu finden, auch bei der Kapitalbesteuerung sei über Lösungen nachzudenken.

Auf die Fragen der Abgeordneten im Detail eingehend, führte Finanzminister Molterer aus, beim Thema SWIFT bestehe das Kernproblem darin, eine globale Systematik zu schaffen, die zugleich den Datenschutz sichere. Da US-Recht nicht über europäischen Normen stehen könne, seien dabei europäische Lösungen gefragt. Der diesbezügliche Entschließungsantrag des Nationalrats weise laut Molterer in die richtige Richtung.

Europäische Lösungen für die Immigration seien wichtig, weil das spanische Beispiel gezeigt habe, wohin es führe, wenn ein EU-Land unter Bedingungen der Personenfreizügigkeit mit einem Schlag hunderttausende Menschen zu europäischen Bürgern mache.

Beim Thema Beschäftigung älterer Arbeitnehmer erinnerte der Vizekanzler an Lohnnebenkostensenkungen zugunsten dieser Arbeitnehmergruppe.

Eine europäische Finanzmarktaufsicht sei nicht in Sicht, sagte der Bundesminister und ließ seine Präferenz für eine Kooperation der nationalen Finanzmarktaufsichtsbehörden durchblicken.

Die Reform des Bundeshaushaltsgesetzes will Vizekanzler Molterer rasch flott machen; er habe die Absicht, mit dieser Reform, die möglichst noch in diesem Jahr kommen soll, Neuland in der Budgetpolitik zu betreten.

An dem Ziel, die Verwaltungskosten um 25 % zu senken, will der Finanzminister festhalten, und es in die nationale Gesetzgebung übertragen.

Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank in der Geldpolitik müsse unangetastet bleiben, betonte Molterer. Es wäre ein völlig falsches Signal, "die EZB an die Leine zu nehmen".

Im Kampf gegen den Steuerbetrug sei Österreich von seiner Methode, dem Reverse Charge überzeugt, andere Länder präferieren andere Systeme, und jedes Land versuche, die Kommission zu überzeugen, erfuhren die Abgeordneten. Die Zahlungsverkehrsrichtlinie sei beschlossen, sie sehe die Formel "Tag plus 1" vor. Für Hedge Funds soll ein Kodex zur Stärkung der sozialen Verantwortung ausgearbeitet werden.

Wenn von unterschiedlichen Ambitionsniveaus bei der Reduzierung von Haushaltsdefiziten die Rede sei, meine man, dass es etwa schwieriger sei, ein Defizit von 6 % auf 3 % zu senken, als von 3 % auf 2 %. Von der Diskussion über die Besteuerung von Flugbenzin oder die Tobin Tax erwartet sich der Finanzminister letztlich eine Stärkung des Eigenmittelanteils der Europäischen Union. Während die Kommission wenig Freude über diese Diskussion zeige, richte er seine Hoffnung auf den nächsten Midterm Review zu den EU-Finanzen. Über Basel II werde in der EU nicht diskutiert, es bestehe aber die Absicht, in der Solvabilitätsrichtlinie auf Basel II Rücksicht zu nehmen.

Der Binnenmarkt verlange eine vollständige Steuerharmonisierung bei den indirekten Steuern, nicht nur bei der Umsatzsteuer, zeigte sich der Finanzminister überzeugt. Anders liege der Fall bei den direkten Steuern. Einkommens- und Lohnsteuern können in der nationalen Gesetzgebung bleiben. Österreich sei als treibende Kraft bei der Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen für die Körperschaftssteuer engagiert, für Anfang 2008 erwarte er einen diesbezüglichen Vorschlag der Kommission. Was nach der Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen komme, könne man derzeit noch nicht sagen, sagte der Finanzminister, möglich sei ein europäischer Mindeststeuersatz. 

Die Slowakei könnte 2009 in die Eurozone aufgenommen werden, klar sei aber, dass für sie die selben strengen Maßstäbe gelten wie zuletzt für Litauen.  

Molterer zur Produktpiraterie: "Dramatische Situation"

Um Produktpiraterie, die Fälschung von Markenartikeln und den Handel mit den Imitaten, ging es im zweiten Punkt der Tagesordnung des Finanzausschusses. Grundlage der Debatte bildete der letztlich einstimmig zur Kenntnis genommene Bericht, den Finanzminister Molterer kürzlich vorgelegt hat.

Abgeordneter Johann Maier (S) informierte den Ausschuss über dramatische Entwicklungen an der deutsch-österreichischen und der österreichisch-tschechischen Grenze, wo unter anderem die vietnamesische Fälschungsmafia hoch aktiv sei und viel Geld investiere, an dem oft auch Blut klebe. Ähnliche Vorkommnisse seien auch in Ungarn zu beobachten, wo chinesische Fälscher unbehelligt von den Behörden mit DVDs, CDs, aber auch mit Kugellagern für Lkw handeln. Maier warnte vor der Entwicklung europäischer Regionen, in denen die europäische Rechtsordnung nicht gewährleistet sei.

Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) warnte vor der gesundheitlichen Gefahr, die von Medikamentenfälschungen ausgehe.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) hielt es für einen bescheidenen Erfolg, wenn in Hamburg, wo jährlich Millionen von Containern umgeschlagen werden, gerade einmal 90 Container mit Produktfälschungen beschlagnahmt werden. Zanger erkundigte sich nach dem diesbezüglichen Personaleinsatz der Zollwache und ihrer Ausbildung. Außerdem drängte er auf bewusstseinsbildende Maßnahmen bei den Konsumenten.

Abgeordneter Josef Bucher (B) schloss sich seinen Vorrednern an und hielt es für wichtig, Internetbenützer gezielt über Probleme im Internethandel aufzuklären.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) würdigte die gemeinsame Informationskampagne des Finanzministeriums und der Kronenzeitung gegen Schmuggelzigaretten, die wesentlich gesundheitsschädlicher seien als legale Zigaretten.

Finanzminister Molterer bestätigte die dramatische Situation im Bereich Produktfälschungen und warnte davor, dieses Delikt länger als ein Kavaliersdelikt zu betrachten, bei dem es um Rolex-Uhren oder billige T-Shirts und Koffer gehe. Längst würden illegal Produkte auf den Markt gebracht, die die Sicherheit und die Gesundheit von Menschen gefährden können. Beim Kampf gegen die Produktpiraterie sei er sehr daran interessiert, eng mit dem Parlament zusammenzuarbeiten, sagte Bundesminister Molterer. Auf Detailfragen eingehend, führte der Minister aus, dass die neunzig Container, über deren Beschlagnahmung in Hamburg der Bericht informiere, sich nicht auf ein ganzes Jahr, sondern auf eine einzige Aktion beziehen. Das war ein großer Erfolg. Öffentlichkeitsarbeit sei wichtig, sagte Molterer und kündigte gemeinsame Aktionen mit den Apotheken und besondere Informationen für Internetbenützer an. (Fortsetzung)