Parlamentskorrespondenz Nr. 402 vom 24.05.2007

Finanzausschuss bewältigt umfangreiche Tagesordnung

EU- und andere Rechtsanpassungen, Abkommen und Oppositionsanträge

Wien (PK) - Im weiteren Verlauf der Sitzung wandten sich die Mitglieder des Finanzausschusses insgesamt zwölf Vorlagen der Regierung und der Abgeordneten mit Anliegen zur Gesetzgebung zu.

Umsetzung der 5. Kraftfahrversicherungs-Richtlinie

Ein Entwurf für ein Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz und für ein Kraftfahrrechts-Änderungsgesetz 2007 dient der Umsetzung der 5. Kraftfahrversicherungs-Richtlinie in Österreich (80 d.B.). In der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung wird eine  Pauschalversicherungssumme für alle Personen- und Sachschäden von 6 Mill. € festgesetzt. Damit im Zusammenhang stehen die Anhebung von  Haftungshöchstbeträgen im Eisenbahn- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz sowie in weiteren Gesetzen. Für Fahrzeuge, die weiterhin von der Versicherungspflicht ausgenommen bleiben (landwirtschaftliche Fahrzeuge, bestimmte Heeresfahrzeuge, selbst fahrende Arbeitsmaschinen, Elektrofahrräder), übernimmt der Garantiefonds des Fachverbands der Versicherungen die Schadenshaftung. - Die Regierungsvorlage wurde von der Mehrheit der Regierungsparteien angenommen. Zwei Entschließungsanträge der Grünen zur Einbeziehung der Opfer von Fahrradunfällen in die Haftpflichtversicherung und zur Anhebung der Mindestversicherungssumme in der Kfz-Haftpflichtversicherung blieben in der Minderheit der Antragsteller und wurden abgelehnt.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) begründete die Entschließungsanträge mit Härtefällen und argumentierte mit internationalen Vorbildern gegen die Behauptung, eine Anhebung der Mindestversicherungssumme auf 15 Mill. € würde zwangsläufig zu einer Prämienerhöhung führen. In vielen europäischen Ländern herrsche sogar ein unbeschränkter Versicherungsschutz, sagte Rossmann.

Abgeordneter Kurt Eder (S) sah den Haftpflichtversicherungsschutz durch die Vorlage verbessert. Die Anträge der Grünen seien plausibel, er, Eder, sei aber dafür, bei den vorgeschlagenen Maßnahmen zu bleiben. Es gebe in Österreich viele Versicherungen, die viel höhere Versicherungssummen anbieten als die Mindestsumme. Das Thema Fahrräder sollte man im Verkehrsausschuss behandeln, schlug Eder vor.

Abgeordneter Johann Maier (S) sah Probleme beim Versicherungsschutz von Verkehrsopfern, aber nicht nur bei Radfahrern, sondern auch bei den Benützern von Skatern und Rollerbladern, Geräten, die nicht einmal als Fahrzeuge, sondern als Spielzeug gelten. Langfristig trat Maier dafür ein, die Mindestversicherungssumme anzuheben und erinnerte an die Verzweiflungstat eines jungen Mannes, der einen dreifachen Mord an der Familie eines Unfallopfers beging, weil die Haftpflichtversicherung seines Vaters nicht ausreichte, die Folgen eines von ihm verschuldeten Verkehrsunfalls zu entschädigen, was zum  wirtschaftlichen Ruin zweier Familien führte und die Bluttat auslöste.

Abgeordneter Josef Bucher (B) beklagte, dass die Anliegen des ÖAMTC und des VCÖ nicht berücksichtigt und die Mindestversicherungssumme nicht höher als vorgesehen angehoben werde.

Abgeordneter Hannes Bauer (S) drängte darauf, den Fachverband der Versicherungswirtschaft, dem in der Regierungsvorlage quasi behördliche Funktionen eingeräumt werden, zu kontrollieren.

Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) lehnte eine Zustimmung zu diesem Gesetz ab, weil die Debatte zeige, dass noch viele Fragen offen seien. Einmal mehr klagte Weinzinger über die Belastung der Autofahrer sowie kleiner und mittlerer Unternehmen.

Finanzminister Wilhelm Molterer hielt fest, dass die Mindestversicherungssumme von 3 auf 6 Mill. € erhöht, also verdoppelt werde. Außerdem seien schon jetzt in 75 % der Verträge höhere Mindestversicherungssummen vorgesehen. Vor dem Entschließungsantrag der Grünen über Opfer bei Fahrradunfällen warnte der Finanzminister, weil er in letzter Konsequenz auf eine Haftpflichtversicherung für Fahrräder hinauslaufe. Bei den von der Haftpflicht ausgenommenen Heeresfahrzeugen handle es sich um Kettenfahrzeuge, teilte Minister Molterer mit.

Anpassung des Finanzstrafverfahrens an die neue Strafprozessordnung   

Die ab 1. Jänner 2008 geltende neue Strafprozessordnung erfordert Anpassungen im gerichtlichen und im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren, vor allem bei den Verfahrensgrundsätzen und hinsichtlich der Rechtsstellung des Beschuldigten. Einen entsprechenden Entwurf für eine Finanzstrafgesetz-Novelle verabschiedete der Finanzausschuss einstimmig. Die   Finanzstrafbehörden werden künftig bei Ermittlungen die Strafprozessordnung anwenden. Anzeigepflichten werden durch das in der StPO vorgesehene Berichtswesen ersetzt. Aufgaben der Ratskammer und des Untersuchungsrichters werden vom Einzelrichter des Landesgerichts wahrgenommen. Die allgemeinen Bestimmungen des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens werden um Grundsätze des gerichtlichen Strafverfahrens ergänzt. Die Rechte der Beschuldigten im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren werden präziser umschrieben (81 d.B.).

Finanzminister Wilhelm Molterer beantwortete Detailfragen der Abgeordneten Lutz Weinzinger (F), Bruno Rossmann (G), Michael Ikrath (V), Johann Maier (S) und Josef Bucher (B), indem er zusicherte, das Gesetz nach zwei Jahren zu evaluieren und dann allenfalls über weitere Verbesserungen nachzudenken. Die Vorlage schaffe Rechtssicherheit auch für die Banken, indem sie ihnen bei Auskünften über Kunden ein Entschlagungsrecht einräume, was zu einem ordentlichen Verfahren führe, in dem entschieden werde, wo dem Bankgeheimnis und wo der Auskunftspflicht Priorität gebühre.

Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) regte an, den Beschuldigtenbegriff der StPo zu übernehmen und Einsprüche gegen Rechtsverletzung nach dem Muster des Strafprozessrechts zu ermöglichen.

V-S-Antrag für eine verfassungskonforme Reisekostenvergütung

Auf Antrag (220/A) von Abgeordneter Gabriele Tamandl (V) und Abgeordnetem Jan Krainer (S) behandelte der Ausschuss sodann unter dem Titel einer Reisekosten-Novelle 2007 eine verfassungskonforme und aufkommensneutrale Neuregelung der Reisekostenvergütung, nachdem der VfGH Teile des Einkommensteuergesetzes und eine Verordnung des Finanzministers ab Ende 2007 aufgehoben hat. - Der Antrag wurde in der Fassung eines V-S-Abänderungsantrages mit formalen Korrekturen mit S-V-F-B-Mehrheit an das Plenum verabschiedet.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) machte auf einen Artikel von Prof. Doralt aufmerksam, der die Verfassungskonformität der neuen Regelung in Zweifel zieht. Ausschussobmann Günter Stummvoll entgegnete, eine Gegendarstellung zu Prof. Doralt sei bereits unterwegs.

Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter unterstützte den Antrag, durch den verhindert werde, dass tausende Menschen Lohneinbußen hinnehmen müssen. Dass die gewählte Regelung halten werde, könne niemand garantieren. An die Kollektivvertragspartner appellierte Matznetter schließlich, die Abgeltung von Reise-, Verköstigungs- und Übernachtungsaufwendungen zu vereinheitlichen.  

Weiterer Beitrag zur Finanzierung globaler Umweltprojekte

Die Absicht der Bundesregierung, einen Betrag von 24,38 Mill. € zur 4. Wiederauffüllung des Treuhandfonds der Globalen Umweltfazilität (GEF) beizutragen, fand im Finanzausschuss die Zustimmung von SPÖ, ÖVP, BZÖ und der Grünen. Die GEF finanziert Projekte zur Lösung globaler Umweltprobleme, teilte Finanzstaatssekretär Matznetter mit. Die Schwerpunkte ihrer Finanzierungsstrategie liegen auf der Förderung neuer und effizienter Technologien in Ländern mit einem Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 4000 US-Dollar pro Jahr. Das österreichische GEF-Engagement hat positive Wirkungen auf die heimische Wirtschaft und Beschäftigung, stand in den Erläuterungen zu lesen. Die Zusammenarbeit mit der Weltbank und der Internationalen Entwicklungsorganisation bei der Finanzierung globaler Umweltschutzprojekte erleichtert den Zugang österreichischer Firmen zu den Märkten in Entwicklungsländern (72 d.B.).

Detailfragen der Abgeordneten Ruperta Lichtenecker (G), des Abgeordneten Bucher (B) sowie des Abgeordneten Hermann Schultes (V) beantwortete Finanzstaatssekretär Matznetter, indem er auf die enormen Marktchancen österreichischer Firmen in der Wasserwirtschaft und bei Umweltschutzanlagen in Entwicklungsländer hinwies. Schwerpunktländer sind Rumänien, China, Indien und Albanien. Die Tätigkeit des Fonds werde evaluiert, seine Gebarung kontrolliert. Österreich sei als Mitglied des Rates in die Programmgestaltung eingebunden.

Amtshilfeabkommen mit Albanien

Da sich die Handelsbeziehungen zwischen Österreich und Albanien immer stärker intensivieren, wollen die beiden Länder bei der Erfassung der Waren im grenzüberschreitenden Verkehr, bei der Erhebung der Abgaben und beim Kampf gegen den Schmuggel von Waren gegenseitig helfen. Ein Abkommen über die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der Zollverwaltungen schafft die rechtlichen Grundlagen für diese Kooperation, der - nach Klärung von Detailfragen - alle Fraktionen des Finanzausschusses zustimmten (41 d.B.).

Schiedsübereinkommen zur Lösung von Verrechnungsproblemen

International tätige verbundene Unternehmen können durch autonome Festlegung von Verrechnungspreisen Gewinnverlagerungen von einem EU-Mitgliedsland in andere Mitgliedsstaaten vornehmen. Ein eigenes Schiedsübereinkommen sieht ein spezielles Verfahren zur Lösung von Verrechnungspreisproblemen vor, dem nun auch die neuen EU-Mitgliedsstaaten beigetreten sind (64 d.B.). - Der Beschluss erfolgte einstimmig.

Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) zeigte Verständnis für notwendige Vereinfachungen, wiederholte aber einmal mehr seine Überzeugung, dass die EU-Mitgliedsländer ihre Steuerhoheit im Interesse der eigenen Bevölkerung nicht aufgeben sollten.

Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter wies darauf hin, dass bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen zu sehr komplizierten Verhältnissen führen und man im Interesse der Rechtsunterworfenen danach trachten sollte, das internationale Steuerrecht so zu gestalten, dass man es anwenden kann, ohne umfangreiche Kompendien zu studieren.

BZÖ verlangt Senkung der Umsatzsteuer für Arzneimittel auf 10%  

Den BZÖ-Antrag 99/A auf Senkung der Umsatzsteuer für Medikamente von 20% auf 10% erläuterte Abgeordneter Josef Bucher (B) und begründete die Initiative mit dem Hinweis darauf, dass Österreich bei der Höhe der Medikamentenbesteuerung in Europa hinter Dänemark an zweiter Stelle lieg und immer mehr Patienten ihre Medikamente selbst bezahlen müssen, da die Krankenkassen die Kosten oft nicht mehr übernehmen. Die Bedeckung des auf 300 Mill. € geschätzten Steuerausfalls hielt der Antragsteller durch die Einführung schlankerer Verwaltungsstrukturen in der Sozialversicherung für möglich.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) schloss sich den aus seiner Sicht grundvernünftigen Ansichten seines Vorredners an.

Abgeordnete Tamandl (V) plädierte dafür, die nächste Steuerreform nicht als ein Flickwerk zu beschließen, sondern den vorliegenden Antrag zu vertagen und in die Debatte über die Steuerreform aufzunehmen.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) hielt nichts davon, die Umsatzsteuer für Medikamente zu senken, ohne Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass das Geld nur in die Kassen der Pharmaindustrie fließe. Diesen Antrag sollte man noch sorgfältig diskutieren.

Auch Finanzstaatssekretär Matznetter begrüßte den Vertagungsantrag und schloss sich dem Argument an, dass dieser Antrag nur den Apotheken und Pharmakonzernen nützen würde. Die Bundesregierung will Maßnahmen zugunsten von Menschen treffen, die viel Geld für Medikamente ausgeben müssen, gleichzeitig seien aber auch Vorkehrungen gegen die Defizite der Krankenkassen zu treffen, die wesentlich auch durch Medikamentenkosten verursacht werden.

Die Vertagung erfolgte mit S-V-G-Mehrheit.  

FPÖ will Staatskontenführung neu ausschreiben

Die F-Abgeordneten Lutz Weinzinger und Wolfgang Zanger verlangten in einem Entschließungsantrag die Neuausschreibung der Staatskontenführung und begründeten ihr Verlangen mit den jüngsten Ereignissen rund um die Auflösung der Konten kubanischer Staatsbürger bei der vom US-Fonds Cerberus übernommenen ehemaligen Gewerkschaftsbank "BAWAG-PSK". Die Kündigung der Konten sei menschenrechtswidrig, argumentieren die Antragsteller, weil es verboten ist, Menschen wegen ihrer Rasse oder Nation zu benachteiligen. Der Helms-Burton-Act, auf den sich die "BAWAG"-Eigentümer berufen, ist kein österreichisches Gesetz und hat somit keinerlei rechtliche Wirkung in Österreich, schreiben die F-Abgeordneten und warnen davor, dem BAWAG-PSK-Eigentümer Cerberus Einblick in wichtige Daten des Staates zu gewähren (190/A(E)).

Abgeordneter Kurt Eder (S) beantragte eine Vertagung des Antrages, da mittlerweile der Rechtsfriede wieder hergestellt sei und eine rechtliche Prüfung im Gange sei.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) warnte vor einer Neuausschreibung der Staatskontenführung, weil dies die BAWAG in die Staatshaftung treiben würde. Man müsse aber Vorkehrungen treffen, dass der US-Eigentümer keinen Einblick in die Konten des Staates sowie privater Kunden nehmen könne.

Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter machte darauf aufmerksam, dass eine - nur langfristig mögliche - Neuausschreibung der Staatskonten international erfolgen müsste und erinnerte daran, dass das aktuelle Problem mit dem Helms-Burton-Act kurzfristig gelöst werden konnte. Die Zusammenarbeit der Regierung mit ihrer Hausbank, die tausende Konten betreue und laufend an der Verbesserung der elektronischen Abwicklung arbeite, bezeichnete Matznetter als gut und nannte den Vertagungsantrag sinnvoll. (Schluss)