Parlamentskorrespondenz Nr. 437 vom 05.06.2007

FPÖ in der Aktuellen Stunde: Sozialstaat statt Zuwanderung

S, V, G: Volkswirtschaft profitiert längerfristig von Zuwanderung

Wien (PK) - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eröffnete die 24. Sitzung des Nationalrates mit einer Aktuellen Stunde, für die die FPÖ das Thema "Sicherung des Sozialstaates für Österreicher statt Zuwanderung" vorgeschlagen hatte.

F-Klubobmann STRACHE begründete die Themenwahl mit der Sorge seiner Fraktion, Zuwanderung gefährde den Sozialstaat, weil Ausländer mehr aus den Sozialtöpfen herausnehmen würden als sie einzahlen. Strache untermauerte seine Argumentation mit Zahlen über einen höheren Ausländeranteil an Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe sowie an Förderungsmaßnahmen des AMS. Die FPÖ verlange Kostenwahrheit, die Regierung weigere sich aber, entsprechende Studien in Auftrag zu geben. Die Sicherung des Sozialstaates erfordere Veränderungen, sagte der F-Klubobmann und schlug vor, die Zuwanderung zu stoppen, eine Gastarbeitersozialversicherung einzuführen und dafür zu sorgen, dass die Vorteile des Sozialsystems in erster Linie Österreichern zugute kommen.

Dann wandte sich Strache dem demographischen Problem zu und erklärte die Tatsache, dass Österreicher immer weniger Kinder bekommen, mit der Gefahr der Familien, unter die Armutsgrenze zu rutschen. Oft schon mit zwei Kindern, mit Sicherheit aber mit drei bis vier Kindern liege man unter der Armutsgrenze. Schon längst hätte man im Steuersystem dafür sorgen müssen, dass sich Familien Kinder leisten können - statt der Multi-Kulti-Ideologie zu folgen und Zuwanderung zu finanzieren.

Sozialminister Dr. BUCHINGER hielt die Sicherung des Sozialstaates für ein wichtiges Thema, das in den Nationalratssitzungen dieser Woche - Stichwort Hauskrankenpflege und Entschärfung von Härten der letzten Pensionsreformen - eine wichtige Rolle spiele. Die Regierung nehme ihre Verantwortung für das Sozialsystem wahr, sagte Buchinger und warnte den F-Klubobmann vor einseitigen Darstellungen beim Thema Zuwanderung sowie ausdrücklich davor, falsche Zusammenhänge zwischen der Finanzierung des Sozialstaates und der Zuwanderung herzustellen. Aus Studien zum Thema sollte man richtige Schlussfolgerungen ziehen, riet Buchinger. Er unterstrich die Bedeutung der Integration von Ausländern und bat zu beachten, dass sich die Immigration vorteilhaft auf die Altersstruktur der Bevölkerung auswirke. Einzahlungen von MigrantInnen in das Sozialsystem und Auszahlungen an MigrantInnen halten einander die Waage, sagte der Sozialminister und machte darauf aufmerksam, dass die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit von Zuwanderern geringer sei als jene der Österreicher.

Die wichtigsten Antworten der Bundesregierung auf die Frage nach der Sicherung des Sozialsystems lauten: Vollbeschäftigung, Mindestlohn und Mindestsicherung, sagte Buchinger weiter. Die Fragestellung der Freiheitlichen leiste dazu keinen Beitrag, sie könnte aber dazu führen, Gruppen gegeneinander auszuspielen, was mit den Grundsätzen eines Sozialstaates nicht vereinbar sei.

Abgeordneter HABERZETTL (S) forderte dazu auf, das Thema Migration nicht ausschließlich wirtschaftlich, sondern auch menschlich und sozial zu betrachten. Es sei zwar richtig, dass Zuwanderung zunächst Lohndruck auf niedrig qualifizierte Arbeitnehmergruppen ausübe, langfristig führe die Zuwanderung aber zu Einkommenszuwächsen bei In- und Ausländern, insbesondere bei Inländern. Haberzettl rief dazu auf, das Thema Migration ernsthaft aufzuarbeiten und sich dabei auf Integration und Bildungsmaßnahmen zu konzentrieren. Dabei machte der  Abgeordnete aufmerksam, dass viele MigrantInnen Probleme bei der Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen haben, und zwar auch dort, wo großer Bedarf auf dem heimischen Arbeitsmarkt herrsche.

Abgeordneter DI MISSETHON (V) nannte die Zuwanderung ein "interessantes Thema", bei dem man Probleme nicht mit dem Mantel der Menschlichkeit zudecken sollte. Trotz der gegenwärtig guten Arbeitsmarktsituation und Vollbeschäftigung in fünf Bundesländern, bestünden nach wie vor Probleme bei niedrig qualifizierten Zuwanderern. Es gelte die Begriffe "Zuwanderung", "Asyl" und "Migration" auseinander zu halten und gleichzeitig zu fragen, welche Leute Österreich brauche. Missethon unterstützte den Vorschlag von Vizekanzler Molterer, nach dem Vorbild großer Einwanderungsländer eine A-Card einzuführen. Österreich brauche qualifizierte und gesunde Menschen ohne kriminelle Vergangenheit. Es müsse klar bleiben, dass Menschen, die Asyl brauchen, solches in Österreich finden - die Frage der Zuwanderung sei aber neu zu konzipieren, sagte Missethon.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) unterstrich das Eintreten der Grünen für einen zukunftsfähigen Sozialstaat, warnte aber zugleich vor der Hetze der Freiheitlichen gegen Ausländer. Das Beispiel Jörg Haiders zeige, dass derartige Kampagnen auch gegen andere Gruppen geführt werden, etwa gegen Sozialhilfeempfänger. Die Studie, auf die sich Klubobmann Strache beziehe, sei keine Studie über österreichische Verhältnisse, sondern über Deutschland, in der die Autoren überdies empfehlen, die Übergangsfristen für die Personenfreizügigkeit mit den neuen EU-Mitgliedsländern aufzuheben. Alles, was Strache zitierte, sei falsch, sagte Öllinger - die Grünen lehnen es ab, eine Zuwanderungsdebatte mit falschen Zahlen und auf der Basis von Verleumdungen zu führen.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) erläuterte das Eintreten ihrer Fraktion für Menschen, die ihre Kinder nicht in Privatschulen schicken könnten, die auf Sozialwohnungen und ein funktionierendes Sozialsystem angewiesen seien. Zuwanderung rechne sich nicht, sondern belaste den Sozialstaat, sagte Rosenkranz und riet, den Umkehrschluss zu ziehen: Wäre es anders, hätte die Zuwanderung von 1,3 Millionen Menschen während der letzten Jahre zu vollen Sozialtöpfen führen müssen. Dann wandte sich die Rednerin dem ihrer Meinung nach zynischen Argument zu, man müsse den Geburtenrückgang durch Zuwanderung ausgleichen. Es sei unsozial im Ausland zeugen und erziehen zu lassen und geradezu kolonialistisch, wenn heute in London mehr Krankenschwestern aus Malawi arbeiten als in Malawi selbst. Eine Altersversorgung, die jahrtausendelang innerhalb der Familien funktioniert habe, setze auch unter den modernen Bedingungen staatlicher Altersversorgung die Aufrechterhaltung des Generationenvertrags und damit eigene Kinder voraus. Jede Auflösung des Generationenvertrags gefährde die Altersversorgung, zeigte sich die Abgeordnete überzeugt. Statt sich auf Kinderkrippen zu konzentrieren, sollte die Familienpolitik für ein familiengerechtes Steuersystem, für Erziehungsgeld und für Mütter- und Väterpensionen sorgen. "So lange Menschen gezwungen sind, sich zwischen Kindern und Wohlstand zu entscheiden, wird die Situation nicht besser werden!"

Abgeordneter WESTENTHALER (B) zeigte sich verwundert über einen Gewerkschafter wie Haberzettl, der sich für Zuwanderung ausspreche sowie über einen Sozialminister Buchinger, der zum Thema Zuwanderung keine eigene Meinung habe, sondern nur Professoren zu zitiere. Im Ausland werde das Thema Zuwanderung anders diskutiert und behandelt. Bei Ansprüchen auf Sozialleistungen werde das Kriterium Staatsbürgerschaft immer wichtiger. Die Schweiz habe etwa  errechnet, dass 80 % der steuerfinanzierten Sozialleistungen an Ausländer gehe. Westenthaler hielt es für interessant zu wissen, wie hoch dieser Wert in Österreich sei. In Deutschland erhalten Ausländer erst nach zwei Jahren Sozialleistungen und im liberalen Dänemark gar erst nach sieben Jahren. Westenthaler sprach sich entschieden dagegen aus, kriminellen Ausländern Zugang zu österreichischen Sozialtöpfen zu geben.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) erinnerte Abgeordneten Westenthaler daran, dass die Zuwanderung nach Österreich in der Zeit der schwarz-blau-orangen Koalition höher denn je war. Dies deshalb, weil man kurzfristig Saisonniers nach Österreich geholt habe, entgegen der Erkenntnis, dass Zuwanderung nicht kurzfristig, sondern langfristig positive Auswirkungen auf die Volkswirtschaft habe. Dem Vorschlag einer Sozialversicherung für Ausländer erteilte Kuntzl eine klare Absage, in letzter Konsequenz würde dies nämlich zu einer eigenen Sozialversicherung für Menschen mit kleinen Einkommen oder einem überdurchschnittlichen Unfallrisiko führen. Beim Thema Integration verwies die Rednerin auf Erfolge in Wiener Schulen, wo Kinder mit sprachlichem Nachholbedarf gefördert werden, was es erlaube, Schulklassen mit Kindern aus mehr als einem Dutzend Nationen erfolgreich und zum Nutzen von Kindern mit deutscher und nicht-deutscher Muttersprache zu unterrichten.

Abgeordneter AMON (V) widersprach seiner Vorrednerin und wies darauf hin, dass die Integrationsprobleme wegen einer verfehlten Bildungspolitik nirgendwo größer seien als in Wien. Die beiden Themen, die die Freiheitlichen für die heutige Aktuelle Stunde gewählt haben, Sicherung des Sozialstaates und Zuwanderung, seien, jedes für sich genommen, spannend. Den Zusammenhang, den die FPÖ hergestellt habe, lehnte Amon aber ab. Denn seriöse Studien zeigten, dass Ausländer und Inländer etwa gleich viel in das Sozialsystem einzahlen wie sie herausnehmen. Die Verquickung des Ausländerthemas mit der Frage nach der Finanzierung des Sozialstaates sei nichts anderes als Populismus, kritisierte Amon.

 Abgeordnete Mag. STOISITS (G) fragte, wie Österreich aussehen würde, gebe es nicht die vielen AusländerInnen, die als Saisonniers arbeiten. Wer würde denn sonst die vielen Kranken und Bettlägrigen pflegen, die Pflegefälle zu Hause versorgen, den Spargel im Marchfeld stechen, die Ernten einbringen und die zigtausenden Klos in öffentlichen Einrichtungen putzen, meinte sie pointiert. Die Betriebe hätten nämlich längst erkannt, dass die Zuwanderung notwendig ist, sonst würden sich die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung nicht in dieser Richtung äußern. Es möge nicht vergessen werden, dass Europa ein Kontinent der Zuwanderung und der Binnenwanderung sei.

Abgeordneter KICKL (F) unterstrich, dass die Freiheitlichen die Wahl von Stoisits zur Volksanwältin nicht unterstützen werden und sich etwas Anderes vorgestellt haben. Die Grünen stellen seiner Ansicht nach einmal mehr unter Beweis, dass sie auf Kriegsfuß mit dem Begriff Staatsbürger lebten. Die Regierung spreche im Zusammenhang mit dem Sozialstaat von Zukunftsorientierung und Zukunftsbewusstsein, in Wahrheit aber handle es sich um einen Kurs gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung. Man bringe im Sozialbereich nichts zustande, weil man alles zeitlich befriste, nicht valorisiere, immer nur die Salami-Taktik anwende, weil angeblich kein Geld vorhanden sei. Gleichzeitig aber schrecke man nicht davor zurück, in den Bereich der Zuwanderung Geld zu investieren. Das habe, so Kickl, mit einer verantwortungsvollen Politik nichts zu tun, sondern stelle eine Heuchelei dar.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) meinte, auf der einen Seite erfolge heute eine Ausländer-raus-Debatte und auf der anderen Seite gebe es multikulturelle Sozialromantik. Beides sei nicht sinnvoll. Im Zusammenhang mit der Rekordzuwanderung verwies Scheibner darauf, dass ein Großteil der Saisonniers aus Deutschland kommt. In Richtung Bundesminister Buchinger betonte der Redner, dem Ressortleiter sei heute wenig eingefallen, er habe lediglich aus einer Studie zitiert, damit die Zeit vergeht; das sei zu wenig. Aus einer Studie des WIFO gehe eindeutig hervor, dass die Zuwanderung mehr koste als sie bringe. Die SPÖ habe keinen Grund, dem BZÖ unmenschliche Politik vorzuwerfen. Wenn man ausländische Arbeitskräfte braucht, dann sollen sie, solange sie gebraucht werden, im Land bleiben, aber es solle nicht aus ideologischen Gründen eine Zuwanderung unterstützt werden. (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)