Parlamentskorrespondenz Nr. 487 vom 19.06.2007

Antidiskriminierung: Nur EU-Vorgaben erfüllen oder mehr tun?

Terezija Stoisits im Menschenrechtsausschuss verabschiedet

Wien (PK) - Ein Entschließungsantrag der Grünen unter Federführung von Terezija Stoisits, in dem sie ein Paket von Maßnahmen im Bereich Antidiskriminierung fordern, war der einzige Punkt der Tagesordnung des Ausschusses für Menschenrechte. Die Sitzung war die letzte unter dem Vorsitz von Terezija Stoisits; sie wechselt am 1. Juli in die Volksanwaltschaft. Die designierte Volksanwältin wurde in der Sitzung verabschiedet, wobei ihre Arbeit als engagierte Parlamentarierin gewürdigt wurde – von ÖVP-Abgeordnetem Großruck mit einem Vierzeiler – und der scheidenden Abgeordneten gute Wünsche für ihre neue Tätigkeit übermittelt und ein Blumenstrauß überreicht wurden. Stoisits bedankte sich ihrerseits bei ihren KollegInnen für die Zusammenarbeit, durch die die Einsetzung und die Arbeit des Menschenrechtsausschusses erst möglich geworden seien. Sie dankte aber auch zum Abschied den BeamtInnen der Parlamentsdirektion und überreichte Blumen. Sie werde dem Parlament verbunden bleiben, betonte Stoisits zum Abschied. Der Entschließungsantrag der Grünen wurde mit Mehrheit vertagt.

Die Debatte des Ausschusses ging zum größten Teil über die vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft in Auftrag gegebenen Kampagne zum Thema Antidiskriminierung bzw. Gleichbehandlung, zu der Staatssekretärin Marek Einzelheiten skizzierte. Diese Kampagne stehe im Zusammenhang mit dem von der EU ausgerufenen Jahr der Chancengleichheit 2007. Die Endpräsentation der Kampagne in Form von Spots in Hörfunk und Fernsehen erfolge im Juli, eine Abschlussevent ist für November vorgesehen. Vor allem die VertreterInnen der Grünen übten daran heftige Kritik und forderten konkrete Maßnahmen im Sinn der Antidiskriminierung. Österreich sollte sich nicht damit begnügen, nur EU-Vorgaben zu erfüllen; es sei ja nicht verboten, "mehr zu tun".

Die Debatte im einzelnen

Nach dem G-Entschließungsantrag soll zum einen eine Evaluierung und gegebenenfalls eine Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes erfolgen. Dabei sollen u.a. das Gesetz vereinfacht, die Unabhängigkeit des Gleichbehandlungsanwaltschaft in der Verfassung verankert und eine Verbandsklage für Diskriminierungsopfer vorgesehen werden. Außerdem treten die Grünen für eine Untersuchung des Arbeitsmarkts auf seine Diskriminierungsfreiheit, einen Rahmenbeschluss auf europäischer Ebene und Maßnahmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit ein.

Die Debatte wurde mit einem Statement von Staatssekretärin Christine Marek (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) zum laufenden Jahr der Chancengleichheit eröffnet. Das von der EU ausgerufene Aktionsjahr 2007 werde von Österreich vor allem als Jahr der Bewusstmachung von Diskriminierungen und als Möglichkeit zur Sensibilisierung gesehen. Schon an den sechs verschiedenen Diskriminierungstatbeständen – aufgrund des Geschlechts, der Religion, der ethnischen Zugehörigkeit, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung – werde deutlich, dass es sich um eine Querschnittsmaterie handle. Unter der Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit gäbe es daher Gespräche mit den anderen hauptsächlich betroffenen Ressorts: dem Frauen-, dem Familien- und dem Sozialministerium.

In Summe stehen für Aktionen im Rahmen des Aktionsjahres 430.000 € zur Verfügung, die je zur Hälfte von der EU und aus Österreich kommen; dazu kommen noch Sponsorbeiträge, um die sich Staatssekretärin Marek bemüht. Geplant ist eine große Kampagne mit Spots in Fernsehen und Radio; die Präsentation dieser Kampagne ist für den 26. Juli geplant. Außerdem werde es eine Broschüre geben, führte Marek aus, eine eigenen Internetseite, Medienkooperationen, Diskussionsveranstaltungen und einen "Abschlussevent" im November.

Sowohl von den Inhalten wie von der budgetären Ausstattung her sei das "ernüchternd", stellte Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) fest, die konkrete Maßnahmen bevorzugt hätte. Im einzelnen führte sie die Unterzeichnung des 12. Zusatzprotokolls zur Menschenrechtskonvention und die ILO-Testings zur Diskriminierungsfreiheit an. Die durch die EU vorgegebene Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes sei "juristisch unelegant" und leide zudem unter einem uneinheitlichen Diskriminierungsbegriff, kritisierte Weinzinger. Des weiteren trat sie für die verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft, die Einbeziehung der NGOs in die Gleichbehandlungskommission und die Möglichkeit der Verbandsklage bei Diskriminierung ein.

Ihre Fraktionskollegin Terezija Stoisits schloss sich dieser Kritik an und ergänzte sie mit der Forderung, jene Einrichtungen stärker zu unterstützen, die mit der Umsetzung der Gleichbehandlung befasst seien. So sei das Budget der Gleichbehandlungsanwaltschaft für Öffentlichkeitsarbeit "lächerlich". "Die NGOs liefern die Ideen, und die Werbeagentur kassiert das Honorar", sagte Stoisits pointiert.

Unter Hinweis auf die derzeit in Vorbereitung befindliche Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz stellte Abgeordneter Gabriel Obernosterer (V) den Antrag, den Entschließungsantrag der Grünen zu vertagen.

Im weiteren Verlauf der Debatte wurden Fragen im Zusammenhang mit Qualifizierungsmaßnahmen für MigrantInnen (Abgeordnete Hagenhofer, S), Unterschieden im Kollektivvertrag und der Möglichkeit einer Mütterpension (Abgeordneter Darmann, B) und PolizistInnen mit Migrationshintergrund (Abgeordneter Zinggl, G), an Staatssekretärin Marek gerichtet.

Staatssekretärin Marek verteidigte die geplante Kampagne mit Hinweis auf das durch Eurobarometer festgestellte Informationsdefizit und auf die bereits seit längerem laufenden Maßnahmen, etwa bei Richterinnen und Staatsanwältinnen und im Schulbereich. Beim AMS gebe es Alphabetisierungsmaßnahmen und Deutschkurse, aber keine Gesamtprogramme zum Thema Integration, die ja eine Querschnittsmaterie sei. In den Kollektivverträgen geben es bei der Entlohnung keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen; für Mütter sei im Rahmen der Pensionsreform einiges geschehen, zudem gelte es, die Erwerbstätigkeit von Frauen zu fördern. Auch an NGOs würden Honorare bezahlt, nicht nur an die befasst Werbeagentur.

Zum Entschließungsantrag sagte die Staatssekretärin, dass derzeit die Gespräche über die Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes laufen und die Vorgaben der EU umgesetzt würden. Marek bekannte sich zur Stärkung der Gleichbehandlungsanwaltschaft und zur Unabhängigkeit dieser Einrichtung: Alle Fraktionen seien eingeladen, zur verfassungsmäßig verankerten Unabhängigkeit beizutragen. Der Schaffung einer Verbandsklage nach dem Vorbild beim Konsumentenschutz erteilte sie eine Absage, statt dessen brachte sie den Zusammenschluss von einzelnen Institutionen zu einem Klagsverband ins Spiel. Skeptisch äußerte sie sich zu den genannten ILO-Testings, zumal diese aufwändig und fehleranfällig seien. Beim 12. Zusatzprotokoll gehe es darum, es "auf seine Praxistauglichkeit abzuklopfen".

Der Vertagungsantrag wurde mit Mehrheit angenommen.

Abgeordneter Christian Füller wurde einstimmig zum 1. Schriftführer des Menschenrechtsausschusses gewählt. (Schluss)