Parlamentskorrespondenz Nr. 532 vom 28.06.2007

Sozialausschuss: Arbeitsinspektion, Bundesbedienstetenschutz, EU

Ausführliche Debatte über drei Berichte aus den Vorjahren

Wien (PK) – Auf der Tagesordnung des Sozialausschusses standen auch drei Berichte, die sich mit der Tätigkeit der Arbeitsinspektion (2005), mit dem Bundesbedienstetenschutz sowie mit der EU-Jahresvorschau 2007 befassten.

Arbeitsinspektion legt Tätigkeitsbericht für 2005 vor

Dem Tätigkeitsbericht der Arbeitsinspektion für das Jahr 2005 ist zu entnehmen, dass 310 ArbeitsinspektorInnen (240 männliche, 70 weibliche) bei etwa 72.700 Arbeitsstätten, Baustellen und auswärtigen Arbeitsstellen 168.100 arbeitnehmerschutzbezogene Tätigkeiten durchgeführt haben. Bei fast einem Drittel aller besichtigten Arbeitsstätten und Unternehmen, die auf Baustellen und auswärtigen Arbeitsstellen tätig waren, wurden Übertretungen der Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes festgestellt. Trotz des relativ großen Umfanges der Übertretungen mussten nur 1.971 Strafanzeigen an die zuständigen Verwaltungsstrafbehörden erstattet werden. Außerdem mussten in 17 Fällen wegen unmittelbar drohender Gefahr für Leben und Gesundheit Sofortverfügungen vor Ort zum Schutz der gefährdeten ArbeitnehmerInnen getroffen werden. Laut den Daten der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt gab es 2005 103.029 anerkannte Arbeitsunfälle, davon waren zu 79 % Männer und zu 21 % Frauen betroffen; 124 Arbeitsunfälle verliefen tödlich. 2005 wurden 1.146 Krankheitsfälle als Berufskrankheitsfälle von der AUVA anerkannt. So wie in den Berichtsjahren zuvor nahm die Zahl der anerkannten Berufskrankheitsfälle laut AUVA 2005 weiter zu. Eine Ursache dafür ist, dass die Zahl der Gehörschäden durch Lärmeinwirkung gestiegen ist. – Der Bericht wurde mehrheitlich – nur die Grünen stimmten dagegen – angenommen.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) stellte zunächst kritisch fest, dass man der Arbeitsinspektion mit der Eingliederung ins Wirtschaftsministerium einen "Bärendienst" erwiesen habe. Sodann ging er auf den Anstieg bei den Arbeitsunfällen, vor allem in den Bereichen Abfallbeseitigung und Reinigungsgewerbe ein. Obwohl die Leiharbeit nicht näher ausgewiesen ist, vermute er, dass es auch in diesem Sektor Zunahmen gegeben hat. Öllinger warf der Bundesregierung vor, in diesen Problembereichen keine gezielten Maßnahmen mit konkreten Vorgaben gesetzt zu haben. Was die Berufskrankheiten betrifft, so habe sich zwar die Anerkennungspraxis verbessert, aber es gebe noch einigen Handlungsbedarf, wie z.B. bei Krankheiten, die durch bestimmte Lösungsmittel verursacht werden oder auf darauf zurückzuführen sind, dass Zement noch immer sechswertigen Chrom enthalte. Beim Kapitel Verwendungsschutz sei ihm aufgefallen, dass ein Großteil der Übertretungen das Thema Arbeitszeit betreffe.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) sprach – ebenso wie ihr Vorredner – den Umstand an, dass es einen Rückgang bei den Fällen bezüglich Arbeitszeitübertretungen in Krankenhäusern gegeben hat. Werde nun weniger kontrolliert?, fragte sie. Denn so wisse sie etwa, dass im LKH St. Pölten Arbeitszeiten von 100 Stunden durchaus keine Seltenheit sind. Es gebe auch keine geeigneten Sanktionen, wenn z.B. die Aufzeichnungen nicht geführt werden. Weiters sprach sie die Einbeziehung des öffentlichen Bereiches in den Arbeitsschutz an.

Auch Abgeordneter Walter Schopf (S) ging auf die Übertretungen im Bereich der Arbeitszeit ein, von denen sowohl Jugendliche und Lehrlinge als auch Erwachsene betroffen sind. Kritisch beurteilte er, dass die Anzahl der Inspektionen sowie der Mitarbeiter in der Arbeitsinspektion gesunken ist.

Abgeordnete Ursula Haubner (B) bezeichnete den Bericht als wichtige Grundlage, um politische Schlüsse zu ziehen. Auffällig sei, dass die Fälle bei den Berufskrankheiten kontinuierlich zugenommen haben, wobei insbesondere bei jenen, die durch Lärmeinwirkung entstanden sind, hervorstechen; hier müsste wirklich angesetzt werden. Weiters sprach sie den Frauenrückgang in männerdominierten Berufssparten an. Viele kleinere Betriebe können es sich oft nicht leisten, wenn die weiblichen Mitarbeiterinnen in den Mutterschutz gehen. Aus diesem Grund wären öffentliche Unterstützungen notwendig.

Der Bericht sei lobenswert, wichtig und verdienstvoll, meinte Abgeordneter Herbert Kickl (F). Wenn man schon so viele Übertretungen hinsichtlich der Arbeitszeit feststelle, dann könne es keine Lösung sein, noch eine weitere Flexibilisierung und Ausweitung vorzunehmen. Zu eng gefasst war ihm auch die Liste der Berufskrankheiten. Man müsste sich überlegen, z.B. Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates, Herz- und Kreislauferkrankungen oder das Burn-Out-Syndrom in den Katalog aufzunehmen.

Die Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Christine Marek, dankte zunächst den Mitarbeitern der Arbeitsinspektion, die vor Ort und als Partner der Unternehmen ihre Aufgaben toll erledigen. Sie sei mit dem Bericht, der sehr aussagekräftig ist, hochzufrieden. Nicht zufrieden gebe sie sich natürlich mit der Tatsache, dass es Arbeitsunfälle gibt. Deshalb nehme sie das vor drei Wochen beschlossene EU-Ziel, die Arbeitsunfälle um 25 % zu reduzieren, auch sehr ernst. Auch eine Vertreterin des Ressorts wies darauf hin, dass unmittelbar nach diesem Beschluss auf EU-Ebene eine Sitzung des Arbeitnehmerschutzbeirates einberufen wurde. Es sollen geeignete Maßnahmen überlegt werden, die zu einer Senkung der Arbeitsunfälle und der Berufskrankheiten beitragen. Sie gab jedoch zu bedenken, dass das Niveau in Europa schon sehr niedrig sei und dieses Ziel sehr schwer umzusetzen sein wird. Was die Übertretungen der Arbeitszeit anbelangt, so informierte sie darüber, dass 2004 eine Schwerpunktaktion in den Krankenhäusern durchgeführt wurde und es deshalb zu sehr vielen Kontrollen kam. Nunmehr herrsche wieder Routinebetrieb, erklärte die Sektionschefin, die aktuellen Rückmeldungen deuten jedoch darauf hin, dass sich an der Situation praktisch nichts verändert habe. In Kürze werden jedoch Sozialpartnergespräche aufgenommen, die sich genau mit diesem Thema befassen.

Staatssekretärin Christine Marek ging zudem noch auf die Personalsituation der Arbeitsinspektion ein, wo trotz restriktiver Einsparungsvorgaben, nur eine minimale Reduktion (- 3,2 %) erfolgt sei. Insgesamt 307 Inspektoren sind derzeit im Außendienst tätig. Für die Berufskrankheitenliste sei das Gesundheitsministerium zuständig, erklärte sie.

Die Arbeitsinspektion und der Bundesbedienstetenschutz

Als dritter Bericht stand jener über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion auf dem Gebiet des Bundesbedienstetenschutzes für den Zeitraum 2000 bis 2005 auf der Tagesordnung. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass die Zahl der Besichtigungen von Dienststellen seit 2000 zurückgeht; wurden im Jahr 2000 noch 837 Dienststellen besichtigt, waren es 2004 nur mehr 525; dieser Rückgang sei eine Auswirkung der Ausgliederungen von Bundesdienststellen, heißt es im Bericht. Am 1. Juni 1999 trat das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz in Kraft, wonach für alle MitarbeiterInnen im Bundesdienst nun die gleichen Regelungen wie in der Privatwirtschaft gelten, sofern nicht Besonderheiten der Aufgaben (z.B. bei den Streitkräften, der Polizei oder Katastrophenschutzdiensten) dem entgegenstehen.

Der Bericht listet auch all jene Dienststellen auf, die im Zeitraum 2000 bis 2005 schriftlich zur Mängelbehebung aufgefordert wurden. Bundesministerien mit vielen nachgeordneten Dienststellen wie das Innenministerium (248; 2005: 59), das Landesverteidigungsministerium (97; 2005: 15) und das Bildungsministerium (245; 2005: 22) haben von der Arbeitsinspektion die meisten schriftlichen Aufforderungen zur Mängelbehebung erhalten. Rückläufig war auch die Zahl der Unfälle (exklusive Wegunfälle). – Der Bericht wurde mehrheitlich angenommen (ohne die Stimmen der Freiheitlichen und Grünen).

Abgeordneter Karl Öllinger (G) bemängelte die Qualität des Berichts, der voll mit Euphemismen sei, und wies darauf hin, dass sich die Behörden darin selbst beurteilen. Besonders hinterfragenswürdig sei der Umstand, warum manche Dienststellen zuletzt vor 20 Jahren überprüft wurden. Für zu billig halte er es auch, wenn nun aufgrund der geänderten Bestimmungen die Dienstleiter für alle Missstände verantwortlich sind. Ein Problem ergebe sich auch durch die Ausgliederungen, da sich nun niemand für die Empfehlungen zuständig fühle.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) machte darauf aufmerksam, dass manche Ressorts, wie z.B. das Innen- oder das Wissenschaftsministerium, überhaupt keine Stellungnahmen abgegeben haben oder sich nur ein "flapsiger Kommentar" finde.

Es wurde heuer erstmals ein Fünfjahresbericht vorgelegt, erklärte Staatssekretärin Christine Marek, was auf eine Anregung des Sozialausschusses zurückgehe. Damit sei eine Vergleichbarkeit der Daten über einen längeren Zeitraum hin gegeben. Marek räumte ein, dass beim Bundesbedienstetenschutz noch einiges verbesserungswürdig sei, legistisch sei dafür jedoch Bundesministerin Doris Bures zuständig. Auch die Vertreterin des Ressorts erinnerte daran, dass die Vorlage eines Fünfjahresberichts auf den Wunsch der Parlamentarier zurückgehe. Aufgrund der großen Anzahl an Dienststellen sei es notwendig, eine Auswahl zu treffen. Sie könne jedoch versichern, dass die Mitarbeiter mit großem Engagement ihre Arbeit versehen. Was die geänderte Verantwortlichkeit angeht, so wurde mit den Dienstleitern nur eine zusätzliche Schiene eingezogen, gab sie gegenüber dem Abgeordneten Öllinger zu bedenken.

Strategische Initiativen der EU im Sozialbereich

Im Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2007 werden die konkreten Maßnahmen, die im Zentrum des politischen Handelns der Europäischen Kommission im Jahr 2007 stehen, beschrieben. Zu den wichtigsten Vorschlägen der Kommission für 2007 zählt die Bestandsaufnahme der sozialen Wirklichkeit. Hierbei werden Fragen der Zugangsmöglichkeiten und der Chancen im Vordergrund stehen. So soll etwa der soziale Wandel im Hinblick auf die Lebensqualität untersucht und eine Debatte über die wichtigsten Faktoren, die zur Lebensqualität beitragen (wirtschaftliche Chancen, die Qualität des Arbeitslebens, Armut und Ungleichheit), geführt werden. Es soll weiters eine eInclusion-Strategie der EU (die Nutzung elektronischer Kommunikation in der sozialen Eingliederung) entwickelt, ein Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhang erstellt und eine Reihe von Mitteilungen (etwa betreffend Flexicurity und Umsetzung der Sozialagenda 2005 – 2010) verfasst werden. Ein weiterer Teil des Berichts bezieht sich auf das Achtzehnmonatsprogramm des deutschen, portugiesischen und des slowenischen Vorsitzes. – Der Bericht wurde mit S-V-G-B-Mehrheit angenommen.

Abgeordnete Christine Lapp (S) hielt es für wichtig, dass die soziale Dimension auf EU-Ebene festgeschrieben und weiterentwickelt wird. Sie ging dann noch auf die Schwerpunkte der einzelnen Präsidentschaften ein, die sich thematisch mit den älteren Beschäftigten (Deutschland), dem aktiven Altern (Portugal) und der Solidarität zwischen den Generationen (Slowenien) befassten.

Es sei ihr positiv aufgefallen, dass ganz klar der soziale Aspekt, der schon in der österreichischen Präsidentschaft im Vordergrund stand, weitergeführt werden soll, meinte Abgeordnete Ursula Haubner (B). Sie erkundigte sich nach dem nationalen Strategieprogramm und sprach zudem die Armutsgefährdung von Mehrkindfamilien an.

Abgeordnete Beatrix Karl (V) wies darauf hin, dass das System der sozialen Sicherheit gerade vor dem Hintergrund der grenzüberschreitenden Mobilität von großer Bedeutung sei. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, dass die Unternehmen und die Arbeitnehmer noch besser informiert werden. Überdies thematisierte sie die grenzüberschreitenden Gesundheitsleistungen und sowie die Methode der offenen Koordinierung.

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) hielt das Programm der Kommission und der drei EU-Präsidentschaften für wenig ambitioniert. Seit dem Antritt der Regierung Gusenbauer sei in unserem Land eine soziale Wende eingeleitet worden, war sie überzeugt, und sie hoffe, dass Österreich ein Vorreiter für Europa in Sachen Sozialpolitik werde. Ein wichtiges Anliegen war ihr das Thema "Feminisierung der Armut".

Abgeordneter Norbert Hofer (F) forderte ein Gesamtpaket für die Bekämpfung der Armut im ländlichen Raum. Diese sei vielleicht nicht so sichtbar wie in den Städten, betreffe aber viele Senioren, Mehrkindfamilien und Alleinerzieherinnen. Im konkreten trat er für die Einführung des Familiensplittings, die Ausweitung des Kinderbetreuungsgelds auf drei Jahre für Alleinerzieherinnen und für den Ausbau der Infrastruktur (inklusive Internetzugang) in den ländlichen Regionen ein.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) sprach die Sozialdienstleistungen sowie die Erreichung des Ziel der Vollbeschäftigung an.

Die deutsche EU-Präsidentschaft habe sehr ambitionierte Zielsetzungen und Vorhaben formuliert und in einigen Bereichen wegweisende Markierungen vorgenommen, erklärte Sozialminister Josef Buchinger. Es sei damit gelungen, den sozialpolitischen Zielsetzungen deutlich mehr Gewicht zu geben. Was die von Karl angesprochene offene Koordinierung angeht, so handle es sich dabei seiner Meinung nach zwar um ein Instrument zweiter Güte, aber es sei im Rahmen des Möglichen das beste, das derzeit erreichbar ist. Eine enge Koordination im Sozialbereich sei nicht nur erforderlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sondern auch um für "gute Arbeit" zu sorgen, wie dies von Deutschland formuliert wurde. Dies sei ein Gegenentwurf zum "working poor", da er auf eine Erwerbsarbeit mit angemessenem Lohn und fairen Bedingungen abziele. Dem Abgeordneten Öllinger gegenüber teilte er mit, dass EU-Sozialkommissar Spidla eine sektorale Mitteilung zu den sozialen Dienstleistungen angekündigt hat. Hinsichtlich der von Hofer angesprochenen Armut im ländlichen Raum erklärte Buchinger, dass es hier eine regionale Schwerpunktsetzung geben könne, solle und müsse. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung habe sich die Situation am Arbeitsmarkt verbessert, führte der Sozialminister weiter aus, Spielräume sehe er jedoch noch in der stärkeren Abstimmung von Sozialpolitik mit der generellen Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Gut unterwegs sei man bei den erwachsenen Arbeitslosen, bei den Jugendlichen müssen wahrscheinlich noch weitere Anstrengungen unternommen werden. (Fortsetzung)


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