Parlamentskorrespondenz Nr. 547 vom 03.07.2007

Koalitionsparteien einigen sich auf neue Agrarmarktordnung

Pröll: Rechts- und Planungssicherheit für die Bauern

Wien (PK) – In der heute sehr kurzfristig einberufenen Sitzung des Landwirtschaftsausschusses ging es erneut um das Agrarmarktänderungsgesetz 2007, das bereits in der letzten Sitzung im Rahmen einer aktuellen Aussprache breit diskutiert wurde. Die Regierungsparteien legten nun einen umfangreichen Abänderungsantrag vor, der vor allem das Marktordnungsgesetz betraf. Im Vordergrund stand immer die Prämisse, Rechts- und Planungssicherheit für die Bauern zu garantieren, unterstrich Bundesminister Josef Pröll, dies sei nun gewährleistet. Die Abgeordneten Kurt Gaßner (S) und Jakob Auer (V)) sahen die Einigung auf einen guten Kompromiss, der nach langen und intensiven Verhandlungen zustande kam, als Beweis für die Handlungsfähigkeit der Regierung. Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) sprach von einer vertanen Chance und führte eine Reihe von Kritikpunkten an. Angesichts des "Hick-Hacks", das sich im Vorfeld zwischen den Koalitionsparteien abgespielt habe, bezweifle er, dass eine vernünftige Regelung für die Bauern herausgekommen ist, meinte Abgeordneter Karlheinz Klement (F). Der Abgeordnete Sigisbert Dolinschek (B) hielt es für eine Zumutung, dass die Oppositionsparteien erst heute den Abänderungsantrag vorgelegt bekommen. Er könne daher nur hoffen, dass es zu Verbesserungen für die Bauern kommt und die nicht verfassungskonformen Bestimmungen repariert wurden.

Neue Marktorganisation und Novellierung einiger Agrargesetze

Aufgrund von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs war eine Neuregelung und Klarstellung bei der Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen in Österreich notwendig, was auch in einem Entwurf zu einem Agrarrechtsänderungsgesetz mündete. Im neuen Marktordnungsgesetz soll vor allem klar gestellt werden, dass Verordnungsermächtigungen nur im Fall ausreichender Determinierung im Gemeinschaftsrecht bestehen. Für eine darüber hinaus erforderliche oder empfehlenswerte Durchführung von Gemeinschaftsrecht wird der Bundesgesetzgeber zuständig. Der VfGH forderte eine Umsetzung der Bestimmungen bis spätestens 30. Juni 2007.

Der von den Regierungsparteien eingebrachte Abänderungsantrag sah u.a. eine Erweiterung der Zielbestimmungen vor: Das Gesetz soll den "Interessen des Verbraucherschutzes und den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere Rechnung tragen. Insbesondere sind im Rahmen des Konsumentenschutzes die gesicherte Information und Transparenz, sowie der Schutz vor Täuschung und Wettbewerbsverletzungen, die Förderung der Tiergesundheit und der Schutz vor übertragbaren Krankheiten und Gentechnikfreiheit bei Lebensmitteln einzubeziehen. Im Bereich des Tierschutzes ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass tierfreundliche Haltungsformen zu unterstützen sind".

Bei den Milchquoten erfolgt die Zuteilung von Mengen aus der nationalen Reserve in einem Prozentsatz der einzelbetrieblichen Quote, der auf Basis der zur Zuteilung zur Verfügung stehenden Menge und der eingereichten Anträge zu ermitteln ist. Neu geregelt wurden auch die Betriebsprämien, wo für die Neuzuweisung von Zahlungsansprüchen folgende Voraussetzungen gelten: "Ab dem Antragsjahr 2008 für Betriebsinhaber, die am 31. März des Antragsjahres über eine Milchquote verfügen, die im Zeitraum zwischen 1. April 1995 und 31. März 2007 mindestens 10 % der am 31.3.2007 verfügbaren Milchquote im Wege der Handelbarkeit erworben haben und deren Milchprämienanteil an der gesamten einheitlichen Betriebsprämie zum Zeitpunkt der Einbeziehung in die einheitliche Betriebsprämie mindestens 25 % beträgt".

Die Gewährung der Mutterkuhprämie für Kalbinnen ist nicht mehr ausschließlich Betrieben, die Mitglieder in einer Tierzuchtorganisation sind, vorbehalten. "Die im jeweiligen Jahr aus der nationalen Höchstgrenze für Kalbinnen noch verfügbare Restmenge" steht auch für Antragsteller zur Verfügung, die eine "amtlich anerkannte Milch- und/oder Fleischleistungsprüfung durchführen oder auf andere Weise die dafür geforderten Qualitätskriterien nachweisen".

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) meldete Bedenken an, dass die zentrale Frage der Rechtssicherheit wieder nicht ausreichend geklärt wurde. Unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Verfassungsdienstes des BKA sowie auf die Aussagen des VfGH wies Pirklhuber darauf hin, dass in jenen Fällen, bei denen das EU-Recht mehrere Umsetzungsmöglichkeiten vorsieht, eine Verordnung des Landwirtschaftsministers rechtlich nicht ausreiche und der Gesetzgeber, also das Parlament, zuständig wäre. Die gewählte Formulierung, dass der Landwirtschaftsminister eine Verordnungskompetenz bei "Regelungen der gemeinschaftlichen Marktordnung" habe, die "bestimmt, bestimmbar und begrenzt sind", wurde bereits 2006 vom Verfassungsdienst des BKA als unzureichend kritisiert, gab der G-Mandatar zu bedenken.

Abgeordneter Jakob Auer (V) sprach von einem positiven und vernünftigen Ergebnis, das die Handlungsfähigkeit der beiden Regierungsparteien unter Beweis stelle. Im Vordergrund stehe für ihn auch, dass nun die Rechts- und Planungssicherheit für die Bauern garantiert sei. Eine von ihm eingebrachte Ausschussfeststellung bezog sich auf die geforderten Qualitätskriterien für die Prämienfähigkeit der Kalbinnen, "die anhand eines Erlasses oder einer Verordnung näher zu bestimmen sind".

Auch Abgeordneter Kurt Gaßner (S) bezeichnete den nach langen Verhandlungen gefundenen Kompromiss als Signal für die Handlungsfähigkeit der Koalition. Seine Fraktion habe nichts anderes gewollt, als eine möglichst gerechte und zielorientierte Verteilung der Förderungen. Was die Verfassungskonformität betrifft, so vertraue er ebenso wie sein Vorredner auf die Expertise der zahlreichen Juristen, mit denen im Vorfeld gesprochen wurde. Von Seiten der SPÖ sei man insbesondere stolz darüber, dass es bei den Milchquoten keine Bevorzugungen mehr gebe und eine lineare Verteilung erfolge. Wichtig sei zudem, dass die Gewährung der Kalbinnenprämie nicht mehr an eine Mitgliedschaft in einer Zuchtorganisation gebunden ist und dass der Verbraucher- und der Tierschutz in den Zielbestimmungen verankert wurden. Für die Regelung von Härtefällen seien die Regierungsparteien übereingekommen, eine gemeinsame Beratergruppe einzurichten, berichtete Gaßner. Außerdem könne die Paragraph-7-Kommission nun auch für die ländliche Entwicklung Empfehlungen abgeben.

Auch Abgeordneter Hermann Schultes (V) zeigte sich froh darüber, dass die Verhandlungen endlich abgeschlossen werden konnten. Neben den wichtigen Änderungen im Bereich der Marktordnung, wurden auch noch das Weingesetz, bei dem es vor allem darum geht, die Banderole zu einem zeitgemäßen Marketinginstrument zu entwickeln, und das Forstgesetz angepasst. Sehr wichtige Entscheidungen sind zudem für die Milchbauern gefallen, weil nun die Handelbarkeit der Milchquote sichergestellt sei. Sein Parteikollege Klaus Auer ging vor allem auf die Änderungen im Forstgesetz ein, während V-Mandatar Franz Eßl die Einführung des Kompressions-Modells bei den Betriebsprämien ansprach.

Einige Änderungen seien sehr in Ordnung, meinte Abgeordneter Wolfgang Zanger (F), er hoffe, dass das Fördersystem nun wirklich besser, gerechter und transparenter gestaltet werde. Auch sein Fraktionskollege Manfred Haimbuchner räumte ein, dass nicht alles schlecht sei, was von der Regierung komme. Allerdings hatte auch er rechtliche Bedenken hinsichtlich der Verordnungsermächtigung, da seiner Meinung nach das Definierungsgebot zu weit gefasst sei. Bezüglich der Mutterkuhprämien fragte er den Minister, auf welche Weise die Qualitätskriterien nachgewiesen werden müssen.

Auch Abgeordnete Gabriela Moser (G) meldete rechtliche Bedenken an. Im Sinne der Bauern sollte man versuchen, eine möglichst hieb- und stichfeste Lösung zu finden, betonte sie. In einem von ihr eingebrachten Abänderungsantrag setzte sich dafür ein, dass die von den Biobauern entrichteten AMA-Beiträge auch für Bio-Marketing eingesetzt werden.

Bundesminister Josef Pröll zeigte sich zufrieden darüber, dass nun Rechts- und Planungssicherheit für die Bauern gegeben sei. Es gehe bei diesem Gesetzespaket um nichts weniger als um die gesetzlichen Grundlagen für die Auszahlungen, d.h. um insgesamt 780 Mill. € für 130.000 Betriebe. Unter Berücksichtung der höchstgerichtlichen Urteile wurden wichtige Punkte geregelt, wie die Aufteilung der Milchquoten, die Verankerung des Kompressionsmodells und des Transparenzhinweises oder die Gewährung der Kalbinnenprämie, wo auf die Einhaltung der Qualitätskriterien genau geachtet werde. Was die rechtlichen Bedenken angeht, so wies er darauf hin, dass die Verordnungsermächtigung auf technische Aspekte beschränkt sei; alles was darüber hinausgeht, wird gesetzlich geregelt. Positiv beurteilte er noch die Kompetenzerweiterung bei der Paragraph-7-Kommission. Der Abgeordneten Moser teilte er mit, dass intensive Gespräche mit der AMA bezüglich der Verwendung der Beiträge für Bio-Marketing-Aktivitäten laufen.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) erinnerte daran, dass er angesichts der komplexen und schwierigen Materie empfohlen habe, einen Unterausschuss einzurichten. Außerdem sei die Begutachtungsfrist viel zu kurz gewesen, kritisierte er. Er verstehe nicht, wie die SPÖ von einem großen Erfolg sprechen könne, zumal es sich eher um einen Kniefall vor dem Bauernbund handle. So halte er etwa die Regelung der Milchquote, wo nun eine prozentuelle Verteilung vorgesehen ist, für nicht sozial gerecht, da die größeren Bauern wieder mehr bekommen. Zu unbestimmt seien auch die Zielbestimmungen hinsichtlich des Verbraucher- und des Tierschutzes sowie der Gentechnikfreiheit, da sie keine bindende Wirkung haben und auch keine entsprechenden Instrumente vorgesehen sind. Es wurden weder der Härtefonds aufgestockt (derzeit 1,3 % der Marktordnungszahlungen statt möglicher 3 %), noch die Diskriminierungen bei der Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve beseitigt. Er kündigte schließlich noch eine persönliche abweichende Stellungnahme an.

Die Regierungsvorlage wurde in der Fassung des S-V-Abänderungsantrages mit S-V-Mehrheit angenommen. Mehrheitlich angenommen wurde auch die Ausschussfeststellung. Keine Zustimmung fand der G-Zusatzantrag.

Abgelehnt wurden schließlich noch die zwei Entschließungsanträge der Grünen, die auf der Tagesordnung standen. In dem ersten Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, den aktuellen Entwurf des österreichischen Programms für die ländliche Entwicklung 2007-2013 in Form einer Regierungsvorlage dem Parlament zuzuleiten und das Programm durch ein Rahmengesetz zu verankern. Im zweiten umfassenden Entschließungsantrag legen die Grünen ihre Position bezüglich das österreichische Programm für die ländliche Entwicklung dar.

Bundesminister Josef Pröll machte erneut darauf aufmerksam, dass die Verhandlungen mit der EU-Kommission noch nicht abgeschlossen sind, da es keinerlei Fortschritte bei vier Fragen gibt. Er hoffe, dass es bis Mitte Juli zu einer Einigung kommt. (Schluss)