Parlamentskorrespondenz Nr. 549 vom 04.07.2007

BZÖ in Aktueller Stunde: Gusenbauer - es gilt das gebrochene Wort

6-Monate-Bilanz der Parteien zur neuen Bundesregierung

Wien (PK) - Eingangs der 27. Plenarsitzung des Nationalrates nahm Präsidentin Mag. PRAMMER die Angelobung zweier Abgeordneter vor, die auf die Mandate der jüngst gewählten Volksanwältinnen Maria FEKTER und Terezija STOISITS nachrückten. Ihren Eid auf Verfassung und Gesetze der Republik leisteten Abgeordnete Claudia DURCHSCHLAG (V) und Mag. Albert STEINHAUSER (G).

Auf Vorschlag des BZÖ leitete der Nationalrat seine Sitzung mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "Gusenbauer - es gilt das gebrochene Wort" ein. Als erster Redner beklagte BZÖ-Klubobmann WESTENTHALER zunächst die Abwesenheit des Bundeskanzlers - er wurde von Staatssekretär Dr. Matznetter vertreten - und ließ Zweifel daran durchblicken, dass die Anwesenheit Gusenbauers in Guatemala City der Bewerbung Salzburgs um die Olympischen Winterspiele 2014 tatsächlich nützen könne.

"Wir brauchen einen Bundeskanzler, der sein Wort hält", sagte Westenthaler und erinnerte daran, dass Gusenbauer im letzten Wahlkampf versprochen habe, es werde unter einer von ihm geführten Bundesregierung keine Eurofighter geben. Nicht das einzige Versprechen, das Gusenbauer breche, sagte Westenthaler, auch das Pflegegeld sei nicht valorisiert worden und die SPÖ stelle auch nicht den Finanzminister. 800 Facharbeiter aus dem Osten seien trotz Arbeitslosigkeit im Inland tätig, obwohl es im Wahlkampf geheißen habe, die Übergangsfristen für die neuen EU-Länder blieben aufrecht. Die Medikamentenkosten seien nach wie vor die höchsten in Europa, Arbeitszeiten würden ohne Lohnausgleich flexibilisiert und nach wie vor warteten die Österreicher auf eine Gesundheitsreform und auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut, wobei Westenthaler auf die Armut von mittlerweile 113.000 Kindern hinwies. "Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", formulierte Klubobmann Westenthaler und kündigte einen Antrag seiner Fraktion auf Ende der laufenden Gesetzgebungsperiode und baldige Neuwahlen an.

In seinen weiteren Ausführungen kritisierte Westenthaler Gebühren- und Abgabenerhöhungen, steigende Krankenversicherungsbeiträge und die Kürzung des Pflegegeldes für Menschen, die mehr als 5.000 € besitzen - für ihn ein sozialer Skandal sondergleichen. Der von den Regierungsparteien gefeierte Mindestlohn entpuppe sich netto als Betrag von 818 € für eine Vollzeitbeschäftigung, was bedeute, dass jemand, der für den Mindestlohn arbeite, nur noch 92 € mehr Einkommen habe als jemand, der die Mindestsicherung in Anspruch nehme.

Staatssekretär Dr. MATZNETTER antwortete seinem Vorredner mit dem Hinweis darauf, dass die Studiengebühren von der vom BZÖ mitgetragenen Regierung eingeführt worden waren, es aber die neue Regierung sei, die Verbesserungen bei der Studienförderung beschlossen habe und eine Befreiung von der Studiengebühr für Studenten eingeführt hat, die sich im Bildungsbereich ehrenamtlich engagieren. Die Behebung des Pflegenotstandes habe die neue Regierung unverzüglich in Angriff genommen und erreicht, dass Menschen ab der Pflegestufe 3 seit Beginn dieses Monats 825 € für angestellte und 225 € für selbständige PflegerInnen erhalten.

Die Bundesregierung habe sich auch darauf verständigt, die Steuerreform 2005 durch eine Entlastung mittlerer und kleinerer Einkommen sowie der KMU bei der nächsten Steuerreform zu reparieren. Da die ÖVP eine Gegenfinanzierung ablehne, laute der Kompromiss, die Steuerreform durch Überschüsse zu finanzieren, die bis 2010 erzielt werden.

In seinen weiteren Ausführungen informierte der Staatssekretär über die Anhebung der Mindestpensionen als Beitrag zur Armutsbekämpfung und über die Vereinbarung der Sozialpartner, einen Mindestlohn von 1.000 € einzuführen. Mit dieser Regelung liege Österreich im Spitzenfeld der EU-Länder. Schließlich berichtete Matznetter über die Einführung einer Ausbildungsgarantie zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, über Verbesserungen im Sozialbereich und reklamierte die rückläufige Arbeitslosigkeit als Erfolg der Bundesregierung unter Bundeskanzler Gusenbauer.

Abgeordnete CSÖRGITS (S) erinnerte das BZÖ an seine Mitverantwortung für die Politik der letzten Bundesregierung - eine Politik, die es heute wortreich kritisiere. Während der BZÖ-Regierungsbeteiligung sei die Arbeitslosigkeit um 35 %, die Jugendarbeitslosigkeit gar um 70 % gestiegen. Die Vollzeitbeschäftigung sei zurückgegangen, während atypische Beschäftigungen zugenommen haben. Die neue Bundesregierung investiere hingegen in die aktive Arbeitsmarktpolitik, in Forschung, Entwicklung und Bildung und sage der Jugendarbeitslosigkeit mit Erfolg den Kampf an. Sie habe Zuschläge für Teilzeitbeschäftigte eingeführt, gehe gegen die Schwarzarbeit vor und bekämpfe die Armut. Die Anrechnung der Kindererziehungszeiten bei der Pensionsberechnung wurde verbessert und der Mindestlohn eingeführt, außerdem seien die Rezeptgebühren gedeckelt worden, lobte die Abgeordnete.

Abgeordneter DI MISSETHON (V) konzentrierte sich auf das Thema Eurofighter, wobei er ein ihn berührendes Gespräch mit einem Mann aus der Gründergeneration der ÖVP wiedergab. Damals, im Juni 1945, hatten die Österreicher zwei Werte vor Augen: die Unabhängigkeit und Souveränität des Landes sowie den Schutz und die Sicherheit der Menschen. Für diese Werte haben der frühere Bundeskanzler Schüssel und Vizekanzler Molterer mit Nachdruck gekämpft, lobte Missethon und zeigte sich befriedigt darüber, dass sich der Eurofighter-Kaufvertrag auch nach fünfjähriger permanenter Diskussion, nach vier Rechnungshofprüfungen, einem Untersuchungsausschuss und sehr viel parteipolitischer Polemik als ein gültiger Vertrag herausgestellt habe. Es lohne sich in der Politik Kurs zu halten und Versprechen zu halten, die man den Menschen gibt, schloss Missethon.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) sprach hingegen von einer erbärmlichen Bilanz der neuen Bundesregierung nach deren ersten sechs Monaten, wobei er konkret auf das Fehlen jeglicher Lösungsansätze bei den Kinderbetreuungseinrichtungen verwies und sich verwundert darüber zeigte, in welchem Ausmaß die ÖVP die Probleme der Kinder und Jugendlichen des Landes ignoriere. Bereits sechs Bundesländer haben sich in ihren Landtagen für ein Bleiberecht integrierter Menschen ausgesprochen, viele ÖVP- und SPÖ-Bürgermeister setzten sich vehement für dieses Bleiberecht ein, tatsächlich gehe aber nichts weiter, weil sich die ÖVP auch hier nicht bewege, weil sie mauere, klagte Öllinger. Österreich brauche in vielen konkreten Fragen, aber auch in den Grundsätzen eine andere Politik, sagte Öllinger und kam abschließend auf das Thema Pflege zu sprechen, wo er einzelne Verbesserungen einräumte, aber prinzipiell feststelle, dass dieses Problem nicht lösbar sei ohne die Frage der Einkommensverteilung zwischen Arm und Reich anzugehen - dabei aber versage die Regierung.

F-Klubobmann STRACHE erinnerte Klubobmann Westenthaler daran, dass er für all das, was er der Regierung vorwerfe, selbst mitverantwortlich sei. Das BZÖ sei in der letzten Regierung "Steigbügelhalter und willenloses Anhängsel der ÖVP" gewesen. Eine Rolle, die in der neuen Bundesregierung die SPÖ übernommen habe. Das BZÖ sei mitverantwortlich für 300.000 Zuwanderer nach Österreich, die Unfallrentenbesteuerung, die Zustimmung zum EU-Vertrag ohne Volksabstimmung und für die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in die EU, kritisierte Strache. Bundeskanzler Gusenbauer habe im Wahlkampf den Sozialfighter angekündigt, akzeptiere nun aber die Landung der von ihm abgelehnten Kampfbomber. Statt einer Steuerreform am Beginn der Regierungsarbeit vertröste der Bundeskanzler die Österreicher beim Thema Steuerentlastung auf das Jahr 2010, klagte Strache und warf Gusenbauer überdies Versagen bei der Abschaffung der Studiengebühren vor. Die ÖVP wiederum sei keine Heimat- und Sicherheitspartei mehr, sie habe die Souveränität Österreichs "auf dem Altar der EU geopfert".

Abgeordneter SCHEIBNER (B) erinnerte Abgeordneten Strache daran, dass er den Eintritt in die Regierungsverantwortung abgelehnt und sich ausdrücklich eine große Koalition gewünscht habe. An SPÖ und ÖVP gewandt machte Scheibner auf den permanenten Streit zwischen den Koalitionsparteien aufmerksam - neuestes Konfliktthema seien laut Scheibner Postenbesetzungen. Statt zu streiten, sollten ÖVP und SPÖ lieber darüber nachdenken, was sie für die Menschen tun könnten. Da diese Bundesregierung an ihrem Ende angekommen sei, seien Neuwahlen der richtige Weg. Statt die versprochene Steuerreform herbeizuführen, greife die Bundesregierung den Menschen mit Steuererhöhungen in die Tasche, sagte Scheibner, und listete die "Umfaller" der SPÖ auf: Pensionsreform, Steuerreform, Gesundheitsreform, Ressortverteilung und Luftraumüberwachung.

Demgegenüber blicke das BZÖ auf eine siebenjährige erfolgreiche Reformpolitik zurück, mit der die Grundlagen für die nun steigende Beschäftigung und das überdurchschnittliche Wachstum gelegt wurden. Die SPÖ betreibe eine Politik zu Lasten der Menschen, nur um Alfred Gusenbauers Sandkastentraum zu erfüllen.

Abgeordneter KRAINER (S) stellte zum Thema Eurofighter fest, Bundeskanzler Gusenbauer habe es nicht für möglich gehalten, dass die Vorgängerregierung einen derart schlechten Vertrag abgeschlossen haben könnte, der nicht einmal dann einen Ausstieg aus dem Vertrag zulasse, wenn all das nachgewiesen sei, was der Untersuchungsausschuss zutage gebracht habe. Verteidigungsminister Darabos sei es immerhin gelungen, 5,5 Mrd. Schilling einzusparen, würdigte Krainer, und plädierte nachdrücklich dafür, dieses Geld sinnvoll einzusetzen.

Kritik an der Politik der Bundesregierung wies der Abgeordnete zurück, indem er sagte, es werde endlich Klimaschutzpolitik betrieben, statt nur davon zu reden, auch im Sozialbereich habe die Regierung Erfolge aufzuweisen: Erhöhung der Pendlerpauschale und Negativsteuer für Pendler mit kleinem Einkommen. Für den Erfolg einer Steuerreform sei der Zeitpunkt wichtig, hielt Krainer fest, es wäre verrückt, eine Steuerreform in der Hochkonjunktur zu machen, richtig sei es, kleine und mittlere Einkommen in der Zeit eines Abschwungs zu entlasten und konjunkturelle Impulse zu geben. Für die SPÖ stehe dabei im Vordergrund, das Steuersystem gerechter und fairer zu machen.

Abgeordneter WÖGINGER (V) meinte, die ÖVP habe nichts versprochen, was sie nicht gehalten habe. Genugtuung zeigte der Redner über die sozialen Maßnahmen der neuen Regierung, wobei Wöginger insbesondere auf Verbesserungen im ASVG, im Pensionsrecht, bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten und auf den 1.000 €-Mindestlohn verwies. Aus der Sicht der Volkspartei sei festzuhalten, dass die Politik der neuen Regierung auf der erfolgreichen Politik der alten Bundesregierung aufbaue, einer Politik, die zu 63.000 neuen Arbeitsplätzen geführt habe und Österreich bei den Arbeitsmarktdaten im Spitzenfeld der EU positioniere. In fünf Bundesländern herrsche de facto Vollbeschäftigung und das Wirtschaftswachstum erreiche Rekordwerte, sagte der Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. SCHATZ (G) setzte sich zunächst kritisch mit den Haltungsänderungen beim BZÖ auf dem Weg von der Regierungs- zur Oppositionspartei auseinander und wandte sich dann der Volkspartei zu, der sie vorwarf, ihre einst christlichsoziale Programmatik zugunsten des Neoliberalismus über Bord geworfen zu haben. Die Freiheit, die der Neoliberalismus meine, sei die Freiheit der Reichen von Verantwortung für den Sozialstaat und das Gesundheitssystem, kritisierte die Abgeordnete.

Der SPÖ rechnete die Rednerin vor, dass der vielbejubelte 1.000 € Mindestlohn für die Betroffenen einen Nettolohn von 820 € bedeute. Rechne man für die Wohnung 350 € und für sonstige Fixkosten 100 €, blieben einem mindestentlohnten Vollzeitbeschäftigten 12 € pro Tag für Ernährung und Medikamente - von einem fairen Einkommen könne also keine Rede sein. Fairness vermisste die Abgeordnete auch in der Pflegepolitik sowie gegenüber Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben und nun schon seit vielen Jahren auf eine rechtliche Gleichstellung warteten.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) klagte darüber, dass die Finanzierung der von den Regierungsparteien gefundenen Pflegelösung nicht gewährleistet sei und noch harte Verhandlungen mit den Landeshauptleuten bevorstünden. Auch nach der Mindestlohnvereinbarung liege das Einkommen eines Vollbeschäftigten nur 100 € über dem arbeitslosen Grundeinkommen, kritisierte Rosenkranz. Die Arbeitnehmer hätten in der Zeit der letzten Bundesregierung einen Kaufkraftverlust von 17 % erlitten, während die Einkommen der Manager massiv gestiegen seien. Es sei nicht mehr möglich, sich mit einfacher Arbeit Wohlstand zu schaffen, sagte Rosenkranz. Zugleich seien atypische Arbeitsverhältnisse im Vormarsch. Der längst überwunden geglaubte Taglöhner sei wieder da, ebenso der Wanderarbeiter, der das Wohlstandsgefälle zwischen den EU-Ländern zu nützen versuche - zum Schaden von Herkunftsländern und Zielländern. Der polnische Facharbeiter, der in Großbritannien arbeite, fehle beim Aufbau seiner Heimat und schädige gleichzeitig das Lohnniveau im Zielland, analysierte Rosenkranz. Die Regierungsparteien schauten tatenlos zu, wie eine neue soziale Unterschicht entstehe, kritisierte Rosenkranz.

Abgeordneter BUCHER (B) lud seine Kolleginnen und Kollegen zu einem Besuch Kärntens und zum Studium dessen "vorbildlicher Sozialpolitik" ein, die "soziale Absicherung in allen Lebenslagen" biete. Durch den Bruch von Wahlversprechen würde auch das Ansehen der Politiker und der Politik insgesamt beschädigt, monierte Bucher und appellierte für mehr Ehrlichkeit in der Politik. Während die frühere Regierung eine offensive Politik betrieben habe, betreibe die jetzige eine Belastungspolitik, und dazu sei eine eklatante Schwäche des Bundeskanzlers festzustellen, schloss Bucher. (Schluss/Forts. TO)