Parlamentskorrespondenz Nr. 652 vom 20.09.2007

Justizausschuss: Internationale Zusammenarbeit gegen die Schlepperei

Diskussion um bedingte Entlassung

Wien (PK) - Mit Diskussionen über den Kampf gegen die Schlepperei wurde die Sitzung des Justizausschusses fortgesetzt. Das diesbezügliche internationale Abkommen wurde einstimmig genehmigt. Ein von den Grünen eingebrachter Entschließungsantrag zum Fremdenpolizeigesetz wurde abgelehnt, weil dieser in die Zuständigkeit des Innenressorts fällt.

Ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung betraf das Thema "bedingte Entlassung". Grundlage dafür waren zwei Anträge der Grünen, die jedoch vertagt wurden. Den Abschluss bildete ein Antrag des BZÖ zur schnelleren Abwicklung der Unterhaltsvorschuss-Verfahren. Auch dieser Antrag wurde vertagt.

Globales Instrument für Kampf gegen die Schlepperei

Durch das Zusatzprotokoll gegen die Schlepperei auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der UN gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität soll Mitgliedern der internationalen Staatengemeinschaft in Zukunft ein globales Rechtsinstrument im Kampf gegen das spezifische Verbrechen der Schlepperei zur Verfügung stehen. (170 d.B.) Diese Vorlage wurde von allen übereinstimmend begrüßt.

Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) merkte jedoch kritisch an, dass auch dieser Vertrag wieder mit einem Erfüllungsvorbehalt versehen werde, und das sei eine, wie sie sagte, "politische Unkultur". So heiße es in Artikel 6 des Zusatzprotokolls, dass jeder Vertragsstaat Maßnahmen treffe, wenn jemand vorsätzlich und zur Erlangung eines materiellen Vorteils unrechtmäßige Handlungen setzt, die es einer irregulär aufhältigen Person ermöglichen, im Land zu verbleiben. Dem gegenüber gebe es in der innerstaatlichen Umsetzung überschießende Bestimmungen, konkret im § 115 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz, wodurch enge Familienangehörige kriminalisiert werden können, da der Vorsatz nicht auf einen materiellen Vorteil eingeschränkt wird. Damit werde auch der Gleichheitssatz verletzt. Weinzinger wies in diesem Zusammenhang auf den Fall einer verurteilten Frau und deren Tochter hin, die ihren afrikanischen Ehemann bzw. Stiefvater vor der Fremdenpolizei geschützt haben. Sie legte daher einen Entschließungsantrag vor, in dem eine Korrektur des genannten Paragraphen im Fremdenpolizeigesetz gefordert wird mit dem Ziel, eine gerichtliche Strafbarkeit nur bei Vorliegen eines auf Erlangung eines finanziellen Vorteils gerichteten Vorsatzes eintreten zu lassen und enge Familienmitglieder von einer Strafbarkeit grundsätzlich auszunehmen.

Dieser Vorschlag der Grünen wurde zwar inhaltlich von den Abgeordneten Peter Wittmann (S), Peter Michael Ikrath (V) und Peter Fichtenbauer (F) als berechtigtes und diskussionswürdiges Anliegen bezeichnet, gleichzeitig wiesen die genannten Abgeordneten aber darauf hin, dass sich der Antrag ausschließlich an die Zuständigkeit des Innenausschusses und des Innenministers richtet. Auf Grund der umfangreichen Begründung sei zwar die Diskussion im Justizausschuss durchaus berechtigt, konkret sei dieser jedoch nicht zuständig. Abgeordneter Gernot Darmann (B) hingegen lehnte den Antrag auch aus inhaltlichen Gründen ab.

Die Abgeordneten Brigid Weinzinger und Wolfgang Zinggl (beide G) hielten dem entgegen, dass der Antrag im Zusammenhang mit den diskutierten Zusatzprotokoll stehe und der Justizausschuss für Angelegenheiten des gerichtlichen Strafrechts zuständig sei.

Bundesministerin Maria Berger sagte den Abgeordneten zu, das Anliegen aufzugreifen und an ihren Amtkollegen Bundesminister Platter heranzutragen.

Bei der Abstimmung wurde der Staatsvertrag einstimmig angenommen. Der Entschließungsantrag der Grünen wurde von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ aus den genannten Gründen abgelehnt.

Debatte um bedingte Entlassung

Auf der Tagesordnung des Justizausschusses standen weiters zwei Anträge der Grünen, die sich mit dem Thema "bedingte Entlassung" beschäftigen. Darin treten die Grünen für die Ausweitung der bedingten Entlassung im Strafgesetzbuch ein. Demnach soll die bedingte Entlassung möglich sein, wenn der/die Verurteilte zwei Drittel der verhängten Freiheitsstrafe, mindestens aber drei Monate, verbüßt hat. Zu lebenslanger Haft verurteilte StraftäterInnen sollen mindestens 15 Jahre verbüßt haben. Nach fünf Sechsteln der Freiheitsstrafe soll die bedingte Freilassung auf jeden Fall erfolgen, sofern nicht besonders schwerwiegende Gründe dagegen sprechen. (141/A)

Weil die bedingte Entlassung nichts mit einer neuerlichen Strafzumessung zu tun habe, soll darüber eine eigene Strafvollzugskommission entscheiden, so die Grünen in ihrem weiteren Antrag. (147/A[E]) Diese Kommission soll aus einem/einer StaatsanwältIn, einer/einem leitenden Vollzugsbediensteten und einem/einer SozialarbeiterIn der Bewährungshilfe gebildet werden. Gegen die Entscheidung der Kommission soll es ein Rechtsmittel an eine Oberkommission geben.

Beide Anträge wurden mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ vertagt mit dem Hinweis, dass man eine umfassende Regierungsvorlage zu diesem Thema erwarte und dann eine ausführliche Diskussion darüber stattfinden sollte (Abgeordnete Karin Hakl und Peter Michael Ikrath – beide V sowie Peter Wittmann – S).

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) stellte fest, ein stufenweiser und begleiteter Übergang in die Freiheit sei sinnvoll und wichtig. Bei der bedingten Entlassung sei die Betreuung sichergestellt und Beispiele aus dem Ausland zeigten deutlich, dass es keinerlei negative Auswirkungen auf die Sicherheit gebe. Die bedingte Entlassung werde aber von den RichterInnen aus Angst vor Konsequenzen nur zögerlich angewendet. Daher sehe er im beantragten interdisziplinären Zugang die Chance, verschiedene Sichtweisen zusammenzuführen, mehr Sicherheit bei der Entscheidung zu geben und damit die RichterInnen zu entlasten.

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) gab zu bedenken, dass man bei der bedingten Entlassung keine Allgemeinformel anwenden dürfe, sondern genauer auf den individuellen Charakter des Delikts eingehen müsse. Grundsätzlich bemerkte er, es sei auch das Geständnis als Milderungsgrund zu überdenken, weil dies auf eine "Selbstbezichtigungsverpflichtung" hinauslaufe. Er thematisierte darüber hinaus die ungleiche Behandlung zwischen Eigentumsdelikten und Delikten gegen Leib und Leben. Skeptisch äußerte er sich zum vorgeschlagenen Modell hinsichtlich der Entscheidung über eine bedingte Entlassung, denn das sei ein anderer Rechtskörper, der ein von unabhängigen Gerichten verhängtes Strafausmaß unterlaufe.

Sowohl Abgeordneter Peter Wittmann (S) als auch Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) gaben Fichtenbauer insofern recht, als auch sie ein Ungleichgewicht der Strafausmaße bei den unterschiedlichen Delikten sehen.

Ausschussvorsitzender Heribert Donnerbauer (V) unterstrich die Sinnhaftigkeit des Instruments der bedingten Entlassung, im Mittelpunkt sollten seiner Meinung nach aber die begleitenden Maßnahmen stehen.

Allgemeine Bedenken gegen beide Anträge hinsichtlich des Sicherheitsbedürfnisses der Bevölkerung äußerte Abgeordneter Gernot Darmann (B).  

Bundesministerin Maria Berger informierte, dass es demnächst einen Begutachtungsentwurf zur Reform der bedingten Entlassung geben werde, in dessen Vordergrund die Rückfallsprävention stehe. Was die Diskussion um das Ungleichgewicht beim Strafausmaß betrifft, so hätte auch die Wissenschaft bislang keine brauchbaren Vorschläge geliefert, um das System in ein Gleichgewicht zu bringen, bedauerte die Justizministerin.

Unterhaltsvorschuss-Verfahren sollen beschleunigt werden

Ein völlig anderes Thema stand am Schluss der heutigen Sitzung des Justizausschusses. Der BZÖ-Antrag (211/A[E]), der schon einmal vertagt worden war, zielt einerseits auf eine Verbesserung der Sozialhilfe zur Absicherung Minderjähriger, andererseits auf eine vernetzte und damit raschere Abwicklung der Verfahren zur Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ab.

Abgeordneter Gernot Darmann (B) betonte, man habe deshalb auf die Wiederaufnahme bestanden, da die letzte Vertagung mit dem Hinweis begründet worden sei, im Bundesministerium für Justiz werde an diesem Thema gearbeitet. Er sei daher an einem Zwischenbericht interessiert. Ebenso fragte Abgeordnete Ridi Steibl (V) nach den bisherigen Arbeiten im Ministerium.

Bundesministerin Maria Berger erläuterte, zu familienrechtlichen Themen des Regierungsprogramms seien sechs Arbeitsgruppen, je drei im Justizministerium und im Familienministerium eingerichtet worden. Die Gruppe zur Unterhaltssicherung ressortiere zum Familienministerium und habe bisher drei Mal getagt. Man wolle zunächst auf der Grundlage der geltenden Rechtslage eine Beschleunigung der Verfahren und eine kontinuierliche Auszahlung der Unterhaltsvorschüsse erzielen. Das bestehende System soll aber weiterentwickelt werden, und zwar in Richtung von Unterhaltssätzen, wobei mehrere Vorschläge zur Bemessung dieser Sätze vorlägen. Wichtig sei ihr der Lückenschluss, da manche Kinder keinen Anspruch auf Unterhalt, und damit auch keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben. Angelpunkt sei hier die bedarfsorientierte Mindestsicherung. Man beabsichtige Ende dieses Jahres Ergebnisse vorzulegen.

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) begrüßte die Anstrengung des Ministeriums, hielt es aber für nicht erforderlich, den Antrag zu vertagen, da dieser die Arbeit des Ministeriums zusätzlich unterstützen würde.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag von SPÖ, ÖVP und Grünen gegen die Stimmen von FPÖ und BZÖ mehrheitlich vertagt.

(Schluss)