Parlamentskorrespondenz Nr. 720 vom 10.10.2007

Fremdenrecht zwischen Zuwanderung und Asyl, Rechtsstaat und Gnade

Sondersitzung des Nationalrats auf Verlangen der Grünen

Wien (PK) – Sollen gut in Österreich integrierte Asylwerber, deren Asylgesuch definitiv abgelehnt wurde, unter Umständen doch in Österreich bleiben dürfen? - Diese Frage wird derzeit in Österreich sehr emotional diskutiert, nachdem ein 15-jähriges Mädchen, das ursprünglich aus dem Kosovo stammt, nach der Abschiebung ihrer Familie untertauchte und mit Selbstmord drohte. Heute beantragten die Grünen ein "Bleiberecht für Integrierte" (393/A). Dieser Antrag wurde in der von den Grünen verlangten Sondersitzung des Nationalrates (33.NR) dringlich beraten.

Als erstem Redner erteilte Nationalratspräsidentin Mag. Prammer Abgeordnetem Dr. VAN DER BELLEN (G) das Wort. Der Klubobmann der Grünen erinnerte an die kürzlich bekannt gewordene Vereinbarung zwischen dem oberösterreichischen Landeshauptmann Pühringer und Innenminister Platter, die 15-jährige Arigona Zogaj vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht abzuschieben. Das sei gut, löse das Problem aber nicht, da die Familie Zogaj nach wie vor getrennt sei, zumal der Vater und die beiden kleinen Geschwister Arigonas bereits in den Kosovo abgeschoben wurden, wo sie in den Ruinen ihres Hauses wohnen müssten. - "Das ist Familienpolitik à la ÖVP und SPÖ", kritisierte Van der Bellen.

"Die Familie Zogaj ist kein Einzelfall", sagte der Redner und nannte weitere Beispiele. In einer Familie mit drei minderjährigen Kindern hätten nach 14-jährigem Aufenthalt in Österreich zwar die Kinder , nicht aber die Eltern humanitären Aufenthalt bekommen - diese stünden nun vor der Frage, wie sie ihre Kinder versorgen sollen, ohne legal einer Arbeit nachgehen zu können. Einer weiteren Familie sei nach 14-jährigem Aufenthalt die Arbeitserlaubnis nicht verlängert und der Bezug einer Arbeitslosenunterstützung verweigert worden, obwohl sie jahrelang Versicherungsbeiträge geleistet hatte. Auch diese Familie stehe nun vor dem Nichts. - Diese Politik ist weder sozial noch familienfreundlich, sondern asozial, familienfeindlich und unchristlich, formulierte Klubobmann Van der Bellen in Richtung SPÖ und ÖVP.

Die genannten Fälle seien nur die Spitze eines Eisbergs, sagte der Abgeordnete und wies auf die Probleme binationaler Ehen hin, die sich von den Behörden permanent mit Kriminalitätsverdacht konfrontiert sehen. Der Innenminister rechtfertige derartige Vorgangsweisen mit Sicherheitsargumenten. "So wird nicht Sicherheit erzeugt, sondern Unsicherheit", sagte Van der Bellen, "weil Menschen in Angst und Schrecken leben müssen".

Die Grünen wollen mit ihrem Bleiberechtsantrag nicht die Grenzen öffnen, sondern Menschen, die sich seit Jahren in Österreich aufhalten, ein Verfahren eröffnen. Derzeit bestehe kein Antragsrecht, es gebe keine Möglichkeit, das Menschenrecht auf Familien- und Privatleben in Österreich in Form eines fairen Verfahrens durchzusetzen. "Das ist eine Schande", meinte Van der Bellen.

Weiters verlangen die Grünen einen sofortigen Abschiebestopp, um zu verhindern, dass Hunderte Familien in den Kosovo oder in andere unsichere Regionen abgeschoben werden. "Und weil es sich dabei um eine Gewissensentscheidung handelt, verlangen die Grünen eine geheime Abstimmung", kündigte deren Klubobmann an.

Enttäuscht zeigte sich Van der Bellen von der SPÖ, "die dem Innenminister die Mauer macht und nichts dagegen unternimmt", wenn Familien auseinandergerissen werden. Mit scharfen Worten wandte sich Van der Bellen dagegen, Menschen in den Kosovo abzuschieben, wo Krieg herrsche, die Arbeitslosigkeit 50 %, für junge Menschen gar 70 % betrage. Kinder in Regionen abzuschieben, wo sie in Ruinen leben müssten, bedeute, jede Reputation in der Menschenrechtspolitik zu verlieren, sagte Van der Bellen in Richtung SPÖ. "Die Grünen werden ihren Kampf für Mütter, Väter und Kinder fortsetzen", schloss Van der Bellen.

Innenminister PLATTER zeigte sich froh darüber, dass Arigona Zogaj wohlbehalten in Sicherheit sei und es ihr gut gehe. Platter dankte dem Pfarrer, der das Mädchen betreut und teilte mit, dass Arigona keine Sorge haben müsse, vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs abgeschoben zu werden. Kein Verständnis zeigte der Innenminister dafür, diesen Fall zu missbrauchen, um parteipolitisches Kleingeld zu wechseln. Auch stellte der Innenminister klar, dass er sich von niemandem, auch nicht von Medien, erpressen oder unter Druck setzen lasse.

Mit dem Anfang 2006 in Kraft getretenen Fremdenrechtspaket habe der Fall Zogaj nichts zu tun, sagte Platter und wies darauf hin, dass die Familie vier Jahre vorher eingereist sei. Asyl und Zuwanderung seien nicht miteinander zu vermischen. Wer verfolgt werde, erhalte Asyl, wer zuwandern dürfe, müsse Österreich im Interesse seines Arbeitsmarktes selbst entscheiden. In diesem Zusammenhang erinnerte der Innenminister an die enormen Leistungen Österreichs bei der Betreuung und Integration Asyl werbender Menschen und wies Behauptungen zurück, Österreich sei ausländerfeindlich. Es sei verständlich, dass viele Menschen in Österreich leben wollten, Österreich könne aber nicht alle Probleme der Welt lösen. Das Fremdenrechtspaket und die strikte Trennung von Asyl und Zuwanderung habe sich bewährt. Der Zustrom von Asylwerbern nach Österreich habe seit Geltung der neuen Rechtslage abgenommen, sagte Platter, nun gelte es, einen Asyl-Lastenausgleich in der EU herbeizuführen, dafür setze er sich ein.

Eine Trendumkehr sei auch beim Rückstau an offenen Asylverfahren erreicht werden, deren Zahl nahm seit 2006 um 5.800 ab. Zur weiteren Beschleunigung der Verfahren plädierte Platter für die Einrichtung eines Asylgerichtshofs, der, ausreichend mit Personal ausgestattet, seine Arbeit bereits im kommenden Jahr aufnehmen solle.

Aufgrund von Vereinbarungen mit den Landeshauptleuten gelten nun beim humanitären Aufenthaltstitel bundeseinheitlich klare Kriterien. Kritische Fälle werde man sich in den nächsten Tagen anschauen, sagte Platter zu, wies aber die Auffassung zurück, es handle sich dabei um einen Gnadenakt des Ministers. Noch einmal auf den Fall Zogaj zurückkommend erinnerte Platter daran, dass diese Familie, die sich im Mai 2001 für 2.500 D-Mark nach Österreich schleppen ließ, bereits 2002 wusste, dass sie kein Asyl bekommen könne, dennoch seien insgesamt sieben fremdenrechtliche Verfahren durchgeführt worden und zwei Mal Ansuchen auf humanitären Aufenthalt abgelehnt worden.

Angesichts des Bleiberechtsantrags der Grünen warnte der Innenminister davor, eine Einladung auszusprechen, nach Österreich zu kommen und hier zu bleiben, bis man ein Aufenthaltsrecht bekomme - das wäre nicht im Interesse Österreichs. Er stehe für Recht und Ordnung, sagte der Innenminister sowie dafür, Gesetze konsequent zu vollziehen. 

Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) warf dem Innenminister vor, er habe dem Pfarrer, dem er heute für die Betreuung Arigona Zogajs gedankt habe, sowie anderen Menschen, die sich für das Mädchen eingesetzt haben, noch vor wenigen Tagen mit Anzeige gedroht. Dem Mädchen werde es erst dann gut gehen, wenn es sich bei seiner Familie befinde, hielt Weinzinger fest und erinnerte daran, dass Arigonas Vater und ihre Geschwister in den Kosovo abgeschoben wurden, obwohl sich die oberösterreichische Landesregierung auf Antrag der Grünen geschlossen für ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen ausgesprochen habe. Weinzinger legte daher einen Entschließungsantrag ihrer Fraktion auf Wiedereinreise und humanitären Aufenthalt in Österreich vor.

Teilweise namentlich bedankte sich die Rednerin bei den vielen Menschen, die sich in Österreich für Menschen einsetzen, die von Abschiebung bedroht sind. "Es wird Menschenrecht gebrochen, wenn Familien im Zuge von Abschiebungen getrennt werden", sagte Weinzinger und warf dem Innenminister "plumpe Rechthaberei" vor, wenn er derartige Vorgangsweisen rechtfertige. Die Abgeordneten bat Weinzinger, bei der Abstimmung über den Antrag der Grünen auf ein rechtsstaatlich sauberes Verfahren über Anträge auf humanitären Aufenthalt "um ein Zeichen für Rechtsstaat und Menschenrechte".

Abgeordneter Dr. CAP (S) betonte das Eintreten seiner Partei gegen jede Art von illegaler Zuwanderung sowie dafür, straffällig gewordene Asylwerber abzuschieben. Es sei notwendig, den Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu führen, die über die Grenzen ins Land komme. Auch die SPÖ sei dafür, Asyl und Zuwanderung zu trennen, wie dies durch das Fremdenrechtspaket geschehen sei. Beim Beschluss darüber habe die SPÖ aber gemeinsam mit den anderen Parteien auch beschlossen, einen Asylgerichtshof einzurichten, erinnerte Cap und warf der Regierung Schüssel nachträglich vor, diesen Gerichtshof nicht eingerichtet zu haben. "Platter muss nun auslöffeln, was ihm die Vorgängerregierung eingebrockt hat", sagte der Klubobmann der SPÖ.

Die lange Dauer von Asylverfahren identifizierte Cap als eine der Ursachen für die Probleme. Er sei dagegen, Familien auseinander zu reißen. Das sei keine Politik der offenen Tür, das bedeute keine ungeregelte Zuwanderung, denn auch die SPÖ wolle entscheiden können, wer auf den Arbeitsmarkt kommen soll. Den Vorwurf parteipolitischer Motive im Fall Zogaj gab Cap mit dem Hinweis, der Innenminister habe vor diesem Fall in Hunderten anderen Fällen positive Entscheidungen getroffen, an Platter zurück.

Die SPÖ sei gegen den Missbrauch des Asylrechts, unterstrich Cap, die Menschlichkeit sei für sie aber ein wesentliches Merkmal der Politik. Denn die Menschen wollten, dass Gesetze eingehalten und der Rechtsstaat respektierte werde, sie wollten aber auch, dass Gesetze menschlich vollzogen werden. In diesem Sinne kündigte Klubobmann Cap einen gemeinsamen Entschließungsantrag und eine Reihe von Anträgen seiner Fraktion an, die auf eine geordnete Zuwanderung, einen humanen Vollzug des Asylrechts und gegen das Auseinanderreißen von Familien gerichtet sind.

Abgeordneter Dr. SCHÜSSEL (V) entgegnete dem Klubobmann der Grünen, dass er stolz sei, Österreicher zu sein. Unser Land habe seit 1945 zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen, die sich in kritischen Notsituationen befanden und zwar ohne dass viel gefragt wurde. Die meisten von ihnen sind aber wieder zurück gegangen in ihre Heimat oder haben um Zuwanderung in Drittländern angesucht. Gerade was den Kosovo anbelangt, so haben die EU und Österreich "unendlich viel gemacht", erinnerte Schüssel, u.a. wurde weit über eine Milliarde an Wirtschaftshilfe in diese Region hineingepumpt.

Genau unterscheiden müsse man auch bei der Debatte zwischen Asyl, das für ihn ein heiliges Recht sei, und Zuwanderung. Er glaube nicht, dass man unter dem Deckmantel Asyl einfach illegal zuwandern können soll; und genau darum gehe es bei dem angesprochenen Anlassfall. Außerdem hätten die Behörden in dieser Causa in einer geradezu "atemberaubenden Geschwindigkeit entschieden". Herr Zogaj, der im Mai 2001 illegal mit Schleppern nach Österreich gekommen ist, habe nämlich bereits ein Jahr später den negativen Asylbescheid erhalten. Dennoch habe er drei, vier Monate später die ganze Familie mit fünf Kindern nachgeholt, zeigte Schüssel auf. Drei Monate später wiederum sei dann für die ganze Familie das Asyl abgelehnt worden. Er frage sich auch, woran nun der Minister schuld sein soll: daran, dass im Jahr 2005 mit breitester Mehrheit und mit den Stimmen der SPÖ das Fremdenrecht beschlossen wurde, oder daran, dass Gesetze eingehalten werden?

Abgeordneter STRACHE (F) meinte, es sei selbstverständlich eine "Schweinerei", dass Asylverfahren in Österreich so lange dauern. Die Gründe dafür liegen u.a. in der Ablehnung einer notwendigen Verschärfung und Optimierung der Asylgesetze, urteilte er, weshalb bis heute keine verkürzten Verfahren, die zwischen sechs und zwölf Monaten dauern, möglich sind. Dadurch können sich noch immer tausende "Scheinasylanten", die unter falschen Angaben ins Land kommen, den Aufenthalt in Österreich jahrelang erschwindeln. Aufgrund der notwendigen Grundversorgung erhalten viele so genannte NGOs und auch die Caritas viel Geld, nämlich bis zu 350 Millionen Euro pro Jahr. Manche dieser Organisationen haben dadurch gar kein Interesse, ehrliche und wirklich verfolgte Asylwerber von den unehrlichen zu trennen, vermutete Strache.

Die "links-linken Gutmenschen" agieren nun mit Einzelfällen, die als "weiße Asyllämmchen" dargestellt werden, führte der Redner weiter aus. Wenn man sich die Fälle aber näher anschaut, dann erkenne man, dass es sich um "schwarze Schafe handelt", die "Scheinasylanten" sind; und hier dürfe und könne der Staat nicht nachgeben. Auch im Fall Zogaj dürfe sich der Staat nicht erpressen lassen, betonte Strache, weil dadurch ein Präzedenzfall geschaffen würde. Es soll eine Familienzusammenführung geben, aber dort, wo die Familie herkommt, nämlich im Kosovo. Die Vorschläge der Grünen würden zu einer "Tür-Auf-Politik" für jeden und einer noch massiveren Massenzuwanderung führen, kritisierte Strache. Das werden die Freiheitlichen sicher nicht zulassen, denn dann würde Österreich in Chaos und Anarchie untergehen.

Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (B) erinnerte den Abgeordneten Cap daran, dass er im Jahr 2005 das Asylpaket noch als ausgezeichnetes Gesetz bezeichnet hat, weil es Missbrauch abstellt und die menschenrechtlichen Grundsätze wahrt. Seine Partei, die dieses Gesetz, das erstmals eine wirklich gute Zuwanderungspolitik gewährleistet, mitentwickelt und beschlossen hat, stehe daher dazu und auch zum Innenminister, der das Gesetz nun umsetzt. Den Grünen warf Westenthaler billigen Aktionismus vor und die Abgeordnete Petrovic habe sogar bekannt, dass sie zu jenen gehöre, die mithelfen, Menschen zu verstecken. Dies sei eine Verletzung des Fremdenrechtsgesetzes und eine Beihilfe zu einem unbefugten Aufenthalt, zeigte der Redner auf. Das BZÖ habe daher heute bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen sie eingebracht, weil es nicht sein könne, dass eine gewählte Mandatarin zu einem Gesetzesbruch aufruft.

In der ganzen Debatte sei immer so viel von Mitleid die Rede, führte Westenthaler weiter aus. Aber wer habe Mitleid mit dem 24-jährigen Au-pair-Mädchen und der 40jährigen Hilfsarbeiterin in Oberösterreich, die von zwei tschetschenischen Asylwerbern vergewaltigt wurden? Und wer hat Mitleid mit den unzähligen Familien, deren Häuser von einer 20köpfigen Bande von Asylwerbern in den letzten Monaten ausgeraubt wurden? Es gehe daher darum, sich konkrete Lösungen für einzelne Härtefälle und für jene zu überlegen, die nicht straffällig sind, die sich integrieren wollen und die aufgrund von Behördenverzug hier sind. Deshalb habe das BZÖ als einzige Partei einen Sechs-Punkte-Katalog ausgearbeitet, der in Form eines Entschließungsantrags vorliegt.

Bundesminister Mag. DARABOS plädiert für eine Versachlichung der Debatte und lehnt alle extremen Positionen, etwa den Wunsch nach Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen oder dass alle Asylwerber Kriminelle sind, ab. Er sei bestärkt darin, dass die Linie der SPÖ, die sowohl Rechtsstaatlichkeit als auch Menschlichkeit in der Asylpolitik betont, die richtige ist. Das Schicksal der Familie Zogaj bewege die Bevölkerung deshalb so sehr, weil die große Mehrheit der Österreicher nicht verstehen kann, warum so gut integrierte Menschen nicht hier bleiben können. Der Kern der Problematik liege aber nicht beim Fremdenrecht 2005, das klare Rahmenbedingungen für Asyl und Zuwanderung vorsieht und sogar zu einer Verbesserung im Bereich des Bleiberechts geführt hat, unterstrich Darabos.

Ein Problem sei, dass viele Asylwerber hinsichtlich ihrer Ansuchen oft jahrelang im Ungewissen gelassen wurden. Er wünsche sich daher sehr rasche Asylverfahren, weil diese Sicherheit sowohl für die Betroffenen als auch für den Staat schaffen würden. Deshalb habe seine Fraktion auch immer die Einrichtung eines Asylgerichtshofs verlangt. Schließlich wies er noch darauf hin, dass Österreich im Asylbereich mit einer Anerkennungsquote von über 20 % europaweit führend ist.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) nahm eingangs zur Situation im Kosovo Stellung. Anfang Juni wurde eine geplante Reise des Landesverteidigungsausschusses in diese Region aus Sicherheitsgründen abgesagt, erinnerte sie. Das heißt, für österreichische Parlamentarier ist der Kosovo zu unsicher, für Volksschulkinder im Alter von acht und neun Jahren aber absolut sicher. Die ÖVP befinde sich angesichts des Falls Arigona im Dilemma, meinte Glawischnig-Piesczek, denn es sei ihr wohl unangenehm, dass es in Oberösterreich ein Pfarrer war, der das kosovarische Mädchen versteckt hat, und gestern habe auch die Präsidentin der katholischen Aktion bei der Demonstration gesagt, wo Recht zu Unrecht wird, werde Widerstand zur Pflicht. Gerade für Christen gebe es eine gesellschaftliche Verantwortung für jene kleinen Kinder, die sechs Jahre in unserem Land verbracht haben und nun wieder abgeschoben werden. Die Volkspartei spreche zwar immer von ihrer christlichen Orientierung, im Einzelfall werde dann aber extrem hartherzig und unchristlich vorgegangen, kritisierte die G-Abgeordnete.

Was die Anerkennungsrate von Asylwerbern angeht, so spreche die offizielle Statistik des Innenministeriums eine andere Sprache, hielt sie dem Abgeordneten Schüssel entgegen. Während im Jahr 2003 1.575 Menschen Asyl gewährt wurde, waren es 2006 206 Personen und heuer ca. 250. Auch haben sich die Verfahren nicht beschleunigt, es wurde seit dem Fremdenrechtspaket im wesentlichen nicht mehr abgearbeitet als vorher. Wenn man mit dem Tempo weitermache, dann dauere es noch zehn Jahre, bis der "Rucksack" an 30.000 Fällen abgearbeitet wird, gab Glawischnig-Piesczek zu bedenken. Der SPÖ warf sie vor, dass sie bei der Verabschiedung des Fremdenrechts im Jahr 2005 die zahlreichen kritischen Stimmen nicht ernst genommen hat. Heute sehe man, dass die Einwände berechtigt waren und unzählige Härtefälle eingetreten sind. Sie frage sich zudem, warum bis zum heutigen Tag kein einziger Schritt gesetzt wurde, um den so notwendigen Asylgerichtshof einzurichten.

Abgeordneter PARNIGONI (S) wies seine Vorrednerin darauf hin, dass die Reise des Verteidigungsausschusses in den Kosovo am 21. und 22. Oktober nachgeholt werde. Von mangelnder Sicherheit im Kosovo könne also keine Rede sein, meinte er.

Namens der SPÖ stellte Parnigoni nochmals klar, seine Fraktion sei gegen illegale Einwanderung und für eine geordnete Zuwanderung sowie gegen eine generelle Amnestie. Ein allgemeines Bleiberecht sei nicht geeignet, Probleme zu lösen, vielmehr müssten Einzelfalllösungen gefunden werden. Überzeugt zeigte sich Parnigoni davon, dass der Asylgerichtshof im ersten Halbjahr 2008 eingerichtet wird.

In einem von Parnigoni eingebrachten Entschließungsantrag begrüßen SPÖ und ÖVP die Erarbeitung eines Kriterienkatalogs für die Gewährung eines humanitären Aufenthaltsrechts sowie die Einbindung von Ländern und Gemeinden in die Entscheidungsfindung. Härtefälle sollten von Vornherein vermieden werden, heißt es im Antrag. Parnigoni zufolge ist es den Sozialdemokraten bei Einzelfallentscheidungen besonders wichtig, die familiäre Situation der Betroffenen, Schulbesuche, Sprachkenntnisse, die Akzeptanz europäischer Werte, berufliche Aussichten und strafrechtliche Unauffälligkeit zu berücksichtigen.

Abgeordneter DI MISSETHON (V) setzte sich eingangs seiner Rede kritisch mit dem ORF auseinander und bemängelte u.a., dass die Rede von Wolfgang Schüssel nur teilweise übertragen worden sei. Grünen-Chef Van der Bellen warf er vor, ein falsches Bild vom Kosovo gezeichnet zu haben. In den letzten Jahren seien Hunderttausende Häuser und zahlreiche Infrastruktureinrichtungen neu aufgebaut worden. Österreich sei nach dem Krieg in einer ähnlichen Situation gewesen, sagte Missethon, seine Elterngeneration sei aber "zurückgekommen und nicht davongelaufen".

Dem Innenminister dankte Missethon dafür, dass er sich in den letzten Tagen nicht beeindrucken habe lassen und Gesetze umgesetzt habe. "Linke Hetze" bringe niemanden weiter, erklärte er. Ein generelles Bleiberecht würde nach Meinung Missethons Schlepperbanden Tür und Tor öffnen, deshalb werde das Fremdenrechtspaket auch "keinen Millimeter aufgeschnürt". Als wirklich unmenschlich wertete es der Abgeordnete, den Menschen keinen reinen Wein einzuschenken.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) sprach sich klar gegen ein Bleiberecht für abgewiesene Asylwerber aus. Man müsse deutlich zwischen Zuwanderung und Asyl unterscheiden, Asyl könne nur als Schutz auf Zeit gesehen werden, unterstrich sie. Ein Bleiberecht widerspreche dem Asylgedanken und würde den Rechtsstaat ad absurdum führen. Der Abgeordneten zufolge werden Asylverfahren – nicht zuletzt aus geschäftlichen Gründen – bewusst verschleppt, um dann auf ein Bleiberecht zu drängen. Die Vermischung von Zuwanderung und Asyl hat ihrer Darstellung nach etwa dazu geführt, dass 2005 bei einer Zuwanderungsquote von 7.000 Personen tatsächlich 50.000 Personen nach Österreich zugewandert sind.

In einem von Rosenkranz eingebrachten Entschließungsantrag fordert die FPÖ eine Neuregelung des Asyl- und Fremdenrechts. Konkret spricht sie sich u.a. für die rasche Einrichtung eines Asylgerichtshofs, ein Neuerungsverbot bei Asylanträgen, die Ablehnung von Asylverfahren für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten und die sofortige Abschiebung der Betroffenen bei Einstellung eines Asylverfahrens aus.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) sprach von einer aus Sicht der Grünen missglückten Sondersitzung. Seiner Auffassung nach hat die Sitzung mitgeholfen, eine "beispiellose" Medienkampagne zu "entzaubern". Anstatt auf ein generelles Bleiberecht hinzuwirken, wäre es Scheibner zufolge sinnvoller, sich für eine Forcierung der Wiederaufbauhilfe im Kosovo stark zu machen. Den Kosovaren sollte in ihrer eigenen Heimat und nicht im Ausland eine Zukunft ermöglich werden. Zum Fall der Familie Zogaj merkte Scheibner an, mit den an illegale Schlepperorganisationen bezahlten 10.000 € hätte die Familie einen Neuanfang im Kosovo beginnen können.

Ein von Scheibner eingebrachter Entschließungsantrag zielt auf die rasche Schaffung eines Asylgerichtshofs zur Straffung von Asylverfahren ab. Man müsse, so das BZÖ, undifferenzierte Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs zu Gunsten von Asylwerbern auf Grund zu langer Verfahrensdauer vermeiden.

Abgeordnete ZWERSCHITZ (G) brachte zu Beginn ihrer Rede den von ihrer Fraktionskollegin Glawischnig-Piesczek bereits angekündigten Misstrauensantrag gegen Innenminister Platter ein. Ihrer Meinung nach werden die Großparteien auf Grund der Sachlage nicht auf dem Fremdenrecht beharren können. Vielmehr sieht sie die Notwendigkeit, ein humanitäres Bleiberecht zu schaffen. "Wir brauchen keine Willkürakte, sondern endlich faire Verfahren und Menschlichkeit", betonte Zwerschitz. Der Staat habe eine Verantwortung für in Österreich lebende Kinder. In Richtung SPÖ führte Zwerschitz aus, sie finde es beschämend, dass es eher um Wählerstimmen als um Menschenschicksale gehe.

Abgeordnete Dr. HLAVAC (S) erklärte, sie wolle klarstellen: das Gesetz sei das eine, die zum Teil erfolgten, zum Teil angedrohten Entscheidungen das andere. Eine humanitäre Lösung von Einzelfällen sei auf Grund der geltenden Gesetzeslage möglich. Innenminister Platter gebe sie grundsätzlich Recht, wenn er sage, dass sich ein Staat nicht erpressen lassen dürfe, sagte Hlavac, bei verzweifelten Hilferufen einer 15-jährigen hart zu bleiben, sei jedoch kein Zeichen von Stärke. Ein allgemeines Bleiberecht lehnt die SPÖ Hlavac zufolge als falsches Signal ab, wobei sie auf abschreckende Entwicklungen in anderen Ländern verwies. Einzelfälle müssten aber sorgfältig geprüft werden.

Abgeordnete TAMANDL (V) machte die Familie Zogaj selbst verantwortlich für ihre derzeitige Situation. Der Vater sei mit Hilfe von Schlepperbanden nach Österreich gekommen und habe später seine Familie nachgeholt, obwohl ihm schon nach wenigen Monaten klar gemacht worden sei, dass er in Österreich kein Asyl erhalte. Verwundert zeigte sich Tamandl darüber, dass die Grünen einen Misstrauensantrag gegen Innenminister Platter eingebracht hätten, nur weil er geltende Gesetze vollziehe. Im Übrigen betonte sie, dass das Innenministerium keine Familien in ihre Heimat rückführe, ohne sich vorher einen Überblick über die dortige Situation zu verschaffen.

Abgeordneter WEINZINGER (F) legte zwei Entschließungsanträge seiner Fraktion vor. Zum einen verlangt die FPÖ den Einsatz von DNA-Analysen als Grundlage für Verwandtschaftsnachweise bei Familiennachzug zur Immigrationskontrolle, zum anderen will sie die Erstaufnahmestellen für Asylwerber in Traiskirchen und Thalham sofort schließen und stattdessen ein neues Aufnahmezentrum in der Nähe der österreichischen Grenze, weitab von Wohngebieten, eröffnen.  Weinzinger gab zu bedenken, dass sich Anrainer von Erstaufnahmezentren zutiefst bedroht fühlten.

Generell hielt Weinzinger fest, es kämen viele Menschen nach Österreich, die lediglich vorgeben, in ihrer Heimat verfolgt zu werden. Er sieht, wie er sagte, keinen Grund dafür, Leute zu benachteiligen, die nicht ausreichend "kriminelle Energie" aufbrächten, um mit Hilfe von Schlepperbanden nach Österreich zu gelangen. Asyl ja für die, die es wirklich brauchen, bekräftigte Weinzinger, aber Asyl nein für  jene, die sich lediglich bessere Lebensbedingungen schaffen wollten.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) warf den Grünen "linken Aktionismus" und "leere Phrasen" vor. Irritiert zeigte er sich auch mit der Haltung der SPÖ. Während Abgeordneter Cap von menschlichen Kriterien sprach, fordere Landesrat Ackerl eine Generalamnestie. Darmann erteilte Überlegungen in Richtung Amnestie eine klare Absage und untermauerte die Forderung seiner Fraktion nach einer strengen Einzelfallprüfung und der raschen Umsetzung des Asylgerichtshofes.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) sah die Gründe für die aktuelle Situation auch bei Versäumnissen der Vorgängerregierung, einen Asylgerichtshof zu etablieren. Eine Lösung für Härtefälle versprach sich der Redner von einem humanitären Bleiberecht für integrierte Familien, gehe es doch, wie er es ausdrückte, darum, das Herz sprechen zu lassen als Ergänzung zum Regelungswerk. 

Abgeordnete MANDAK (G) betonte, sie hätte sich eine geheime Abstimmung über den Antrag der Grünen auf Abschiebestopp gewünscht, und bedauerte, dass dies an der Mehrheit der Regierungsparteien scheitern werde. Nun würden aber die Kollegen in einer namentlichen Abstimmung Gelegenheit haben, Farbe zu bekennen.

Abgeordneter ZACH (S) sprach Innenminister Platter sein Misstrauen aus und argumentierte, der Bogen sei überspannt, das Grundrechtsbewusstsein des Ressortchefs sei inakzeptabel.

Bei der Abstimmung wurden der Antrag der Grünen betreffend Bleiberecht für Integrierte ebenso abgelehnt wie der Entschließungsantrag der Grünen betreffend humanitäre Aufenthaltsgenehmigung für die Familie Zogaj.

Der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Abschiebestopp für Integrierte erhielt ebenfalls keine Mehrheit.

In der Minderheit blieben auch sämtliche Entschließungsanträge von BZÖ bzw. FPÖ.

Mit Stimmenmehrheit nahm der Nationalrat hingegen den Entschließungsantrag der Regierungsparteien betreffend Asyl an.

Abgelehnt wurde der Misstrauensantrag der Grünen gegen Innenminister Platter. (Schluss)