Parlamentskorrespondenz Nr. 736 vom 11.10.2007

Kinderbetreuungsgeld: Familienausschuss stimmt Regierungsvorlage zu

Künftig stehen drei Modelle zur Auswahl

Wien (PK) – Eltern werden künftig beim Kinderbetreuungsgeld zwischen drei verschiedenen Modellen wählen können. Der Familienausschuss des Nationalrats stimmte heute mit SP-VP-Mehrheit einem entsprechenden Vorschlag der Regierung zu. Demnach wird es künftig neben der klassischen Bezugsvariante von Kinderbetreuungsgeld (30 plus 6 Monate lang 436 €), auch zwei weitere Varianten – 18 Monate lang 800 € bzw. 24 Monate lang 624 € –  geben, wobei die Auszahlung an einen Elternteil in der ersten Alternativvariante auf maximal 15 Monate und in der zweiten Alternativvariante auf maximal 20 Monate beschränkt ist. Beide neue Varianten kommen insbesondere jenen Eltern entgegen, die anlässlich der Geburt eines Kindes nur für kürzere Zeit aus dem Erwerbsleben aussteigen möchten. Auch für Eltern, deren Kinder vor dem 1. Jänner 2008 geboren wurden, ist eine Umstiegsmöglichkeit vorgesehen.

Geeinigt haben sich SPÖ und ÖVP darüber hinaus auf eine Anhebung der jährlichen Zuverdienstgrenze zum Kinderbetreuungsgeld von 14.600 € auf 16.200 € sowie eine Einschleifregelung für Kinderbetreuungsgeld-Rückzahlungen bei Überschreitung der Zuverdienstgrenze. Die Zuverdienstgrenze für den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld wird künftig ebenfalls 16.200 € betragen und damit verdreifacht.

Die Gesamtkosten für das Kinderbetreuungsgeld im Vollausbau werden in den Erläuterungen der Regierungsvorlage mit 918,6 Mill. € angegeben.

Während sich VertreterInnen der Koalitionsparteien im Familienausschuss mit dem auf Regierungsebene erzielten Kompromiss grundsätzlich zufrieden zeigten, äußerte sich die Opposition kritisch. Zwar begrüßten auch Grüne, FPÖ und BZÖ einzelne Bestimmungen der Gesetzesnovellierung, gleichzeitig hoben sie jedoch eine Reihe von Kritikpunkten hervor. So traten alle drei Oppositionsparteien für eine generelle Abschaffung der Zuverdienstgrenze zum Kinderbetreuungsgeld ein. Entsprechende Anträge des BZÖ (33/A) und der FPÖ (188/A[E]) blieben aber ebenso in der Minderheit wie ein Zusatzantrag der Grünen, der darauf abzielte, zumindest unselbständig Beschäftigten alternativ zur Zuverdienstgrenze eine Arbeitszeitreduktion zu erlauben.

Auch mit der Forderung nach Verlängerung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld für einen Elternteil auf 36 Monate, nach Verlängerung des Karenzanspruchs bis zum Ablauf des 3. Lebensjahres des Kindes und nach Beibehaltung der 30-monatigen Krankenversicherungsdauer auch für jene KindergeldbezieherInnen, die sich für eine kürzere Bezugsdauer entscheiden (189/A[E], 187/A[E], 290/A[E ]), konnte sich die FPÖ nicht durchsetzen. Das BZÖ mahnte darüber hinaus vergeblich die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten ein (215/A[E]).

Eingeleitet wurde die Diskussion im Ausschuss von SPÖ-Familiensprecherin Andrea Kuntzl. Sie sei sehr froh, dass die gegenständliche Regierungsvorlage endlich am Tisch liege, meinte sie, schließlich werde schon seit Jahren über einen Adaptierungsbedarf des Kinderbetreuungsgeldgesetzes diskutiert. Ihrer Ansicht nach ist das Kinderbetreuungsgeld-System in der jetzigen Form viel zu starr. Bedauern äußerte Kuntzl allerdings darüber, dass hinsichtlich weiter gehender Wünsche der SPÖ – Entfall der Zuverdienstgrenze bei Arbeitszeitreduktion, Kinderbetreuungsgeld auch für subsidiär Schutzberechtigte, Verbesserungen für AlleinerzieherInnen – keine Einigung erzielt werden konnte.

Abgeordnete Sabine Mandak (G) hielt fest, das Kinderbetreuungsgeldgesetz sei schlicht ein "Murks-Gesetz" mit vielen Hürden und Stolpersteinen und habe noch dazu seine Intention, nämlich die stärkere Einbindung von Vätern in die Kinderbetreuung, nicht erreicht. In diesem Sinn sei ihre Partei der Auffassung, dass es eines völlig neuen Gesetzes – nämlich der Einführung eines einkommensabhängigen Karenzgeldes – bedürfe. Mandak räumte allerdings ein, dass die vorliegende Gesetzesnovelle Verbesserungen bringe und nannte konkret die Flexibilisierung des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld sowie die Einschleifregelung bei Überschreitung der Zuverdienstgrenze.

Sowohl Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F) als auch Abgeordnete Ursula Haubner (B) kritisierten, dass es zu einer Kürzung des Gesamtbezugs an Kinderbetreuungsgeld komme, wenn Eltern die Kurzleistungsmodelle in Anspruch nehmen. Nach Ansicht von Rosenkranz widerspricht die Zuverdienstgrenze überdies der angestrebten Wahlfreiheit bei der Regelung der Kinderbetreuung. Die Forderung der FPÖ nach einem 36-monatigen Bezug von Kinderbetreuungsgeld auch für nur einen Elternteil begründete die FPÖ-Familiensprecherin damit, dass das verpflichtende Splitting in 30 plus 6 Monate keinerlei Steuerungseffekt bewirkt habe.

BZÖ-Familiensprecherin Haubner gab generell zu bedenken, dass die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes im Jahr 2002 ein echter politischer Meilenstein gewesen sei. Viele Mütter, die bis dahin keinen Anspruch auf Karenzgeld gehabt hätten, würden nun Kinderbetreuungsgeld bekommen. Auch Umfragen hätten stets eine hohe Zufriedenheit der Eltern mit dem Kinderbetreuungsgeld ergeben, sagte Haubner, lediglich die komplizierte Berechnung der Zuverdienstgrenze sei bemängelt worden. Sie sprach sich daher wie Abgeordnete Rosenkranz für eine völlige Abschaffung der Zuverdienstgrenze aus.

ÖVP-Familiensprecherin und Ausschussvorsitzende Ridi Steibl gab im Hinblick auf die Forderungen der Opposition zu bedenken, dass das Kinderbetreuungsgeld als Familienleistung aus dem Familienlastenausgleichsfonds bezahlt werde und dieser leer sei. Eine Aufhebung der Zuverdienstgrenze würde ihr zufolge 300 Mill. € kosten und wäre ohne Leistungskürzungen als Ausgleich nicht machbar. Die neuen Auswahlvarianten wurden sowohl von Steibl als auch von ihren FraktionskollegInnen Nikolaus Prinz, Andrea Eder-Gitschthaler und Anna Höllerer begrüßt. Die Frage der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten will Eder-Gitschthaler im Zuge der für das Jahr 2010 geplanten Steuerreform diskutieren.

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S) stellte die von Abgeordneter Haubner konstatierte hohe Zufriedenheit mit dem Kinderbetreuungsgeld in Frage. So werde beispielsweise das Kinderbetreuungsgeld nicht als ideales Instrument gesehen, um Beruf und Familie zu vereinbaren. Überdies hat das Kinderbetreuungsgeld ihr zufolge Frauen aus dem Arbeitsmarkt herausgeholt und keinen Beitrag dazu geleistet, Väter verstärkt in die Kinderbetreuung einzubinden. Allgemein merkte Stadlbauer an, sie freue sich, dass die ÖVP über ihren Schatten gesprungen sei und das Flexibilisierungsmodell mittrage. Eine steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten lehnte Stadlbauer ebenso wie Grün-Abgeordnete Barbara Zwerschitz ab, da eine solche, wie beide Abgeordnete argumentierten, nur Wohlhabenden zugute komme.

FPÖ-Familiensprecherin Rosenkranz verwahrte sich gegen die Behauptung, das Kinderbetreuungsgeld wäre eine Falle für berufstätige Frauen gewesen. Sie plädiere für Wahlfreiheit, betonte die Abgeordnete, es gehe weder darum, Mütter an den Herd zurückzudrängen noch an die Supermarktkasse.

Familienministerin Andrea Kdolsky hielt fest, bei den Flexibilisierungsmodellen handle es sich ihrer Ansicht nach um ein gutes Konzept. Gleichzeitig gab sie zu bedenken, dass eine Aufhebung der Zuverdienstgrenze nicht finanzierbar sei. Die Einführung von Arbeitszeitgrenzen anstelle der Zuverdienstgrenze würde Kdolsky zufolge einen massiven zusätzlichen Verwaltungsaufwand verursachen. Die Berechnung der Zuverdienstgrenze soll laut Ministerin durch einen ab Jänner 2008 bereit gestellten Online-Rechner vereinfacht werden.

Neben dem Themenkomplex Kinderbetreuungsgeld standen im Familienausschuss auch eine Aktuelle Aussprache und drei weitere Oppositionsanträge auf der Tagesordnung. (Fortsetzung)