Parlamentskorrespondenz Nr. 793 vom 30.10.2007

Erstes Begleitgesetz zur Strafprozessreform passiert Justizausschuss

Alle Fraktionen begrüßen Stärkung der Opferrechte

Wien (PK) - Im Gefolge der großen Strafprozessreform müssen auch weitere Gesetze an die geänderte Rechtslage angepasst werden. Der Entwurf für ein Strafprozessreformbegleitgesetz I (231 d.B.) passierte heute mit Mehrheit den Justizausschuss. Der Entwurf sieht u.a. Bestimmungen vor, durch die die Rechtsstellung von Opfern und Beschuldigten verbessert wird. So soll es in Zukunft Opfern, die sich als Privatbeteiligte dem Verfahren anschließen, möglich sein, Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben. Der Verteidiger soll eine schriftliche Gegenäußerung zur Anklageschrift einbringen können. Angeklagte sollen das Recht haben, sich in der Hauptverhandlung eines Privatsachverständigen zu bedienen.

Die Abgeordneten begrüßten in der Debatte die Vorlage grundsätzlich, wiesen aber auf Details hin, die weiterer Erörterung bedürften. So traten Redner verschiedener Fraktionen für eine Klärung der behördlichen Zuständigkeit bei der Strafverfolgung ein, andere übten Kritik an der Gleichstellung der Bewertung von Falschaussagen bei der Kriminalpolizei und vor Gericht. Einhellig befürworteten die MandatarInnen die genaue Beobachtung der Handhabung des Gesetzes in der Praxis – Justizministerin Maria Berger kündigte in diesem Zusammenhang eine wissenschaftliche Begleitung an –, um allfällige spätere Adaptierungen vornehmen zu können.

Die Debatte

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) mahnte eine genaue Beobachtung der praktischen Umsetzung des Gesetzes ein und auch S-Abgeordneter Johannes Jarolim sprach sich für eine Evaluierung aus. Bei der Umsetzung werde u.a. auch darauf zu achten sein, dass z.B. die Möglichkeiten der schonenden Einvernahme auch tatsächlich genützt würden. Der Abgeordnete brachte einen Abänderungsantrag ein, der einige Präzisierungen – etwa die Unwirksamkeit von unter Folter erreichten Aussagen – vorsieht. Jarolims Fraktionskollegin Bettina Stadlbauer plädierte dafür, schonende Einvernahmen anzuordnen, falls Richter sich weigerten und plädierte für entsprechende Schulungen. Abgeordneter Johann Maier (S) begrüßte die Stärkung der Rechte von Opfern und Privatbeteiligten; hätte es diese Gesetzeslage schon früher gegeben, wären WEB- und AMIS-Geschädigte rascher zu ihrem Recht gekommen. Kritisch wandte sich Maier, unterstützt von Abgeordnetem Otto Pendl (S), gegen die ausstehende Zuständigkeitslösung der Behörden nach Delikten – eine Materie, die allerdings im Innenausschuss zu lösen sei.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) wandte sich kritisch gegen die rechtliche Gleichbewertung von Falschaussagen bei der Vernehmung durch die Kriminalpolizei und vor Gericht; dies hätte unterschiedliches Gewicht, meinte Steinhauser. Auch Abgeordneter Robert Aspöck (F) äußerte sich in diesem Sinn. Für das Justizministerium führte dazu Christian Pilnacek aus, es handle sich um eine "völlig einheitliche Vernehmungssituation", Gleiches solle gleich behandelt werden. Abgeordneter Gernot Darmann (B) bekannte sich zum Entwurf, wandte sich aber gegen damit verbundene materielle Änderungen im Berufsrecht betreffend Notare und Anwälte.

Justizministerin Maria Berger betonte, dass für die am 1. Jänner 2008 in Kraft tretende Strafprozessreform für alles Vorhersehbare vorgesorgt sei. Auch im Hinblick auf die personelle Ausstattung der Staatsanwaltschaften mit StaatsanwältInnen und mit nichtrichterlichem Personal; auch die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden laufe gut. In der Frage der Behördenzuständigkeit ortete die Ressortchefin demgemäß eher ein verfassungsrechtliches denn ein praktisches Problem. Klar wandte sie sich gegen Überlegungen, bei Unterlassen der schonenden Einvernahme Nichtigkeit vorzusehen; dies hätte zur Folge, dass es für die Opfer zu einer Wiederholung komme. In diesem Punkt sei die Zusammenarbeit von RichterInnen und ProzessbegleiterInnen gefordert, betonte Berger. Eine abschließende Regelung der berufsrechtlichen Fragen sollte im Berufsrecht selbst erfolgen.

Anträge der Oppositionsfraktionen vertagt

Zusammen mit dem Strafprozessreformbegleitgesetz wurden drei Anträge debattiert. Im einzelnen handelte es sich dabei um einen Antrag der FPÖ zur wirksameren Bekämpfung von Zwangsehen, um eine vom BZÖ angestrebte Verschärfung des Strafrechts (413/A) sowie um vom BZÖ geforderte Maßnahmen zur Bekämpfung der terroristischen Gefahr (383/A[E]). Sämtliche Anträge wurden mit Mehrheit vertagt.

Abgeordneter Fichtenbauer (F) begründete den Antrag seiner Fraktion damit, dass das strafrechtliche Instrumentarium nicht ausreiche; es müssten auch "Partizipanten" erfasst werden. Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) zeigte sich erfreut, dass sich die FPÖ "mehr um die Frauen kümmern" wolle, befand aber im Gegensatz zu seinem Vorredner das rechtliche Instrumentarium als ausreichend. Statt einen neuen Straftatbestand zu schaffen, sollte man mehr für die soziale Sicherheit tun.

Abgeordnete Barbara Riener (V) sah die Notwendigkeit, einige der angesprochenen Themen zu diskutieren. Sie stellte einen Vertagungsantrag für die drei Anträge. Abgeordneter Gernot Darmann (B) erklärte sich mit der Grundidee des F-Antrags einverstanden, übte aber Kritik an Details. Abgeordneter Johannes Jarolim (S) wandte sich dagegen, Strafen vorzusehen, wo kein Verschulden vorliege.

Zu den beiden Anträgen des BZÖ konstatierte Abgeordneter Gernot Darmann ein Missverhältnis bei den Mindeststrafen. Die geplante Regelung von Computer-Onlinedurchsuchungen gehe zu wenig weit: Bei Terrorismus sei Gefahr im Verzug, daher sollte die vorgängige richterliche Bewilligung von Maßnahmen durch eine nachgängige Kontrolle ersetzt werden.

Justizministerin Maria Berger betonte, dass die Teilnahme an terroristischen Trainingscamps schon bei geltender Rechtslage als Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gelte. Eine Onlinefahndung ohne vorherige richterliche Genehmigung käme einer Abschaffung des Rechtstaats gleich. Dieser Bewertung schlossen sich die S-Abgeordneten Johannes Jarolim und Johann Maier an: "Da hört sich die Rechtstaatlichkeit auf" (Jarolim), "rechtstaatliche Verwahrlosung" (Maier) lauteten ihre Befunde. Jarolim und Maier äußerten Optimismus bezüglich der Tätigkeit einer einschlägigen Arbeitsgruppe.

G-Abgeordneter Wolfgang Zinggl erwartete sich von einer Erhöhung der Mindeststrafen eine gegenteilige Wirkung: Richter könnten sich scheuen, so hohe Strafen zu verhängen.

F-Mandatar Robert Aspöck meinte, seine Fraktion würde bei ihrem Antrag betreffend Zwangsehen "nicht am Wort kleben".

Letzter Punkt der Tagesordnung war ein Antrag der Grünen für die Ausweitung der Rücktrittsrechte von KonsumentInnen und die Harmonisierung von Rücktrittsrechten. Abgeordnete Bettina Hradecsni (G) plädierte dafür, auch moderne Formen – wie Fax, E-Mail - bei Rücktrittserklärungen zuzulassen. Die anderen Fraktionen sahen sämtlich zwar Handlungsbedarf, verwiesen aber – wie Abgeordneter Johann Maier (S) - auf die beabsichtigte Neuregelung des Konsumentenschutzrechts und regten – wie F-Abgeordneter Fichtenbauer - eine Ordnung der gesamten Fristen an. Abgeordneter Gernot Darmann (B) äußerte sich im Sinn einer europaweiten Harmonisierung der Materie, während V-Abgeordnete Ridi Steibl zwar den Schutz der KonsumentInnen ausgebaut, aber auch die Rechtssicherheit bei Verträgen gewahrt wissen wollte. Sie stellte einen Vertagungsantrag, der mit Mehrheit angenommen wurde. (Schluss)